❄︎ 𝙿𝚛𝚘𝚕𝚘𝚐 ❄︎

𝟹𝟶. 𝙽𝚘𝚟𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎

Ein eisiger Wind blies Noël ins Gesicht, der sich fluchend seinen Schal über Nase und Mund schob. Wenn es wenigstens schneien würde, dann würde er die scheiß Kälte noch akzeptieren.

Die Temperaturen waren etwa mit seiner Laune zu vergleichen. Sehr niedrig. Wieso hatte er sich auch den gefühlt kältesten Abend der Woche für die Besichtigung ausgesucht?

Wann kommt denn endlich diese Wassertorstraße? Er friemelte die selbst skizzierte Wegbeschreibung aus. Kurz nach einer Bücherei musste er links abbiegen. Seit einer gefühlten Ewigkeit lief er schon die Prinzenstraße entlang. Und keine einzige Bücherei in Sicht.

Wobei er sie auch vor lauter bloß keinen Wind ins Gesicht bekommen hätte übersehen können. Mist. Suchend blickte er sich um.
Er wollte es sich eigentlich nicht eingestehen.
Aber er hatte sich verlaufen.

Sein nicht vorhandener Orientierungssinn half ihm da auch nicht weiter. Was sollte er denn jetzt machen? Verzweifelt versuchte in seinen Notizen irgendwie eine Lösung zu finden.

„Dann geht er dahin... Nein, warte, das funktioniert ja nicht. Die Schlucht ist doch vor 37 Jahren eingestürzt. Hmm, vielleicht übers Meer?"

Rumms.

Das Noël weitergelaufen war, merkte er erst, als er frontal mit dem Briefträger zusammenstieß, der wirres Zeug vor sich hin murmelte.

Reflexartig rieb sich der junge Mann die Stirn. Dann bückte er sich, um dem etwa Dreißigjährigen die zwei Briefe zu reichen, die zu Boden gesegelt waren. Oh man, wie peinlich, dachte Noël zerknirscht, während sein Kopf noch von dem Zusammenstoß pochte.

„Es tut mir unglaublich leid. Ich war unaufmerksam", entschuldigte er sich sofort.
„Passt schon. Verjeben und Verjessen", brummte dieser missgelaunt, weil er sich jetzt beeilen musste.
„Könnten Sie mir vielleicht sagen, wo ich die Wassertorstraße finde?"

Der Briefträger musterte ihn aus seinen kleinen braunen Augen.
„Neu hier, wa?"
Peinlich berührt konnte Noël nur nicken. Wie schaffe ich es nur mich direkt am ersten Tag in einer neuen Stadt zu blamieren?
Der Mann deutete mit seiner linken Hand an ihm vorbei in die entgegengesetzte Richtung.
„War'n schon vorbei." Er wies auf ein unscheinbares Straßenschild neben einer Bücherei, die eigentlich nicht zu übersehen war. Noël schlug sich innerlich die Hand gegen die Stirn. Wie konnte er nur dieses hell beleuchtete Schaufenster nicht bemerken? Vielleicht sollte er mal zum Augenarzt.

Er bedankte sich höflich und wünschte dem Briefträger noch einen schönen Abend. Er schaute ihm nach, während dieser weitereilte. Worüber hatte der bloß gesprochen? Was für eine Schlucht? In ganz Berlin gab es keine einzige davon. Zumindest nach seinem Wissenstand.

Wie hätte Noël auch wissen können, das es sich hierbei um eine Schlucht aus einer fiktiven Welt handelte. Diese Welt trug den Namen Pjoll. Seit Monaten feilte John an dieser Welt, schaute ihr beim Wachsen und Gedeihen zu. Wie eine Pflanze, die er pflegte.
Er hatte sich fest vorgenommen, der Gesellschaft zu zeigen, dass er mehr war als nur ein einfacher Briefträger. Dass auch er ohne Abitur oder nennenswerte akademische Leistungen ein guter Autor sein konnte.
Allerdings stand er gerade vor einem kleinen Problem. Seine Hauptfigur sollte eigentlich durch eine Schlucht gehen, da der Weg über die Berge aufgrund von Schneestürme zu gefährlich war. Aber die Schlucht war in einem für die Geschichte relevanten Ereignis eingestürzt. Denn eine für seinen Protagonisten wichtige Person war dort gestorben.
Das hatte ihn überhaupt dazu bewegt, aufzubrechen.

Aber wo sollte er jetzt lang gehen? Vielleicht doch durch die Schlucht?
Aber wie sollte sein Pferd Friu durch die losen Gesteinbrocken kommen? Vielleicht nahm er doch seinen Hund mit...
Dann müsste ich allerdings die Verfolgungsjagd weglassen, da er zu Fuß zu langsam ist.
Oder...
Aufgeregt rieb sich John die Hände, wodurch er mindestens ein Dutzend Briefe und Umschläge fallen ließ. Ihm war gerade die perfekte Lösung für sein Problem gekommen. Er würde ihn auf eine andere Person treffen lassen, die ihm dann gegen die erbeuteten Felle den Weg durch die Berge zeigen würde.

Die ungewöhnliche Begegnung mit dem jungen Mann schien sein Hirn in Bewegung gebracht zu haben, denn plötzlich flossen die Ideen wie ein Fluss, der den Staudamm durchbrochen hatte. Ein Hoch auf das Leben.
Mit frischer Motivation und Inspiration lief er weiter - klaubte vorher noch die Briefe und Umschläge vom Boden- und bedankte sich innerlich bei dem jungen Mann, der ihm ohne es zu wissen geholfen hatte.

❄︎

Dieser hatte inzwischen nach dem Hinweis des Briefträgers die Straße und schließlich auch das Haus gefunden. Etwas aufgeregt stand er davor. Hoffentlich sieht es von innen nicht so aus wie von außen...

Das Gebäude erinnerte ihn an die Häuser aus der DDR aus einer Dokumentation im Geschichtsunterricht. Quadratisch, aber wahrscheinlich weder praktisch noch gut. Graue Fassade mit orange gestrichen Rahmen um die Fenster.

Aus einem der eckigen Fenster blinkte ihm einer dieser seiner Meinung nach scheußlichen Lichterketten mit roten und grünen Glühbirnen entgegen. In einem anderen flackerte nur das bläuliche Licht eines Computers. Und wieder ein anderes war komplett abgedunkelt. Wer dort wohl überall wohnte?

Das würde ja interessant werden. Noch etwas unentschlossen stand Noël da und starrte auf das milchige Glas der Tür. Die Entscheidung, ob er jetzt reingehen sollte, wurde ihm abgenommen. Erst tauchte ein gelber Fleck im Inneren auf und dann wurde die Tür schwungvoll aufgerissen.

Der junge Mann traute seinen Augen kaum. Da stand Briefträger von gerade eben vor ihm. Der, der ihm den Weg gezeigt hatte. Dieser starrte ihn ebenso perplex an, nur sein Mund stand nicht wie der von Noël offen.

Unangenehmes Schweigen folgte. Das darf dich doch nicht wahr sein. Wie kommt der so schnell hierher? Wie peinlich soll es denn bitte noch werden?
Seine erröteten Wangen fielen wegen der Kälte zum Glück nicht auf.
„Ich also ähm" Grandioser Gesprächsanfang, Noël.
„Nochmal danke, dass Sie mir den Weg gezeigt haben."

John merkte, dass seinem Gegenüber das ganze mindestens genauso unangenehm war wie ihm. Schnell winkte er ab. Der junge Mann mit den warmen, braunen Augen hatte ihm echt aus der gedanklichen Patsche geholfen.
„Danke fürs..." Lösen meiner Schreibblockade? Inspirieren zu einer neuen Figur und der damit verbunden Lösung von meinem schriftstellerischen Problem?
„Briefe aufheben"

„Das ist doch selbstverständlich", antwortete Noël höflich. Die Situation wäre sonst nur noch peinlicher geworden...
„Nicht für jeden", widersprach der Briefträger. Er streckte ihm die Hand entgegen.
„John, anjenehm Sie kennenzulernen"
„Noël Winter" Er war es gewohnt, sich mit vollem Namen vorzustellen. „Da kann ich nur zustimmen." Mit einem Lächeln ergriff Noël die angebotene Hand.

„Man sieht sich" John winkte zum Abschied und eilte davon.
„Noch einen schönen Abend", rief Noël ihm noch hinterher.

Darauf wandte er sich wieder dem Haus zu und rückte nochmal seinen Mantel zurecht. Dann trat er nach kräftigem Ausatmen durch die Tür ein. Was ihn wohl erwarten würde?


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𝙿𝚎𝚒𝚗𝚕𝚒𝚌𝚑, 𝚙𝚎𝚒𝚗𝚕𝚒𝚌𝚑 𝚟𝚘𝚗 @Timetravler9
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