Shoppingtag

1. Kapitel

Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlage, ist Chris weg.

Das erste, das ich tun muss, ist mir mein Mund auszuspülen und meine Zähne putzen. Oah, hätte ich das gestern nur, bevor ich mich an Chris kuschelte, gemacht. Ich hasse diesen Geschmack.

Nach einer ausgiebigen Waschorgie merke ich, dass ich hungrig bin und wie als Bestätigung fängt mein Magen auch an zu knurren. Bevor ich aber meinen Hunger nachgebe, gehe ich in das schlechtbelüftete Wohnzimmer zurück. Dort öffne ich das Fenster speerangelweit und will die Gläser vom Vorabend wegräumen. Zweiteres ist schon erledigt, dafür finde ich ein einfaches, weißes, beschriebenes Blatt Papier. Auf dem steht:

"Hab alles schon weggeräumt und abgespült. Wir sehen uns spätestens Montag, ah ne Dienstag, ah ich meine heute Abend. Weißt schon .P.s du siehst süß aus, wenn du schläfst. Hab dich lieb. Chris."

Oh, was ist denn das? Chris ist doch sonst nicht so ein Verfechter seiner Gefühle.
Ob ich ihm sagen sollte, dass ich immer noch Gefühle für ihn hege? Nein, erst mal nicht! Eigentlich hätte er es doch schon merken müssen...Was ist wenn ich das alles einfach falsch verstehe?

Ich werde von meinen klingelnden Handy (Ich hatte es gestern wieder auf laut gestellt.) aus meinen Gedanken gerissen. Das Display zeigt Sues Namen an.

Bevor sie überhaupt etwas an, spreche ich eine Entschuldigung aus: "Sorry, ich hab total vergessen mich bei dir zu melden." Dafür ernte ich ein kurzes Lachen.

"Auch guten Morgen. Kein Problem. Ich bin dir sogar dankbar, dass du es nicht gemacht hast.", gibt sie verschlagen von sich.

Ah, da hat wohl jemand gestern auch männliche Gesellschaft genossen. Auch wenn ich denke, dass es bei ihr und John etwas anders abgelaufen ist.

"Hast wohl einen schönen Abend gehabt?", stelle ich halb fragend fest.

Ich sehe sie schon fast vor mir. Wie Sue jetzt mit ihrem Telefon auf den Bett sitzt und ganz verzückt mit leicht roten Wangen aussieht. Wenn ich da jetzt so genauer drüber nachdenke, springen mich die Bilder im Kopf fast schon an.

Verflixtes Kopfkino.

„Ja einen sehr schönen, aber jetzt zurück zu den Grund meines Anrufes.", stellt sie leicht verlegen fest.

Den kann ich mir eigentlich schon denken, deshalb sage ich während ich zum Wohnzimmerfenster mit den beigen Vorhängen gehe: "Du meinst den Mädelsabend. Was hältst du davon wenn wir den heute und daraus einen Shoppingtag machen?".

Mir ist gerade wieder eingefallen, dass ich ja heute Abend mit den Jungs ins Kino gehe.

"Genau das meinte ich. Ein Shoppingtag?", quietscht Sue vergnügt.

Sie liebt Klamotten. Ich bin da eher der Schuh- und Taschenfetischist.

"Ja, da können wir quatschen und gleichzeitig etwas Gutes für unsere Kleiderschränke tun."

Während ich das sage, blicke ich aus dem Fenster. Ich fühle mich beobachtet. Tatsächlich. Ich sehe einen Schatten und blonde Haare schnell aus meinem Blickfeld verschwinden. Das lässt mich stutzen.

Der blonde Hüne?

Sue reißt mich aus meiner Verwirrung, indem sie aufgeregt sagt:

"Da kannst du mir dann auch erzählen, was mit dir und Max war. Ihr seid gestern, ja schon mitten im Film verschwunden. Du Luder."

Ein Lachen folgt ihre leidlich ausgesprochenen 'Strafpredigt'.

Immer noch nach einer Bewegung suchend auf der Straße antworte ich leicht abwesend: "Ja mache ich. Okay ich hole dich in zwei Stunden ab, dann fahren wir nach Summerville."

Summerville ist ein kleines Städtchen zwanzig Kilometer von unserem winzigen Örtchen White Lake entfernt. (White Lake besitzt gerade mal das kleine Kino, einen Tante Emma Laden und eine Tankstelle. Selbst wenn ich zu meiner Arbeit will, muss ich nach Summerville. Zu Glück habe ich ein Auto.)

"Gut bis nachher", ruft Sue noch durchs Handy, worauf ich nur mit einen: "Bye!", antworte.

Langsam und mit einen Kopfschütteln entferne ich mich vom Fenster und gehe in die Küche. Der Hunger siegt. Kein Wunder es ist schon mittags. Mmh, solange habe ich schon lange nicht mehr geschlafen, da lohnt sich doch mal ein freies Wochenende.

Mit zwei Thunfischsandwiches bewaffnet setze ich mich an die Kücheninsel. Ich höre die Haustür. Meine gesamte Familie kommt in die Küche gestürzt mit Einkaufsttüten in der Hand. Mom und Sally eine und mein Dad zwei. Vier volle Tüten. Für wen soll das denn alles reichen? Sie brauchten doch nur etwas für mich einkaufen.

Warum?

Ganz einfach, da sie heute für den größten Teil der Ferien in den Urlaub fliegen und entfernte Verwandte besuchen, ohne mich. Drei Monate, da sie drei Wochen vor den Ferien zwar losfuhren, dafür aber auch die gleiche Zeit früher wieder kommen würden. Ich wollte/will es so, denn ich habe auf der Arbeit nicht für so solange frei bekommen. Außerdem kann ich so alleine den letzten Ferienmonat in Schottland verbringen.

"Guten Morgen, Rachel. Auch schon wach?", entgegnet mir mein Vater liebevoll spöttisch.

"Guten Morgen alle zusammen. Ja bin ich. Ich hab da mal eine Frage: Wer soll das alles essen?", frage ich leicht ungläubig und zeige auf die überquillenden Beutel.

Meine übervorsorgliche Mutter lächelt und sagt:

"Wir wollen nur nicht, dass du uns verhungerst."

Daraufhin entfährt mir ein Schnauben. Bis ich das alles aufgegessen habe, ist die Hälfte schon schlecht. Da werde ich wohl strategisch essen müssen. Das mit dem frühesten Verfallsdatum als erstes und so weiter.

Sally verlässt die Küche und Mom ruft ihr hinterher:

"Du brauchst gar nicht zu faulenzen! Hol deine Koffer und komm wieder runter, das Taxi kommt nämlich gleich."

"Du schaffst das schon, wenn nicht, lade deine Freunde einfach öfter zum Essen ein", spricht Dad auf mich ein und drückt mir fünfhundert Dollar in die Hand. Entgeistert schaue ich auf das Geld. Was soll das denn? Meine Eltern hatten mir schon tausend Dollar extra zu meinen ersparten zweitausend für Schottland gegeben. Das ist zu viel.

"Dad", fange ich an, aber er tut so als würde er mich nicht hören und verschwindet die Treppe hinauf, wahrscheinlich um die restlichen Koffer zu holen. Er will also nicht drüber reden auch gut, dann wird halt das Geld für mein Studium aufgehoben. Ich habe eh nicht vor dreitausend, ah nein dreitausendfünfhundert Dollar in Schottland zu lassen. Ein Teil davon aber beim heutigen Shoppingtag.

Nach einer herzzerreißenden Abschiedsszene, bei der meine Schwester ohne ein Wort ins Taxi gestiegen ist, bin ich nun allein. Für zwei Monate alleine in Amerika und dann ein Monat in Schottland. Ah ja und noch diese zwei letzten Schulwochen. Irgendwie komisch, solange bin ich noch nie ohne meine Familie gewesen.

Egal, nun ist es zu spät und außerdem hab ich ja noch Chris und Sue, Isi...

Die fünfhundert Dollar habe ich gleich im Portemonnaie verstaut, denn ich werde sie zumindest zum Teil brauchen und den Rest zahle ich einfach ein. Viele Sachen fehlen mir noch für meinen Urlaub und wer weiß, wann ich das nächste Mal shoppen gehen werde.

Es gilt noch etwas Zeit rumzukriegen, bis ich Sue abholen fahre, also begebe ich mich in den Garten hinter unserem Haus. Mit einen Buch in der Hand und Kopfhörern in den Ohren setze ich mich unter den großen Apfelbaum in der Mitte des Fleckchen Grüns. Hier ist etwas kühler, als in der prallen Sonne. Obwohl ich nur blaue Shorts und ein weißes Top trage, ist die Hitze unerträglich.

Völlig im Buch vertieft werde ich trotzdem das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden und nehme meine Kopfhörer raus. Immer wieder schweift mein Blick in der Gegend umher, doch ich sehe nicht mal einen Schatten.

Ist es der blonde Hüne? Huch, ich habe es schon wieder laut gesagt.

Ich denke ein leises harmonisches Lachen zu hören. Es klingt wie das Lachen dieses Kerls gestern im Kino. Nun bin ich mir sicher, dass er es ist. Mein Blick bleibt an einen Busch hinter der Begrenzung unseres Grundstückes hängen. Ich weiß er steht da. Wie als Bestätigung raschelt dieses Gewächs kurz und das Gefühl jemand sei da verschwindet. Ungerührt lese ich weiter.

Nachdem ich noch eine Stunde gelesen hatte, ging ich zurück ins Haus und verschloss die Terassentür. Meine Tasche hatte ich noch schnell aus meinen Zimmer geholt und meinen Pickup aus der Garage. Ja einen Pickup, um genauer zu sein einen grau- metallic farbenden.


                                                                《○●》
"Sue wie lange brauchst du denn noch? Wir gehen doch nur shoppen.", rufe ich frustriert zu ihr rüber, die immer noch ihren Schrank auf den Kopf stellt.

Sie scheint mich gar nicht wahr zu nehmen - zu vertieft in ihren von Klamotten überquillenden Schrank. Frustriert lasse ich mich wieder auf ihr Bett fallen und blättere in einer Zeitschrift, die auf ihren Nachtisch lag.

"Fertig!", ruft Sue endlich meine Befreiung aus der Langeweile aus.

Unauffällig schweift mein Blick auf meine an meinem rechten Handgelenk befindliche Uhr. 16 Uhr. Sie hat tatsächlich eine Stunde gebraucht, obwohl ich ihr vorhin gesagt hatte, wann ich sie abhole. Also typisch Sue.

"Gut, dann können wir ja los", bringe ich noch raus, bevor ich sie aus der Wohnung ziehe. Nicht, das sie es sich noch einmal anders überlegt.

Im Auto.

"Warum seid ihr gestern eigentlich so früh abgehauen?", fragt Sue mit gespielter Unschuld. Ich hab mich schon gefragt, wann sie das wissen will. Jetzt, würde ich tippen.

"Max und ich sind getrennte Wege gegangen. Ich hatte keine Lust mehr auf ihn".

Ungläubigkeit sprüht aus ihrem Blick, aber dann sehe ich die Erkenntnis in ihren Augen blitzen.

"Typisch Max", sagt sie nur. Worauf ich sie aber berichtigen muss.

"Nein nicht typisch Max, denn erstens bin ich nicht für so etwas zu haben, was er eigentlich auch ganz genau weiß. Zweitens hat er wohl etwas anderes in seinem Getränk gehabt, als da hinein gehört.", sage ich normal, da es für mich seit gestern gelaufen ist.

"Nicht wirklich, der war echt betrunken?- was für ein Arsch. Aber deshalb bist du doch bestimmt nicht abgehauen, was ist sonst noch geschehen?", in ihrer Stimme ist Wut zu hören. Dies beruft Bilder in meinen Kopf.

Zierliche 1,60m gegen muskulöse 1,90m. Sue vs. Max.

"Hey bleib ruhig. Er hatte mich bedrängt, sagte ich solle ihm noch mehr als Chris geben und wollte nicht von mir ablassen, aber der Typ, weißt schon der von gestern mit den blonden Haaren, hat mir geholfen. Max ist danach einfach nach Hause gegangen. Also alles okay. Mir war bloß die Lust auf dem Film vergangen.", erzähle ich betont ruhig.

Ein Schnauben kommt vom Beifahrersitz.

"Okay, jedoch wolltest du doch den Film unbedingt sehen. Wir könnten ihn doch heute anschauen?".

"Ja, wollte ich und werde ich auch. Das ist auch der Grund warum ich heute den Shoppingtag haben wollte, denn abends habe ich keine Zeit."

Bevor ich weiter sprechen kann, unterbricht mich Sue.

"Lass mich raten. Chris hat gefragt, ob du dir den Film mit ihm anschaust", spuckt sie verächtlich aus.

Ich verdrehe nur die Augen.

"Ja, mit Chris und ein paar anderen, wenn du willst kannst du auch mitkommen", versuche ich.

Ein weiteres Schnauben ist zu hören.

"Nein, danke, aber lass uns den Tag heute einfach genießen", sagt Sue, dreht das Radio lauter und schenkt mir ein Lächeln.

"Auf jeden Fall."

Lautstark geben wir unsere mehr oder weniger guten Singkünste zum Besten.

In der Stadt stelle ich mein Auto in der Tiefgarage des Einkaufzentrums ab. Wir steigen aus und nehmen den Fahrstuhl in die Verkaufsräume. Kaum sind wir oben angekommen, zieht mich Sue schon in den ersten Laden.

Mit gefühlt tausenden von Tüten beladen sitzen wir nun endlich nach dreianhalb Stunden in einen Café' und müssen auch gleich los, denn ich muss ja noch pünktlich ins Kino kommen und vorher Sue samt ihrer Fracht bei ihr zu Hause abliefern.

"Rachel, ich gehe noch schnell auf Toilette", ruft Sue aus, nachdem wir bezahlt hatten.

"Okay, ich warte", erwidere ich darauf.

"Nein musst du nicht. Du kannst ja schon mal den Pickup holen".

"In Ordnung, aber gib mir wenigstens deine Tüten."

Mit meinen prall gefüllten Tüten und meiner Handtasche an der rechten Hand und Sues an der anderen, nehme ich den Fahrstuhl zu meinem Auto. Die Lichter um die wenigen Wagen in der Tiefgarage flackern. Dies nehme ich nur am Rande wahr, ist es doch nicht ungewöhnlich, bei der recht schlechten Stromzufuhr in unserer Gegend. Vom Gewicht der Beutel getrieben, eile ich zu meinen Pickup. Dort angekommen stelle ich die Tüten auf das hintere Deck und öffne die extra für Einkäufe befestigte, große Kiste auf diesem. Mit der Gewissheit, dass die Tüten sicher verstaut sind, begebe ich mich vom Hinterdeck meines Pickups und schließe die Fahrertür des Wagens auf. Als ich mich reinsetzen will, erscheint eine Hand an dieser und drückt sie wieder zu.

"Nicht so schnell.", flüstert eine Männerstimme dicht an meinem Ohr. Diese Stimme. Mein Herz rast. Angst? Oder etwas anderes?

Ruckartig drehe ich mich um. "Wieso schnell? Was möchtest du, dass du es mir erst jetzt in einer dunklen Tiefgarage sagen kannst, obwohl du schon den ganzen Tag meine Schritte verfolgst?", frage ich gleichzeitig neugierig und wütend.

"Hast du etwa Angst im Dunkeln?", beantwortet der blonde Hüne meine Frage mit einer Gegenfrage.

Ein Lachen entfährt mir. "Du hast meine Frage nicht beantwortet und nein, also wenn du mir jetzt bitte eine Antwort geben könntest und wenn du schon dabei bist, kannst du mir ja auch deinen Namen verraten.", gebe ich belustigt zurück.

Seine Mundwinkel verziehen sich zu einen Grinsen.

"Mutig, mutig. Was sagt dir, dass ich dir nichts tun will? Naja ich will dir eigentlich nur sagen, dass du auf dich aufpassen sollst. Außerdem möchte ich noch etwas anderes machen"; sein Sprechen wird immer mehr zu einen Flüstern und er beugt sich zu mir herüber. Ich lege meine rechte Hand an sein Gesicht und schiebe es Weg.

Unglauben blitzt in seinen Augen.

"Gut werde ich, aber bisher ist mir ja noch nichts schlimmes passiert, auch das gestern hätte ich alleine hinbekommen, aber trotzdem danke Vamp.", sage ich völlig ruhig.

"Du irrst dich, ich bin kein Vampir", flüstert der Blonde noch immer und beugt sich blitzschnell erneut zu mir. Sacht streifen seine Lippen meine. Er versucht so schnell wie die letzten Male zu verschwinden, doch aus irgendeinem Grund schaffe ich es diesmal ihm am Arm zu packen.

"Was dann?", frage ich nur ohne auf sein frevelhaftes Handeln einzugehen.

Ein Knurren entweicht seinen Lippen. Vermutlich versucht er mir mal wieder Angst zu machen, aber seine erwünschte Reaktion geschieht nicht. Warum habe ich keine Angst? Selbst ich bin eigentlich nicht so mutig, um so einen Wesen zu trotzen.

"Hör auf!"; sage ich eiskalt: " es bringt eh nichts, das müsstest du mittlerweile auch wissen".

Nun entreißt er mir doch seinen Arm und verschwindet, das Letzte was ich höre ist: "Auf Wiedersehen."

Unbeirrt öffne ich die Tür, werfe meine Handtasche auf die Rückbank und starte den Wagen. Vor dem Einkaufcenter steht schon Sue und wartet. Es ist viertel vor acht. Ein leichtes Kribbeln liegt auf meine Lippen.

"Wo warst du? Ich warte hier schon seit 10 Minuten"; sagt Sue.

"Die Sachen wollten sich nicht verstauen lassen", flunkere ich.

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