❄︎ 𝟸𝟶 ❄︎
𝟸𝟶. 𝙳𝚎𝚣𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
Der von einem schwachen Licht beleuchtete Flur führte um eine Ecke. Besser gesagt, vollführte der Flur eine Rundung.
Noël lächelte leicht (er hoffte still, dass der Briefstapel hielt), als er daran dachte, dass diese Begebenheit ein gutes Element in einem Horrorfilm oder Psychothriller wäre. Laut einem seiner Psychologie-Proffs hatte das Gruseln einen positiven Einfluss auf den Körper. Vermutlich so etwas wie Adrenalin. So wie manche Personen Achterbahnen und Kettenkarussells über alles liebten, fühlten sich andere bei Horrorgeschichten und Krimis daheim.
Was jedoch interessant war, war das menschliche Belohnungssystem. Ein Trinker würde nicht einfach aufhören, Alkohol zu trinken, nur weil er auf Dauer nicht gesund war. Viel mehr würde er es zwar versuchen, sich aber an die glücklichen Momente erinnern, die dem Alkohol kurzfristig beiwohnten.
Mit aus diesem Grund lehnte Noël die meisten Drogen ab, auch wenn er gerne die illusionarisch erweiterte Realität erleben würde, einfach um nachvollziehen zu können, warum jemand etwas zu sich nahm, wovon er genau wusste, dass es nicht gut für ihn war.
Es war einfach leichter, eine Gewohnheit zu behalten, als sie sich abzugewöhnen. Manchmal jedoch musste ein Schlussstrich gezogen werden. Vor allem, wenn einem selbst klar wurde, dass man etwas an seiner Situation ändern müsse, weil es sonst nicht besser werden würde und man vielleicht sogar in eine nicht enden wollende Depression verfallen würde.
Seiner Schwester Finja musste er versprechen, sie einmal im Monat zu besuchen, falls er tatsächlich auszog. Falls er den letzten Schritt wagen würde. Tief durchatmen betrachtete er den Flur. Hier war er nun, um den Schritt zu wagen und sich um eine eigene Wohnung zu bewerben. All die fremden Leute, die hier lebten und ihm vielleicht bald Freunde sein würden. All die Personen, denen er womöglich nie wieder im Leben begegnen würde.
Vielleicht verstand er sich auch gar nicht mit den Leuten, die bald seine Nachbarn sein würden. Woher wusste er schon, was auf ihn zukommen würde? Nur noch vier Türen, die er entlang wandern musste, abklappern musste, um an die Wohnung zu kommen, für die er einen Besichtigungstermin hatte. Wohnung vierundzwanzig.
In diesem dämmrigen Licht wirkte der Flur staubig und am liebsten hätte er auf der Stelle wieder kehrt gemacht, hätte er Christin, seiner Mutter, nicht versprochen, dass er wenigstens versuchen würde, freundlich gegenüber den neuen Vermietern zu sein. Und wenigstens zu versuchen, die Wohnung zu bekommen. So wenig es ihn auch hierher zog. Aber es war als Neuanfang gedacht und im letzten Jahr wollte nichts in seinem Leben funktionieren. Dabei war sein Abi gut genug, um Psychologie zu studieren.
Etwas, worum Iria ihn beneidete, auch wenn sie es nicht offen zugab. Jedoch bemerkte er es, wenn sie ihm über die Schulter linste, wenn er gerade an etwas für Psychologie arbeitete. Sie war in seiner Freundesgruppe und kam ab und an mal vorbei. Besonders weil ihre kleine Schwester Marilla mit Finja befreundet war.
Der Flur windete sich gefühlt eine Ewigkeit, bis er auf eine Tür blickte, auf der in Leuchtzahlen zwanzig eingraviert stand. Muster bildeten sich an der Tür, die wie optische Täuschungen hin und her sprangen. Gerade lang genug, um sie einzuprägen. Zu kurz aber, um sie wirklich zu begreifen. Quanten von Licht. Fasziniert blickte er an die Decke und fühlte sich sofort an einen Kindergeburtstag seines besten Freundes zurückversetzt, an dem sie beim Schwarzlicht-Minigolf waren. Auch wenn Noël Escape Rooms bevorzugte. Wer wohnte hier, dass er sich das leisten konnte und wie funktionierte es?
Jedoch verstand er jetzt, wieso das Licht im Flur so dämmrig war. Wäre es hell erleuchtet gewesen, wäre diese Wirkung nicht zum Vorschein gekommen.
Seine Neugierde zog ihn förmlich zu der Wohnung und so blieb er akkurat vor der Tür stehen und betrachtete sie. Suchte nach der Klingel, fand aber nur etwas, das aussah wie ein Fingerscan Gerät. In welcher verrückten Welt lebte er, dass sowas möglich war? All das hier. Allein schon, dass das Licht Welle und Teilchen zugleich sein konnte: Es war so, als wäre Schrödingers Katze lebendig geworden.
Er blickte zurück und entdeckte einen Laser, dessen Licht genau auf den Fingerscan schien. Neben diesem hing eine Reihe an kleinen Quadraten, an denen Zahlen und noch etwas anderes drauf geschrieben waren . Nicht sicher, worum genau es sich handelte, hielt er einen von den Quadraten in etwaiger Entfernung zum Fingerscan. Interferierende Wellen kamen zum Vorschein. Ein Phänomen, dass Iria ihm einmal erklärt hatte.
Weiterhin versuchte er, die Muster in der Tür zu verstehen. Optische Täuschungen glitten über die Wand hinweg.
Auf der anderen Seite hielt Nora eines der Gitter hoch und betrachtete die weißen Lichter durch es, zu deren Seiten sich Farbstreifen ausbreiteten. Neben dem ursprünglich weißen Licht waren die Farbstreifen, die aus blau, grün und gelb bestanden, dicht aneinander getrennt.
Die blau, grün und roten Farbstreifen daneben, die ein zweites Licht ergaben, waren etwas weiter entfernt.
Wie durch Overhead-Projektoren waren Bilder und Videos an die Wand gestrahlt. Malo betrachtete die eine Wand und bediente den in ihr eingebauten Touchscreen. An die Wand links von ihm ließ er einen Weihnachtsfilm anlaufen und wählte dann das Element Weihnachtsmarkt aus. Sofort wurden ihm eine Liste von Weihnachtsmärkten angezeigt, ebenso wie passende Bilder und Rezepte für gebrannte Mandeln und Kinderpunsch.
Eleanor hingegen untersuchte unter dem Mikroskop ihr mithilfe einer Petrischale angebautes Genmaterial.
Liviana bewegte sich mithilfe einer 3D-Brille durch den Raum und erzählte Linus alles, was sie in dem Moment wahrnahm. Jegliche Gefühle und Empfindungen. Wie sich die Wand zu ihrer Rechten anfühlte oder wonach die Banane schmeckte, die mithilfe der 3D-Brille die Gestalt eines Apfels annahm.
So unterschiedlich die fünf auch sein mochten, so vereint waren sie in ihrer abwegigen Zukunft.
Einzig Britta kümmerte sich um den kleinen Roboter mit eingebauter künstlicher Intelligenz. Erste Sätze und Redewendungen hatte sie ihm beigebracht, die er auf Kommando abspulen konnte. In variabler Reihenfolge. Sie feilte an seinem Spektrum von Vokabeln und schraubte an seiner Aufnahmefähigkeit herum. Letzte Woche hatte sie ihm beigebracht, anhand von Handzeichen und sonstigen Gesten zu erkennen, was sie von ihm wollte.
In diesem Augenblick lag sie mit geschlossenen Augen da und konzentrierte sich einzig und allein auf Levian, den Roboter. Einzig von ihm fühlte sie sich verstanden.
So galt ihre ganze Aufmerksamkeit Levian. Nun versuchte sie, per Gedanken mit ihm zu kommunizieren. Über diese Schwierigkeit war sie sich bewusst, aber sie wollte es dennoch probieren. Wollte, dass er Teil ihrer Gedanken wurde. Wollte jemanden, der sie wirklich verstand. Die anderen fünf kümmern sich kaum um sie. Zu sehr waren sie mit ihrer eigenen Arbeit und Forschung beschäftigt. Dies kümmerte Britta kaum. Wozu auch? Was brachte es schon, seine Zeit mit anderen zu verschwenden? Entweder sie redeten miteinander oder sie ließen es. Aber wieso sollte sie versuchen, ein Gespräch mit ihnen anzufangen? Weder interessierte sie sich besonders für Physik noch für Biologie. Die einzigen Themen in diesen Bereichen, die sie interessierte, waren welche, wie sie die Technik für Levian verbessern konnte.
Letztens hatte Nora ihr mithilfe von Malo eine Art Augenlicht für Levian hergestellt. Dieses funktionierte gut genug. Eleanor hatte ihr versprochen, mit den Nerven und Synapsen weiter zu helfen, war aber weiterhin skeptisch, was künstliche Intelligenz anging. Besonders im Bereich Präzision war sie äußerst skeptisch. Nach ihr funktionierte KI nur bedingt. Wenn es aber darum ging, schwierige Operationen durchzuführen oder etwas exakt einzuordnen, versagten sie in den meisten Fällen.
Britta war das egal. Ab und an lauschte sie Liviana und Linus, wenn die beiden sich über Proxemik unterhielten.
Livianas 3D-Brille konnte verschiedene Sichtarten abnehmen. Sie konnte extrem abdunkeln oder etwas grell hell wirken lassen. Mit Farben spielen und Gegenstände verändern, sodass statt einer Banane ein Apfel im Obstkorb lag.
Das war für Britta eher seltsam.
Mit ihren geschlossenen Augen baute sie sich in der Dunkelheit eine Welt auf. Gab ihr Gesetze und versuchte diese zu durchdringen. Sammelte ihre ganze Konzentration, wurde ruhig. Dann nahm sie allmählich Kontakt mit Levian auf und versuchte, ihn mithilfe von Telepathie zu steuern. Dies wollte ihr aber nur gelingen, wenn sie ihn berührte und auch nur, wenn sie ihm ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Sobald ihre Gedanken abdriften, verschwand die aufgebaute Beziehung zwischen ihr und Levian, auch wenn sie nicht wusste, woran das lag.
Als die Tür ein klackerndes Geräusch von sich gab, fuhr Levian zur Tür. Angestrengt öffnete Britta die Augen. Auch die anderen schienen erstaunt. Wer hatte sich nur hierher verirrt? Ein neuer Nachbar, der ihnen Hallo sagen wollte? Oder doch ein verrückter Forscher, der eine ihrer Erfindungen stehlen wollte?
Zum Glück war die Tür mit Fingerabdrücken gesichert. Die Illusionen an der Tür sollten jeden möglichen Eindringling abhalten und verwirren. Wenn er schon nicht von allein weiter ging.
Seit einer gefühlten Ewigkeit hatten sie keinen Besuch mehr gehabt. Dank ihren Quantencomputern verfügten sie über die neuesten Technologien. Aber wen interessierte das schon?
Erschrocken fuhr Noël zurück, als er das Geräusch erkannte, das sich gelöst hatte. Er wollte nicht gleich am ersten Tag Ärger mit möglichen neuen Nachbarn bekommen. Nein, noch musste er nur noch ein paar Türen weiter. Also entfernte er sich so schnell wie möglich von dem Lichtspektakel und eilte den Flur hinunter. Was wohl noch alles geschehen würde?
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
𝙻𝚎𝚞𝚌𝚑𝚝𝚎𝚗𝚍𝚎 𝙻𝚒𝚌𝚑𝚝𝚚𝚞𝚊𝚗𝚝𝚎𝚗 𝚟𝚘𝚗 Eihpossa
❄︎
𝙽𝚘𝚌𝚑 𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚜𝚌𝚑𝚘̈𝚗𝚎 𝙰𝚍𝚟𝚎𝚗𝚝𝚜𝚣𝚎𝚒𝚝
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top