Isabel [7]

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„Setzt Euch doch."

Es machte eindeutig zu viel Spaß, diesem Kapitän zu sagen, was er tun sollte. Diese Freude wurde nur noch von seinem Gesichtsausdruck übertroffen, eine perfekte Mischung aus Wut und Vorsicht. Wenn Drysden mir ein Schwert vor die Nase gehalten hätte, wäre ich sicherlich auch nervös geworden.

Widerstrebend folgte der Mann meiner Aufforderung und ließ sich auf einen der Baumstämme sinken, die am Rand der heruntergekommenen Lichtung lagen. Überall verbrannte, kahle Stellen und schiefe Hütten, die nach schimmelndem Holz stanken. Eine Sache stand fest: Piratin würde ich in diesem Leben nicht.

Gemächlich betrachtete ich die anderen Holzstämme, als hätte ich nicht schon längst beschlossen, auf welchen ich mich setzen würde. Dann ließ ich mich mit einer eleganten Bewegung sinken. Der Baumstamm war so platziert, dass ich bequem zurücklehnen konnte, um nicht nur den Kapitän, sondern auch seine Mannschaft zu beobachten. Die Männer hatten sich, in guter Entfernung von den Hütten, niedergelassen. De meisten saßen so weit weg, dass sie sich anstrengen mussten, um mich zu hören. Das machte es einfacher für Andrej, Yan und Cara zu hören, ob sie sich zu verständigen versuchten. Sie standen zwischen den Männern und den Hütten.

Als sie meinen Blick auffing, nickte Cara und hob ihren Stab zur Begrüßung. Ich schenkte ihr ein kleines Grinsen. Mit dieser Aktion hatte sie bewiesen, dass sie nützlicher war als jeder Mann. Wer sonst wäre auf die Idee gekommen, alte Kleider in die größere Kiste mit den Waffen, die sie gefunden hatten, zu verstauen, um diese somit zu tarnen? Ganz abgesehen davon, dass es ihr maßgeblich zuzuschreiben war, dass die Piraten uns nicht einfach gegen Lösegeld eingetauscht hatten.

„Was wollt Ihr wissen?"

Da war einer wohl ungeduldig. Zufrieden wandte ich mich nun ihm zu. Dabei konnte ich mein zufriedenes Grinsen beim besten Willen nicht unterdrücken. Warum hatte mir nur nie jemand gesagt, wie gut es sich anfühlte, zu siegen?

„Ganz simpel: Wie finde ich die Fae?"

Das Lachen, dass er ausstieß, ließ sich nur als unverschämt bezeichnen. Es war eines dieser Ganzkörperlachen, mit Tränen und dem Bedürfnis, sich auf dem Boden zu kugeln. Ich musste zugeben, es hätte mich gekränkt, wenn ich nicht schon damit gerechnet hätte.

„Da kann ich Euch nicht weiterhelfen", fing er schließlich an, nachdem er sich die letzten Tränen aus dem Augenwinkel gewischt hatte.

„Ich meine, ich hätte mir schon denken können, dass Adelige Probleme damit haben, Märchen und Wirklichkeit zu unterscheiden. Lasst es mich so sagen: Es gibt..."

„...keine Fae, schon klar. Denkt Ihr, dass hätte ich mir nicht schon anhören dürfen?"

Kurz zuckte sein Blick zu Drysden, der ein paar Schritte entfernt an einem Baum lehnte. Er hatte die Schwerter weggesteckt und dafür einen schmalen Dolch hervorgezogen, der das Sonnenlicht reflektierte. Statt in unsere Richtung zu blicken, beobachtete er die Piratencrew und warf das helle Stück Metall beinah sorglos in die Höhe. Beeindruckend, aber eindeutig nur ein Mittel zur Demonstration seiner Fähigkeiten. Der Dolch wirkte beinah ungefährlich, aber aus Erzählungen wusste ich, was für eine Sauerei er damit anstellen konnte.

„Ich mache es kurz, wie wäre es damit?"

Überrascht hob ich eine Augenbraue, während der Kapitän sich vorlehnte.

„Es gibt keine Fae. Was auch immer man Euch erzählt hat, war vermutlich eine Lüge. Das sind Märchengestalten, keine Krieger. Ihr verschwendet nur meine und Eure Zeit."

Ich lehnte mich ebenfalls vor und nahm mir einen Moment, den Mann zu betrachten. Er war fast überzeugend. Seine Augen schimmerten ernst, seine Miene eindringlich, die Haltung eine Mischung aus genervt und herabblickend.

„Wer denkt Ihr, bin ich?"

Verwirrung blitzte in den seegrünen Augen auf, dann legte er nachdenklich den Kopf schief.

„Nur zu, ich will die Wahrheit hören", ermutigte ich schließlich, als er begann, mich abschätzend zu betrachten.

Die Pause wuchs und mit ihr meine Neugier auf seine Antwort. Wenn er so lange überlegen musste, dann war er entweder dumm oder bereitete eine interessante Antwort vor. Da er zwar ein Pirat, aber immerhin ein Piratenkapitän war, tippte ich auf letzteres. Aber wer war ich schon, andere Menschen zu beurteilen?

„Ich denke, Ihr habt immer alles bekommen, was Ihr wollt. Niemand sagt Nein, wenn Ihr etwas fordert. Deswegen folgt Euch auch dieser Zirkusaffe eines Kerls. Wie habt Ihr es geschafft, Euch einen solchen Ehemann zu angeln? Die Männer des Kronprinzen sind dafür bekannt, intelligent zu sein. Das kann man von diesem Exemplar wohl nicht sagen."

Der Versuch, mich zu provozieren, brachte mich tatsächlich wieder zum Lächeln. Als ich einen Blick über die Schulter warf, fing ich Drysdens Blick auf.

„Zirkusaffe, gefällt mir. Trägst du auch einen dieser Hüte mit der Bommel? Der sähe bestimmt großartig an dir aus."

Drysden schüttelte bloß den Kopf, schenkte mir aber einen hochgezogenen Mundwinkel. Das sah ich als Gewinn an, also drehte ich mich wieder herum, wo der Kapitän mich mit bösartig blitzenden Augen erwartete.

„Ihr denkt wirklich, dass mich begleitet, weil er mein Ehemann ist und mich so sehr liebt?"

„Ich habe nie gesagt, dass er Euch liebt."

Ich gab mein bestes, nicht zusammenzuzucken. An so etwas wollte ich gerade nicht denken. Stattdessen winkte ich ab.

„Das ist auch nebensächlich. Was sagt Euch, dass wir nicht mit unseren Identitäten gelogen haben?"

Nun hatte ich seine Aufmerksamkeit. Er setzte sich auf und richtete seinen Blick ein weiteres Mal genauer auf mich.

„Ihr seid adelig, das kann man kaum vortäuschen."

Ich nickte bedächtig.

„Damit habt Ihr recht. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, welche Adelige tatsächlich Kontakt zu der Königsgarde hat, wenn wir rein hypothetisch davon ausgehen, dass sie nicht zu einer Hochzeit genötigt wurde."

Ein Gedanke schien sich zu formen, doch statt seine Vermutung zu teilen, schüttelte er den Kopf.

„Viele Mitglieder der Königsgarde gehören dem Adel an. Es gibt viele Feierlichkeiten, bei denen man sich begegnen kann. Worauf wollt Ihr mit all dem hinaus?"

Ein wenig genervt verdrehte ich die Augen.

„Ich hatte Euch mehr Intelligenz zugetraut, als Ihr tatsächlich besitzt, wie ich sehe. Doch das ist nicht, was ich sagen will. Der Punkt ist: Ich weiß, dass die Fae existieren, wie Ihr wisst, dass die Fae existieren. Der einzige Unterschied ist der, dass ich nicht weiß, wo genau sie sind. Aber ich könnte wetten, dass Ihr es dafür um so besser wisst. Deshalb frage ich Euch noch einmal: Wie kommen wir zu ihnen?"

Ich erwartete einen wütenden Gesichtsausdruck, weil seine Finte nicht funktionierte. Ich erwartete, dass er sich sträubte und fluchte und schlussendlich nachgeben würde. Ich erwartete, dass er endlich seine Tirade aufgab. Was ich nicht erwartete, war, dass er sich vorbeugte, wieder eine Mischung aus einem ernsten und genervten Ausdruck.

„Hört mir doch einfach zu, Lady: Ich habe keine Ahnung, wo die Fae sind, denn es gibt sie nicht. Was auch immer Euch erzählt wurde, waren..."

Der Rest des Satzes blieb ihm im Hals stecken, als er plötzlich mit einem Dolch an seiner Kehle konfrontiert war. Wütend presste ich ihn gegen den Baum, der hinter seiner provisorischen Bank stand, ein Dolch an seiner Kehle, mein Arm gegen seine Brust gestützt und mein Bein auf seinen Kronjuwelen.

„Sagt, dass es sich um Märchen handelt, und ich sorge dafür, dass Ihr keine Kinder zeugen könnt", zischte ich ihm entgegen, während ich den Druck mit meinem Knie erhöhte.

„Ich will mich nicht noch einmal wiederholen, Pirat. Sag mir, was ich wissen will und leb ein Leben in dem Wissen, dass all deine Körperfunktionen funktionieren, wie sie funktionieren sollen. Oder", ich übte mehr Druck auf seinen Brustkorb aus, bis er ein leises Ächzen ausstieß, „du wirst den Rest deines Lebens nur noch flüssige Nahrung aufnehmen. Hast du mich verstanden?"

Ich wartete ein paar Sekunden und beobachtete, wie versuchte, sich aus meinem Griff zu winden. Zu seinem Pech wusste ich, was ich tat. Eine Kindheit, in der man nur mit seinem großen Bruder und dessen bestem Freund spielte, die beide weitaus größer gewesen waren, sorgte dafür. Dieser Kerl war nichts im Vergleich zu Iwo oder Drysden.

Irgendwann schien ihm auch aufzugehen, dass ich nicht loslassen würde. Seine versucht passive Miene verzog sich zu einem wütenden Gesichtsausdruck und ich war mir sicher, dass er doch gleich fluchen würde. Doch zu meiner unendlichen Überraschung nickte er abgehackt.

„Okay."

Zufrieden bemerkte ich, wie angestrengt seine Stimme klang. Ein wenig besänftigt, aber immer noch nicht glücklich, drückte ich ein letztes Mal zu, dann ließ ich mich wieder auf meine behelfsmäßige Bank zurückgleiten, während ich den Dolch in seine Halterung an meiner Wade zurückschob. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete der Pirat mich, während er sich mit einer Hand den Brustkorb rieb. Ich hoffte wirklich, dass er blaue Flecken haben würde.

„Warum seid Ihr nur so besessen von den Fae?"

Meine Hand wanderte wieder in Richtung meiner Wade, bereit, meiner Drohung doch noch nachzukommen. Bevor ich das jedoch tun konnte, hob er beschwichtigend die Hände und rückte ein Stück ab.

„Ich leugne nichts. Aber ich kann Euch nur sagen, was ich weiß: Es gibt Leute hier auf der Insel. Ich habe keine Ahnung, ob dass Eure Märchengestalten sind oder nicht, und es interessiert mich auch nicht."

Ich verdrehte die Augen und lehnte mich zurück, in dem Versuch, möglichst entspannt zu wirken. Doch innerlich vollführte ich Freudensprünge. Diese Reise war also nicht vollkommen umsonst gewesen.

„Und wie kommen wir zu Ihnen?"

Der Pirat schüttelte den Kopf und lehnte sich vor, doch mir entging nicht, dass es weniger eine Sache der Bequemlichkeit, sondern mehr eine des Schutzes war. Was auch immer er zu sagen hatte, es würde mir nicht gefallen.

„Ich weiß nicht, wo genau sie leben. Um ehrlich zu sein habe ich nicht einmal eine vage Vorstellung."

Was brachte es mir dann, dass es sie gab? Diese Information hätte er mir nicht so lang vorenthalten müssen.

„Ihr müsst mir mehr bieten als das, Pirat", erwiderte ich also, denn ich war mir sicher, dass es noch mehr gab.

„Ich habe aber nicht mehr."

Der Mann klang beinah trotzig, während er mich direkt ansah. Offensichtlich wollte er, dass ich das abkaufte. Zu dumm nur, dass ich als jüngstes Kind schnell gelernt hatte, wann die Leute einem glaubten und wann nicht. Also wusste ich, dass dieser Versuch der Überzeugung nichts weiter als Manipulation war.

„Ich könnte Euch jetzt wieder drohen", murmelte ich leise, während ich den Dolch ein weiteres Mal zückte.

Der Pirat verspannte sich, als würde er erwarten, dass ich ihn ein weiteres Mal angriff. Er musste mich für dumm halten, wenn er dachte, ich würde den gleichen Trick zweimal anwenden.

„Oder aber Ihr erklärt mir, weshalb diese Leute Piraten in ihrem Land dulden. Und sagt mir nicht, dass sie nichts von euch wissen. Weder habt Ihr während der Überfahrt nach Schiffen Ausschau gehalten, noch sind Eure Hütten sonderlich gut versteckt."

Ein weiteres Mal verzog der Pirat das Gesicht zu einer wütenden Grimasse. Doch dann nickte er.

„Ich weiß wirklich nicht, wo sie leben. Aber wir tauschen manchmal Waren aus, wenn sie etwas brauchen und wir etwas haben. Wir sorgen dafür, dass niemand erfährt, dass sie existieren und dafür lassen sie uns in Ruhe."

In diesem Moment konnte ich es mir beim besten Willen nicht nehmen lassen, zu Grinsen, während Freude in mir aufstieg. Wir hatten eine richtige Spur, nicht nur irgendwelche Brotkrummen und romantischen Gedichte.

Zufrieden wandte ich mich an Drysden, der den Dolch mittlerweile weggetan hatte und die Piraten beobachtete, die angestrengt lauschend im Gras saßen. Dennoch wusste ich, dass er jedes einzelne Wort gehört hatte, denn es verging kaum eine Sekunde, bis er sich mir zuwandte.

„Was denkst du, Drysden?"

Er blieb ruhig, dachte erst nach, bevor er antwortete.

„Wir sollten es versuchen."

Der Pirat stieß einen unglücklichen Laut aus, dann wollte er wissen: „Was versuchen?"

Ich wandte mich ihm wieder zu, doch nur kurz. Dann erhob ich mich und strich mein Kleid glatt. Mit einem Räuspern richtete ich mich an meine Freunde, die sich in den Schatten zurückgezogen hatten. Es war wohl mehr Zeit vergangen, als ich gedacht hatte, denn auf den Gesichtern vieler Piraten glänzte der Schweiß.

„Wir essen etwas, dann wird der gute Kapitän hier uns zeigen, wo er normalerweise den Handel abschließt."

„Das habe ich nie gesagt", protestierte er und erhob sich.

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Dann nahm ich mir die Zeit, ihn so gründlich zu mustern, wie er es noch vor ein paar Tagen bei mir gewagt hatte. Als ich schließlich wieder bei seinem Gesicht ankam, presste er die Lippen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte das irgendetwas ändern.

„Zu deinem Pech, Pirat, habe ich das aber gerade beschlossen."

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Wieder gilt: Ich habe noch nicht auf Rechtschreibfehlern kontrolliert. Trotzdem hoffe ich, es hat euch gefallen. Frohe Ostern an alle, die es feiern!

Over and Out,
DasLebenLesen

05/04/2021

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