Bekanntschaften
3. Kapitel
Sue hatte ich bei ihr zu Hause abgesetzt. Danach machte ich mich frisch und stehe nun im Kinovorraum. Allein, denn die anderen sind nicht zu sehen. Kein Wunder, die Werbung müsste ja auch schon fast um sein, also würde der Film bald starten. Gerade will ich in den Kinosaal gehen und nach den anderen der Gruppe Ausschau halten, da legt mir jemand seine Hände auf die Augen. Ich schnappe mir diese und drehe mich um. Vor mir steht Chris mit einem verwegenen Lächeln.
"Hey reichlich spät", sagt er immer noch lächelnd.
"Ja, tut mir wirklich leid. Hat der Film schon angefangen?", entschuldige ich mich und trete einen Schritt zurück.
Chris Lächeln verrutscht daraufhin ein wenig, dass behebt sich aber so gleich, als er mich umarmt. Überrascht erwidere ich diese. Eigentlich bin ich kein Fan davon, aber in letzter Zeit hat sich das unter meinen Freundinnen eingegliedert, jedoch bei Chris ... Er hält mich immer noch in seinen Armen, länger als normal. Es fühlt sich zu gleichen Teilen falsch und richtig an. Wieso? Keine Ahnung.
"Der Film", räuspere ich mich.
Langsam löst sich Chris von mir- immer noch lächelnd.
"Ach der... Der hat noch nicht angefangen, aber jetzt schnell sonst verpassen wir den Anfang.", gibt er etwas benommen von sich.
"Für mich kein Problem den kenne ich ja schon", gebe ich witzelnd von mir.
Sein Lächeln verrutscht erneut und wird zu einen grimmigen Grinsen. Bevor er etwas sagen kann, spreche ich:
"Bleib ruhig, es ist nichts passiert und wehe du sprichst ihn darauf an oder machst etwas Schlimmeres. Es war nur dieser scheiß Alkohol."
Während ich das sage ziehe ich ihn zum Kinosaal. Er nickt.
"Danke", spreche ich aus und hauche ihn einen Kuss auf die linke Wange. Überrascht von meinem Tun, wende ich meinen Blick ab und werde rot. Diese Farbe wird so gleich noch mehr vertieft als er mir auch einen Kuss in mein Gesicht drückt, direkt an meinen Mundwinkel.
Huch Rachel, hoffentlich hast du nichts Falsches gemacht.
Es fühlt sich nicht falsch an, aber auch nicht ganz richtig.
Was ist nur los?
Egal.
Chris nimmt meine Hand, öffnet die Tür zum Saal und zieht mich zu einer Reihe in der Mitte, dort sitzen fast nur Jungs. Jace (ein Klassenkamerad) und Steven erkenne ich auf Anhieb, aber auch die anderen kenne ich vom Sehen. Neben meinen Ex sitzt ein platinblondes, hübsches Mädchen. Freundlich lächle ich sie alle an und werfe ein "Hi" in die Runde.
Gerade beginnt diese doofe Werbung mit dem Handy, was die Zuschauer dazu ermuntern soll es auszuschalten.
Alle grüßen mich zurück, außer Steven der schaut mich entgeistert an und rückt ein Stück von seiner Begleitung weg. Anscheinend wusste er nicht, dass ich mitkomme, jedoch wundert mich seine Reaktion trotzdem.
Chris setzt sich neben den Mädchen und ich neben ihn. So sitze sich am Gang, der senkrecht durch den Saal verläuft. Somit habe ich einen sehr guten Blick auf den Bildschirm. Das gefällt mir.
Bis ungefähr zur Hälfte des Filmes bleibe ich ganz ruhig. Erstens weil die Schreckszenen noch nicht so furchteinflößend sind und zweitens ich sie noch von gestern kenne. Die Wendung des Filmes ist erschreckend und wie immer wenn ich Filme schaue, projektziere ich das Geschehen auf mein Leben und mich gruselt es noch mehr.
Ein toller Kerl der dir hilft wo er kann und sich am Ende als Psycho rausstellt und dich töten will, um dich für immer behalten zu können -als einziger.... Hüäh....
Der Film ist zu Ende. Alle verlassen den Saal. Das blonde Mädchen versucht sich an Steven zu kuscheln, doch er schüttelt sie unwirsch ab. Etwas traurig lässt sie ihren Kopf hängen. Warum mir das auffällt? Ganz einfach. Ich laufe mit Chris genau hinter den Beiden und habe den Blick nach vorne gerichtet. Sie tut mir leid. Ich verstehe nicht warum Steven so mies zu ihr ist. Vorsichtig, als sei es ein Versehen, drängele ich mich zwischen ihnen.
Der Sturm an Menschen der aus dem Kinosaal wollte, ist erloschen. Die Jungs unterhalten sich über den Film.
Ich richte mein Wort an Stevens Begleiterin.
"Hey und wie hat dir der Film gefallen?", frage ich, doch bevor sie antworten kann, stelle ich mich noch schnell vor: "ach übrigens ich bin Rachel".
Freundlich lächelt mich die Angesprochene an und antwortet: "Clary. Der war der Hammer. Zwar nicht so schaurig wie andere Filme, die ich sonst schaue, aber ein paar super gute Schockmomente hatte er. Wie fandst du ihn?"
Ich erkenne eine Seelenverwandte. HORRORFILME!
"Ich fand ihn auch toll und die Wendung kam so krass. Ich hatte die ganze Zeit Mitleid mit Brian und dann so etwas."
So ging es immer weiter. Wir setzten unser Gespräch in einen Coffeeshop, um der Ecke der auch noch abends offen hat, fort. (Das einzige Geschäft dieser Art in unserer Stadt und in den ich trotzdem noch nie war.) Viele Gemeinsamkeiten kamen zum Vorschein.
"Ich überlagere die Filmgeschichten auch oft mit meinen Leben. Ich hab immer gedacht ich bin die einzige die das macht und mich für etwas verrückt gehalten.", sagt Clary gerade zu mir als der Kellner des Coffeeshops unsere schon zweite Bestellung bringt.
Wir lachen.
"Das habe ich auch immer gedacht, aber sag mal stehst du nur auf Horrorfilme oder auch auf andere Filmarten? ", frage ich, während wir uns langsam wieder einkriegen.
Clary ist echt nett und ich kann mir vorstellen, dass wir sehr gute Freunde werden könnten.
"Nein ich schaue mir alles an, naja außer Pornos und so händel ich es auch mit Büchern, was mir zwischen die Finger kommt wird verschlungen."
"Bei mir genauso", erwidere ich darauf mit einen breiten Lächeln.
Das Lächeln auf Clarys Lippen verschwindet und sie wirkt ernster als zuvor als sie fragt: "Kennst du Steven eigentlich genauer oder warum hat er so komisch reagiert als du kamst?".
Die Frage überrascht mich, obwohl ich irgendwie schon damit gerechnet hatte.
"Ja wir kennen uns schon lange. Wir waren bis vor drei Monaten ein Paar, aber warum er so reagiert hat, kann ich dir nicht sagen, denn ich verstehe es selber nicht."
"Mmh okay verstehe", fängt Clary etwas missmutig an und spielt an ihrer blutroten Bluse, dann fährt sie fort: "aber egal. Ich denke er ist ein netter Kerl, jedoch nichts für mich." Nun lächelt sie wieder.
"Dazu kann ich nichts sagen. Ich fand eigentlich ganz okay als Freund, aber war halt schwierig, da ich noch jemand anderes liebte und liebe." Das letzte war mir rausgerutscht.
"Diesen Chris oder?"; entsetzt blicke ich Clary an. Ist es so offensichtlich? Die Frage scheint mir anscheinend ins Gesicht geschrieben zu sein.
"Also ja, ja? Keine Angst ich denke nicht das es jemand anderes gemerkt hat, ich erkenne so etwas bloß schnell. Er mag dich auch sehr und ich denke das weißt du auch, also warum versucht ihr es nicht?".
Clary hat anscheinend eine sehr schnell Auffassungsgabe (genau wie ich, jedenfalls bei anderen Leuten), denn selbst Sue hat es bisher noch nicht gemerkt. Ich mag sie immer mehr.
"Ich habe Angst.", sage ich nur. Clary schaut auf ihre Uhr an ihrem Handgelenk.
"Sorry ich muss los. Jedoch bevor ich gehe noch zwei Dinge. Erstens du brauchst dich nicht zu fürchten und zweitens brauche ich deine Nummer, denn es war echt nett mit dir.", sagt sie scherzend und ernst.
Ich gebe ihr meine Nummer, sie klingelt mich an, wir verabschieden uns und sie geht. Mein Cappuccino ist noch nicht ausgetrunken, also bleibe ich sitzen. Der Coffeeshop ist gemütlich eingerichtet. Die Tische aus dunklem Holz, der Boden aus Anthrazit, die Sitzgelegenheiten aus rotem Leder. An den Wänden hängen Bilder von eigentümlichen Landschaften. Ich sitze an der Fensterfront zur Straße hin. Außer mir sind nur noch der Kellner und eine verhüllte Gestalt, anscheinend ein Mann, am anderen Ende des Lokals. Es ist halb elf, auf den Straßen ist relativ wenig los. Ich schaue mich noch einmal im Laden um und beschließe hier öfters hinzukommen, da fällt mir ein Bild an der gegenüberliegenden Wand besonders auf.
Unbewusst stehe ich auf und stelle mich vor dieses. Auf dem Bild ist wie auf allen anderen eine Landschaft abgebildet, auch diesen untypischen Glanz, das dieses ausstrahlt besitzen die anderen nicht. Mich fasziniert aber das Cottage in Weiß mit Garten davor, was im Hintergrund steht. Irgendein Teil in mir erkennt es.
Vielleicht habe ich das Bild schon einmal gesehen?
Nein, das ist es nicht.
"Kennst du es?", fragt auf einmal jemand hinter mir. Komischerweise erschrecke ich mich nicht. Diese Stimme.
Der blonde Hüne.
Ohne mich umzudrehen, sage ich wahrheitsgemäß:
"Irgendwie ja und irgendwie nein."
Ein Lachen entfährt ihm. Ich verstehe nicht was daran witzig ist.
„Mein Name ist Nathan, eigentlich Nathaniel.", flüstert er direkt hinter mir. Ich drehe mich um gehe einen großen Schritt zurück. Nun stehe ich mit den Rücken fast am Bild.
Nathan muss ungefähr so groß sein wie Chris, also nur wenig größer als ich, hat blonde Haare die ihm bis zu den Ohren gehen und strahlend grüne Augen. Seine Statur gleicht auch der von Chris, bloß ihm haftet auch noch etwas Animalisches an. Er könnte so um die zwanzig sein.
"Meinen Namen kennst du ja mittlerweile schon und du weist das ich ein Mensch bin. Also würde ich gerne wissen was du bist, denn du bist nicht wie ich, dass weiß ich.", sage ich und blicke ihn genau in seinen Augen.
Bevor er aber etwas tun kann setzte ich noch hinterher: "Wage es gar nicht erneut abzuhauen, weil dann brauchst du nie wieder aufzutauchen oder mich gar verfolgen wie du es so gerne machst, Nathaniel!".
Ein Grinsen erscheint auf seinen Mundwinkeln. Er hatte wohl nicht gedacht, dass ich es mitbekam, aber es schien ihn zu erfreuen. So war ich schon immer-meistens fiel mir einfach alles auf.
Segen und Fluch.
"Ich denke du und ich sind uns ähnlicher als du denkst und ich denke auch du weißt was ich bin", flüstert er mir ins Ohr.
Nathan hatte sich schon wieder auf mich zubewegt. Ich schlängele mich rechts an ihn vorbei. Diese Nähe zu einen mir eigentlich Fremden will ich nicht, oder doch?
"Ja ich habe da meine Vermutung, aber ich möchte es von dir hören", sage ich ruhig mit leichter Ungeduld, denn auch wenn er mich vor Max 'gerettet' hat, war er auch immer noch der blonde Hüne mit dem Blut am Mund in der Gasse. Obwohl ich das mit dem Blut nicht verstehe, er ist doch kein Vampir also wieso?
"Eine Art Werwolf, das sind ich und noch viele andere, jedoch sind wir nicht ganz so wie die Menschen uns beschreiben. Das wirst du bald noch herausfinden", seine grünen Augen funkeln mich beim Sprechen an.
Das hatte ich mir auch schon gedacht- das er ein Werwolf ist, aber was soll anders sein? Wieso finde ich das bald raus? Ich will es wissen und irgendwie auch nicht, denn irgendetwas sagt mir, dass die Erkenntnis Veränderungen einher bringt und wer weiß, ob diese gut oder böse sind.
"Mmh okay, aber eins musst du mir noch erklären.", sage ich zu Nathan und gehe zurück zu meinen Platz, um meinen längst kalt gewordenen Cappuccino zu trinken.
"Was denn?", fragt er mich darauf und setzt sich ebenfalls an meinen Tisch. Gut so kann er mir wenigstens nicht wieder auf die Pelle rücken.
"Was war das in der Gasse? Warum hattest du Blut im Gesicht und warum hast du das diesen vom Leben schon so gezeichneten Mann angetan?", jeweilige Emotion ist aus meiner Stimme gewichen. Eine Stimme in mir sagt, dass könnte das Letzte gewesen sein was ich auf Erden tat, worauf eine andere mir sagt, er hätte dich schon längst umbringen können. Okay es könnte auch ein perfides Spiel sein, wo er versucht mein Vertrauen zu gewinnen und mich dann umbringt.
Schluss damit. Gut oder böse, ganz egal. Ich will eine Antwort.
"Das war nicht sein Blut", sagt Nathan und ich atme unwillentlich laut aus. Aber wessen dann? Meine Frage scheint mir wie so oft in letzter Zeit im Gesicht zu stehen, denn er beantwortet sie.
"Es war von der Kreatur, die den Obdachlosen angriff. Hast du den Schatten gesehen - hinten in der Gasse? Das war der eines dunklen Vampirs. Ich konnte ihn leider nicht zu Strecke bringen und den Mensch auch nicht retten." Traurigkeit schleicht sich in Nathans Blick.
Ich gebe mich anscheinend gefühlskalt, aber in mir drinnen sieht es anders aus. Um den Schein zu wahren sage ich: "Man kann nicht jeden retten und mich brauchst du auch nicht zu retten. Es gibt so viele Menschen da draußen, die deine Hilfe gerne annehmen und brauchen, - ich aber nicht."
Ohne ihn dies abstreiten zu lassen oder ihn noch mehr Fragen über die mir unbekannten Wesen zu stellen, fahre ich fort:
"Es war nett dich kennen zu lernen, aber unsere Bekanntschaft sollte hier jetzt enden, denn wie kennt man es schon aus Filmen: es endet nur allzu kompliziert für jemanden mit diesen Fantasykram. Ich wäre dir dankbar wenn du mich nicht mehr verfolgen würdest."
Ich stehe auf, lege etwas Geld auf den Tisch, werfe den Kellner ein "Tschüss" zu und verlasse den Coffeeshop.
Meine Neugier will mich wieder in den Coffeeshop zwingen, aber ich vertraue auf meinen Verstand und auf die langsam aufkommenden Kopfschmerzen. Das wenige was Nathan mir erzählte, zweifele ich nicht an. Wie auch? Ich habe ja selbst erlebt, was er kann. Das er gut ist, bezweifele ich auch nicht, obwohl einen ja immer gezeigt wird was passiert wenn man Fremden traut.
Der Weg zurück zu meinen vor dem Kino immer noch parkenden Wagen ist schnell genommen. Kein Wunder es ist ja nur einmal um die Ecke. Das Gefühl beobachtet zu werden, dass mich in den letzten Tagen verfolgte, ist verschwunden. Anscheinend nimmt der blonde Hüne(Es gefällt mir einfach ihn so zu nennen, obwohl mir sein Name auch gefällt.) meine Worte ernst. Etwas Bedauern macht sich in mir breit, wird aber von den stärker werdenden Kopfschmerzen bei Seite geschoben.
Langsam setze ich mich in den Pickup, um meinen Kopf nicht auch noch zu provozieren. Den Wagen starte ich und begebe mich auf den Heimweg. Zu Hause nach einer zehnminütigen Fahrt angekommen, parke ich das Auto nicht in der Garage, sondern lasse es einfach vor unserem Haus stehen. Ich fühle mich ausgelaugt, müde und die Kopfschmerzen sind auch unerträglich geworden. Da ich aber keine Sympathie für Tabletten empfinde und wir keine Schmerztropfen mehr haben, mache ich mich bettfertig. Eine Katzenwäsche, Zähneputzen, beides im Bad neben meinem Zimmer und ein Wechsel meiner Sachen, dann rein ins Bett.
Die Uhr auf meinen Nachtschrank sagt mir es ist halb eins. Ich muss wohl länger als geglaubt auf das Bild, besser gesagt dem Cottage, geschaut haben, denn das Gespräch mit Nathan kann nicht so lange gedauert haben.
Mit den Gedanken schwirrend um Chris, Nathan und den Cottage schlafe ich ein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top