Kapitel 5

Ich stand an der Tür, als Mitsuri plötzlich aus dem Wohnzimmer kam und mich mit einem breiten Grinsen ansah. „Wo gehst du hin, Muichiro?"

„Äh, nur kurz... ähm, ich geh auf eine Party", stotterte ich, ohne den Blick zu halten.

Obanai, der neben ihr auf der Couch saß, legte eine Hand auf ihren Kopf, als wäre sie ein Kind. „Er geht auf seine erste Party", sagte er mit einem amüsierten Lächeln.

Mitsuri schaute mich mit einem verträumten Blick an. „Oh, das waren noch Zeiten", sagte sie, ihre Stimme fast ein wenig nostalgisch. Dann drehte sie sich zu Obanai. „Du warst damals auch nicht schlecht, Obanai."

Ich erstarrte. „W-was? Was habt ihr...?"

Obanai schnaubte. „Ach, das ist schon lange her. Erinner dich nicht an alles, was du gesehen hast."

„Nicht schlecht, hm?" Mitsuri kicherte. „Da war noch ein bisschen mehr, oder?"

Meine Wangen brannten. „Äh, was ist hier los?" fragte ich, immer noch rot anlaufen, als ich mich zu Obanai drehte. Es war mir unangenehm, diese Gespräche über ihr vergangenes Leben zu hören, besonders mit Mitsuri dabei.

Obanai hob eine Augenbraue und grinste. „Du weißt, dass Mitsuri und ich uns früher öfter nach diesen Partys getroffen haben. Aber jetzt ist das alles Vergangenheit. Kein Grund, sich für uns zu schämen, Junge."

„J-ja, also... ich...", stammelte ich und versuchte, mich aus der unangenehmen Situation zu befreien. „Ich sollte wirklich los..."

Mitsuri beobachtete mich mit einem fast mädchenhaften Grinsen, das mir noch mehr die Schamesröte ins Gesicht trieb. „Ach komm schon, du bist jetzt alt genug. Du wirst sehen, es ist nicht so schlimm, wie du denkst. Es gibt Dinge, die man auf einer Party lernt, und du wirst es genießen."

Obanai lachte leise, was meine Nervosität nur noch verstärkte. „Mitsuri hat recht. Nur übertreib es nicht. Und denk dran, wenn du in Schwierigkeiten gerätst, ruf uns an. Sonst wird's irgendwann peinlich."

„Ich werde mich schon an deine Regeln halten, keine Sorge", sagte ich, mich hastig aus dem Raum zu bewegen.

„Du bist immer noch ein bisschen wie ein Kind, Muichiro", rief Mitsuri hinter mir her. „Aber irgendwann verstehst du das alles. Und wenn du Pech hast, auch mit den Konsequenzen."

Ich konnte nur den Kopf schütteln und verschwand aus dem Haus. Doch der Gedanke an das Gespräch, das ich gerade gehört hatte, ließ mich nicht los. Was hatten die beiden wirklich zusammen gemacht? Und warum war ich so rot geworden?

Ich klopfte nervös an Senjuro's Tür, mein Herz schlug schneller als gewöhnlich. Als er die Tür öffnete, grinste er mich sofort an, als hätte er gewusst, dass ich es mir anders überlegen würde. „Du bist wirklich gekommen, huh?" sagte er, als er mich in sein Zimmer zog. „Dachte schon, du ziehst den Schwanz ein und bleibst zu Hause."

„Ich hab's mir anders überlegt", murmelte ich, während ich an ihm vorbei trat. „Aber nur, weil du mir versprochen hast, dass es nicht so schlimm wird."

Senjuro lachte. „Ach, du machst dir viel zu viele Sorgen. Es wird schon okay sein." Er zuckte mit den Schultern und schob die Tür zu, dann führte er mich zu Kaitos Haus.

Der Gastgeber empfing uns mit einem breiten Grinsen und klopfte mir freundschaftlich auf den Rücken. „Muichiro, du hier? Hätte nie gedacht, dass du den Schritt wagst!" Er lachte laut.

Ich nickte kurz und schaute mich nervös um. Viele aus meiner Klasse waren da, und sie alle starrten mich irgendwie an, als wäre ich der neue exotische Vogel im Käfig. Ich versuchte, mich zu entspannen, doch es war, als würden alle Blicke auf mir lasten. Schnell suchte ich mir einen Platz an der Bar und setzte mich, um nicht noch mehr aufzufallen.

Die Stunden vergingen im Nu, aber ich fühlte mich immer noch wie ein Außenseiter. Die Musik war laut, und die Gespräche um mich herum drehten sich hauptsächlich um Sachen, bei denen ich keinen Plan hatte. Ich hatte keine Lust, mich mit den anderen zu unterhalten, also blieb ich einfach still und beobachtete, wie der Abend sich entfaltete.

Dann kam Senjuro mit zwei Cola-Flaschen zurück, eine in jeder Hand. „Hier, die bekommst du", sagte er und reichte mir eine. „Denk dran, du hast nichts zu befürchten. Es wird einfach nur ein bisschen locker. Keiner beißt."

Ich nahm das Getränk dankend entgegen und nickte. Senjuro war mein bester Freund. Er würde mir niemals etwas ins Getränk mischen, das wusste ich. Es war beruhigend, dass er mich hier begleitete. Also ignorierte ich Obanais Regel, dass ich aufpassen sollte, was mir angeboten wurde. Ich vertrauensvoll nahm einen Schluck, ließ mich zurückfallen und wartete, dass die Zeit einfach vorbeiging.

„Hey, Muichiro!" rief ein Mitschüler von der anderen Seite der Bar. „Was ist los, du sitzt hier wie ein trauriger Fisch im Glas?"

Ich grinste schwach, aber ich fühlte mich nicht wirklich in der Stimmung, mit jemandem zu sprechen. „Nichts, ich bin einfach nur nicht so der Partymensch", antwortete ich und spielte mit dem Flaschenetikett in meiner Hand.

Senjuro setzte sich neben mich und nahm einen Schluck aus seiner Cola. „Komm schon, du musst nicht so steif sein. Lass die Leute reden. Du hast dich wenigstens hierher getraut."

Ich nickte langsam und nahm noch einen Schluck. „Ja, aber ich versteh immer noch nicht, was alle hier so toll finden."

„Du musst einfach den richtigen Moment abpassen. Entspann dich, Muichiro. Es gibt keinen Grund, alles zu überdenken. Und denk dran, keiner hier beißt – außer vielleicht ein paar der Jungs, wenn du sie auf die falsche Art anschaust." Senjuro grinste schelmisch, und ich konnte nicht anders, als mit ihm zu schmunzeln.

Aber dann, als ich wieder auf die Bar schaute, fiel mir ein, dass ich zu Obanai und Mitsuri immer noch Fragen hatte. Was hatten sie wirklich auf den Partys früher gemacht? Und warum fühlte es sich für mich plötzlich so seltsam an, hier zu sein?

„Ich geh nur kurz aufs Klo, warte hier auf mich, okay?" Senjuro grinste mich kurz an, bevor er in der Menge verschwand.

„Ja, ja, beeil dich einfach", murmelte ich und nahm noch einen Schluck meiner Cola.

Ich lehnte mich gegen die Theke und starrte ins Leere. Die Musik dröhnte durch den Raum, und überall um mich herum wurde getanzt, gelacht und getrunken. Manche rauchten sogar – Senjuro hatte nicht übertrieben. Aber solange er schnell zurückkam, war es mir egal.

Plötzlich setzte sich jemand neben mich, den ich nicht kannte. Ein Typ, bestimmt Mitte zwanzig, mit einer viel zu lässigen Haltung und einem schmierigen Grinsen. Ich hatte ihn heute Abend noch nicht gesehen, also gehörte er vermutlich nicht zu meiner Klasse.

„Hey, Süße", sagte er und legte einen Arm auf die Bar.

Ich blinzelte. „Was?"

„Hast du Lust auf was Besonderes?" Er grinste und hielt mir ein kleines Tütchen mit irgendeinem Pulver hin. „Macht die Party gleich viel interessanter."

Ich verzog das Gesicht. „Nein, danke."

„Ach komm schon." Er rückte näher, viel zu nah. Ich wich zurück, aber er ließ nicht locker. „Nur ein bisschen. Ich verspreche dir, du wirst's nicht bereuen."

„Nein", sagte ich schärfer und wollte aufstehen.

Doch er griff nach meinem Handgelenk und zog mich zurück auf den Hocker. „Hey, keine Eile. Wir verstehen uns doch gut, oder?"

Alter... War der besoffen oder einfach nur dumm?

Ich riss an meinem Arm, doch sein Griff war fest. Ich konnte mich nicht so einfach losmachen.

„Lass mich los", knurrte ich.

„Entspann dich, Süße. Ich will dir doch nur einen Gefallen tun."

Süße? Er hielt mich ernsthaft für ein Mädchen?! Ich spürte, wie mein Augenlid zuckte.

„Ich bin kein Mädchen, du Idiot", fauchte ich und versuchte erneut, mich loszureißen.

Er lachte. „Ach komm, das sagen die schüchternen Mädels immer."

Okay. Jetzt reichte es.

Ich ballte meine Faust, aber bevor ich zuschlagen konnte, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir.

„Was zum Teufel machst du da?"

Senjuro stand da, die Stirn in Falten gelegt, und funkelte den Typen an.

Der ließ mich sofort los und hob die Hände. „Hey, chill mal, Mann. War doch nur ein Scherz."

„Verpiss dich, bevor ich dafür sorge, dass du's bereust", knurrte Senjuro.

Der Kerl zuckte mit den Schultern, murmelte etwas von „langweiligen Spießern" und verschwand in der Menge.

Ich atmete tief durch und massierte mein Handgelenk. „Das war beschissen."

Senjuro setzte sich wieder neben mich. „Alter, was für ein Arschloch. Hast du dir irgendwas andrehen lassen?"

„Nein, natürlich nicht", grummelte ich. „Aber der Typ war verdammt aufdringlich."

Senjuro seufzte. „Ich hätte dich nicht allein lassen sollen. Scheiße, das war echt knapp."

„Ja, aber wenigstens bist du rechtzeitig zurückgekommen." Ich nahm meine Cola und trank einen großen Schluck, um mich zu beruhigen.

Senjuro musterte mich. „Weißt du, ich hab's dir ja gesagt – Partys sind unberechenbar."

„Tja, das nächste Mal hör ich auf dich und bleib in der Nähe von jemandem, dem ich vertraue."

Senjuro grinste. „Schlaues Kerlchen."

Ich stöhnte genervt. „Lass mich einfach in Ruhe meine Cola trinken."

Er lachte und lehnte sich zurück. „Deal."

Die Sirenen wurden lauter. Blaues und rotes Licht flackerte durch das Fenster.

„Scheiße! Das ist die Polizei!" rief jemand in der Menge.

In weniger als einer Sekunde brach totales Chaos aus. Leute schrien, rannten durcheinander, einige versuchten, ihre Drinks zu verstecken, andere kletterten aus Fenstern oder hechteten durch die Hintertür.

Senjuro packte mich am Arm. „Wir müssen hier raus!"

„Was?! Aber—"

„Jetzt, Muichiro!"

Bevor ich protestieren konnte, zog er mich mit sich. Ich stolperte hinter ihm her, während er durch die Menge brach. Doch als wir zur Haustür kamen, sahen wir Blaulichter direkt davor.

„Zurück! Fenster!" zischte Senjuro und rannte los.

„Alter, das ist der zweite Stock!" protestierte ich.

„Hast du eine bessere Idee?!"

Nein, hatte ich nicht.

Ich rannte ihm hinterher, während die Tür aufgestoßen wurde und Uniformierte ins Haus stürmten. Ein paar Leute schrien panisch. Ein Polizist rief durch ein Megafon: „Hier spricht die Polizei! Bleiben Sie, wo Sie sind!"

Ja, sicher doch.

Senjuro hatte bereits das Fenster geöffnet und saß auf dem Sims. Ich kletterte neben ihn. Unten war ein Blumenbeet. Nicht ideal, aber besser als direkt auf den Asphalt zu knallen.

„Auf drei", sagte Senjuro.

Ich seufzte. „Das wird wehtun."

„Eins... zwei... drei!"

Wir sprangen.

Ich rollte mich beim Aufprall ab, wie ich es in Sport gelernt hatte. Senjuro landete etwas unsanfter und fluchte leise. Doch wir waren heil unten angekommen.

„Lauf!" keuchte er und zog mich mit.

Wir rannten durch den Garten und sprangen über die Hecke in die Dunkelheit der Straße. Die Polizei hatte noch nicht bemerkt, dass wir entkommen waren.

„Warum ist die Polizei überhaupt hier?!" fragte ich atemlos, während wir weiterliefen.

„Keine Ahnung!" japste Senjuro. „Vielleicht hat Kaito echt übertrieben mit der Musik. Oder irgendjemand hat geklagt wegen Alkohol und Drogen."

„Ich wusste, dass das eine beschissene Idee war!"

„Hör auf, ich hab's kapiert!"

Wir schafften es bis in eine dunkle Seitenstraße und lehnten uns keuchend an eine Wand. Mein Herz pochte wie verrückt.

„Okay", sagte Senjuro nach einer Weile. „Das war dumm, aber... zugegeben, irgendwie aufregend."

Ich schoss ihm einen tödlichen Blick zu. „NIE WIEDER!"

Er grinste nur. „Ach komm, Muichiro, gib's zu, ein kleiner Adrenalinkick tut dir auch mal gut."

„Nein, tut er nicht! Wenn Obanai das erfährt, bringt er mich um!"

„Ähm... ja, darüber solltest du dir Sorgen machen."

Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich war mir nicht sicher, was schlimmer war – die Polizei oder Obanais Zorn.

Ich war mir sicher, dass ich sterben würde.

Langsam schloss ich die Haustür hinter mir und zog meine Schuhe aus. Meine Knie zitterten noch vom Adrenalin, mein Herz schlug wie verrückt. Ich versuchte, mich leise ins Haus zu schleichen, aber natürlich wartete Obanai bereits auf mich.

Er lehnte mit verschränkten Armen an der Wohnzimmerwand und sah mich mit scharfen Augen an.

„Du bist früh zurück." Seine Stimme klang ruhig, aber ich wusste, dass das nichts Gutes bedeutete.

Ich schluckte. „Ja... ähm... lange Geschichte."

Sein Blick wanderte über meine verdreckte Kleidung, die Striemen an meinen Armen vom Sturz und die Blätter in meinen Haaren. „Du siehst aus, als wärst du mit einem Müllcontainer kollidiert."

„Ich... also..." Ich seufzte. „Die Polizei kam zur Party, und Senjuro und ich mussten fliehen. Wir sind aus dem Fenster gesprungen."

Stille.

Dann... lachte Obanai.

Nicht einfach nur ein Kichern oder ein Schmunzeln – nein, ein richtiges, tiefes, fast schon nostalgisches Lachen. Ich blinzelte.

„Was ist so lustig?!"

Obanai wischte sich die Augen. „Ich kann nicht glauben, dass du gleich bei deiner ersten Party das witzigste miterlebt hast! Polizeieinsätze sind der ultimative Klassiker!"

Ich starrte ihn fassungslos an. „DU FINDEST DAS COOL?!"

„Natürlich!" Er grinste breit. „Junge, das sind genau die Geschichten, an die du dich dein ganzes Leben erinnern wirst! Hast du dich verletzt?"

„Nein..." murmelte ich, immer noch ungläubig.

„Dann war's doch ein voller Erfolg! Hast du wenigstens Spaß gehabt?"

„Ich wurde fast mit Drogen vollgepumpt, wurde für ein Mädchen gehalten, musste aus dem Fenster springen und bin fast in eine Polizeikontrolle geraten!"

Er nickte anerkennend. „Nicht schlecht für das erste Mal."

„DU BIST UNMÖGLICH!" rief ich und fuhr mir durch die Haare. „Ich dachte, du würdest mich zur Hölle verurteilen!"

„Pff, was denkst du denn?" Er setzte sich auf die Couch und deutete mir, mich neben ihn zu setzen. „Junge, ich war früher auf Dutzenden solcher Partys. Mitsuri und ich sind nach fast jeder Party zusammen im Bett gelandet. Die besten Geschichten meines Lebens stammen von solchen Nächten!"

Ich lief knallrot an. „WIESO SAGST DU MIR SOWAS?!"

Er zuckte die Schultern. „Damit du verstehst, dass ich dir keine Predigt halten werde. Ich wusste, dass sowas passieren würde, aber hey – du hast überlebt. Und anscheinend bist du sauber rausgekommen."

Ich stöhnte und ließ mich in die Couch fallen. „Ich schwöre, ich gehe nie wieder auf eine Party."

„Ha!" Obanai klopfte mir auf die Schulter. „Das sagen sie alle. Warten wir's ab."

Ich war mir sicher: Der Mann war irre.

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