❄︎ 𝙴𝚙𝚒𝚕𝚘𝚐 ❄︎
𝟸𝟻. 𝙳𝚎𝚣𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛
❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎ 𐬺𐬿𐬺𐬿𐬺 ❄︎
Etwas perplex stand Noël noch da, während sich Frau Wagner einen Termin murmelnd ebenfalls verabschiedete. Was für ein seltsamer Abend... Wofür hatte er sich eigentlich durch das Haus gekämpft, wortwörtlich?
Der Weg durch dieses Irrenhaus hatte sich mehr nach einem Monat als nach einem Abend angefühlt. Noël war sich gar nicht mehr, ob er wirklich dort einziehen sollte.
Denn einerseits ging es in diesem Haus eindeutig nicht mit rechten Dingen zu, die Backrooms beispielsweise. Selbst die Vermieterin schien irgendwie in das Ganze verwickelt zu sein. Und wer weiß, was sich wohl wirklich hinter den Türen verbirgt? Ein Einhorn erschien ihm in diesem Moment gar nicht so abwegig.
Andererseits kannte er es ja jetzt und wusste, worauf er achten musste. Und wo fand man schon eine bezahlbare Wohnung zentral in Berlin? Richtig, gar nicht.
Aber trotz der Contra-Argumente verspürte Noël eine gewisse Anziehungskraft und Neugier hinsichtlich dieses Hauses. Es zog ihn wie magisch an. Es fühlte sich ein bisschen wie ein. Verbot von Eltern an: Je mehr sie es einem verbieten, desto mehr will man es machen.
Da fiel ihm etwas Kaltes, Nasses ins Gesicht. Er quiekte -das war leider so eine unangenehme Eigenschaft von ihm- erschrocken auf und hüpfte automatisch beiseite. Vorsichtig linste er umher, zum Glück war niemand zu sehen, denn das wäre echt peinlich geworden. Vor allem als noch mehr kleine nasse Dinge auf seinem Gesicht landeten und er merkte, dass er sich gerade ernsthaft vor einer Schneeflocke gefürchtet hatte.
Noël schüttelte über sich selbst den Kopf, diese Erlebnisse in dem Haus hatten ihn völlig kirre gemacht. Vielleicht sollte er es sich doch nochmal überlegen, dort einzuziehen. Christin wäre krank vor Sorge, wenn sie von der Paralledimension erfahren würde.
Als ob er es heraufbeschworen hätte, klingelte sein Handy in der Tasche seines Mantels. Mit inzwischen kalten Händen (er hatte seine Handschuhe irgendwo in diesem verrückten Haus verloren und ihm war es leider erst draußen aufgefallen. Er wollte nicht reingehen, denn fürs Erste hatte er genug von seltsamen Dingen) friemmelte er sein vibrierendes Handy heraus und dabei fiel auch ein Zettel aus der Tasche.
Pflichtbewusst hob er den Zettel wieder auf, er wollte nur ungern seine Spuren hinterlassen. Selbst wenn der Schnee sie verdecken würde wie ein sanftes Tuch.
Bei einem Blick darauf erkannte er Linien und merkwürdige Zeichen, bei denen es sich eindeutig um seine hastige Handschrift handelte. Oh, das war sein „Wegweiser", der ihm nicht wirklich geholfen hatte. Noël drehte sich so, dass er laut seinem Papierchen richtig stand.
Doch als er den Blick vom Zettel hob, ließ er diesen vor Schreck erneut fallen.
Vor dem Nachbarhaus stand kein anderer als John, der Briefträger. Trotz des inzwischen dicht fallendem Schnee konnte er ihn direkt erkennen. Seine hellgelbe Arbeitsuniform mit dem Logo der Post, die krausen, schwarzen Haare, die unter seiner gelben Bommelmütze hervorlugten, aber vor allem die hübschen Aufkleber (zum Beispiel ein regenbogenfarbiger) auf seiner umgehängten Tasche in der gleichen Farbe wie der Rest.
Da drehte Selbiger sich zum ihm um und Noëls Wangen wurden augenblicklich heiß. Hat er bemerkt, dass ich ihn anstarre?
Schnell wandte er sich der Straße zu und tat so als wäre das extrem laut und nervig klingelnde Handy in seiner Tasche vollkommen normal.
John hatte es nicht bemerkt, aber sich routinemäßig noch einmal draußen umgeschaut und dabei den jungen Mann ganz verloren im Schneesturm stehend entdeckt. Er tat ihm schon ein bisschen leid, in einer neuen Stadt hatte man es bestimmt nicht leicht. Vielleicht war er auch beim ersten Treffen zu harsch gewesen... Er hatte einfach unter Zeitdruck gestanden und war nicht in der Stimmung für ein Gespräch gewesen.
Warum stand er eigentlich da draußen in der Kälte? Konnte er vielleicht nicht heim? Möglich. Oder er hatte sich ausgeschlossen. So verpeilt und -ehrlich gesagt- blind wie er die Bücherei übersehen hatte, würde John ihm es durchaus zutrauen.
Aber halt, so schnell durfte er nicht über ihn urteilen. Das war bestimmt der Stress und die Tatsache, komplett neu zu sein, gewesen.
Irgendwann fiel ihm auf nach einem Blick auf die Uhr, dass er schon für zehn Minuten Noël anstarrte. Gott, was ist mit mir los? Er streckte sich einmal und schloss dann die Haustür auf. Drinnen fasste er den Beschluss, dass er, sollte der junge Mann in der nächsten halben Stunde sich nicht vom Fleck bewegen, zu ihm rausgehen und ihm eine Tasse Tee bei sich in der Wohnung anbieten würde.
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Als die Tür laut ins Schloss fiel, drehte Noël sich vorsichtig um. Ist er weg?
Wieso hat der so lange zum Tür aufschließen gebraucht? Hat er mich etwa angeschaut?
Allein der Gedanke daran breitete ein mulmiges Gefühl in ihm aus.
Er versuchte es zu unterdrücken und sich daran zu erinnern, was er eigentlich vorhatte. Sein Handy hatte mehrfach geklingelt. Das konnte nur seine Mutter gewesen sein, die so penetrant ihn erreichen wollte.
Schon wieder fing sein Smartphone an zu quäken und vibrieren, er sollte wirklich dringend den Klingelton ändern.
Der Name seiner Mutter stand auf dem Bildschirm, wie er es vermutet hatte.
„Hallo, Mama"
„Hallo, Schatz. Schön, dass ich dich endlich erreiche." Ist ja nicht so, als hättest du es schon fünfmal versucht...
„Was war denn los? Warum bist du nicht rangegangen? Ist alles okay?"
„Ja, Mama, es ist alles gut. Ich war nur noch bei der Besichtigung." Kurzes Schweigen.
„Oh", sagte seine Mutter, dabei zog sie das „O" sehr in die Länge. „Oh wie unangenehm. Tut mir leid, Noël. Ich dachte, du wärst schon wieder draußen."
„Schon okay. Es war zum Glück sehr leise."
„Na dann" Mensch Mama, das ist trotzdem peinlich! „Jetzt erzähl mal, wie ist die Wohnung? Hast du schon jemanden der Nachbarn kennengelernt? Wie sind die Berliner so? Schneit es auch bei euch?"
„Also..." Noël wusste nicht recht, wie viel er seiner Mutter berichten konnte. Wenn jemand ihm die Dinge, die er heute erlebt hatte, erzählt hätte, hätte er ihm nicht geglaubt... „Die Wohnung ist für den Preis ziemlich groß. Man hat einen schönen Ausblick..."
„Mama, mit wem telefonierst du da so laut. Ich kann nicht schlafen." Finjas helle, dennoch müde Stimme erklang dumpf aus dem Hintergrund. Noël musste schmunzeln, Christin redete wirklich oft laut.
Seine Mutter versuchte nun möglichst leise zu reden, tat dies aber nicht wirklich.
„Da ist Noël am Telefon", informierte Christin sie. Leise vernahm im Hintergrund das Tapsen von nackten Kinderfüßen auf Holzboden, die lauter wurden. So viel zur Müdigkeit.
„Halliiihallooo, Nono", rief seine kleine Schwester, jetzt anscheinend hellwach in den Lautsprecher. „Noël, wann kommst du endlich wieder?"
„Ich bin doch erst gestern losgefahren?"
„Ja eben. Das ist viiiel zu lange. Ich vermisse dich." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Wie schön konnte es manchmal sein, eine so süße kleine Schwester zu haben?
„Ich dich auch, Finja. Wie ist es so mit Mama?"
„Es geeht. Es ist ein bisschen langweilig, weil sie nicht so lustig ist wie du."
„Hast du es schon mal mit Schnapspralinen probiert?" Schnapspralinen war ihr gemeinsames Codewort für Streiche spielen.
„Ach alleine macht das nicht so viel Spaß. Aber vielleicht fällt mir noch etwas Gutes ein." Er konnte sie förmlich grinsen sehen.
„Bestimmt", sagte er zuversichtlich, seine Schwester war wirklich eine Streichexpertin wie er schon hatte spüren müssen. „Kannst du mir jetzt wieder Mama geben?"
„Och, naa gut."
„Schlaf gut, kleiner Hauptmann."
„Tschüss, Krapotke."
„Krapotke? Sollst das du sein?" Aha, Mama ist wieder am Apparat.
„So in etwa", wich Noël aus. „Habe ich dir schon erzählt, dass die Küche komplett rot ist?"
„Nein, noch nicht. Interessante Farbwahl."
„Ja, nicht? Von den Nachbarn habe ich auch schon welche kennengelernt. Der eine ist Professor für Geschichte."
„Hmm, spannend und sonst so?"
„Den Bruder vom Weihnachtsmann zum Bleispiel äh Beispiel."
„Ja, ja und ich kann es schneien lassen", lachte seine Mutter. Vielleicht solltest du bei Alche & Mist GbR fragen, die können bestimmt helfen.
„Das wars auch schon." Er hätte ihr mehr erzählen können, aber es hätte seine Mutter wahrscheinlich nur irritiert oder beunruhigt.
„Und was meinst du? Hast du einen guten Eindruck hinterlassen?"
„Ich hoffe es..."
„Ach, Schatz, mach dir keine Sorgen. Du hast das Ding bestimmt geschaukelt." Ihre Aussage klang ihm einen Hauch zu optimistisch, aber er stimmte einfach zu.
„Mama, ich muss dann auch weiter. Jakob wartet auf mich."
„Alles klar. Melde dich, sobald du die Wohnung hast, damit wir dir beim Umzug helfen können."
Er lächelte. „Mach ich. Vielen Dank, ihr seid einfach die Besten."
„Gute Nacht, Noël"
„Nacht, Mama." Noël hauchte noch einen Luftkuss und legte dann auf.
Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Irgendwie fühlte es sich auch aufregend an, dieses kleine Geheimnis zu haben. Vielleicht würde er es seiner Schwester irgendwann mal erzählen, nur das Schöne natürlich.
Er wählte noch schnell die Nummer seines Kumpels, um ihn zu informieren, dass er jetzt kam. Anschließend hob Noël (zum zweiten Mal) den inzwischen nassen Zettel vom Boden auf und stopfte in seine Brusttasche.
Er wollte gerade weitergehen, als er glaubte, am gegenüber liegenden Straßenrand das Auto von Frau Wagner zu sehen. Unmöglich, dachte Noël. Ich habe doch die Motorgeräusche und das Quietschen der Reifen gehört. Wahrscheinlich spielten ihm seine Augen nach dem verrückten Tag einen Streich. Vielleicht ist das mit dem Augenarzt keine so schlechte Idee...
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𝙰𝚞𝚐𝚎𝚗 𝚝𝚊̈𝚞𝚜𝚌𝚑𝚎𝚗 𝚜𝚒𝚌𝚑 (𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝) 𝚟𝚘𝚗 @Timetravler9
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