Drysden [8]

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Das Wasser um uns herum bedeckte mein Oberteil mit dünnem Sprühnebel, während der Wind um uns herum peitschte. Wir befanden uns nun seit ein paar Minuten auf See und die Faszination, die jede der Bewegungen der Fae auslöste, hatte kein bisschen abgeflaut. Wann immer sie ihre Hand bewegte, glitt mein Blick zu dem Segel, gespannt darauf, was als nächstes passieren würde.

Mir war klar, dass ich vermutlich auch so etwas wie Angst verspüren sollte. Die Frau war uns nicht gerade positiv gesinnt und mit solchen Fähigkeiten wäre es ihr ein leichtes, uns verschwinden zu lassen. Doch gleichzeitig konnte ich mich selbst nicht dazu durchringen, darauf mit Besorgnis zu reagieren. Viel eher wünschte ich mir, den ganzen Tag mit anzusehen, wie sie die eleganten Bewegungen ausführte.

Erst ein Ellenbogen in die Seite riss mich aus meiner Betrachtung. Isabel schenkte mir eine kleine entschuldigende Grimasse, dann deutete sie zum Bug des kleinen Bootes. Ich folgte der Geste mit meinem Blick, doch es dauerte einige Sekunden, bis ich die Umrisse einer Landschaft am Horizont wahrnahm. Anscheinend ging die Überquerung des Sees schneller, als ich erwartet hatte, denn die Schemen kamen schnell näher, bis ich die ersten Umrisse von Bäumen erblickte.

Ich kniff die Augen zusammen, nicht sicher, ob mein Geist mich zu täuschen versuchte, denn die Blätter der Bäume wirkten nicht grün. Als wir noch näher kamen beugte ich mich vor, nun sicher, dass das, was ich sah, Wirklichkeit war. Das dichte Blätterdach nahe dem Ufer leuchtete in allen Rottönen, die man sich nur vorstellen konnte, von blassen Farben wie Rosa bis zu sattem Dunkelrot, das schon beinah braun wirkte.

Der schmale Sandstreifen am Ufer selbst hingegen schien farblos und langweilig, wie ein unbemaltes Blatt Papier. Als wir schließlich das Ufer erreichten und das Boot mit einem sanften Knirschen auf eben diesem Sand zum Halten kam, erklang ein leises Räuspern an meiner Seite.

Überrascht blickte ich zu Isabel, die mich auffordernd anblickte. Ihre Augen leuchteten vor Aufregung, während ihre Wangen von dem Fahrtwind gerötet waren. Etwas verspätet erkannte ich, dass ich mich über sie gelehnt hatte, in meinem Versuch, mehr zu erkennen, und beeilte mich, mich aufzurichten. Dann erwiderte ich das strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht und erhob mich, um dem Beispiel der anderen zu folgen.

Dicht nebeneinander sprangen wir aus dem Boot und sanken in den weichen Sand ein. Isabel stieß einen vergnügten Laut aus, dann eilte sie mit schweren Schritten auf die anderen zu. Ich folgte etwas langsamer und nutzte die Zeit, um mich etwas mit der Umgebung vertraut zu machen.

Die Bäume nahe dem Ufer leuchteten nicht nur in bunten Farben, sondern waren so hochgewachsen, dass ich mich strecken müsste, um an den niedrigsten Ast zu kommen. Dazwischen wuchsen dichte Sträucher und Gräser, manche grün, andere blau oder lila. Der Anblick war eigenartig, als wäre man in eine Traumwelt gestolpert.

Das Knirschen von Sand, lauter als die Schritte meiner Begleiter, ließ mich herumfahren. Ohne ein Wort des Abschieds glitt das Boot der Fae zurück auf den See, während der zweite Steuermann nun Nievens Platz eingenommen hatte. Sie selbst stand am Bug des Bootes, als könnte sie es kaum erwarten, von uns loszukommen.

Mit einem Kopfschütteln wandte ich mich von dem Anblick ab und trat stattdessen die letzten Schritte vor, bis ich zwischen Cara und Andrej zum Stehen kam. Andrej schenkte mit einen Stupser mit der Schulter, als wollte er mich aufmuntern, während Cara ihren Kampfstab in den Sand grub, bis sie sich mit einer Hand und dem Kinn darauf abstützen konnte.

„Und was jetzt?", murmelte schließlich Yan, der eine feuchte Strähne, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte, mit einer energischen Geste hinter die Ohren schob.

„Wir warten."

Isabel klang entschlossen, während sie einen kurzen Blick über die Schulter auf den dichten Waldrand warf. Der Fürst runzelte nur die Stirn.

„Worauf? Dass uns eine andere übelgelaunte Person findet, der wir dann vertrauen, dass sie uns nicht in die nächste Bärenhöhle führt?"

Der bissige Kommentar war so typisch, dass ich ein kleines Schmunzeln unterdrückte. Andrej neben mir gelang es nicht, seine Belustigung zu unterdrücken, woraufhin er sich einen warnenden Blick von Cara und einen Ellenbogen von Isabel einfing. Heute legte sie es wirklich darauf an.

„Wir werden ganz sicher nicht auf eigene Faust losstürmen. Wir wissen nicht, wie wir zu der Königin gelangen und wir wollen uns ihr Vertrauen erarbeiten, schon vergessen? Es wäre dumm, das zu gefährden."

„Ihr würdet sowieso nicht weit kommen."

Wie eine Person wandten wir uns dem Piraten zu, der ein Stück näher am See stand und mit einer Hand über den Augen auf das schimmernde Wasser hinausstarrte.

„Wie meinst du das?"

Der herrische Tonfall in Isabels Stimme provozierte eine hochgezogene Augenbraue bei mir, denn normalerweise war das nicht ihre Art. Doch den Piraten schien das nicht zu stören, im Gegenteil, er schenkte ihr ein schiefes Lächeln.

„Dieser Wald ist anders als die, die ihr kennt."

„Ach tatsächlich? Da wäre ich nie draufgekommen", murmelte Yan trocken und warf einen vielsagenden Blick hinauf zu dem dichten Blätterdach.

Der Pirat warf ihm einen abschätzenden Blick zu, dann drehte er sich uns ganz zu und deutete hinter uns. Skeptisch drehte ich mich auch dem Wald zu und wartete darauf, was Emerald als nächstes sagen würde.

„Dieser Wald lebt", wiederholte er, „und er verändert sich ständig. Die Bäume, die ihr hier seht, werden in ein paar Stunden von anderen abgelöst sein. Sie folgen keinen Gesetzen, sondern kriechen langsam umher. Momentan könnt ihr es nicht sehen, da die Sonne sie müde macht, doch bei Nacht kann man die Baumwanderung sehen und hören. Es ist schwer, sich darin zu orientieren.

Außerdem ist dieser Wald der reinste Irrgarten. Vieles sieht sich ähnlich, was es schwer macht, nicht nur im Kreis zu gehen. Ohne Hilfe würdet ihr euch vermutlich hoffnungslos verirren. Glaubt mir: Eine Bärenhöhle wäre dann euer kleinstes Problem. Also lasst uns warten, bis jemand kommt."

Wie auf Kommando begannen sich die Blätter einiger Sträucher zu bewegen. Erst zitterten sie nur, dann plötzlich senkten sie die Spitzen, als würden sie sich verbeugen, und wichen zurück. Aus der nun erschaffenen Lücke traten zwei Gestalten heraus, die uns mit neugierigen Blicken musterten.

Die erste Person, eine junge Frau, hatte ebenso helle Haare wie die restlichen Fae, die wir bisher gesehen hatten, doch ihre Augen waren dunkel, wenn ich das auf die Entfernung richtig sah. Sie war außerdem kleiner, kaum so groß wie Cara, was ihr einen mädchenhaften Charakter verlieh. Auch ihre Kleidung war anders. Statt Hose und Hemd trog sie ein weitfallendes, schimmerndes Kleid aus einem grünen Stoff, der selbst in der leichten Brise wehte.

Das Kleid bestand aus einem Oberteil, das Teile des blassen Bauches entblößte, während der Saum des Rockes über den Boden glitt. An ihren Handgelenken waren vielleicht fingerbreite Manschetten befestigt, die zusammen mit dünnen Bändern an den Armen eine Art Umhang bildeten, der ebenso den Waldboden bedeckte.

Ich war mir sicher, dass ich starrte, vor allem als die zweite Person, ebenfalls eine Frau, aber mit dunklen Haaren, in dem gleichen Kleid, aber in Rot, aus dem Wald trat. Ihr Blick war weitaus reservierte und blieb schließlich an dem Piratenkapitän hängen, der mit einem lässigen Lächeln die Hände in die weiten Hosentaschen gleiten ließ.

„Fina, schön dich zu sehen."

Sie starrte ihn für ein paar Sekunden an, dann verdrehte sie die Augen und schüttelte nur den Kopf. Dennoch entging mir nicht das kleine zufriedene Lächeln auf den schmalen Lippen, als sie sich uns zuwandte.

„Seid gegrüßt. Wir wurden bereits von eurer Ankunft unterrichtet. Ich bin Fina, das dort ist meine Begleiterin Maila. Wir werden euch bis an den Hof geleiten."

Ihre Worte wurden von einem respektvollen Nicken begleitet, das wir alle erwiderten. Dann trat Isabel vor und stellte uns der Reihe nach vor. Als sie schließlich geendet hatte, nickte Fina, während Maila neben ihr geradezu zu vibrieren schien.

„Folgt uns einfach."

Sie schritt voran und wir folgten im Gänsemarsch. Maila wartete, bis wir uns eingereiht hatten, dann schloss sie sich uns an. Zu meiner Überraschung war der Weg nicht nur schattig, sondern auch breit genug für drei Leute nebeneinander. Die Bäume um uns herum schienen sich wie in einem Rhythmus, den nur sie kannten, zu bewegen und ab und zu huschte ein Tier in bunten Farben über den Weg oder durch das Unterholz. Der Anblick des Waldes wirkte überraschend beruhigend.

Ich bemerkte erst, dass meine Betrachtung mich verlangsamte, als ich eine weiche Hand an meinem Arm spürte. Als ich einen Blick zur Seite warf, sahen große dunkle Augen von unten zu mir auf, begleitet von einem spielerischen Lächeln. Zugegebenermaßen war die Fae süß. Als ich mich umsah, erkannte ich, dass die anderen ein gutes Stück vor uns gingen und ich beschleunigte meine Schritte.

„Entschuldige bitte."

Ihr Lächeln wurde etwas breiter und sie schüttelte den Kopf.

„Kein Problem."

Dann, nach einer Pause, fügte sie hinzu: „Ich verstehe das. Du hättest mich sehen sollen, als ich zum ersten Mal hier unterwegs war. Ich bin fast zwei Tage lang durch den Wald gelaufen, ohne eine Ahnung, wo ich bin oder wo ich hingehe."

„Du bist hier nicht aufgewachsen?"

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, ich bin den Skuggdykare erst beigetreten, als sich meine Kräfte entwickelt haben."

Als sie meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, zögerte sie kurz, dann meinte sie.

„Mein Volk, wir entwickeln erst nach ein paar Jahren unsere Fähigkeiten. Dann, wenn es so weit ist, suchen wir uns einen Meister und lernen von dieser Person, bis wir dem Clan dienen können."

Ich musste immer noch verwirrt wirken, denn sie lachte leise auf.

„Keine Sorge, Idan'shin kann das besser erklären. Das Einzige was du dir merken musst, ist, dass ich nicht immer hier gelebt habe."

Ihr Gesichtsausdruck wurde beinah sehnsüchtig, als sie das sagte. Das machte mich neugierig und so entschloss ich, etwas nachzuforschen.

„Und wo bist du dann aufgewachsen?"

Sie zupfte an einem Blatt, dass sich in ihre Haare verirrt hatte.

„Meine Eltern sind väktare, weil sie keine besonderen Fähigkeiten haben, also bin ich an den Grenzen der Clans aufgewachsen."

Wieder zögerte Maila, dann warf sie einen Blick auf die anderen, die noch immer ein paar Schritte entfernt liefen. Cara und Andrej schienen sich angeregt zu unterhalten, während der Fürst und Isabel stumm nebeneinander liefen. Emerald hatte zu Fina aufgeschlossen.

„Du und deine Freunde, ihr habt nicht zufälligerweise eine väktare namens Elen getroffen, oder?"

„Sie hat uns gefunden."

„Oh."

Der hoffnungsvolle Tonfall gepaart mit dem traurigen Lächeln ließ mich ein weiteres Mal aufhorchen. Eine Vermutung stieg in mir auf, doch ich drängte sie zurück. Es wurde still zwischen uns, während ich nach einem Weg suchte, das Gespräch am Leben zu erhalten. Maila schien nett zu sein und ich wollte es mir nicht mit noch mehr Fae verderben.

„Sie meinte, dass wir hier sicherlich freundlich begrüßt werden."

Das Lächeln der Fae wirkte etwas leichter, als sie sich aufrichtete und den Blick vom Boden hob.

„Das hat sie gesagt?"

Ich nickte bekräftigend, dann, nach ein paar Sekunden, wollte ich leise wissen: „Seid ihr Freunde?"

Mailas Blick wurde überraschend ernst, während sie mich stumm musterte. Was auch immer sie sah, es musste ihr wohl etwas sagen, denn sie schüttelte den Kopf.

„Nein, wir sind keine Freundinnen. Wir sind, wie dein Volk sagen würde, verlobt."

Ihr Blick klebte an meinem Gesicht, als die Luft mir förmlich aus den Lungen gedrückt wurde. Ich atmete ein paar Mal tief durch, dann nickte ich ihr zu, bemüht, ruhig und überlegt zu wirken. Verlobt. Mit einer anderen Frau.

„Ich gratuliere."

Langsam breitete sich ein erleichtertes Lächeln auf ihrem Gesicht aus.

„Danke schön. Ich war mir nicht sicher, wie du reagieren würdest. Ich habe nicht gerade Positives von deinem Volk gehört, wenn du verstehst, was ich meine."

Ich senkte mit zugeschnürter Kehle den Kopf und zwang mich zu einem Nicken. Sie hatte recht. Mein Volk war nicht gerade positiv, was das anging. Als ich den Kopf wieder hob, war das erste was ich sah Mailas große Augen, die mich beinah mitleidig anfunkelten. Dann drückte sie meinen Arm. Ich zwang mich zu einem Lächeln, nicht sicher, was ich von ihrer Reaktion halten sollte.

„Kennt ihr beide euch schon lange?", fragte ich schließlich, teils aus Neugier, teils um das Thema von mir wegzulenken.

Begeistert nickte Maila und begann, mir mit wilden Gesten ihre und Elens Geschichte zu erzählen. Ein paar Mal brachten mich die wilden Erzählungen zum Lachen, bis sich mein Herz wieder etwas leichter anfühlte und Cara sich zu uns gesellte, angezogen von der lebhaften Art und Weise, wie die Fae sprach. Zwischendurch warf sie mir immer wieder ein kleines Lächeln zu oder fiel Maila ins Wort, um mehr Details zu erfahren.

Zum ersten Mal seit vielen Monaten fühlte ich mich wieder richtig wohl, erkannte ich schließlich, während ich einen belustigten Blick mit Cara tauschte. Am liebsten hätte ich diesen Moment eingefangen und niemals wieder verlassen. 

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Sorry, dass letzte Woche wieder kein Kapitel kam. Irgendwie hat mir jegliche Motivation gefehlt.
Die gute Nachricht: Ich habe das Kapitel für nächste Woche schon fertig. Die andere gute Nachricht: Ich bin motiviert, also werde ich wohl noch ein paar Kapitel vorbereiten können. Die schlechte Nachricht (gut für meinen Geldbeutel): Ich fange nächste Woche meine Ausbildung an, also weiß ich noch nicht, wie viel Zeit ich in Zukunft für das Schreiben haben werde.

Over and Out,
DasLebenLesen

PS: Wer hat schon das neue Cover gesehen? Es ist von der lieben @Mysery6 , schaut mal bei  ihr vorbei, sie macht echt tolle Cover.

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