Kapitel 1
Die Arztpraxis ist unheimlich. Alles ist weiß. Trotzdem fühle ich mich hier wohler als im Waisenhaus. Der Arzt, habe vergessen wie er heißt, ist irgendwie voll nett. Es ist immer der gleiche. Genau wie heute.
"Na, 39, wie geht es dir?" Er hat sich vor mich gesetzt und starrt mich jetzt an. "Gut." meine ich knapp. "Genauer." verlangt der Arzt. Anscheinend ist er heute doch nicht so gutgelaunt. "Ich..." Dann schweige ich. Wie fühle ich mich? Ich schließe meine Augen und horche in mich herein. "Ich... ich fühle nichts."
Der Arzt lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Weißt du, 39, deine Blutteste sind heute im Labor angekommen. Vielleicht werden wir noch heute mehr über dich herausfinden."
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sowas wie "Toll" oder "Großartig"?
Ich nicke einfach nur höflich und der Arzt steht jetzt langsam auf. "Hast du eine Erinnerung wiedererlangt?" fragt er, während er jetzt zum Fenster rüber wandert.
"Naja, keine richtige Erinnerung." erkläre ich. "Ich hab einfach nur geschlafen und dann... ja."
"Was ist in dem Traum passiert?" fragt der Mann, der immer noch aus dem Fenster starrt. "Ich... es waren Gedanken. Ich hab mich drüber aufgeregt, wie nervig meine Eltern sind und die Jungs aus unserer Klasse."
"Das war's?" Er klingt ziemlich enttäuscht. "Ja."
"Schade, gestern hast du mir was viel Spannenderes erzählt. Weißt du noch?"
Ich nicke. "Ich kam von einer Party nach Hause und war wütend, das ich Ärger von meinen Eltern bekommen habe." erzähle ich. "Genau." Ich stelle mir vor, wie der Arzt glücklich lächelt. Was war aber daran so spannend?
"Herr Arzt, wie alt schätzen sie mich?" wechsle ich das Thema. "Herr Arzt?" wiederholt er, dreht sich zu mir um und ich sehe sein grinsendes Gesicht. "Hast du vergessen, wie ich heiße?" vermutet er. Ich nicke. "Herr Braun, aber du kannst mich ruhig Andi nennen."
Stimmt! Gestern hat er sich als Andreas Braun vorgestellt. Er hat mir unendliche Fragen gestellt und bemerkt, dass ich mich an nichts erinnern kann. Er hat immer wieder wiederholt, dass ich meine Erinnerungen verloren habe und man das Amnesie nennt. Man soll so schnell wie möglich versuchen, meine Erinnerungen wiederbekommen, bevor sie für immer weg sind. Gestern hat sich Andreas oft wiederholt und mir ist das auch ziemlich auf die Nerven gegangen, aber ich meine, er meint es ja nur gut. Er hat mir erzählt, dass wir uns in Kanada befinden, in Ottawa. Ottawa ist die Hauptstadt von Kanada und Kanada liegt in Nordamerika und Nordamerika und ist ein Kontinent und es gibt 5 Kontinente auf der Welt, die Welt wiederum ist der Planet auf dem wir Leben, es gibt 8 Planeten in unserem Sonnensystem und den Stern, die Sonne.
Andi meinte, dass ich das alles bestimmt selber gewusst hätte, wenn ich meine Erinnerungen nicht verloren hätte.
"Also, Andi, wie alt schätzen Sie mich?" greife ich aufs Thema zurück. Der Doktor mustert mich intensiv. "Naja, du bist definitiv ein Teenager, etwa 15, 16 würde ich sagen."
"Teenager. Also nicht erwachsen." schlussfolgere ich. Er nickt. Wusste ich es doch!
"Eigentlich war's das schon. Ich dachte, die Sachen von gestern hättest du vergessen, aber ich glaube, du hast dir alles gut behalten - bis auf meinen Namen. Wenn du irgendwelche Fragen hast, versuch ich sie dir zu beantworten."
Ich würde ihn zu gerne fragen, wie man Amnesie bekommt, traue mich dann aber doch nicht.
"Jeden Moment könnte eine Schwester kommen. Ich hab den Nonnen gesagt, dass es heute nicht so lange dauern wird."
"Okay." meine ich.
Paar Sekunden später klopfte es an der Tür. "Herein." sagt Andi. Eine Schwester kam herein. "Verzeihung, seid ihr schon fertig?" fragt sie mit leiser Stimme. "Nonne, du bist genau pünktlich. Wir sind grade fertig geworden." Dann wendet er sich an mich. "Wir sehen uns später, 39."
"Ja, bis später." Ich geh mit der Schwester aus der Praxis.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top