5: The same
Ich wusste nicht wie lange ich einfach nur da lag und an meine Decke starrte. Minuten, Stunden, eine Ewigkeit. Doch ich konnte mich nicht dazu motivieren etwas anderes zu tun. Seit ich gestern von der Party nach Hause kam und mich meine Mutter gefragt hatte, wieso ich nach ganzen zwei Stunden schon wieder daheim war und nicht nach Alkohol stank, lag ich nun schon auf meinem Bett und starrte meine Decke an. Meine Gedanken schweiften um alles und nichts und um ihn, Liam. Immer noch spürte ich die Wärme seiner Hand an meiner Schulter, an meinem Nacken. Wann immer ich an seine Berührung dachte, konnte ich die Hitze spüren, die sich in meinem Körper breit gemacht hatte. Doch das Schlimmste war, ich hatte es genossen. Ich wollte nicht, dass er losließ. Es hat verdammt gut getan seine volle Aufmerksamkeit auf mir zu haben und ich fühlte noch immer seine Fingerspitzen wie sie mit meinen kurzen Haarsträhnen spielten, sah diese Wärme in seinen braunen Augen. Ich erinnerte mich daran, wie Kälte die Hitze in meinem Körper ersetzte, als er von mir abließ und wie schnell er hinter der Türe verschwunden war bevor ich überhaupt fragen konnte, was das alles zu bedeuten hatte.
Ich seufzte auf und rieb mir mit meinen Händen über das Gesicht. "Das fühlt sich gut an", hörte ich Liams sanfte Stimme sagen und sah seinen aufrichtigen Blick vor mir. Ich kannte Liam nicht mal, ich wusste nur das er der Fußballcaptain unserer Schule war. Ich wusste, dass seine Freunde Idioten waren und ich wusste, dass ich sie hasste. Ich wusste, dass ich Liam genauso hassen sollte, denn er war nicht anders als sie. Er gehörte dazu. Doch irgendwie konnte ich nicht und nein, ich war ganz sicher nicht in ihn verliebt. Ich hatte gar keine Gefühle für ihn. Ich fühlte nichts als Verworrenheit und dies gehörte nicht gerade zu den Dingen, die ich fühlen wollte. Es war frustrierend und ich beschloss Liam einfach zu ignorieren nur um mich fünf Minuten später dagegen zu entscheiden. Gereizt zupfte ich an meinen Haaren herum, denn wie dumm warst du Malik? Dieser kleiner Moment mit Liam hatte rein gar nichts zu bedeuten. Liam stand nicht mal auf Jungs. Liam war nicht schwul. Liam war definitiv nicht schwul, Zayn.
Mein Kopf fühlte sich viel zu voll an und überfordert schloss ich meine Augen. Da war nichts, was ich gegen diese Situation machen konnte und ich fühlte mich einfach hilflos. Mein bester Freund sendete mir seit gestern Nacht hunderte Nachrichten darüber, wie Harry ihn versucht hatte zu küssen und er es nicht zulassen konnte, da Harry schließlich betrunken war und er ihre unoffizielle Beziehung nicht zerstören wollte. Sein Problem half mir bei meinem leider nicht weiter, weshalb ich seinen Nachrichtenfluss von "Hilf mir, Zayn", "Antworte mir, Zayn", "Was mach ich jetzt, Zayn" und "Ich hasse dich, du bist nicht mehr mein bester Freund, Zayn" einfach ignorierte und mein Handy unter mein Kissen schob wo es weiter vor sich hin vibrierte.
Ich hasste Sonntage, vor allem Sonntag Abende. Das Wochenende war vorbei und die Schule viel zu nah. Die Krise, die mit einem gewissen Mitschüler zu tun hatte, machte es nicht gerade leichter für mich daran zu denken, morgen wieder die Schulflure entlang zu laufen. Wie sollte ich bitteschön jetzt auf Liam reagieren? Wir kannten uns zu wenig, um uns mitten auf dem Flur zu sehen und ein Kaffeekränzchen zu halten. Doch haben wir schon zu viel miteinander geteilt um uns weiterhin einfach zu ignorieren. Verzweifelt rieb ich mir meine Schläfen und versuchte für einen kurzen Moment nicht an Liam zu denken, sondern daran wie überaus dramatisch ich diese Situation gestaltete. Für Liam hat unser kleines Gespräch vor der Türe wahrscheinlich rein gar nichts bedeutet. Eventuell hatte er es bereits vergessen. Wieso sollte ich es verdient haben, stundenlang an nichts anderes zu denken, als an ihn? Was ist, wenn er sich möglicherweise sogar mit Niall darüber lustig machte, wie nervös ich auf ihn reagierte? Ich wimmerte leise als sich mein Magen bei diesem Gedanken gewaltsam drehte. Das würde er nicht tun. Würde er nicht, richtig? Und wieder wurde mir bewusst, wie wenig ich über ihn wusste. Wie wenig ich ihn einschätzen konnte.
Noch immer mit diesem eigenartigen Gefühl in der Magengrube, kramte ich unsere Schullektüre und eins meiner Lieblingswerke von Jane Austen aus meinem Nachttisch. "Stolz und Vorurteil" las es sich auf dem Cover und ich seufzte auf als sofort Liams "Vielleicht solltest du mir wirklich Nachhilfe geben" in meinem Kopf herumschwirrte. Ein warmes Kribbeln verbreitete sich in meinem Körper und unterdrückte das Übelkeitsgefühl in meinem Magen. Ich rollte mich herum und lag nun auf meinem Bauch während ich in den Seiten des Buches herumblätterte. Nach schon den ersten Sätzen merkte ich wie mir die Augenlider schwer wurden und sachte legte ich meinen Kopf auf dem Buch ab.
"So muss ich Ihnen sagen, dass Sie mich verzaubert haben, voll und ganz und ich liebe, ich liebe, ich liebe Sie", waren die letzten Zeilen die ich las bevor sich meine Augen schlossen und ich ohne Abendessen und mit Gedanken von tiefbraunen, liebevollen Augen einschlief.
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"Was ist denn mit dir passiert, so früh am Morgen?", schmunzelte Louis als ich ihm vor dem Schulgebäude entgegen lief. "Frag nicht nach", maulte ich und verwuschelte meine sowieso schon verwuschelten Haare. "Hatte ich auch nicht vor, schließlich rede ich nicht mehr mit dir", stellte Louis klar und verschränkte seine Arme vor der Brust um mir einen dramatischen Abgang zu inszenieren. Genervt schlürfte ich an meinem Kaffeebecher und sah Louis hinterher. "Bis nacher", rief ich ihm nach und er hob einfach nur seine Hand um mich abzuwinken, wobei ich es auch beließ. Übermüdet machte ich mich auf den Weg zu meinem Spind, packte meine Bücher in meinen Rucksack und lief in die Richtung meines Klassenzimmers. Qualvoll ließ ich die Mathestunden über mich ergehen, nur um danach immer noch nicht zu verstehen was es mit Stochastik auf sich hatte.
Noch immer in meinen Taschenrechner tippend, lief ich den Schulflur entlang zu meinem nächsten Unterricht als ich das unüberhörbare Lachen von Niall hörte und sich sofort dieser nervtötende Gedanke von Lauf weg, Malik. Versteck dich in der Männertoilette, oder so in meinen Kopf setzte. Verzweifelt schaute ich mich um und fragte mich auf einmal wo um himmelswillen waren diese blöden Toiletten? Ich packte meinen Taschenrechner in meine Tasche und gab mich seufzend meinem Schicksal hin als ich einfach weiterlief. Als Niall und seine Gruppe mir immer näher kamen, schloss ich die Augen, schon wartend auf irgendein blödes Kommentar seinerseits. Als ich jedoch ihre Schritte hörte, wie sie einfach an mir vorbeiliefen, öffnete ich meine Augen um direkt auf Augenhöhe mit einem wirklich sehr hübschen Muttermahl zu sein.
"Liam", keuchte ich und ließ meine Augen über seinen Hals zu seinen Augen gleiten, welche mehr an mir vorbei sahen als mich direkt anzusehen. Ich schenkte ihm ein leichtes Lächeln und kratzte mich am Hinterkopf. Den ganzen Morgen hatte ich überlegt, wie ich reagieren sollte wenn ich Liam das nächste mal sah. Ich war fest davon überzeugt, es würde erst sein, wenn ich Literaturunterricht hatte. Doch nun stand er vor mir, gutaussehend wie immer und ich musste schlucken. Denn wie sollte ich denn nun auf ihn reagieren?
Liam erwiderte mein Lächeln nicht, sondern starrte weiterhin an mir vorbei und von der Wärme in seinem Blick, die mir seit Samstag Abend nicht mehr aus dem Kopf ging, war nichts mehr zu sehen. Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe und versuchte Liam mein Lächeln deutlicher zu machen und sofort schoss mir die Röte in meine Wangen. Ich kam mir sowas von lächerlich vor. "Die Party gut überstanden?", murmelte ich und wow, was war das denn Zayn?
Unsere Blicke trafen sich und erneut schluckte ich diesen riesigen Kloß in meinem Hals herunter und versuchte mein Lächeln beizubehalten. Irritiert runzelte er seine Stirn und ich trat einen Schritt näher zu ihm um mir nicht anmerken zu lassen, wie einschüchternd sein Verhalten auf mich wirkte. "Was?", stieß Liam nur aus und nun war ich es, der seine Stirn runzelte. Liams Blick glitt über mein Gesicht zu meinen Haaren und dann blitzte für eine Millisekunde diese vermisste Wärme in seinen Augen auf, bevor sie wieder verschwand. "Uhm", nuschelte ich und ging den Schritt zurück den ich zuvor auf ihn zu gegangen war. Liam beobachtete jeder meiner Bewegungen.
"Hör zu Zayn, ich wollte am Samstag nur sicher sein, dass du in Ordnung warst. Du weißt schon, wegen Niall", wisperte er leise um seine Freunde nicht in unser Gespräch zu verwickeln. Verletzt stieß ich Luft aus und entfernte mich noch einen Schritt von Liam. 'Was sollten dann diese Berührungen, Liam? Wieso meintest du, ich würde mich gut anfühlen?', waren die Fragen die in meinem Kopf herumschwirrten, die ich ihm an Kopf werfen wollte doch stattdessen nickte ich nur und senkte meinen Blick. "Ja, natürlich", flüsterte ich und nickte erneut. "Das hatte nichts zu bedeuten", setzte Liam seine Rede fort und ich wünschte er würde aufhören. Denn Liam, ich hatte verstanden. "Es wäre besser, du würdest nicht mit mir reden. Du weißt schon", schweifte er ab und nickte mit seinem Kopf in die Richtung in der Niall und die anderen standen.
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und ich sah zu Niall, dann wieder zu Liam und konnte nicht glauben was Liam da sagte. Schämte er sich, mit mir gesehen zu werden? "Wegen Niall, na klar", murmelte ich und stieß ein leises Lachen aus. "Tolle Aktion, Liam", sagte ich nun etwas fester und starrte ihm direkt in die Augen. "Ich hab verstanden." Ich verfestigte den Griff, den ich um meinen Rucksack hatte. "Liam mach dir nichts draus, die Schwuchtel liebt es wohl gegen jeden und alles zu laufen", lallte Niall, der hinter mir stand und okay, das tat weh. Ich ließ meinen Blick nicht von Liam ab und sah ihn etwas auffordernd an. Dabei versuchte ich zu ignorieren wie sehr mein Brustkorb anfing zu schmerzen, doch was erwartete ich? Das von Kälte überzogene Gesicht von Liam bröckelte ein wenig und es schien als verletzten Nialls Worte ihn selbst. Doch bevor ich auf seine Gefühlsregung reagieren konnte, versteinerte sich Liams Blick wieder. "Ich komme, Niall", rief Liam seinem Freund und Teamkollegen zu und rauschte an mir vorbei. Für einen Moment stand ich wie erstarrt da und starrte ins Leere bevor ich mir meinen Bauch hob als wieder dieses unerträgliche Übelkeitsgefühl in mir aufkam. Ich versuchte die Tränen zu unterdrücken, die hinter meinen Augen brannten und drohten jeden Moment meine Augenwinkel zu verlassen. Er ist genauso, wiederholte ich mir selbst wie ein Mantra. Er ist genauso wie sie.
Ich schüttelte leicht meinen Kopf und setzte mich selbst in Bewegung. Ich hatte es mir seit Samstag so oft selbst gesagt. Ich hatte mir selbst gesagt, dass unser kleines Gespräch keine Bedeutung für Liam hatte, dass er genauso war wie sie. Doch dass er es mir so deutlich machte, darauf hätte ich verzichten können. Denn ich hatte gehofft, all' die schlechten Gedanken über Liam wären falsch. Ich hatte gehofft ich hätte sie mir nur zurechtgelegt, damit ich nicht verletzt werden konnte. Damit ich ihn mir aus dem Kopf schlagen konnte. Doch es tat weh und etwas benommen setzte ich mich an irgendein Tisch, in irgendeinem Unterricht und blendete das Gerede meines Lehrers aus. Ich rieb mir mit meinen Händen über die Augen und versuchte so tief und gleichmäßig wie möglich ein-und auszuatmen. Es ist okay Zayn, sagte ich zu mir selbst. Du hast es von Anfang an gewusst.
Ich empfand nichts für Liam, er hatte mich einfach nur verwirrt genau weil er so anders wirkte als seine Freunde. Doch nun, da ich meine Bestätigung hatte, dass er genau wie sie war, was machte ich mir überhaupt noch Gedanken über ihn? Er war es deutlich nicht wert.
Schwuchtel, hallten Nialls Worte in meinem Kopf wider und ich legte meinen Kopf auf meinen Tisch. Das war also alles was ich in ihren Augen war? Das fühlt sich gut an, stellten sich Liams geflüsterte Worte in Konflikt mit Nialls und ein leiser Schluchzer verließ meine Lippen. Obwohl ich mitten im Unterricht saß ließ ich meinen Kopf auf dem Tisch liegen und schloss meine Augen und versuchte an rein gar nichts zu denken. Nicht an Nialls Worte, nicht an Liams Worte und ganz bestimmt nicht daran, wie ich in weniger als einer Stunde den Literaturunterricht überleben sollte.
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2037 Wörter, yay! ♡
Ich hoffe es hat euch gefallen :)
Ganz viel Liebe zu euch,Emily ♡
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