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Nervenzusammenbruch ist kein Ausdruck für das, was ich nach Brielles Worten erlebte. Vermutlich war meine Reaktion aber auch nur deshalb so schlimm, weil ich übermüdet war, mein Rücken und meine Füße mich umbrachten und ich ewig in der Kälte gewesen war. Und Hunger hatte ich auch. Und meine Haare waren ungewaschen, das fand ich eklig, und das verpasste mir den letzten Tritt.

Deshalb saß ich jetzt in Zachs Badewanne, mit meinen gewaschenen Haaren, die nach seinem Shampoo dufteten, und löffelte wieder Hühnersuppe. Es war zwar fast vier Uhr nachts, aber Zach hatte seine Köchin trotzdem beinhart angerufen, als er mich zu sich gefahren und ich von Hühnersuppe und Schaumbad geredet hatte. Meine Geschwister hatten mich nicht gerne gehen lassen, aber wie hätten sie mich abhalten sollen?

„Warum warst du da?", fragte ich nun mit heiserer Stimme. Ich war mir sicher, mich erkältet zu haben.

„Was meinst du?" Er saß direkt neben der Wanne, die Arme auf die Knie gelegt.

„In meinem Haus." Ich trank den Rest der Suppe direkt aus der Schüssel. „Hast du auf mich gewartet, oder...?" Ich wusste selbst nicht, wie der Satz weitergegangen wäre. Er nahm mir die leere Schüssel aus der Hand und stellte sie neben sich auf den Boden.

„Du hast dein Handy Zuhause gelassen. Als ich dich angerufen habe und fragen wolltest, wo du bleibst, ist deine Schwester ans Telefon gegangen und war verwirrt, weil du nicht bei mir warst. Ich bin durch die Gegend gefahren, ich dachte, vielleicht ist etwas passiert, aber ich konnte dich nirgends finden."

„Bist du die ganze Zeit in meinem Haus gewesen?", fragte ich ungläubig. Er nickte ernst. „Obwohl du dachtest..."

Er zog die Augenbrauen zusammen. „Was dachte ich?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Dachtest du nicht, dass ich abgehauen und zu Sebastian gelaufen bin? Oder mit ihm durchgebrannt bin oder sowas?"

Er schüttelte den Kopf und ich war ehrlich überrascht. „Aber ich wusste nicht, was sonst... Ich meine, ich hatte einen Verdacht, aber dieses Gebiet war mir zu... neu, um es betreten zu wollen." Das verstand ich. Für mich war es auch neues Gebiet. Ich stützte mich mit dem Unterarm am Wannenrand ab und legte mein Kinn darauf.

Zach rutschte näher zu mir. „War es, was ich denke?"

Ich zuckte wieder mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was es war, ich hatte das noch nie", winselte ich und hätte vermutlich wieder zu weinen begonnen, wenn Zach mich nicht geküsst hätte.

Ich fühlte mich so hilflos. Beth und ich spielten nach Regeln. Sie wechselte höchstens mit mir, wenn ich einschlief, aber am nächsten Tag war ich immer ich selbst. Außerdem wusste ich, was sie tat und hatte keinerlei Gedächtnislücken.

Aber das hier lag auf einem völlig anderen Level. Ich war dieser Sache ausgeliefert.

„Warum glaubst du mir?", fragte ich Zach und betrachtete seine blauen Augen forschend. „Mir hat nie jemand geglaubt."

Er streichelte über meine Schulter, meinen Arm bis zu meiner Hand, bevor er mir wieder in die Augen sah. Er sagte es nicht, aber er dachte es. Das, was ich bereits hundert Mal in Worte gefasst habe, als ich ihm vor einer Stunde weinend in die Arme gefallen war.

Und dann küsste er mich wieder. Ich legte meine Arme um seinen Nacken und machte dabei sein T-Shirt ziemlich nass, aber im nächsten Moment lag es ohnehin in einer Ecke. Während wir versuchten, uns näher aneinanderzupressen, kam immer wieder der blöde Badewannenrand in den Weg, weshalb ich irgendwann auch kurzerhand raus kletterte, auf Zach landete und dabei vermutlich die Überschwemmung des Jahrhunderts anrichtete. Aber dafür waren wir einander endlich nahe genug.

-

Ja, ich kann mir schon denken, was Ihr denkt. „Ihr erstes Mal mit Zach -ihr erstes, echtes Mal Sex überhaupt- und dann auf dem Boden seines Badezimmers." Ich weiß. Wenn das Leben gerecht und perfekt wäre, hätte ich mir auch lieber ein superteures Hotel mit Meeresblick und Rosenblüten auf dem Boden, oder zumindest sein Bett gewünscht. Und auch, wenn Ihr jetzt denkt, dass wir für letzteres nur den Raum hätten wechseln müssen: Vermutlich hatte Zach dafür gar nicht mehr genug Blut in den Beinen.

Spaß bei Seite.

Das Leben ist nicht perfekt und der Badezimmerfußboden ist mir in dem Moment nicht viel schlechter vorgekommen, als jeder andere Ort auf dieser Welt.

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