❄︎ 𝟸𝟸 ❄︎
𝟸𝟸. 𝙳𝚎𝚣𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
Noch etwas irritiert über die Geräusche im vierten Stock, stieg Noël die letzten Stufen in den fünften hinauf. Hier läge seine potenzielle neue Wohnung. Er schaute sich um.
Krachen und Splittern ließen ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Das hölzerne Türblatt neben ihm erbebte, als wäre ein massiver Gegenstand aufgeprallt. Sogar ein gesplitterter Riss hatte sich in der Mitte gebildet. Unschlüssig, was er davon zu halten hatte, trat Noël einen Schritt näher heran und lauschte. Bis auf die Geräusche aus den anderen Einheiten war es still. Hoffentlich war dort niemandem etwas passiert?
Er fasste sich ein Herz und drückte den Klingelknopf neben der Tür. Ein schräges Schellen erklang in der Wohnung.
Fünf Minuten zuvor ...
Mit einem Hechtsprung brachte sich Fox Gallager in der Finsternis hinter einer geblümten Couchgarnitur in Sicherheit. Die Salve aus der schallgedämpften Uzi stanzte pfeifend eine Serie Löcher in die Lehne und ließ weiße Schaumstoffflocken auf sie regnen. Sie rollte sich ab, warf sich neben die Außenkante und schoss ihrerseits mit einer ebenfalls schallgedämpften Walther PPK.
In der düsteren 3-Zimmer-Wohnung schlugen die Projektile ihrer Pistole krachend in eine asiatisch anmutende Kommode. Keine Spur von Kurowski. Wo hatte der Pisser sich versteckt?
Hastig zog sie ihren Kopf hinter die Deckung zurück. Er durfte nicht entkommen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie eine Bewegung. Ein Reflex auf dem Display des Fernsehers. Der Kerl schlich sich von links an. Na warte, Freundchen. Ihrerseits spähte sie neben der Längsseite des Sofas hervor. Da war er! Hockte schemenhaft an der halbgeöffneten Wohnzimmertür im Flur. Mit Bedacht visierte sie seinen Glatzkopf an, atmete sanft aus und drückte den Abzug.
Klack. Fuck! Das Magazin war leer und sie hatte ihre Position verraten. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Kurowski zog voll durch. Kompromisslose zehn Schuss pro Sekunde quer durch das weihnachtlich dekorierte Wohnzimmer. Im Kugelhagel zerplatzen feinsäuberlich geordneten Porzellanweihnachtsengel, der Schoko-Adventskalender zuckte und hauchte sein kurzes Leben aus, rot und golden glänzende Glaskugeln am Weihnachtsbaum explodierten und fielen im gemeinsamen Nadelregen zerschlagener Äste nieder.
Gallager rollte sich hinter den Esstisch ab und stürzten ihn mit einem deutlichen Rumsen um. Feierliche Glasteller, Omas Kristallgläser und blank poliertes Besteck verteilten sich krachend und berstend auf dem Boden. Hoffentlich hörte man das nicht in einer der anderen Wohnungen. Käme einer der Nachbarn auf die Idee, die Polizei zu rufen, hätte sie ihre Chance auf den USB-Stick vertan. Das Dauerfeuer ihres Gegners folgte ihr und schlug in einem dumpfen Stakkato in die Massivholzplatte des Tisches.
Ruhe kehrte ein. Eine Uzi fasste maximal 40 Schuss im Magazin. Das hatte der Trottel komplett geleert. Gallager flankte über die Tischkante und zog ihr Messer aus dem hohen Lederstiefel. Sie stürzte sich auf ihren Gegner, der an seiner Waffe herumfummelte. Ihre Klinge, mit der sie auf seine Brust zielte, schrammte über das Metall des Laufes, den er rechtzeitig hochriss. Die eiserne Kante der Schulterstütze schlug ihr brutal ins Gesicht. Im explodierenden Schmerz sah sie Sterne und landete auf den harten Fliesen der Diele. Das Messer fiel aus ihrer Hand und schlitterte in Richtung Wohnungstür davon. In diesem Moment war er heran und warf sich gnadenlos auf sie. Kräftige Pranken schlossen sich um ihre Kehle wie Schraubstöcke.
„Na warte, du Schlampe", grollte er. „Nochmals lass ich mich nicht von dir ausbooten."
Der Kerl wog mindestens das Doppelte von ihr und schnürte ihr die Luft ab. Hilflos zappelte sie mit den Armen wie ein auf dem Rücken liegender Weihnachtsengel und versuchte panisch, etwas zu greifen, das sich als Waffe eignete. Da war nichts. Und keine Chance, ihn abzuwerfen. Rote Schließen und wabernde Schwärze zogen von den Seiten in ihr Sichtfeld. Mehr ging nicht. Kämpfen war zwecklos. Sie ergab sich dem Unvermeidlichen. Ließ sich treiben, in den Wogen der aufkommenden Finsternis. Am bitteren Ende entwich alle Lebenskraft aus ihren Gliedern, während sich ihre Lider langsam senkten.
Kurowski erhob sich schnaufend und schaute auf die reglose Frau.
„Schlampe." Verächtlich spuckte er ihr ins Gesicht und schritt zum verlorenen Messer in der Ecke der Diele, um sicherzugehen, dass sie sich nie wieder rührte.
Gallager riss die Augen auf. Mit Bedacht sog sie Luft durch ihre malträtierte Kehle in die Lungen. Wie im Training hatte sie vorzeitig ihren Erstickungstod vorgetäuscht. Der menschliche Körper kam problemlos 2-3 Minuten ohne Sauerstoff aus. Die meisten Angreifer hatten nicht die notwendige Geduld so lange zu drücken, so auch dieser.
Lautlos erhob sie sich auf alle viere und spannte ihre Muskeln an. Kurowski war auf dem Weg zu ihrem Messer an der Haustür. Shit. Jetzt oder nie. Sie nutzte die verfügbaren drei Schritte Anlauf und sprang ihrem Gegner, Füße voran, in die Mitte des breiten Rückens. Er grunzte, als ihm ihre harten Hacken mit voller Kraft in seine Wirbelsäule krachten und die Luft aus der Lunge pressten. Sein massiger Körper schleuderte Kopf voran gegen die Haustür. Ein Knacken und Splittern kündeten davon, dass die Tür, sein Schädel oder beides die Wucht des Aufpralls nicht schadlos überstanden hatten. Ein weihnachtlicher Kranz, der an der Tür hing, segelte auf seine Glatze herab.
Sie prallte nach dem gewagten Karate-Kick erneut seitlich auf die harten Fliesen. Zügig rappelte Gallager sich auf und sprang zur Tür. Ohne zu zögern, griff sie sich das Messer und beendete Kurowskis Leben mit einem gezielten Stich ins Herz.
„Wer ist hier die Schlampe? Hä?" Sie spuckte ihn ihrerseits an.
Damit fischte sie den USB-Stick aus seiner Tasche, säuberte sich das Gesicht und klopfte den Staub und Dreck von ihrer Lederkluft. Zum Schluss schüttelte sie einige verirrte Glassplitter und Schaumstoffflocken aus den Haaren und betastete die geschwollene Kehle. Im Weihnachtschor würde sie dieses Jahr nicht singen.
In diesem Moment ertönte das schräge Schellen der Wohnungsklingel. Sie ignorierte es und wendete sich zum Balkon, um den Ort des Geschehens schnellstmöglich zu verlassen. Der Ton wiederholte sich; dauerhaft, drängender. Mist. Womöglich hatte ein Nachbar etwas mitbekommen und sorgte sich. Nicht, dass der die Polizei rief. Den Stress brauchte sie nicht.
Genervt wandte sie sich zu Tür und lies das Licht im zerstörten Wohnungsflur ausgeschaltet. Die Reste zersplitterter Adventsdekoration knirschten unter ihren Sohlen. An der Tür angekommen, ließ sie die Sperrkette davor liegen und öffnet das Blatt eine Hand breit. Im erleuchteten Treppenhaus stand ein großgewachsener Mann Anfang zwanzig, der sie aus besorgten braunen Augen anschaute.
„Ja, bitte?"
„Hallo. Entschuldigen Sie. Ich kam gerade zufällig vorbei und habe ein lautes Geräusch gehört."
Sie schwieg.
„Und... na ja. Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Kann ich irgendwie behilflich sein?"
Ihr entging nicht, dass er sich bemühte, einen Blick durch den Türspalt zu erhaschen. Mit der Fußspitze schob sie eine Hand Kurowskis zur Seite, damit diese sich nicht im Lichtkeil der Tür offenbarte.
„Alles bestens", krächzte sie. Ihre Stimme war heiser und die Kehle schmerzte. „Mir ist vorhin das neue Regal umgekippt, als ich es an die andere Wand rücken wollte. Massivholz, Sie wissen schon. Da ist einiges zu Boden gefallen. Dann ist das ganze Ding gegen die Tür gekippt. Blöde Sache. Ist aber alles erledigt. Das mit der Tür werde ich wohl dem Vermieter melden müssen."
„Ah, okay. Kein Problem. Ich heiße übrigens Noël Winter und interessiere mich für die neue Wohnung nebenan. Sie sind...?"
„Schmidt. Katrin Schmidt. Tut mir leid, aber ich habe einiges zu erledigen hier im Flur. Vielleicht sehen wir uns ja mal."
„Ja, sicher." Er zögerte und warf einen irritierten Blick auf das Klingelschild. „Sind Sie auch neu eingezogen? Da steht »Huber«."
Dem Mann war offensichtlich nicht klar, wie nahe er in diesem Moment daran war, sein vorweihnachtliches Leben auszuhauchen.
„Ach so, nein. Ich wohne hier nicht. Helfe nur einer Freundin beim Umräumen. Also nicht über die Geräusche wundern." Sie zwinkerte ihm kurz zu. „Einen schönen Abend."
„Gleichfalls. Falls Sie eventuell doch noch Hilfe brauchen..."
„Nein, danke."
Gallager ließ die Tür vor seiner Nase ins Schloss fallen und legte bewusst geräuschvoll den Riegel davor, damit der zukünftige Nachbar von Frau Huber nicht auf die Idee kam, nochmals zu klingeln. Er würde zumindest nicht sofort die Polizei rufen. Alles andere spielte in diesem Moment keine Rolle.
Nach einem kurzen Abstecher in die Küche trat sie hinaus auf den Balkon in die sternenklare Nacht. Am Himmel zwinkerten ihr die Sterne zu, ein kühler Wind streichelte über ihr Gesicht. Auftrag erledigt. Zu Hause wartete ihre 2-jährige Tochter
Mila bei der Babysitterin. Andy, ihr Mann, käme erst später von der Weihnachtsfeier mit seinen Kollegen zurück.
Mit geübtem Griff spannte sie einen selbstlösenden Haken an das Balkongeländer, schwang sich über den gähnenden 15 Meter tiefen Abgrund und ließ sich an ihrem Gurt zügig in Richtung des spärlich beleuchteten Innenhofs der Wohnanlage hinab. Unten angekommen, kontaktiert die ihren Boss über einen Knopf im Ohr.
„Habe eine kleine Überraschung für dich. Der USB-Stick mit den Namen der EU-Agenten ist gesichert."
...
„Nein, ich habe nicht den Gashahn aufgedreht und eine Kerze aufgestellt. Auch wenn das ein passender Abgang zur Adventszeit wäre. "
...
„Das war ein Witz. Und nein, auch kein Wohnungsbrand. Dafür habe ich 3-D-Aufnahmen von allen Räumen, damit ihr wisst, wie es vorher aussah. Schick ein Team zum Aufräumen vorbei. Ist eine ordentliche Schweinerei. Kurowski habe ich ebenfalls erledigt."
...
„Ja, ich weiß, dass das aufwendig ist, aber wir arbeiten beim Geheimdienst und nicht bei einem Abrissunternehmen. For god's sake!"
...
„Alles klar, und sobald das Team fertig ist, melde das bitte der Polizei als Einbruch, damit es echt wirkt."
...
„Moment. Und schick der Mieterin morgen unter einem Vorwand einen großen Strauß Blumen und einen netten Gutschein, damit sie sich neu einrichten kann."
...
„Warum? Die Frau wird unter Schock stehen, sobald sie vom Einbruch erfährt. Außerdem haben wir bald Weihnachten."
Damit legte Gallager auf. Männer waren manchmal echt schwer von Begriff.
Ob das Kaufhaus in der Innenstadt um diese Zeit geöffnet hatte? Ihr fehlte noch das Geschenk für ihre Kleine...
Noël schüttelte nur den Kopf. Da wollte man nur höflich sein und wurde so unfreundlich abgelehnt. Unerhört. Mensch, du klingst schon wie deine Oma, wenn sie über ihre Nachbarn schimpft.
Er ging weiter den Flur entlang. Was wohl noch alles geschehen würde?
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
𝚂𝚌𝚑𝚊𝚕𝚕𝚐𝚎𝚍𝚊̈𝚖𝚙𝚏𝚝𝚎 𝙽𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚟𝚘𝚗 AllanRexword
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𝙽𝚘𝚌𝚑 𝚎𝚒𝚗𝚎𝚗 𝚜𝚌𝚑𝚘̈𝚗𝚎𝚗 𝙰𝚍𝚟𝚎𝚗𝚝𝚜𝚣𝚎𝚒𝚝
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