Isabel [6]

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„Der Käpt'n redet mit dir, wenn er Lust dazu hat, hübsche Lady. Und jetzt lass mich 'n Ruhe, ich hab' zu tun."

Genervt ließ ich mich auf den schäbigen Stuhl fallen, der an einem genauso schäbigen Tisch in einer heruntergekommenen Hütte stand. Zumindest vermutete ich, dass es sich um eine Hütte handelte, denn neben der Tür ins Freie gab es keinen anderen Weg aus dem kleinen Raum heraus.

Als der Stuhl neben mir quietschte zuckte ich einmal mehr zusammen, dann warf ich Drysden einen bösen Blick zu. Doch der beachtete mich gar nicht, sondern starrte mit gerunzelter Stirn aus dem einen Fenster. Warum, war mir nicht so wirklich bewusst. Denn außer einer anderen Hütte mit einem noch dreckigeren Fenster sah man nichts.

„Ich bin es so leid, zu warten", beschwerte ich mich, während ich versuchte, meine Haare, die von Sand und Salz verkrustet waren, zu entwirren.

Ich bekam noch immer keine Antwort, also wagte ich es, Drysden zu treten. Die einzige Reaktion, die ich darauf bekam, war ein kurzer Seitenblick, dann stand er mit einem Ruck auf und streckte sich.

„Du solltest froh sein, dass wir überhaupt noch lange genug am Leben sind, um zu warten. Ich bin mir nicht sicher, ob du so erpicht darauf sein solltest, den Kapitän einer Piratencrew zu treffen. Nur weil sie uns nicht sofort umgebracht haben, heißt das noch lange nicht, dass sie es nicht noch machen werden."

Ich verzog das Gesicht und lehnte mich auf dem Stuhl, der gefährlich zu wackeln begann, zurück. Denn ich hatte, wenn ich ehrlich mit mir war, vergessen, dass es sich bei den Männern um Piraten handelte. Dafür waren sie einfach zu nett. Gut, ich gab zu, mit einem Säbel an der Kehle aufzuwachen war nicht gerade nett, aber ansonsten konnte ich mich nicht beklagen.

Doch der Umstand, dass wir in einer Hütte saßen, statt an irgendeinen Baum gekettet zu sein oder als Leichen im Wasser zu enden, hatte mich von anderem überzeugt. Zudem hatten wir etwas Wasser und ein wenig Brot, wenn auch sehr trocken, bekommen. Sie hatten uns sogar einen kleinen Eimer Wasser zum Waschen bereitgestellt, auch wenn es mir ein wenig zu bräunlich gewesen war. Also, alles in allem hätten diese Piraten weitaus schlimmer sein können.

„Wie kannst du nur so positiv sein?"

Jetzt war es an mir, Drysden einen Seitenblick zuzuwerfen. Er stand mit gerunzelter Stirn mitten im Raum, auch wenn das nicht sonderlich schwer war, und starrte mich unzufrieden an. Ich schenkte ihm bloß ein Lächeln.

„Es ist eine Gabe."

Dabei klang ich viel unbeschwerter, als ich war. Denn so wirklich waren mir diese Piraten auch nicht geheuer, auch wenn das daran liegen könnte, dass ich mich im Allgemeinen in der Anwesenheit von zu vielen Männern nicht wohl fühlte. Ich bekam dann immer dieses Gefühl, beobachtet zu werden.

Und dazu kam noch die Sorge um meine Mitreisenden. Ich hatte keine Ahnung, wie es den dreien ging. Waren sie noch immer im Wasser, oder waren sie auf einer Insel gestrandet? Waren sie dort zusammen, oder ganz allein? Hatten Piraten auch sie entdeckt?

Den Gedanken an den Tod verbot ich mir. Ich musste daran glauben, dass ich nicht die Hälfte dieser kleinen Unternehmung in den Tod geführt hatte. Ansonsten war ich mir nicht sicher, ob ich mit dem Gedanken leben konnte. Mit einem kleinen Seufzen fiel mein Lächeln in sich zusammen. Wem machte ich eigentlich etwas vor? Die Ungewissheit brachte mich fast um. Vielleicht forderte ich deshalb das Schicksal heraus, indem ich immer wieder nach dem Kapitän fragte.

Aus müden Augen verfolgte ich Drysden, der mittlerweile begonnen hatte, auf und ab zu tigern. Fünf Schritte in die eine Richtung, eine Drehung, fünf Schritte zurück. Dann wieder eine Drehung, fünf Schritte, eine noch schnellere Drehung, nur vier große Schritte. Er blieb stehen, schüttelte den Kopf, runzelte die Stirn, dann drehte er sich um und begann von vorne.

Allein vom zusehen fielen mir die Augen zu und die Muskeln in meinen Beinen begannen zu schmerzen. Seit wir über Board gegangen waren hatte ich kaum mehr als vielleicht drei Stunden geschlafen. Woher Drysden die Energie nahm, sich zu bewegen, war mir ein Rätsel. Denn ich war mir sicher, dass er noch viel weniger geschlafen hatte als ich.

Ein Knacken ließ mich hochschrecken und ich richtete mich auf, als mir bewusst wurde, dass ich tatsächlich die Augen geschlossen hatte. Drysden hatte es sich wieder auf dem Holzstuhl mit der gefährlich schiefen Lehne bequem gemacht, so gut das eben ging, und starrte der Tür entgegen. Ich folgte seinem Blick und erkannte eine Gruppe von Männern, allesamt in ähnliche dreckige Hosen und Hemden gekleidet, die neugierige Blicke durch die Tür warfen.

Unter ihnen war auch der Mann mit dem wilden Bart, der uns das Wasser und das Essen gebracht hatte. Als er meinen Blick auffing, schenkte er mir ein Grinsen, das seine schiefen Zähne enthüllte und winkte mir zu. Überrascht hob ich ebenfalls die Hand und verdrehte die Augen, als Drysden neben mir ein Räuspern ausstieß, laut genug, dass der Pirat, der er vermutlich war, ihn auch ansah. Sofort verschwand das Grinsen und er wandte uns den Rücken zu.

Für ein paar Minuten passierte nichts, dann jedoch kam Leben in die Gruppe dort draußen. Sie alle sahen in eine Richtung, dann trat einer von ihnen vor und begann zu sprechen. Vermutlich war jemand dazu gekommen, aber ich konnte beim besten Willen nicht erkennen, wer es war. Doch mir war bewusst, dass wir das Thema waren, denn der sprechende Pirat fuchtelte immer wieder wild mit den Händen in unsere Richtung.

Die anderen hielten ein wenig Abstand, warum konnte ich aber leider nicht erkennen, denn sie alle hatten uns den Rücken zugekehrt. Wenn ich aber wetten müsste, dann würde ich sage, dass es sich bei dem Neuankömmling um den Kapitän handeln musste, denn sonst wäre sicherlich keiner der Raufbolde, die eben noch rau gelacht und sich immer wieder grob angestoßen hatten, so still.

Vorsichtig strich ich meinen Rock glatt und verzog das Gesicht, als Sand und Salz noch immer davon herabrieselten. Dann erhob ich mich und schob meine Haare hinter die Ohren. Wenn ich eine Sache gelernt hatte, dann, dass man niemals einem möglichen Geschäftspartner unterwürfig begegnete. Wenn ich stand schuf ich ein Gleichgewicht zwischen uns und mit den Haaren hinter den Ohren wirkte ich offener und selbstbewusster.

Drysden tat es mir gleich, denn auch er musste zu demselben Schluss gekommen sein, doch dann bewegte er sich zu meiner Überraschung hinter mich, statt sich, wie ich erwartet hatte, zwischen mich und die mögliche Bedrohung zu schieben. Mit einem Nicken signalisierte er mir, dass er bereit war, und ich schenkte ihm ebenfalls eins, bevor ich mich wegdrehte, um mein kleines Lächeln vor ihm zu verbergen. Er vertraute mir, was die kleinen Schmetterlinge in meinem Magen schneller schlagen ließ. Ich durfte ihn unter keinen Umständen enttäuschen.

Als Bewegung in die Gruppe vor der Tür kam hob ich den Kopf ein wenig an, während mein Stand etwas breiter wurde, als würde ich mich für einen Kampf rüsten. Was ich auch tat, denn ich hatte keine Ahnung, was genau mich jetzt erwartete. Der Kapitän könnte etwas verlangen, was ich ihm nicht geben konnte, oder uns direkt umbringen lassen.

Doch als er schließlich durch die Tür der Hütte trat, vergaß ich all diese Gedanken für einen Sekundenbruchteil. Denn der Mann, der durch die Tür trat, war ein gänzlich anderer Kapitän als der der „Wellenbrecher". Er war jung, mit hellbraunem Haar, dem Schatten eines Bartes, und groß, wenn auch nicht ganz so groß wie Drysden. In seinem Ohr funkelte etwas, wie etwa ein Ohrring, und seine Kleidung war so simpel wie die seiner Crew, wenn auch deutlich sauberer. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt und zeigte so die von den vielen Stunden auf See gebräunte Haut.

Vielleicht hätte ich ihn noch etwas eingehender betrachtet, wenn ich nicht den Ausdruck in seinen Augen bemerkt hätte. Dasselbe galt für das Lächeln. Ich wusste nicht genau, was es war, doch beides riss mich aus meiner Betrachtung und ließ ein brennendes Gefühl in mir zurück. Und es war keines der Guten.

„Hübsche Lady, das is der Käpt'n. Käpt'n, das sin der Herr und die Lady, von denen Brink geredet hat."

Rauschebart hatte ebenso die Hütte betreten und blockierte den Eingang, wie ich mit einem unguten Gefühl bemerkte. Der Raum wirkte plötzlich bedeutend kleiner, beinah schon beengt, und allein das Wissen, dass ich nicht völlig auf mich allein gestellt war, bewahrte mich vor der aufsteigenden Panik.

„Und haben die Lady und der Herr auch einen Namen?"

Seine Stimme war überraschend weich, auch wenn der Rest seines Gesichtsausdrucks den Eindruck zunichtemachte. Dazu kam noch der Akzent in seiner Stimme, den ich nicht gänzlich zuordnen konnte. Doch wütend machte es mich, dass er mich ignorierte und seine Frage stattdessen an Drysden richtete.

„Ich bin Isabel und das ist Drysden", erwiderte ich, so ruhig ich konnte, auch wenn in mir Wut und Angst einen gefährlichen Kampf bestritten.

Überrascht richtete er seinen Blick auf mich, als hätte er mich davor gar nicht bemerkt. Und dann nahm er sich das Recht heraus, mich so eingehend zu betrachten, dass jede andere Lady vor Scham in Ohnmacht gefallen wäre. Doch wenn man, so wie ich, sein ganzes Leben lang mit der Aufmerksamkeit der hübschesten Männer des Landes verbracht hatte, trieb es einem kaum noch die Schamesröte auf die Wangen.

„Nur Isabel und Drysden? Kein Nachname, kein Titel?", wollte er schließlich wissen, sein Blick so höhnisch, dass ich die Hände zu Fäusten ballen wollte.

Dennoch blieb ich betont ruhig, auch wenn sein Blick mich durchbohrte.

„Nein, weder noch."

Er nickte langsam, der Ausdruck in seinen Augen viel zu amüsiert, dann trat er plötzlich an den Tisch heran, der zwischen uns stand. Er lehnte sich vor, sodass das wenige Licht, das durch das Fenster fiel, mir einen ersten Blick auf seine Augenfarbe erlaubte. Sie waren von einem so lebhaften grün, dass sie mich an kleine Smaragde erinnerten, doch gleichzeitig so wild wie die See, die noch vor Stunden ihr tödliches Spiel mit mir gespielt hatte.

„Dann sag mir doch, nur Isabel, was du und dein Begleiter hier draußen treibt. Frauen in so hübschen Kleidern halten sich sonst von der See fern, besonders, wenn die Route sie so nah an die Pirateninseln führt."

Wie um seine unverschämte Aussage zu unterstreichen, ließ er den Blick tiefer sinken und ich spürte, wie die Wut nun gänzlich die Angst ausstach. Von plötzlichem Mut gepackt, beugte ich mich ebenfalls vor und lehnte mich auf den Tisch, der unter unserem gemeinsamen Gewicht zu quietschen begann. Dann, als er überrascht hochblickte, schenkte ich ihm mein süßestes Lächeln.

„Meine Geschäfte gehen Euch nichts an. Es sei denn natürlich Ihr wollt mir erklären, was ein Edelmann aus Cidus in einer Piratencrew zu suchen hat."

Triumphierend, weil ich den Akzent doch noch erraten hatte, beobachtete ich, wie er sich abrupt aufrichtete, die Miene plötzlich abweisender denn je. Eindeutig langsamer, um den Vorteil meiner kühlen Überlegenheit nicht zu verspielen, tat ich es ihm gleich und wir starrten einander wortlos an. Dabei fiel mir ebenso auf, dass er kleiner war, als ich vermutet hatte, denn er war kaum größer als ich es war.

„Käpt'n Emerald?"

Eine neue Stimme, die ich noch nicht gehört hatte, drang gedämpft an mein Ohr. Widerwillig wandte der Pirat sich ab und blickte zu dem Mann, der vorsichtig über die Schulter von Rauschebart lugte.

„Was?"

Der weiche klang war aus seiner Stimme gewichen und ließ den Piraten zusammenzucken. Vielleicht wäre es mir auch so ergangen, wäre da nicht die allgegenwärtige Zufriedenheit, dass ich diese Veränderung verursacht hatte. Es gab doch nichts Besseres, als einen Mann so sehr zu provozieren, dass seine Maske zerbrach.

„Könntest du mal kurz kommen? Da gibt's was Wichtiges zu klär'n."

Mit einem Brummen drehte er ich um und stolzierte aus dem Raum, blieb aber noch einmal stehen, um mit Rauschebart zu reden.

„Ich komme gleich wieder. Bleib so lang hier und sorg dafür, dass die Lady nicht noch mehr Dinge ausspricht, von denen sie keine Ahnung hat."

Sobald er weg war und Rauschebart mir ein beinah entschuldigendes Lächeln zuwarf, wieder eine so unerwartete Geste, dass ich es erwidern musste, drehte ich mich zu Drysden um, der mich einmal mehr mit diesem unlesbaren Blick ansah.

„Ich weiß, ich hätte mich vermutlich anders verhalten sollen. Tut mir leid", sagte ich schließlich, als ich seinen Blick beim besten Willen nicht mehr ertragen konnte, nicht sicher, was er dachte.

Doch Drysden schüttelte nur den Kopf und einer seiner Mundwinkel schien belustigt zu zucken.

„Es gibt nichts zu entschuldigen. Das war gut."

Ich unterdrückte ein breites Lächeln und den Drang, wie ein kleines Mädchen nachzufragen, sondern nickte lediglich. Dann öffnete ich den Mund, um etwas zu sagen, was war ich mir nicht sicher, doch laute Schritte ließen mich herumwirbeln. Verwirrt trat Rauschebart zur Seite, als der Kapitän, der wohl Emerald ließ, wieder eintrat.

Doch ich beachtete ihn gar nicht, denn hinter ihm betrat eine nur zu bekannte Person den Raum. Cara lebte. Erleichtert schloss ich die Augen, zuckte aber zusammen, als sie sich mit einem hohen Schrei in meine Richtung warf.

„Herrin, wie geht es Euch? Ihr müsst schrecklich erschöpft sein. Konntet Ihr schlafen? Hat man Euch Essen gegeben?"

Verwirrt starrte ich auf meine beste Freundin hinab, die mir zwischen ihren theatralischen Fragen und dem hektischen Abtasten meines Kleides ein Zwinkern zuwarf.

„Bei den Göttern, lass deine Herrin atmen."

Ich hob den Kopf und erkannte Yan und Andrej, beide in ebenso salzverkrusteten und sandigen Kleidern wie Cara, die sich vor mir verbeugten. Zwischen ihnen stand eine gewaltige Kiste und man konnte gut erkennen, dass sie die ein Stück geschleppt hatten, denn beide sahen schrecklich verschwitzt aus.

Plötzlich sprang Cara, die sich tatsächlich vor mir verneigt hatte, auf und eilte zu Drysden, wo sie hektisch sein Hemd befühlte.

„Wie geht es Euch, mein Herr?"

Ich bewunderte, wie Drysden keine Miene verzog, sondern beinah lässig einen Arm anhob, damit Cara besser an dem Hemd ziehen konnte. Er schien etwas erwidern zu wollen, doch der Piratenkapitän kam ihm zuvor.

„Was soll das ganze hier?"

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Sorry wegen letzter Woche, aber es war meine lange Woche und ich war von dem Online Unterricht echt fertig. Ich konnte mich wirklich nicht motivieren, länger als nötig am Laptop zu verbringen. Man sehen, was diese Woche bringt.

Over and Out,
DasLebenLesen

25/01/2021

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