Kapitel 107
Donnerstag, 25. April
Lernen. Ich kenne seit fast drei Wochen nichts anderes, als dieses Wort. Ich habe mir nicht einmal meine Chemienote angeguckt, da ich nicht komplett in eine Depressionsphase verfallen wollte. Deutsch und Biologie werde ich als schriftliche Abiturprüfungen ablegen, Englisch und Pädagogik als mündliche. Gerade lerne ich für die Abschlussprüfung in Bio. Es sind so viele Themen. Ich muss mir so vieles merken. Ich habe mir früher gedacht, dass ich damit klar kommen werde, aber ich habe mal wieder die Realschule mit dem Abitur gleichgestellt. Wie schlau von mir. Ich gehe die gottverdammten Themen in Bio noch einmal im Kopf durch. "Ich habe keinen Bock mehr!", gebe ich genervt von mir und schließe seufzend meine Augen. Den Eröffnungstanz habe ich mit den anderen geprobt, für die Show ebenfalls und Ramazan und Can können fast alles für den Dirty Dancing Part. Apropos Can. An Ramazans Geburtstag kam er mir total komisch vor. Er hat selten mit mir geredet und war die ganze Zeit bei anderen Mädchen, was mich sehr genervt hat. Er hat doch eine Freundin? Ich habe es mir natürlich nicht anmerken lassen und habe mich mit den Mädels dort amüsiert, aber trotzdem hat es mich unbewusst genervt. Was sollte das denn überhaupt werden? Erst erzählt er mir etwas von: Ich wäre zu rein und ich könnte ihn jeder Zeit dazu bringen, Schluss mit Elif zu machen und dann macht er so etwas? Ich war in diesem Moment so wütend, dass ich extra über den imaginären Azad - der durch Viyan entstanden ist - gesprochen habe und das laut genug. Natürlich habe ich dann sofort seine Blicke auf mir gespürt und das sehr genossen. Seitdem habe ich auch nur kryptisch geantwortet, falls er mit mir geredet hat und falls er frage, was los sei, antwortete ich mit einem schlichten Nichts. Es ist ja nichts los. Außer, dass Can sich nicht entscheiden kann und ein Arschloch ist. Ein riesen Arschloch. Ein monströses Arschloch! Da ich gerade so schön an das Arschloch denke, schreibt er mich im passenden Moment an. Wenn man vom Teufel spricht.
'Bist du noch am lernen?' Soll ich ihm antworten?
'Nein.'
'Willst du zu mir?' Ach! Erst schön mit Mädchen flirten und dann sowas fragen?
'Und dann?'
'Reden, essen, Spaß haben.'
'Worüber willst du reden?'
'Vielleicht über dein jetziges Verhalten?' Pff! Sein Ernst? Fang doch bei dir selber an! Du dämlicher Idiot!
'Man kann auch schreiben.'
'Reden tut es sich besser.'
'Wir haben Besuch.' Eigentlich ist keiner zu Hause.
'Um zehn nach zwölf?'
'Korrekt.'
'Habt ihr nicht.' Er soll sich mal nicht so klug anstellen!
'Doch.'
'Dann würdest du nicht zu Hause lernen.'
'Wer sagt, dass ich zu Hause bin?'
'Deine Snapchatstory.' Verdammt! Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen!
'Bin gerade auf dem Weg zur Bibliothek', schreibe ich, da mir nichts anderes einfällt.
'Wieso gehst du mir aus dem Weg?' Ich schreie frustriert und verdrehe meine Augen. Wieso interessiert es dich so plötzlich, nachdem du mit zwei dunkelhaarigen Mädchen geflirtet hast?!
'Tue ich nicht.'
'Shana, lüg nicht.'
'Tue ich nicht.'
'Du provozierst.'
'Tue ich nicht :) ', schreibe ich und lache kurz auf.
'Ach ja? Und was machst du denn?' Gute Frage.
'Tue ich nicht.'
'Was soll das werden?' Da ich keine Lust mehr auf Can habe, lege ich mein Handy einfach weg.
Meinen Fingern will ich nicht die Mühe machen, sich wegen so einer Person zu bewegen. Stattdessen schaue ich aus dem Schrägfenster und schaue mir den hellblauen Frühlingshimmel an, bis mein Klingelton mich stört.
"Wer nervt?"
"Nicht so frech!", höre ich Cans raue Stimme am Ende der anderen Leitung.
"Wer stört?" Ich höre ihn seufzen, was mich grinsen lässt.
"Komm vorbei", fordert er, woraufhin ich grübelnd summe.
"Wer bist du?" Schon wieder seufzt er.
"Shana...", seufzt er und ist bestimmt genervt, was mich wieder grinsen lässt.
"Nein, das bin ich." Er stöhnt genervt auf und schnalzt dabei mit seiner Zunge.
"Stöhn nicht."
"Warte ab, ich zeige dir, wie man richtig stöhnt!", gibt er mahnend von sich. Verdutzt kriege ich keinen Satz raus. Was soll man darauf antworten? Ja, bitte? Gerne? Gott, natürlich mit einem Nein! Meine Gedanken werden immer kranker und perverser.
"Zeig's mir", sage ich und beiße mir sofort auf meine Zunge. Ich Idiot! Ich höre ihn leise Lachen und spüre, wie warm mir wird. Was habe ich da bloß gesagt? Wieso zum Teufel ist mir das rausgerutscht? Ich wünsche mir gerade nichts Sehnlicheres, als die Zeit zurückzudrehen und den Anruf nicht anzunehmen.
"Komm vorbei. Dann geht es besser", gibt er in einem dreckig-perversen Ton von sich, der mich kurz zucken lässt. Nicht einschüchtern lassen, Shana! Ich muss zu dem stehen, was ich gesagt habe. Ich stehe sonst immer zu dem, was ich sage, also wieso dann nicht beim ihm? Er soll bloß nicht denken, dass ich mich einschüchtern lasse, weil er so groß und stark ist, pff.
"Okay, wir sehen uns dann in fünf Minuten", gebe ich dann mit einem souveränen Lächeln von mir.
"Okay. Warte! Wa-," Ich lasse ihn nicht ausreden und lege kichernd auf.
Ich springe mit plötzlichen Elan aus meinem Bett und stelle mich vor meinen Schrank hin. Warte! Will ich mich etwa wirklich für Can fertig machen? Ich ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen. Sowas habe ich noch nie gemacht. Wieso sollte ich es jetzt machen? Es ist nur Can! Ich schnaube und gehe kurz etwas essen, woraufhin ich wieder in mein Zimmer gehe und die offene Schranktür zu machen möchte, bis mir ein schwarzer Pullover in den Blick fällt. Das kann nicht sein. Langsam nehme ich ihn heraus und realisiere, dass es Can Pullover ist. "Das kann doch nicht sein", murmele ich. Den Pullover habe ich angezogen, als ich dank Can nass wurde. Das war vor einem Jahr. "Krass", kommentiere ich und danke innerlich Gott, dass meine Mutter diesen Pullover niemals entdeckt hat. Wie kann es sein, dass ich ihn über einem Jahr hier in meinem Schrank hatte und ihn zudem noch vergessen habe? Ich falte den Pullover und lege ihn auf meine Kommode, bevor ich mich parfümiere und mir einen Dutt mache. Als ob ich mich für ihn hübsch mache, pff! Mit meinem Handy, meiner luftigen Leopardenhose, einem schlichten, schwarzen T-Shirt und meinen schwarzen Nike Air Max 90 plus Cans Pullover, den ich mir über meine Schultern gebunden habe, gehe ich aus der Wohnung. Der Idiot wird sich wundern. Denkt er ernsthaft, ich wäre so dumm und würde zu ihm gehen, wenn keiner von seinen Familienmitgliedern im Haus ist? Seine Mutter und oder Derya sind zu hundert Prozent zu Hause. Schmunzelnd laufe ich die Straße entlang und genieße die Sonnenstrahlen, bevor ich die Klingel betätige und grinsend den Aufzug betrete. Mit einem schnellen Herzschlag verlasse ich den Aufzug und klingele an der Tür, die von Can geöffnet wird. "Schade, ich hatte Hoffnungen, dass deine Mutter die Tür öffnet." Er lacht diabolisch auf. "Keiner, außer mir ist zu Hause." Meine Augen weiten sich. Du Idiot! Von wegen, seine Mutter ist im Haus oder Derya! Ich mache einen schnellen Schritt nach hinten, werde aber von Can in die Wohnung gezogen. "Das ist Entführung!", rufe ich und will die Tür öffnen, doch der Liebe Can ist so stark, dass er mich mit einem Arm in sein Zimmer führt. "Deine Mutter wird total falsch denken!" Er schließt schmunzelnd die Tür ab. "Was hast du vor?", frage ich misstrauisch und gehe auf die Mitte des Bettes zu. "Meine Mutter wird gar nichts denken. Vor allem, da du so aussiehst." Ich ziehe empört die Luft ein. "Ich sehe gut aus, was man von dir nicht erwarten kann!", zische ich und zeige auf sein weißes T-Shirt und seine graue Stoff-Short, die bis zu seinen Knien reichen. "Ja! Vor allem diese tolle Hose!", gibt Can sarkastisch von sich. Warte! Sollte ich nicht eigentlich sauer sein? Sofort nehme ich eine beleidigte Haltung ein und schaue schnaubend auf seinen Teppich. "Och, Shana. Sag mir nicht, dass du wieder sauer bist." Ich zucke mit meinen Schultern und höre ihn seufzen. "Ich sollte dir doch zeigen, wie man richtig stöhnt." Ich sehe aus meinem Augenwinkel, wie er auf das Bett zukommt, aber ich bewege mich nicht. Es ist nur da, um mich einzuschüchtern. Er setzt sich auf das Bett und lehnt sich zu mir, was ich aber gekonnt ignoriere. "Shanaaa", säuselt er und fährt mit seinen Fingern über mein rechtes Knie, weswegen ich mein Knie sofort wegziehe. Er setzt sich zu mir, weswegen ich mich wegrolle, was ihn leise lachen lässt. "Was machst du da?", fragt er belustigt und kriegt keine Antwort von mir. Ich starre einfach seine weiße Decke mit verschränkten Armen an. Can legt sich genau neben mich und berührt meinen nackten Arm mit seinem. Er riecht anders. Es ist kein Parfüm, es ist sein Eigenduft und er riecht gut. Wieso riecht er trotzdem gut? Nimmt er seine Parfüms intravenös ein oder was? Seinen tollen Duft - der eigentlich nicht so toll ist - ignoriere ich, beziehungsweise versuche es und schaue zu seiner Wand und dann wieder zu seiner Decke.
"Wieso trägst du einen Pullover über deinen Schultern?", fragt er mich. "Ouh, das ist deiner", sage ich und setze mich hin, um ihm den Pullover zu geben. Er schaut nachdenklich auf den Pullover und dann zu mir. "Ich habe ihn total vergessen. Habe ihn heute im Schrank gefunden." Seine Augenbrauen ziehen sich etwas zusammen. "Wie lange hattest du ihn schon?", will Can wissen. "Ein Jahr", nuschele ich und streife meine Nasenspitze mit meinem unteren Zeigefingerknochen. Ich schaue kurz auf sein T-Shirt und dann in seine überraschten Augen. "Das war damals, als wir nass wurden und dann bei dir waren. Ich habe vergessen den Pullover auszuziehen und habe ebenfalls vergessen ihn dir wieder zu geben und dann war ja unser... Kontaktabbruch", nuschele ich und wollte das letzte Wort gar nicht aussprechen, da es mir unangenehm vorkam und es mir immer noch so vorkommt. Es ist komisch jetzt bei Can zu Hause zu sein, wenn man vor wenigen Wochen noch ein Jahr zerstritten war. Komisch - sehr sogar. Vor allem, da ich solches Zeugs nie getan habe, es niemals erlebt habe. Seitdem ich Can kenne, mache ich vieles, was ich eigentlich nicht tun sollte oder niemals gemacht hätte, wäre Can nicht in mein Leben getreten. Es ist still. Er ist still, sowie ich es auch bin. Gedankentrunken schaut er auf den Pullover und spielt am Saum herum. Kommt es ihm auch so unangenehm vor, über den Kontaktabbruch zu reden, wie mir? Wir haben zwar nicht wirklich darüber geredet, aber allein das Wort Kontaktabbruch reicht aus, um mir Unbehagen zu bereiten. Meine Schultern spannen sich automatisch an, durch die Spannung und die Stille. Neckereien wären mir lieber. "Okay, danke", sagt Can dann schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit und legt den Pullover zur Seite, bevor er sich kurz und leise räuspert. "Hast du schon etwas gegessen?" Ich nicke und schaue dabei auf seine dunkelblaue Bettwäsche. "Es ist Vergangenheit, du brauchst dich deswegen nicht unwohl fühlen." Woher weiß er das? Langsam hebe ich meinen Kopf an und schaue ihn mir an. Mir fällt erst jetzt auf, dass seine schwarzen Haare nicht wie sonst zur Seite frisiert sind, sondern leicht zerzaust sind - trotzdem sehen sie gut aus. Ich schiebe eine kurze Haarsträhne hinter mein Ohr und schaue zu seinem Spiegel, der an einer seiner Schranktüren befestigt ist. Um genau zu sein ist es die mittlere Tür, genau gegenüber seines Bettes. Ich schaue wieder zu Can und bemerke, dass er mich anschaut und sanft lächelt, was ich automatisch erwidere. "Sagst du mir jetzt, wieso du so abweisend warst?", fragt er mich in einem sanften, ruhigen Ton. Ich schlucke und schürzte meine Lippen. "Ich fand es nur komisch, dass du mit anderen Mädchen flirtest, obwohl du eine Freundin hast." Und Gefühle für dieses Miststück entwickelst. "Das waren ihre Freundinnen." Ich ziehe ungläubig meine Augenbrauen zusammen. "Du hast sie mit deinen Blicken ausgezogen." Ein Schmunzeln bildet sich auf seinen Lippen. "Hat da mich etwa jemand gestalkt?" Ich verdrehe meine Augen als Antwort. "Erwischt." Ich rümpfe meine Nase. "Ich beobachte gerne Skandale", gebe ich schlicht von mir.
"Langsam habe ich das Gefühl, dass du nicht wirklich etwas für sie empfindest." Er schluckt und schaut mich ernst an. Er sagt nichts. Was passiert jetzt? "Soll ich dir sagen, an was ich denken muss, wenn ich sie sehe?" Nein. "Ja", gebe ich etwas heiser von mir und schlucke. Er rutscht etwas näher und schaut mir tief in die Augen. "Wo soll ich anfangen?" Ich zucke mit meinen Schultern und versuche nicht deprimiert zu werden. "Ihr Lächeln. Es motiviert mich weiterzumachen, sie weiter zum lachen zu bringen." Erster Stich. "Und dann diese Wange-,", setzt er an, doch macht nicht weiter. "Sie kann verschieden sein. Man muss sie nur kennenlernen, das habe ich selber fühlen müssen, doch es hat sich gelohnt, auch wenn ich es früher nicht wahrhaben wollte." Zweiter Stich. "Wenn sie anfängt etwas zu erzählen, dann ist sie total in diesem Moment, in dieser Situation gefangen. Ich könnte ihr stundenlang zuhören", sagt er und lacht dann leise. In meinem Inneren baut sich wieder Druck auf. Seine Wörter sind wie Messerstiche, so schön sie sich auch anhören. "Oder wenn sie wütend ist und sich über diese Dinge aufregt. Ihr Stimme wird dann immer so schrill und sie sieht dann so süß aus, wenn sie dann wegrennt." Ich schlucke und versuche zu lächeln, was aber nicht funktioniert. "Ich könnte vieles über diese eine bestimme Person erzählen, doch dann würde ich mich selber verraten." Verwirrt, wegen seines Rätsels, ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. "Okay." Ich habe mir ein kleines Fünkchen an Hoffnung geschaffen, dass Can sich diese Gefühle nur eingebildet hat, doch diese wurden gerade von ihm selber zertreten. "Muss sich schön anfühlen, wenn man mit einer Person zusammen ist, die man sehr gerne hat", stelle ich etwas kühl fest und schaue träge in seine gelben Augen. "Wenn es die Eine ist, dann ja. Es wird sich mehr als schön anfühlen." Er lächelt leicht, während ich seinem Blick ausweiche und über seine Decke streiche. "Es ist falsch, dass ich hier bin", murmele ich und stehe auf. "Warte, was hast du vor?", fragt Can, der sich vom Bett erhebt, während ich seine Tür aufschließe. Ich bin so blöd! Wie konnte ich nur glauben, dass Can mich für etwas Besonderes hält? "Ich komme zu einem glücklich vergebenen nach Hause. Was denke ich mir eigentlich dabei?", frage ich und schnaube. Ich versuche mein Bestes, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich will weg von hier. Weg von ihm. "Shana", setzt er Can, woraufhin ich mir kurz über mein linkes Schlüsselbein fahre. Wieso bin ich überhaupt hierher gekommen? Wäre ich zu Hause, hätte ich von seinen Gedanken nichts mitbekommen. "Würdest du es nicht falsch finden, wenn Elif einen Jungen zu sich nach Hause holt?", frage ich und warte auf seine Reaktion. Kein Anspannen, keine Zornfalte zwischen seiner Augenbraue, keine geballten Fäuste - rein gar nichts. "Das wäre doch nicht schön, nicht wahr? Das wäre... ich würde es nicht tolerieren", gebe ich schluckend von mir. Mein Hals ist trocken. "Du möchtest nichts mit mir unternehmen?", fragt er und versteckt seine Enttäuschung, die ich trotzdem erkennen kann. "Ich-, doch-, ich meine, es ist schön... mit dir, aber die Tatsache, dass du etwas mit Elif am laufen hast-, pardon, dass du mit ihr zusammen bist und Gefühle für sie hast, ist immer in meinem Hinterkopf. So etwas macht man nicht." Ich lächele etwas aufmunternd, da sein Blick das Gegenteil ist. Wenn es um seine Enttäuschung geht, kann Can es einfach nicht verstecken.
"Ich liebe sie." Mein Lächeln fällt sofort. Hat er das gerade wirklich gesagt? Er liebt sie? Can liebt Elif? Ein abgehakter, hysterischer Lacher entflieht meinem Mund. "Du-, du lieb-," "Ich liebe sie." Er liebt sie. Er liebt sie. Ich schlucke diesen penetranten Klos runter und ziehe meine Augenbrauen ganz weit hoch. Das sind keine Messerstiche mehr, sondern brennendes Metall auf meiner Haut. "Das ist-, wow, das ist doch toll!", gebe ich mit gemischten Gefühlen von mir und versuche den Satz nicht in einem brüchigen Ton zu beenden. Ausdruckslos schaut Can mich an und nickt trocken. "Dann solltest du es ihr sagen und das vielleicht jetzt", flüstere ich schon fast und öffne seine Tür, um dann im Flur meine Schuhe anzuziehen. Es war ein Fehler hierhin zu kommen. Es war gewaltiger, verdammter Fehler, den ich am liebsten aus meinen Gedanken löschen will, doch er hat sich verewigt. Ironisch und fassungslos lache ich auf und binde mir meine Schnürsenkel zu. Cans Präsenz, die hinter meinem Rücken steht, ignoriere ich und stehe schluckend auf. "Sag es ihr", nuschele ich und verschwinde ganz schnell aus der Wohnung. Ich warte nicht auf den Aufzug, sondern nehme die Treppen. Wie kann das sein? Wie kann sich Can bloß in dieses Mädchen verlieben? Ist es Karma, da er sie eigentlich nur verarschen wollte? Ist es das? Wenn es so ist, dann sollte sich das Karma etwas anderes für ihn ausdenken - dringend! Ich habe gerade auch keine Lust nach Hause zu gehen. Ich bleibe auf den Treppenstufen stehen und wische mir schniefend die aufkommenden Tränen weg. "Es ist nichts, es ist rein gar nichts", flüstere ich ganz leise. Es brennt, es fühlt sich scheuchlich an. Ich muss mit jemanden reden. Ramazan. Ich schreibe ihm, ob er Zeit hat, was er dann bestätigt und sage ihm, dass wir uns am Spielplatz hinter der Haltestelle treffen. Mit gekränkter Miene laufe ich dahin, als ich mich dann beruhigt habe und warte bis Ramazan kommt, den ich nach wenigen Minuten sehe und ihn umarme. "Was ist los?", fragt er mich. Can liebt Elif und ich mag einen vergebenen Jungen. "Wie soll ich sagen?", seufze ich und umarme ihn innig. "Can liebt Elif?" Es ist mehr eine Frage, als eine Feststellung. Ramazans Gesicht zeigt Verwunderung. "Wusstest du das etwa nicht?" Er sagt nichts und nickt stattdessen. "Doch, aber es wundert mich halt, dass du es weißt", antwortet er mir dann. "Hab's gerade eben erfahren", flüstere ich und schürze meine Lippen. "Es war so komisch", setze ich kopfschüttelnd an. "Er hat doch an einem Geburtstag mit diesen Mädchen geredet, geflirtet trifft es eher und dann erzählt er mir, dass es die Freundinnen Elifs gewesen seien. Und dann schwärmt er von ihr, von ihrem Lächeln, von ihrem Verhalten und dass er sich selber verraten würde, wenn er weiter erzählen würde." Ich schaue resigniert zu Ramazan, der mir aufmerksam zuhört.
"Ich weiß nicht, was ich machen soll", gebe ich seufzend und etwas verzweifelt von mir und laufe etwas hin und her. "Wieso?", fragt Ramazan mich. "Weil-, weil Can und ich-, da ist doch so eine Bindung", lasse ich es endlich raus. "Oder es kommt mir nur so vor?", murmele ich und bete innerlich, dass es nicht der Fall ist. "Ihr habt eine Bindung", versichert er mir. "Wieso kommt es mir so schlimm vor, dass er Elif liebt?", frage ich meinen besten Freund der leise seufzt. "Wieso will er dann Dinge mit mir unternehmen? Er hat mir schon mal gesagt, dass er Gefühle für sie hat, aber wieso kommt er mir so nahe? Wieso versucht er mich durch kleine Aufmerksamkeiten glücklich zu machen? Wieso fühlt sich all das so gut an, wenn sein Herz einer anderen gehört, Ramazan?", frage ich mit einer angebrochenen Stimme und lasse mich neben ihm auf der Bank nieder. "Wieso fühlt es sich so gut an in seiner Nähe zu sein, wenn es falsch ist? Bilde ich es mir nur ein?" Er schüttelt seinen Kopf und schaut in die Ferne. "Er muss doch auch etwas fühlen", flüstere ich und verdränge meine Tränen. Ramazan legt einen Arm um mich und zieht mich näher an sich heran. "Tut er, glaub mir", versucht mir Ramazan in einem ruhigen Ton zu versichern, doch ich kann es irgendwie nicht glauben. "Wieso liebt er dann Elif?", rutscht es mir aus, während ich mir meine Tränen wegblinzele. "Shana, du musst jetzt ehrlich sein", sagt Ramazan und löst sich von mir, um mir dann in meine Augen zu schauen. "Empfindest du etwas für Can?" Meine Augen weiten sich und mein Kopf schüttelt sich automatisch. Das kann niemals möglich sein. "Sei ehrlich", bittet Ramazan mich. Meine Schultern fallen. Tue ich es? Habe ich Gefühle für ihn? Die Frage überrumpelt mich. Was soll ich antworten? Ich kann nicht antworten, es fällt mir gerade so verdammt schwer. "Ich-, ich weiß es nicht", murmele ich beschämt und schaue zu Boden. Ich kann doch nicht etwas für Can fühlen, wenn ich sein Image nicht akzeptiere. Ich hatte noch nie Gefühle für einen Jungen in das soll auch so bleiben. "Es ist bestimmt nur eine Einbildung, mehr nicht. Bald sind wir alle weg und somit auch diese Einbildungen." "Wieso denkst du, dass es nur Einbildungen sind?", fragt Ramazan mich, woraufhin ich mit meinen Schultern zucke. "Sie kamen dieses Jahr und das recht spontan. Ich denke, es ist nur Cans Auftreten, nur oberflächlich, mehr nicht", kommt es etwas matt von mir, während ich auf den Sandkasten starre. "Denk darüber nach. Setz dich nach den Prüfungen mal richtig mit diesem Thema auseinander. Wenn du willst, dann können wir es gemeinsam machen." Ich nicke ihm mit einem kleinen Lächeln zu und umarme ihn dann. "Danke, Ramazan."
Was empfinde ich bloß für dich, Can?
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