Kapitel 4

~Lya Minusa~

Er trommelt zum Takt der Musik auf sein Lenkrad. "Wohin fahren wir jetzt?"

Die Fenster des Wagens halten wir geschlossen und die Klimaanlage pustet uns unermüdlich entgegen. Er stellt die Musik lauter und flucht, als uns jemand von rechts überholt.

"Das wird noch dauern, bis ich mich an den Linksverkehr gewöhnt habe." Er schaut mich an: "Wohin willst du?"

"Keine Ahnung." Es ist mir wirklich egal.

Er schnaubt amüsiert. "Komm schon, denk nach. Worauf hast du Bock?"

Ich klappe die Sonnenblende runter. "Setz mich einfach beim nächsten Hostel ab." Was zum Teufel soll ich bloß machen, wenn Olaf mir das dumme Auto nicht vorbeibringt? Ich habe mein gesamtes Ersparnis auf dieses verfluchte Auto gesetzt, um mobil zu sein und günstig in dem Ding zu übernachten.

"Kommt nicht infrage!", entgegnet er.

Ich lehne mich entnervt zurück. "Bring mich zum nächsten Hostel, Kijan!" Mir ist nicht nach Spaß und er soll mich mit seiner ekelhaften Glückseligkeit in Frieden lassen. Ich schnalle mich ab, klettere auf die Rückbank und ziehe mir meine Kopfhörer auf. Er lässt mich machen, obwohl er genau weiß, dass ich keine Musik höre.

Wir halten an, doch ich bleibe sitzen.

Er steigt aus und schließt das Auto ab, ohne mir zu sagen, wohin er geht. Ich betrachte die hohen Gebäude aus der Fensterscheibe und muss zugeben, dass Auckland wesentlich größer ist, als ich angenommen habe. Die Häuser sind modern und sehr hoch gebaut. Ich will aussteigen, doch das Auto öffnet sich nicht.
Panisch reiße ich am Türgriff. Ich betätige die Entriegelung, doch die Tür öffnet sich immer noch nicht. Meine Fingerspitzen fangen an zu zittern. Ich ziehe meine Kopfhörer ab und schreie so laut ich kann, während ich weiterhin am Türgriff reiße.

Kijan hat den Wagen auf irgendeinem gottverlassenen Parkplatz in der Stadt geparkt und ist abgehauen. Was hat er vor? Erneut greife ich den Türgriff und ziehe, doch die Tür bleibt geschlossen. Wie war sein Nachname noch gleich? Broder, hat er gesagt. Sein Name ist Kijan Broder. Er ist groß mit schwarzen Haaren und blauen Augen. Mehr weiß ich nicht - wenn mich jemand findet, dann kann ich nicht ein Mal die Person beschreiben, die mich eingesperrt hat.
Ich schreie erneut und klopfe gegen die Scheibe, die verdunkelt ist, weshalb mich niemand hier drinnen verzweifeln sieht.

Während ich mit dem Gedanken spiele, die Scheibe zu zerschmettern, zittert mein Atem. Ich ziehe meinen Schuh aus und wiege ihn in der Hand. Vielleicht reicht ein kräftiger Schlag, um das Fenster zum Splittern zu bringen. Dann kann ich hinausklettern, abhauen und ihn schnell vergessen. Ich war so blöd, in den schwarzen Jeep eines Fremden einzusteigen ...

Die Tür zur Rückbank öffnet sich und ich fahre erschrocken zusammen. Den Schuh in der Hand rutsche ich auf die andere Seite des Autos und reiße an der Tür, während Kijan mich anstarrt.

"Was machst du da?", seine Stimme ist scharf und schneidet die Luft.
Ich halte inne, den Schuh hoch erhoben.

Er legt seinen Kopf in den Nacken und ein tiefes Lachen entspringt seiner Brust. "Dachtest du, ich will dich gefangen halten?" Seine Stimme ist rau. "Leg den Schuh weg, Lya, wir müssen uns unterhalten."

Warme Luft von draußen strömt in den dunklen Innenraum des Autos.
Ich zögere, den Schuh niederzulegen.
Mein Atem geht stoßweise, während die warme Luft weiterhin in den Wagen strömt.

Kijan klettert zu mir auf die Rückbank, wobei mir erst jetzt auffällt, dass er eine braune Tüte in der Hand hält. "Ich habe uns etwas zu Essen besorgt, nachdem ich dir auf dem Flug alles weggegessen habe." Er mustert mich und etwas Tiefes, Bedauerndes schimmert in seinem Blick.

"Warum hast du mich dann eingesperrt?" Meine Worte sind tonlos.

Das Essen in seiner Hand riecht verlockend gut. Erst jetzt fällt mir auf, wie hungrig ich bin. Er öffnet die Tüte und holt zwei Burger hervor. "Ich habe dich nicht eingesperrt."

"Aber die Tür ging nicht auf!" Ich klammere mich an den Schuh in meiner Hand. "Ich wollte raus und die Tür ging nicht auf", wiederhole ich und muss mich zwingen, nicht erneut in Panik auszubrechen.

Er legt sich einlagige Servietten über den Schoß, die er im Restaurant geklaut haben muss. "Dann scheint die Verriegelung kaputt zu sein." Er beißt in seinen Burger und spricht, während er kaut: "Tut mir leid, ich wollte dir keine Angst machen. Ich werde die Verriegelung gleich morgen reparieren lassen." Er beißt erneut in seinen Burger und schließt genussvoll die Augen.

Ich lasse den Schuh in meiner Hand sinken und fühle mich mit einem Mal so dumm, dass ich ihm unterstellt habe, mich einzusperren.

Natürlich war es nicht mit Absicht. Trotz dessen erwidere ich nüchtern: "Du musst sie nicht reparieren, ich werde nur bis zum nächsten Hostel bei dir bleiben."

Er wisch sich mit dem Ärmel über seinen Mund. "Okay, wenn du meinst." Es klingt desinteressiert, und das ärgert mich, doch ich sage nichts. Sein Blick wandert über meinen Schuh und er schüttelt wortlos den Kopf, als könne er es nicht ganz glauben. Beschämt ziehe ich ihn wieder an.

Er reicht mir den zweiten Burger und fordert mich auf: "Iss, du hast schon seit Stunden nichts gegessen."

Ich greife nach dem herrlich duftenden Ding. "Ist da Fleisch drauf?"

"Natürlich nicht. Du hast mich so angewidert angeschaut, als ich das Gulasch auf dem Flug gegessen habe. Da war klar, dass du vegetarisch isst."

Er hat es sich gemerkt.

Und damit entlockt er mir das erste kleine Lächeln auf meiner langen Reise.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top