Kapitel 28 || Schnee
"Gleich kommt ein ziemlich schmaler Pass, dann haben wir es geschafft. Also sind wir dann noch um die zwei Tage in dem Gebirge, aber der schwierige Teil ist überstanden.", rief Manuel gegen das Tosen des Windes über die Schulter. Ich nickte nur, auch wenn er das nicht sehen konnte. Wir waren ziemlich schnell aufgebrochen, Manuel wollte möglichst schnell aus dem Gebirge.
Und tatsächlich. Nur einen Kilometer später wurde der Weg immer schmaler und schlängelte sich zwischen einer riesigen Felswand und dem Abhang lang. Ich blieb stehen. "Was ist? Traust du dich nicht?", wollte Manuel genervt wissen. "Wonach sieht es denn aus?", rutschte es mir raus, woraufhin ich sofort die Lippen zusammenkniff. "Na komm." Mit sanfteren Gesichtszügen reichte er mir eine Hand und führte mich so vorsichtig über den Weg. Immer wieder rutschten ein paar der Kieselsteine unter meinen Füßen in den Abgrund. Ich krallte mich geradezu in sein Fleisch, wenn ich stürzen würde, wäre er meine letzte Hoffnung.
Doch wir schafften es. "Du siehst ja bleicher aus, als ich.", stellte mein Begleiter grinsend fest, "Sollen wir eine Pause machen?" "Wenn das für dich in Ordnung ist und in den -" "Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich dir nur Dinge vorschlage, die ich auch umsetzten möchte?", grätschte er mir dazwischen, doch war sein Tonfall nicht so harsch, wie sonst. Im Gegenteil, seine Stimme klang weich. Also nickte ich zögerlich. "Geht doch." Dann stiefelte er etwas weiter in den Tannenwald hinein und ließ sich schließlich auf einem Baumstumpf nieder. "Komm.", meinte er und klopfte neben sich. Also saßen wir gemeinsam nebeneinander und betrachteten die Natur.
"Guck mal, ein Eichhörnchen!", rief ich und deutete aufgeregt auf einen schemenhaften Umriss. Er grinste und nickte. "Es scheint dir ja wieder besser zu gehen. Können wir weiter?" "Gerne.", stimmte ich zu und stand auf.
Kaum das wir wieder aus dem kleinen Wäldchen gegangen waren, riss der Wind so sehr an mir, dass ich für einen Moment dachte, ich würde umfallen. Doch dem war nicht so, stattdessen begann er mir die Tränen in die Augen zu treiben. Ich blinzelte, erwartete schon einen blöden Kommentar von Manu, doch der kam nicht.
"Wie weit ist es noch?", wollte ich wissen. "Ist da wer ungeduldig?", stellte er mit einem schelmischen Schmunzeln die Gegenfrage, "Noch ein oder zwei Stunden. Wir müssen uns aber ein bisschen ran halten, wir können wenn dann nur eine kurze Pause machen." "Nein, ich will gar keine Pause machen. Ich wollte nur wissen, wie lang wir noch brauchen. Es ist nämlich kalt." "Dann freu' dich aber nicht auf eine warme Hütte. Wir werden in einer ziemlich offenen Höhle übernachten.", meinte der Grünäugige und warf mir ein schadenfrohes Grinsen zu. Ich zog die Nase kraus. "Na super." "Du wolltest mit mir mitkommen." "Hatte ich eine andere Wahl? Zurück hätte ich bestimmt nicht gefunden.", rief ich gespielt verzweifelt, während sich in meinem Inneren ein schlechtes Gewissen breitmachte. Meine Eltern machten sich mit Sicherheit sorgen, egal wie stark wir uns gestritten haben. "Du hättest mir ja nicht hinterher dackeln müssen.", meinte er und zuckte mit den Schultern. "Und dann hätten wir mit dem öffentlichen Portalsystem zurück gemusst, nein danke.", schnaubte ich, was ihm nur ein Lachen entlockte. "Verwöhnt." Darauf erwiderte ich nichts mehr. Zu stark waren die Gedanken an meine Eltern.
Aus den Grübeleien wurde ich von etwas Kaltem gerissen. Eine Schneeflocke hatte ihren Weg in meinen Nacken gefunden. Auch so etwas gab es in Nya nur ausgesprochen selten. Schon bald wurden aus den vereinzelten, zarten Flocken ein tosender Schneesturm. Es verlangsamte uns und da man nach kurzer Zeit nichts mehr außer ein paar schemenhafter Umrisse nahestehender Bäume erkennen konnte, griff Manuel zum zweiten Mal an diesem Tag nach meiner Hand.
Geschrieben von
trollollollokkkk
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