Isabel [11]

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Zum ersten Mal, seit wir in Yver angekommen waren, betrat ich das Arbeitszimmer der Königin. Die Tür war groß und rund, verziert mit glitzernden Edelsteinen, der Raum selbst einfach gehalten. Neben dem großen Schreibtisch aus Holz, der aus dem Boden zu erwachsen schien, gab es nur ein langes Regal und einen Wandteppich, der eine mondbeschienene Lichtung zeigte.

„Vielen Dank für das schnelle Kommen", meinte die Königin und blickte von dem Bogen Papier auf, den sie konzentriert studiert hatte.

Sie deutete mit ernster Miene auf einen Stuhl, der dem Schreibtisch gegenüberstand.

„Setz dich bitte."

Unruhe stieg in mir auf, doch ich versuchte, den nervösen Knoten in meinem Magen zu ignorieren. In den letzten Tagen hatte Idan'shin noch so sorglos gewirkt und plötzlich wurde ich zu einem förmlichen Treffen einbestellt. Selbst der größte Optimist würde da wohl ins Grübeln geraten.

„Wir haben nicht viel Zeit, deswegen werde ich mich kurzhalten."

Ruhig stellte sie die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Finger, bis sie elegant das Kinn darauf ablegen konnte. Dann musterte sie mich.

„In den letzten Tagen haben uns mehrere Informanten erreicht. Sie alle haben beunruhigende Nachrichten mitgebracht."

Ihr Tonfall war beinah eisig, als sie fortfuhr.

„Erst ein paar wenige Schiffe, mittlerweile eine ganze Flotte, haben den Sturm sicher passiert. Wir haben sie bisher nur beobachtet, in der Hoffnung, sie würden vom Kurs abkommen. Doch ich bin mir sicher, dass sie direkt auf Yver zusteuern."

Für ein paar Sekunden blinzelte ich Idan'shin an, in der Hoffnung, mich verhört zu haben. Doch nach einigen Sekunden Stille, die sich schleichend dahinzogen, erreichte die Nachricht mich. Eine Schiffsflotte segelte direkt auf Yver zu. Und die Königin hatte mich zu einem privaten Gespräch gerufen.

Unvermittelt sanken meine Mundwinkel noch ein Stück herab und ich presste den Rücken durch, bis ich mit gerader Haltung und hoch erhobenem Kinn dasaß.

„Damit haben wir nichts zu tun."

Meine Stimme klang gepresster, als ich es geplant hatte. Doch der Gedanke daran war nichts im Vergleich zu dem Ärger, der sich in meiner Brust breit machte. Wir hatten uns hilfesuchend an sie gewandt und unsere Hoffnung in sie gelegt, nur um abgewiesen zu werden. Und nun sollten wir auch noch undankbare Gäste oder hinterhältige Betrüger sein?

„Das habe ich nie behauptet", antwortete die Königin da, den Kopf schief gelegt, den intensiven Blick auf mich gerichtet.

„Und dennoch sitzt du hier und fühlst dich angesprochen. Wie kommt das?", fuhr sie fort, der Klang ihrer Stimme beinah arrogant.

Ich presste die Lippen zusammen, um einen unqualifizierten Kommentar zu unterdrücken.

„Ich bin eine Prinzessin. Ich weiß, wie jemand klingt, der die Schuld bei mir sucht, weil er denkt, er wisse alles über mich."

Idan'shin stieß einen kleinen Laut aus, eine Mischung aus einem Summen und einem Seufzen, dann lehnte sie sich langsam zurück. Der beinah spielerische Ton, den ihre Stimme zuvor noch gehabt hatte, war bei ihren nächsten Worten verloren, als wäre sie des Spiels leid geworden, dass nur sie allein spielte.

„Ich habe nicht viel Zeit, Isabel. Das habe ich dir bereits gesagt. In nur wenigen Minuten steht ein Treffen mit den Oberhäuptern der Clans an und jeder dort wird eine Rechtfertigung von mir haben wollen, warum eine Menschenflotte auf dem Weg an unsere Küsten ist und ich die Menschen, die bereits in Yver sind, noch nicht habe festnehmen lassen.

Ich sage nicht, dass du und deine Begleiter etwas damit zu tun habt. Aber die Beweise sprechen gegen euch, das muss dir klar sein. Und ich werde nicht mein Volk verraten, nur weil ich all mein Vertrauen in eine Menschenprinzessin gelegt habe, die ich kaum kenne."

Die Stille, die sich ein weiteres Mal über uns legte, war drückend. Keine von uns beiden wollte der anderen nachgeben, während gleichzeitig Sorge in mir aufstieg. Ich hatte keine Ahnung, wie es den anderen ging oder wo sie gerade waren. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich ohne Widerstand von den Fae festnehmen lassen würden, wenn diese beschlossen, dass wir eine Gefahr für sie darstellten.

Ein Klopfen unterbrach die Stille. Stumm drehten wir beide uns um, nur um Baylor eintreten zu sehen, der sich mit derselben eiskalten Miene wie immer verneigte. Der Fae, der vor den königlichen Gemächern Wache hielt und Baylor wohl die Tür geöffnet hatte, hielt den Blick gesenkt. Doch bevor er die Tür schließen konnte, erhob die Königin ihre Stimme.

„Bitte sei so nett und lass nach den Menschen schicken. Ich möchte auch mit den anderen sprechen."

Der Mann fiel in eine tiefe Verbeugung, dann schloss er die Tür lautlos und ließ mich mit einer nachdenklichen Königin und ihrem grimmig dreinblickenden Berater zurück.

„Ich wüsste nicht, was es da zu bereden gibt", knurrte da der Fae und warf mir einen düsteren Blick zu, den ich unüberlegt erwiderte.

Baylor mochte uns nicht, dass hatte ich verstanden. Aber ich ließ mir von ihm nicht auch noch Lügen anhängen. Bevor ich etwas sagen konnte, seufzte Idan'shin.

„Baylor, bitte nicht jetzt."

Er richtete sich etwas auf, den stolzierte er regelrecht an eines der Fenster.

„Du hast gehört, was die Sonnenfinken zu sagen hatten. Wie kannst du da so ruhig bleiben, wenn du die Schuldigen direkt unter der Nase hast?"

Zu meiner Überraschung warf Idan'shin mir einen bedeutsamen Blick zu, als wollte sie sagen „siehst du?", dann schüttelte sie den Kopf.

„Lass uns abwarten."

„Abwarten?"

Baylor drehte sich mit einem Ruck um und warf seiner Königin einen giftigen Blick zu. Es schien, als wollte er etwas sagen, doch da klopfte es ein weiteres Mal an der Tür. Überrascht drehte ich mich ein weiteres Mal um, nur um zu sehen, wie der Wächter von zuvor die Tür für Cara und Drysden öffnete.

Meine beste Freundin lief aufrecht voraus, während Drysden ihr folgte. Kurz stockte er in der Bewegung, als sein Blick auf den wütenden Baylor fiel, der die beiden mit offensichtlicher Missgunst musterte. Ich nahm es ihm nicht übel, denn der Blick des Beraters war wirklich düster. Doch dann fing er sich und trat wortlos an die Seite meines Stuhls, die Cara nicht bereits flankierte.

Idan'shin hob eine überraschte Augenbraue.

„Das ging schnell."

„Wir waren bereits auf dem Weg hierher."

Mit noch immer gehobener Augenbraue musterte sie nun auch die beiden. Ich spürte derweil so etwas wie Erleichterung in mir aufsteigen. Ich war froh, nicht mehr allein hier zu sein, sondern die Rückendeckung meiner Freunde zu haben.

„Nun denn. Lasst uns noch auf Andrej und Yan warten, dann können wir fortfahren."

Ich nickte, auch wenn der Wunsch, irgendetwas zu tun, in mir aufstieg. Ich konnte nicht einfach nur hier sitzen und darauf warten, noch mehr falsche Anschuldigungen entgegengeschleudert zu bekommen. Ich war mir sicher, dass mein Vater keine Flotte nach Yver geschickt hatte. Dazu waren wir nicht gut genug ausgerüstet. Außerdem hielt er die Fae für ein Märchen.

Eine warme Hand auf meiner Schulter ließ mich aufblicken. Dankbar sah ich zu Cara, die aufmunternd nickte. Dann glitt mein Blick wie automatisch zu Drysden. Er schenkte mir ein knappes Nicken, dann warf er einen schnellen Blick auf Baylor, der noch immer am Fenster lehnte und uns mit harten Blicken anstarrte.

Ein weiteres Klopfen und der Eintritt von Yan und Andrej beendete schließlich die angespannte Stille. Mit einer leisen Begrüßung glitt Yan auf den zweiten Stuhl, den Cara frei gelassen hatte, und Andrej ließ sich einige Schritte entfernt neben der Tür in die Schatten sinken, um seiner Aufgabe als Leibwächter instinktiv nachzugehen.

Gerne hätte ich ihn ebenfalls zu uns geholt, doch gleichzeitig gab seine Haltung mir das Gefühl, in Sicherheit zu sein, als müsse ich nur mit dem Finger schnippen und er war da. Noch nie hatte ich ihn so zu schätzen gewusst.

„Noch einmal die Kurzfassung: Eine Schiffsflotte der Menschen steuert auf uns zu. Ich will wissen, was ihr damit zu tun habt."

Caras Griff auf meiner Schulter würde etwas fester.

„Wir haben nichts damit zu tun", bekräftigte sie da, was ich zuvor schon gesagt hatte.

Doch wie auch zuvor glaubte Idan'shin ihr nicht, wenn der schief gelegte Kopf als Hinweis galt, und Baylor ging sogar so weit, ein ungläubiges Schnauben auszustoßen.

„Ihr seid diejenigen, die ihren Weg nach Yver gefunden haben und jetzt sollen wir euch glauben, dass nicht noch mehr Menschen eures Volkes auf dem Weg hierher sind?"

„Der Rat hat diese Mission von Anfang als unmöglich angesehen. Zudem war es nie vorgesehen, dass wir tatsächlich so weit gelangen. Allein das sollte schon Beweis genug sein. Niemand dort glaubt, dass euer Volk überhaupt existiert", erwiderte Yan da zu meiner Überraschung mit unzufrieden gerunzelter Stirn.

Die Antwort schien Idan'shin nicht zufrieden zu stellen.

„Sie haben nie damit gerechnet, dass ihr hier ankommt, also haben sie euch auch nichts von ihren Plänen erzählt, mein Volk anzugreifen", schlussfolgerte sie mit unbeweglicher Miene.

„Wenn jemand einen geheimen Plan geschmiedet hätte, hätte ich davon erfahren", warf nun Cara mit selbstbewusster Stimme in den Raum.

„Vor mir bliebt kein Geheimnis lange verborgen."

„Das erklärt dann wohl auch eure zeitige Ankunft", meinte Baylor da und warf ihr einen dunklen Blick zu, den sie mit hoch erhobenem Kopf erwiderte.

„Das ist Drysden zuzuschreiben."

Sofort richtete der Berater seinen Blick auf ihn und seine Laune schien noch etwas tiefer zu sinken. Doch Drysden nahm es überraschend gelassen und erwiderte den misstrauischen Blick.

„Darüber können wir später reden. Jetzt will ich wissen, wem du von dem Weg nach Yver berichtet hast, Drysden, und welche Materialien du genau genutzt hast."

Drysden richtete seinen Blick auf die Königin, wie ich aus dem Augenwinkel feststellte.

„Ich habe die Legendenbücher durchforstet. Dort stand ein Verweis auf das Tagebuch meines Vorfahren, das angeblich verbrannt wurde. Doch ich habe es als eines der Bücher, die mein Vater mir gegeben hat, erkannt. Alle Menschen, denen ich von diesem Fund erzählt habe und die somit auch die Route kennen, befinden sich in diesem Raum."

Stumm nickte Idan'shin, der Gesichtsausdruck unlesbar. Hoffnung stieg in mir auf, denn ich konnte mir kein schlimmeres Ende für unser Aufeinandertreffen vorstellen, als mit Misstrauen dieses wundersame Land zu verlassen. Und gleichzeitig war da diese Angst, dass meine Hoffnung enttäuscht wurde und wir uns auf feindlichem Gebiet wiederfinden würden.

Bei all den möglichen Enden dieses Gesprächs, die sich mir auftaten, stieg der Knoten aus meinem Magen hinauf, bis er mir die Brust zuschnürte. Währenddessen flossen die Sekunden dahin und Idan'shin studierte uns noch immer mit diesem ausdruckslosen Blick. Dann, plötzlich und unvermittelt, erhob sie wieder die Stimme.

„Euer Volk hat wenig Grund, das meinige anzugreifen, besonders, da wir euch schon zuvor zur Seite standen. Und wenn es stimmt und ein Krieg mit Cidus bevorsteht, so gehe ich davon aus, dass euer König all seine Ressourcen auf die offensichtliche Bedrohung richtet. Wie siehst du das, Baylor?"

Die Hoffnung, die in mir aufgestiegen war, wurde zerdrückt wie ein Insekt unter dem Stiefel eines Waldarbeiters, als mein Blick auf die abweisende Miene des Beraters fiel. Ich hatte nie so wirklich den Eindruck gewonnen, als würde er uns mögen, doch er schien uns regelrecht zu hassen. Unser Schicksal in seine Hände zu legen, fühlte sich an, als hätte jemand mir eine letzte Mahlzeit vorgelegt, die schon bald mein Verhängnis sein würde.

„Wenn ich es aus diesem Blickwinkel betrachte, ergibt es durchaus Sinn. Cidus könnte fürchten, dass wir uns ein weiteres Mal mit Ensomniya verbünden und deswegen ein Heer entsenden, dass das verhindern soll."

Ich war mir sicher, dass Baylor die Augen verdrehte, als wir ihn mit überraschten Blicken ansahen. Doch dann fuhr er fort, die Worte vorsichtig gewählt.

„Bei dieser Annahme würden wir davon ausgehen, dass Cidus diese Invasion schon lange plant, da sie sonst nie genügend Streitkräfte mobilisieren könnten, um uns als auch Ensomniya gleichzeitig bekämpfen zu können. Außerdem gehen wir davon aus, dass sie in kriegerischer Absicht kommen. Es besteht die Chance, so gering sie auch ist, dass sie in Frieden eintreffen. Bei der Anzahl an Schiffen ist das unwahrscheinlich, das gebe ich gerne zu."

Bei seinen letzten Worten drehte sich mir der Magen um. Von was für einer Flottengröße sprachen wir denn?

„Dennoch, wird es schwierig, das dem Rat zu erklären. Denn unsere Informationen zu den Geschehnissen haben wir von Bewohner Ensomniyas, auf deren Ehrgefühl wir uns hier stützen würden. Ich weiß, wie schwer es ist, dich zu belügen, Idan'shin, aber wenn man sie auch im Dunkeln gelassen hätte, könntest auch du nicht wissen, was ihr weiteres Vorgehen ist."

Caras Griff an meiner Schulter wurde härter und ich war mir sicher, dass ich spürte, wie sie Luft holte, um ein weiteres Mal zu versichern, dass kein Plan ihr verborgen geblieben wäre, doch da hob die Königin die Hand. Dann richtete sie ihren klaren Blick auf mich.

„Du hast recht, wir haben nur subjektive Informationen erhalten, Baylor. Also möchte ich nun Isabel eine letzte Frage stellen: Was kannst du uns als Sicherheit geben? Was versprichst du uns, im Vertrauen auf die Ehrlichkeit deines Volkes, als Gegenleistung für unser Vertrauen?"

Der Blick der Königin war unermüdlich, während sie auf meine Entscheidung wartete. Doch die Augenblicke verstrichen, ohne dass ich antwortete. Denn ja, ich vertraute meinem Volk. Aber wie nur konnte ich das unter Beweis stellen?

Hilfesuchend sah ich mich um, erst zu Cara, die fest meinen Blick erwiderte, dann zu Drysden, der eine Augenbrauen anhob, zu Yan, der überraschenderweise nicht aussah, als würde er fürchten, was auch immer ich sagen würde und schließlich zu Andrej, der so vertrauensvoll meinen Blick erwiderte, dass ich kaum hinsehen konnte.

Als ich schließlich zu Idan'shin und Baylor blickte, wurde mir klar, dass all meine Worte ihnen keine Sicherheit bringen würden. Also konnte ich ihnen nur eins geben: Taten.

„Ich kann euch einen herausragenden Leibwächter, einen formidablen Bogenschützen, eine einmalige Strategin und Meisterin mit dem Kampfstab, den besten Soldaten meines Landes und meine bescheidenen Dienste im Kampf gegen die Truppen, woher sie auch kommen mögen, anbieten."

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Oh well, 

ich habe es geschafft. Ich muss zugeben, kurzzeitig hatte ich Angst, es zeitlich nicht mehr zu schaffen. Aber naja, ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat.

Over and Out,
DasLebenLesen

25/10/2021

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