𝟷𝟾

TW: Erwähnung von Vergewaltigung

♤ 𝚜𝚊𝚗

Es war spät am Abend, oder Nachts besser gesagt. Es ergab sich mit der Zeit einfach so, dass wir uns beide irgendwie immer zur Abendszeit trafen. Wahrscheinlich weil Wooyoung ein hartarbeitender Mensch war und ich tagsüber ständig am Trainieren oder Managen nächster Kämpfe war, oder mich um Yejin und Appa kümmerte.

Doch gerade war nur er da an meiner Seite. Die Stille der nächtlichen Ruhe umhüllte uns bequem, während wir Hand an Hand die Straßen Seouls entlang spazierten. Tatsächlich hatte ich es geschafft, ihn auf ein Date auszuführen und somit einen weiteren Schritt zu gehen. Ich hatte wirklich meine Zweifel, auch wenn ich mir sicher war, dass er sich mir gegenüber nicht komplett abgeneigt fühlte. Schließlich war er ein psychisch und emotional stark verschlossener Mensch und ließ nur seine charmante und lebenslustig wirkende Persona für ihn spielen. Etwas, was definitiv auch ein Teil von ihm als Mensch war, aber dabei missachtete er völlig den verletzten Teil seiner Persönlichkeit.

Gerade zeigte er mir aber wieder eine neue Seite von sich. Eingeschlungen in seinem Hoodie und seiner Soda in der Hand, wirkte er völlig seelenruhig und entspannt. Sein ständiges Folgen mit den Augen, sobald wir die Location wechselten, spiegelte seine Neugier wider. Während sein Drücken meiner Hand dennoch verriet, dass er gedanklich noch da war.

Wir hatten den Abend bisher ganz ruhig verbracht, zumal wir beide die simplen Typen von Menschen waren, wie sich herausstellte. Dies hieß, dass wir beide uns etwas Leckeres zum Trinken kauften und durch die leeren Straßen schlenderten. Ich genoss es sehr, zu wissen, dass auch er diese Ruhe und Einfachheit bei Treffen genoss.

,,Lass uns dort ans Wasser setzen.",ertönte seine warme Stimme, als wir am Fluss eines Parkes ankamen. Ich nickte zustimmend, und gemeinsam spazierten wir auf das Grüne, wo wir uns schließlich hinsetzten und vom langem Spazieren erholten.

Er stützte sich mit seinen Armen nach hinten ab und blickte auf das Wasser unter uns, was ich ihm nachmachte und so verweilte. Dennoch geriet meine Aufmerksamkeit nach einer Weile bei ihm, weil er einfach ein sonderbar schönes Gesicht hatte. Er war eine klassische Schönheit meiner Meinung nach. Das, was ihm die Individualität seiner Anmut und Attraktivität gab, war sein Charakter.

Die Art und Weise, wie er auf Menschen zuging, sie begrüßte, dabei charmant lächelte und oftmals allein nur seine Augen für sich sprechen ließ. Manchmal wirkte er beinahe arrogant durch seine eleganten, aber selbstsicheren Blicken, aber sobald er anfing zu lächeln, änderte sich dies direkt und man erkannte schnell, dass man es mit einem vertrauenswürdigen und lustigen Menschen zutun hatte.

So ruhig, wie er auf das Wasser vor uns blickte, seine Augen nichts außer Frieden ausstrahlten, sein definiertes Seitenprofil vor Reinheit strotzte und er so simple ohne jegliche Attitüde hier saß, war er mir jedoch am Schönsten, merkte ich gerade. Ich mochte es. Diesen einfachen, simplen Wooyoung, den wahrscheinlich nur ganz wenige Menschen zu sehen bekamen.

,,Ich weiß nicht, wann mich jemand letztens so interessiert angeschaut hat.",unterbrach er die Stille langsam wieder, ohne den Kopf zu mir zu drehen, weshalb ich meinen Blick lächelnd abwandte und auf das Wasser schaute. Ich beobachtete ihn dabei, wie er seine Hose hochkrempelte, die Schuhe und Socken auszog und seine schlanken Beine ins Wasser sinken ließ.

,,Sie schauen dir alle interessiert zu, sobald du am Tanzen bist. Du wirst täglich interessiert angeschaut. Nur nicht auf die Weise, wie ich dich anschaue. Meine Art von Interesse unterscheidet sich von derer.",antwortete ich ihm ehrlich, woraufhin er mir einen warnenden Blick widmete. Ich wusste, dass er mit meiner Offenheit oftmals total überfordert war. Dies zeigte mir aber nur, dass meine Worte ihn nicht kalt ließen. Das gefiel mir.

Ohne auf meine Worte einzugehen, schaute er wieder auf das Wasser und grinste dabei leicht vor sich hin. Ich legte mich solangsam hin, blickte ihm ungestört auf seinen Rücken und genoss meinen Anblick im Stillen weiter.

,,Du willst doch nicht schwimmen gehen zu dieser Uhrzeit.",sprach ich konzentriert, als ich sah, wie er sich seinen Hoodie über den Kopf zog und dabei schon war, sein Unterhemd direkt mit auszuziehen. Noch mit den Händen an seinem Unterhemd, welches er ebenso schon halb über den Kopf hatte, schaute er mich nur frech an und antwortete:,,Wirst du etwa nervös bei meinem Anblick?"

Dieser Junge...

Gerade wollte ich etwas kontern, bis ich mich aufsetzte und mir tatsächlich etwas an seinem Körper auffiel. Durch seinen oftmals sehr freizügigen Klamotten wusste ich bereits, dass er paar Tattoos hatte, aber eines hatte ich noch nicht gesehen. Eins, welches er auf seiner Rippe machen lassen hat.

Als er meine arbeitenden Blicke bemerkte, zog er sich das Unterhemd wieder runter und wandte den Kopf von mir ab, so, als sei nichts gewesen. Ich merkte das natürlich, wollte etwas sagen, aber spürte, wie ich innerlich am Hadern und Verarbeiten war.

,,Medusa.",entkam es mir dennoch sehr ruhig in meiner Tonlage, da ich ihn nicht verschrecken wollte. Ich nannte das schöne Motiv, welches ich vorhin sah, bevor wir beide still auf das Wasser vor uns wieder schauten.

,,Hm.",gab er nur von sich und atmete tief durch. Seine Hände lagen ihm ineinander gefaltet auf seinem Schoss, bis er leise fragte:,,Ekelt es dich an? Wenn du willst, kannst du gehen. Ich zwinge dich nicht, den Rest der Nacht hier zu bleiben."

Seine Worte verliehen mir ein Stich im Herzen. Nicht, weil ich mich angegriffen fühlte, sondern weil ich mit jeder Sekunde realisierte, was er anscheinend in seiner Vergangenheit erlebt hatte, die ihn zu der Person machte, die er heute war. Ich spürte innerlich den Drang, ihn in meine Arme zu nehmen und ihn still zu trösten, doch wollte ich ihm nicht zu nahe treten. Nicht jetzt in dem Moment, wo ich mich ganz vorsichtig an ihn herantasten musste.

,,Es gibt kein Ort und keine Person, bei der ich gerade lieber wäre, als bei dir.",antwortete ich leise und ließ meine Gefühlswelt alleine für mich sprechen. Ich glaubte fest daran, dass man sich Menschen am besten annähern konnte, wenn man sich selbst ein Stück verletzlich machte und offenbarte. Dies konnte man am Besten, wenn man dem anderen, Zugang zu seiner eigenen Gefühlswelt gewährte.

,,Ich war 8, dann 12, dann 16.",sprach er leise in die nächtliche Umgebung hinein, wobei mir ein Schauer über den Körper lief. Dennoch verblieb ich ruhig und wollte ihn sprechen lassen, zumal ich mehr über ihn wissen wollte.

,,Das alles geschah innerhalb der Familie und dann in der Schule, als man mich schon als das ,Spielzeug in seinem eigenen Zuhause' dort kannte. Das Tattoo entstand letztes Jahr. Medusa galt als Schönheit, die sehr begehrt war. Poseidon hat Medusa im Tempel der Athene vergewaltigt, dass aber bemerkte Athene und wurde so wütend, dass sie Medusa in eine Gorgone verwandelte. Sie hatte eine Gestalt, die Schlangen als Haare besitzt.",erklärte er mir dann etwas ruhiger in der Stimme, denn davor klang er etwas angespannt. Er zog sich das Unterhemd komplett aus und hob seinen rechten Arm etwas an, sodass ich mir das schöne aber tragische Tattoo nochmal genauer anschauen durfte.

,,Schon amüsant zu sehen, wie es immer die Betroffenen sind, die für ihre Geschehenisse bestraft werden."
Er lachte kurz frustriert auf, bis er fortfuhr.

,,Medusa, die von Athene in eine Gorgone verwandelt wurde und das Schlangenhaar besaß. Und dann simple Menschen wie ich, die psychisch von grundauf zerstört wurden und alles von vorne neu auf, lernen müssen. Vertrauen erlernen, nach draußen gehen ohne Angst erlernen, Gefühle zu fühlen wieder erlernen, Selbstwertgefühl wieder erlernen."

Er hob langsam seinen Blick von seinem Tattoo wieder an und schaute mir direkt undefinierbar in die Augen. Ich erkannte nur einen Hauch von Frust, Ergebenheit und tatsächlicher Lebensmüdigkeit wieder, welches mich erschaudern ließ. Ich erstarrte mit meinen Blicken in seinen Augen, die mich gerade fesselten und mir alles über sein jahrelanges Leid verrieten.

Seine Körperhaltung verlor an Stolz und nahm an Schlaffheit an. So, als würde er mir eine ganz verwundete, ungeschliffene und raue Seite von sich zeigen, die die tiefsten Höllen und Strapazen seines Leides mir mitteilten.

,,Ich frage mich bis heute, was ich getan habe, dass ich dies verdient habe. Es ist ein stilles Leid, welches mich tagtäglich zerfrisst. Deswegen habe ich solche Probleme damit, Nähe zuzulassen. Emotionale und körperliche Nähe vorallem, weil die Angst im Hinterkopf schwebt, wieder vergewaltigt zu werden.",beendete er seine Worte mit einer monotonen Stimmenlage, die mich für einen Moment etwas abschreckte. Er schien komplett disconnected von seinen eigenen Gefühlen und Erzählungen gerade zu sein, weshalb ich mir sein ganzes Wesen gerade mal komplett anschaute und auf mich wirken ließ, egal, wie schmerzhaft es für mich war.

Denn ich wollte ihn verstehen, in jedem Wort und Silbe, die er mir gerade anvertraute. Ich wollte ihm unbedingt zeigen, dass ich hier war und mich seine Erfahrungen nicht abschreckten, ich nicht gehen würde, sondern mir alles anhören wollte, was ihn belastete.

,,Du hast mir ja von deiner verstorbenen Mutter erzählt, deswegen dachte ich gerade, wäre es passend, dir auch von meinem größten Schmerz zu erzählen. Jetzt sind wir auf einen Nenner, San.",gab er letztlich doch etwas am Lachen von sich, als er sich etwas streckte und präsenter wirkte. Fasziniert beobachtete ich ihn dabei, wie sich sein Wesen über die ganze Zeit ständig wechselte und versuchte daraus nur für mich, Verhaltensweisen und Entschlüsse über Wooyoung's Person zu ziehen.

,,Wooyoung.",entkam es mir dann auch irgendwann mal von den Lippen, als sich mein Körper von den ganzen Emotionen beruhigt hatte. Er schaute mir direkt mit wachen Augen und einem aufmerksam Blick auf das Gesicht, bis ich doch getroffen sagte:,,Dass du mir das alles anvertraut hast, berührt mich gerade so sehr, dass ich es nicht in Worte fassen kann. Genauso wie jede Umarmung oder den Kuss, an den ich gerade zurück denken muss, was für dich bestimmt irgendwo auch schwierig war. Dass du mich an dich ranlässt, ist etwas Goldwertes. I-Ich..."

Ich merkte, wie ich keine Worte mehr über meine Lippen kriegen konnte und wie sich ein riesiges Chaos in meinem Kopf bildete. Verloren suchte ich nach irgendeinem Punkt, wo ich gedankenverloren hinschauen konnte, als ich spürte, wie überfordert ich war, bis mir aufeinmal die Tränen kamen und ich unkontrolliert anfing zu weinen.

Dabei wäre es doch sinngemäß gewesen, wenn Wooyoung geweint hätte. Aber irgendwas an seinen Worten und all die Dinge, die mir gerade einfielen aus den vergangenen Monaten, bildeten sich zu einem Puzzle zusammen.

Als sei es selbstverständlich, rückte Wooyoung dicht an mich heran und drückte mich an den Schultern auf den Boden, nur damit er seine Arme um meinen Körper schlingen und mich festhalten konnte. Sein Kopf verweilte auf meiner Brust, während ich verzweifelt versuchte, meine Tränen unter Kontrolle zu kriegen. Doch der Fakt, dass er mich einfach weinen ließ, anstatt mich davon abhalten zu wollen, gab mir einen großen Komfort in dem Moment.

Langsam legte ich meine etwas zittrigen Arme ebenso um ihn, wobei meine Hand auf dessen Kopf ruhte und ihm einmal durch das längere Haar strich.

,,Ich werde dich gut behandeln. Ich möchte dir zeigen, wie es sich anfühlt, zu leben. Mit all den Zugängen zu deinen Gefühlen und deiner emotionalen Welt. Mit so wenig Angst und Schrecken vor Nähe, wie es nur geht. Mit all der Bestätigung, Aufmerksamkeit und Zuneigung, die du verdienst.",versuchte ich ihm verzweifelt meinen Drang, für ihn da zu sein, zu erklären. Die Tränen ließen langsam etwas nach, doch ich fühlte mich immernoch ziemlich mitgenommen, sodass ich ihn unwillkürlich fester an mich drückte, um seinen Körper so gut wie möglich zu schützen.

,,Und ich möchte dir zeigen, wie es sich anfühlt zu leben, ohne diese selbstbestrafende Verantwortung, die du für andere auf dich nimmst. Ein Leben, wie es sich als 22-jähriger, junger Mann schön leben kann mit all den einzigartigen und lustigen Aktivitäten, die du in deiner Jugendzeit nicht erleben konntest, weil die Trauer über den Tod deiner Mutter dich bis heute begleitet. Ich möchte dir die bunten Seiten des Lebens, eines jungen Menschens zeigen und dir somit Eintritt in eine Welt geben, die dir zeigt, dass auch du Schutz, Trost und Gutes verdienst.",ergänzte er meine Worte in einem ruhigen, weichen Ton, während mir seine Hand über die Brust strich. Dabei beobachtete er sich selbst gedankenverloren, bis er den Kopf anhob und zu mir hoch blickte.

,,Deal?",fragte er mich dann mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, während ich von seinen Worten noch ziemlich aufgeregt und erfreut war. Dementsprechend nickte ich nur hastig, während ich sein Lächeln schmunzelnd erwiderte und den restlichen Abend mit ihm in unserer beidseitig ausgetauschten Verletzlichkeit verweilte.

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Startet morgen gut in die Woche!! :)

- Eure Eleja ♡

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