Kapitel 3

"Ach, übrigens, bevor ich es vergesse, es ist glaub' ich besser, wenn du niemanden sagst, dass du deine Erinnerungen vergessen hast. Sonst machen sie sich noch unnötige Sorgen." findet Andi. "Aber..." beginne ich. "Ich gehe ja jetzt in die Schule und... mir ist aufgefallen, dass ich mich an nichts erinnern kann, was ich gelernt habe..."

"Ich bin mir sicher, dass es dir wieder einfällt."

"Ja, aber..."

"Kein, aber! Wir sind schon spät dran, also komm!" sagt Herr Braun bestimmt. Wir laufen die Treppe hinauf bis in den zweite Stock.

Meine Schule ist wirklich ziemlich groß, doch ich kann mich überhaupt nicht an sie erinnern. Ist Andi sich sicher, dass ich auf diese Schule gegangen bin?

Wir laufen den Gang entlang und bleiben vor einer Tür stehen.

"Geh rein. Deine Lehrerin weißt schon, dass du heute kommst." erklärt Herr Braun. Ich sehe ihn noch kurz an, dann ich öffne ich langsam die Tür. Was mich wohl erwarten wird?

"H-hallo." Meine Stimme zittert leicht. "Ah, hallo. Schön, dass du wieder da bist. Komm setz dich." fordert mich die Frau auf, die zwei Meter weiter vor mir steht.

Sie hat braunes, schulterlanges Haar, hellblaue Augen und lächelt freundlich. Sie sieht eigentlich ziemlich nett aus.

"Einfach so?" hacke ich nach. Ich soll mich einfach setzen? So läuft es also in der Schule ab?

"Äh, ja." antwortet die Frau, jetzt mit einem gequälten Lächeln. Ich sehe noch kurz zur Tür, doch die ist schon zu und somit ist auch Andi weg. Schade, ich dachte, er würde wenigstens noch kurz bei mir bleiben. Mein Blick schweift über die Klasse. Jungen und Mädchen sitzen da und glotzen mich an, als wäre ich ein Marsmännchen. Ich dachte, die kennen mich schon.

Ich laufe durch die Reihen und überlege wohin ich mich setzen kann, als ich höre: "Süße, hier!" Mein Kopf fährt in alle Richtungen, bis ich zwei Meter weiter ein Mädchen sehe, mit rot gefärbtem Haar und viel zu viel Make-up im Gesicht.

Warum nennt sie mich Süße... wir sind doch nicht etwa zusammen... oder? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, lesbisch zu sein und ich empfinde jetzt auch nichts für sie. Ich will mich wirklich nur ungern zu ihr setzen, am besten so weit weg wie möglich...

"Setz dich bitte." sagt die Frau mit den braunen Haaren. Ich bewege mich nicht vom Fleck. Die Schüler starren mich immer noch komisch an. Am liebsten würde ich weglaufen. Ich starre auf den Boden und bewege mich langsam zu der Rothaarigen hin, setze mich vorsichtig neben sie und starre weiterhin auf den Boden.

"Warum hast du so lange gezögert? Wo hast du denn deine Schulsachen?" durchlöchert das Mädchen mich mit Fragen.

"I-ich... Andi wollte mir neue Sachen besorgen..." antworte ich, damit sie mich in Ruhe lässt, doch daraus wurde nichts. "Wer ist denn Andi? Heißt dein Vater so mit Vornamen... Oder, hast du mit ihm Schluss gemacht? Ist Andi jetzt dein neuer 'Boyfriend'?" Ich will, dass sie aufhört. Sie soll leise sein und mich in Ruhe lassen. In der Pause setze ich mich von ihr weg!

"Hey, Süße, was hast du denn?" Ich will grade 'Lass mich in Ruhe!' schreien, doch die Frau kommt mir zuvor. "Marilyn, du kannst in der Pause mit ihr quatschen! Konzentrier dich auf den Unterricht!"

Fassungslos starre ich die Person neben mir an. Sie ist Marilyn?! Das kann doch gar nicht sein! Das ist nicht Marilyn... oder etwa doch?

Die restliche Stunde sagt Marilyn kein Wort mehr.

Ich selber kann mich überhaupt nicht auf den Unterricht konzentrieren. Mein Blick schweift immer wieder über meine Klasse. Die Jungs können sich auch nicht konzentrieren, die Mädchen stattdessen machen sich eifrig Notizen.

Die Jungs glotzen mich zum Glück nicht mehr an, sie geben lieber Zettelchen weiter oder werfen mit Papierkügelchen. Niemand in der Klasse redet bis auf die Lehrerin, die Frau mit den braunen Haaren. Es klingelt ohrenbetäubend und sofort fangen alle an zu reden, leider auch Marilyn.

"Hey, sag mal, was ist überhaupt mit dir passiert?" fragt sie mich und packt ihre Sachen zusammen. Ich sitze einfach nur stumm da. "Bist du jetzt mit Andi zusammen oder nicht? Warum hast so dich grad eben so komisch benommen? Was..." Ich nehme nicht mehr wahr was sie sagt. Schüler rauschen an mir vorbei und die Lehrerin hat schon längst den Raum verlassen.

"Hey, alles in Ordnung mit dir? Warum warst du so lange weg?" Zwei Mädchen stehen vor mir und sehen mich - bemitleidend - an. "Du sollst einen Autounfall gehabt haben, stimmt das?" fragt das andere Mädchen. "I-ich weiß es nicht." gebe ich zu.

"Wie, du weißt es nicht?" Die Eine zieht die Stirn in Falten.

"A...a-also..." Mehr kommt nicht aus mir raus. Dann stehe ich abrupt auf und die Mädchen zucken erschrocken zusammen. "Ich muss auf die Toilette!" sage ich und sprinte aus dem Raum. Bloß weg hier!

"Die ist ja komisch drauf!" kann ich noch hören.

Ich laufe die Treppe hinunter und stolpere mehrfach dabei. Ich kann nur noch alles verschwommen sehen, laufe immer weiter und weiter. Im Erdgeschoss sprinte ich den Flur entlang und quetsche mich durch eine Menschenmenge. Am Ende des Ganges ist eine Tür wo Toiletten drauf steht. Was für ein Glück! Ich laufe durch die Tür und sehe dann zwei weitere Türen vor mir wo Jungs und Mädchen draufstehen. Selbstverständlich nehme ich die Mädchentoiletten. Ich mache eine Toilettentür auf und lasse mich auf die Kloschüssel fallen.

Ich starre an die Decke und atme tief ein und aus. Langsam beruhige ich mich wieder und will grade die Toilettentür wieder aufmachen, da klopft jemand von der anderen Seite gegen die Tür. Ich zucke erschrocken zusammen. Ich sehe dann einfach nur die Tür an und warte auf etwas Unbestimmtes. "Hey, Süße, ich bin's Mary. Ich wollte nur wissen warum du einfach so weggelaufen bist. Du verhältst dich irgendwie... eigenartig. Sag mir doch was los ist wir sind doch Best Friends."

Heißt sie jetzt etwa doch nicht Marilyn? Ich verstehe gar nichts mehr.

"Süße..."

"Hör auf mich 'Süße' zu nennen!" schreie ich. Stille.

Ich atme tief durch und öffne die Tür. Ich sehe wütend in "Marilyns" braune Augen. "Lass mich einfach in Ruhe! Hör auf mich zu verfolgen! Wir haben nichts miteinander zu tun, klar?!" fauche ich.

Ich stapfe aus den Toiletten den Gang entlang, hinauf zu meinem Klassenraum. Dort angekommen, setze ich mich in die letzte Reihe wo noch ein Platz frei war. Neben einem Jungen, der mich keinen Blickes würdigt. Hauptsache er gibt keine blöden Sprüche von sich oder belästigt mich mit Fragen... 

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