25.

25. Kapitel
Ich warte nur noch darauf, dass der Zusammenbruch kommt. Mir fehlt jemand, den ich all das erzählen kann. Bisher hatte ich bei niemanden das Gefühl, das zu können. Nicht bei Sue. Nicht Isi. Nicht meine Familie. Nicht Chris. Nicht Nathaniel. Die einzige, die bleibt, ist Jenny…

Spontan beschließe ich nach Yuolanda zu gehen. Nur kurz. Niemand muss es erfahren. Ich schleiche mich ungesehen in mein Zimmer. Kein einziger Gedanke, außer Yuolanda ist in mir.  Im Zimmer schnappe ich mir meinen Preis vom Ringen mit Nathaniel. Das beerenfarbende Kleid. Ich liebe es.
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Ich habe Jenny nichts erzählt, erfreue mich lieber an die kleine süße Ella.

„RACHEL!!“, ruft mich Ellas Stimme, doch ich gebe mich nicht zu erkennen. Zu lustig ist es mitanzusehen, wie sie immer wieder unter mir her läuft. Nur noch ein wenig, denke ich mir. Sie wollte ja unbedingt die Erste sein, die zählen muss, doch nun erbarme ich mich. Ich kichere extra etwas lauter und sogleich blicken mich zwei Kinder Augen an.

„Gefunden, gefunden. Ich hab dich gefunden“, singt sie und klettert zu mir hinauf.

Gerade als sie bei mir ankommt, höre ich eine zweite Stimme mich rufen:
„Rachel? Wo bist du?“.

Nathaniel. Na toll. (hust hust) Ich lege meinen rechten Zeigefinger auf meinen Lippen und zeige Ella damit, dass sie leise sein soll. Sie grinst mich nur an. Dann beobachten wir beide, wie er den Garten absucht und immer wieder unsere Namen ruft und schließlich auf den großen Apfelbaum, auf dem wir sitzen, zukommt.

„Ich weiß, dass du und Ella hier irgendwo seid. Ihr könnt euch nicht verstecken. Ich rieche euch.“

Gespielt empört schnaube ich und entgegne:
„Hey, soll das heißen wir stinken?“.

Natürlich weiß ich, dass er es nicht so gemeint hat, sondern nur seine Gestaltwandlerkräfte meint, aber es ist schon witzig mit anzusehen, wie Nathan sich nun windet.

„Äh… so hab ich das nicht…Ach Rachel du weist ganz genau, wie das gemeint war. Du riechst einfach wunderbar… Egal.“
Das wollt ich gar nicht wissen… Ella verrät uns, da ihr ein Grunzen entfährt, da sie ihr Lachen unterdrücken wollte.
„Da seid ihr. Na los kommt runter. Ich muss mit Rachel sprechen und Ella, dir habe ich Kekse mitgebracht.“
So schnell, wie die Kleine unten war, konnte ich nicht mal gucken. Verräterin. Ich begebe mich auch nach unten, indem ich direkt vor Nathaniels Füße springe.
Ganz lässig frage ich: „Na, was ist los?“.
Er findet das Ganze wohl nur halb so amüsant, denn er brüllt mich an:
„Wo warst du? Wo warst du bevor hierher gekommen bist? Du warst eine ganze Stunde nicht auffindbar!“.
Mir entweicht die Luft, als wären es keine Worte gewesen, die er mir entgegen geschmettert hat, sondern seine Faust.  Es ist aber nicht nur die Wut, die mir entgegen kommt, sondern auch seine Besorgnis und auch ein wenig Verzweiflung. Mein Herz will wieder die Oberhand gewinnen, doch ich lasse es nicht zu. Ich liebe Chris. Ich liebe Chris. Ich liebe Chris. Immer wieder spreche ich diese Worte, wie ein Mantra. Unterdrücken sogar das ‚Ich wünsche es mir‘, das in meine Gedanken will.
Ich liebe Chris.
„Seit einer halben Stunde bin ich hier und vorher war ich im Wäldchen beim Internat, also keinen Grund zu Sorge.“
Meine Stimme lässt nichts von den Geschehnissen erahnen, jedoch habe ich Mr McKay unterschätzt. Ihn und seine Kräfte.
„Ich rieche einen Mann an dir.“
Zu meinen Erstaunen zucke ich weder zusammen oder lasse mir anders etwas äußerlich anmerken.
„Du wirst es eh erfahren.  Erinnerst du dich an unser erstes Leben?“.
Ich werde es ihm erzählen, denn er soll wissen, dass ich meinen Bruder gefunden habe, dass mein ursprünglicher Ehemann wieder an meiner Seite wandeln will. Alles…
„Ja. Ephraim Whatefield. Was ist mit ihm?“.
Ah genau so hieß er früher einmal.
„Heut zu Tage nennt er sich Ethan Whate.“, antworte ich und fahre sogleich fort, ehe er einen Reaktion darauf zeigen kann:
„Er hat mich im Wald abgefangen und bevor du dir jetzt Sorgen machst… Auf mich ist er nicht mehr wütend. Wir haben uns ausgesprochen.“ Mehr oder weniger.
„Vorher hat er mir aber noch gesagt, dass mein Sohn Mikael tot ist, dass er wütend auf sich, dich und mich war, dass er meinen Bruder Alex  entführt hat, dass dieser noch lebt, dass er in Schottland ist, dass ich ihn besuchen kann, dass Ethan wieder an meinen Seite seien will.“
Ich hole einmal tief Luft, da ich das während dem Erzählen nicht gemacht hatte. Gedanklich gehe ich kurz durch, ob mir noch was entfallen ist, aber mir fällt nichts ein. Nun herrscht eine drückende Stille und wir beide stehen, wie festgewachsen unter dem Apfelbaum. Als Nathaniel seine Mund öffnet und anfängt zu sprechen:
„Du hast einen Bruder?“, bin ich etwas perplex.
Ich hatte mit allen möglichen Fragen gerechnet, aber mit dieser…
„Ja, auch eine Schwester, falls du ihrer Existenz nicht mächtig bist. Also jedenfalls, er gilt seit fast fünf Jahren als tot.“
Für alle, außer für mich. Mir wollte der Gedanke nie passen. Etwas sagte mir immer: ER LEBT. Eine Art Verbindung.
„Er hat ihn also als Ersatz für seinen Sohn gekidnappt?“.
Als Ersatz? Vielleicht. Ich tendiere eher zu Rache oder eine Art Ausgleich. Ich beginne im Kreis zu laufen. Eine Angewohnheit, die mich oft in Situationen überfällt wie diese. Situationen, die ich meiner nicht mächtig genug fühle.
„Unser Sohn. Ich denke er wollte mir, der Person von damals, auch Schmerz beibringen. Er dachte ich könnte mich an alles erinnern und würde ihnen wieder den Rücken zu kehren, wieder zu dir zurückkehren.“
Das ist eines der wenigen Gespräche, vielleicht das erste, wo wir uns nicht streiten, er mir Befehle gibt, an meine Liebe zu Chris zweifelt, keine Annährung beabsichtigt oder sonst etwas tut, was die Kluft zwischen uns eigentlich nur vergrößert.
Eine viel zu lange Zeit bleibt es still zwischen uns, aber ich bin gerade zu egoistisch, um mich in ihn hineinzuversetzen. Ich beschließe zurück in unsere Welt zu gehen und meine Familie zu kontaktieren. Ich habe ihre Anrufe verpasst und dann wie für mich üblich vergessen zurückzurufen.
„Ich gehe zurück in unsere Welt. Du weist ja wie du zurückkommst. Grüß Jenny und gib Ella ein Kuss von mir.“
Gerade als ich verschwinden will, blickt Nathaniel mich an und seine nächste Worte sind so voller Schmerz, sodass sie, wie ein Dolch in meinen Herzen wirken:
„Ich will nicht zurück. Hier habe ich wenigstens das Gefühl, du gehörst mir. Das hier ist UNSERE Welt. Die andere ist deine und CHRIS‘. Dort gehört dein Herz nur ihm. Ich will nicht zurück und ich kann nun wirklich verstehen, wie Ephraim sich damals fühlte.“
Bevor ich irgendetwas Unüberlegtes tun oder sagen kann, „beame“ ich mich zurück in CHRIS und meine Welt.

Und dann soll ich heute noch ein Volleyballturnier bestreiten. Finale oohohoh.

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