Cara [II]

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„Warum hast du dem Fürsten zugestimmt?", wollte ich wissen, sobald die Türen der Bibliothek hinter uns zufielen, denn ich war ehrlich gesagt etwas verletzt.

Doch Isabel schüttelte bloß den Kopf, dann strebte sie ein zügiges Tempo an. Beinah rennend hielt ich schritt, während wir in die Eingangshalle zurückkehrten. Dann wandten wir uns nach links, und durchquerten eine große Flügeltür, die von zwei Wachen bewacht wurden.

Der Raum dahinter schien vor Leben nur so zu sprühen. Der Boden wurde an manchen Stellen geschrubbt, die hellblauen Wände auf Flecken durch Fackeln untersucht und die Vorhänge zwischen den Säulen, die weitere Flure stützten, wurden erneuert. Wenn ich mich nicht versah, so arbeiteten sogar Menschen an den Fenstern nahe der Decke des Saals. Vielleicht mochte der Himmelsaal kleiner sein als so manch anderer, doch er war sicherlich einer der schönsten, mit eleganten, hellen Bögen und einer offenen Raumgestaltung.

Entgegen ihrer Worte warf Isabel den Blumenkörben, die in den Nischen hinter den Säulen standen, nur einen kurzen Blick zu und nickte den Mägden zu, dann griff sie nach meinem Arm und zog mich in eine Ecke der Halle, weit entfernt von den Bediensteten.

„Du musst etwas für mich tun."

Mit gerunzelter Stirn nickte ich.

„Sicher, was auch immer du willst."

„Wir dürfen unter keinen Umständen bei den van Stattens nächtigen, sobald wir im Norden ankommen. Ich bin mir sicher, dass er dann einen Weg findet, die Mission zu manipulieren. Es würde mich nicht wundern, wenn er das sogar auf Anraten des Kabinetts und meines Vaters täte."

„Das wird ihm sicher nicht gefallen. Was ist, wenn sie jemanden hinterherschicken?", hakte ich nach.

Denn ich war mir nicht sicher, ob dieser Plan durchdacht war. Doch es gefiel mir, den selbstzufriedenen Grafen etwas auszutricksen. Ich mochte ihn nicht so aus tiefster Seele hassen, wie Isabel das tat, doch auch mir hatte sein heutiges Benehmen nicht gefallen. Und allein schon die Tatsache, bei Kabinettsmitgliedern zu übernachten, ließ mich frösteln. Das war wohl der Nachteile, über wirklich alles Bescheid zu wissen.

„Für den Fall habe ich bereits etwas vorbereitet, also mach dir keine Gedanken. Das Kabinett wird erst merken, dass wir verschwunden sind, wenn sie uns nicht mehr aufhalten können."

„Das klingt gut."

Wir teilten ein kurzes Lächeln, dann wandte Isabel sich plötzlich von mir ab und stiefelte durch den Raum.

„Hey, nehmt sofort diese Vorhänge ab. Ich habe gesagt ceruleanblau, nicht stahlblau. Wer trägt hierfür die Verantwortung?"

Kichernd wandte ich mich ab und winkte Andrej, der Isabels Streit mit blitzenden Augen beiwohnte. So sehr meine Freundin sich auch dagegen wehrte und sich von diesen Pflichten distanzierte, sie war und blieb eine Prinzessin, keine Kriegerin.

Ein Gedanke, der mir aufgrund der bevorstehenden Unternehmung überraschenderweise keine Angst machte. Eine Kriegerin an der Seite zu haben wäre sicherlich von Vorteil gewesen, doch Prinzessinnen wie Isabel hatten ein beinah angeborenes, ausgeprägtes Selbstbewusstsein und strahlten eine Zuversicht aus, die ungemein beruhigend war.

„Bring mich zu Schmitt", erklärte ich meinem Kutscher, als ich schließlich im überhitzten Hof des Schlosses in meiner stickigen Kutsche saß.

Am liebsten wäre ich heute mit dem Pferd hergekommen, um so vielleicht etwas Wind zu spüren, doch mein Schimmel, Avanti, benötigte neue Hufeisen. Und so hatte ich meinen Kutscher, der vollkommen überbezahlt war, so selten, wie ich seine Dienste beanspruchte, rufen und die Pferde anspannen lassen.

In Torn selbst war ebenso einiges los, mehr noch als an einem anderen Markttag, denn die letzten Vorbereitungen für die Sommerweihung mussten getroffen werden. Mein Haus war spärlich geschmückt, denn im Gegensatz zu vielen anderen würde ich kein eigenes Fest veranstalten. Meine Bediensteten, bis auf ein paar Ausnahmen, würden den Abend freihaben, während ich Isabel auf die Nerven gehen würde. Es war unser eigenes Ritual, seit wir uns kannte, dieses Fest gemeinsam in einer Ecke des Ballsaals zu verbringen, an meinem Wein zu nippend, und all die neugierigen, unverheirateten Adeligen von ihr abzulenken.

Nach einer besonders holprigen Stelle hielt der Kutscher an und die Tür wurde geöffnet. Er streckte mir sogar eine helfende Hand hin, die ich nur annahm, weil mich die Hitze des Tages zu erschlagen drohte. Normalerweise war Torn nicht einmal im Hochsommer so warm und selbst der Süden kannte mehr Winde. Beinah kam es mir wie ein Zeichen von bevorstehendem Wandel vor. Als wüsste die Natur von dem heraufziehenden Krieg und würde gespannt warten.

Diesen Gedanken schüttelte ich ab und betrat den Laden vor mir, der zwischen einem hohen Wohnhaus und einer Taverne stand. Es gab keine großen Fenster, um Gegenstände anzupreisen, denn jeder wusste, was Schmitt führte. Doch bevor ich mir die Schätze im Inneren ansah, schloss ich kurz die Augen und genoss die kühle Luft, die dank der kahlen Steinwände und dem geringen Lichteinfall bestand.

„Gräfin de Cerca, ich habe Euch bereits erwartet."

Schnell öffnete ich meine Augen wieder und lächelte den mürrischen Mann vor mir an. Er war kahl, mit einem langen Bart und einem offensichtlichen Bierbauch. Doch seine Kleidung war gepflegt wie auch der Laden.

„Dann habt Ihr, wonach ich gebeten habe?"

Er nickte, einen Daumen in den Gürtel geharkt.

„Sicher. Lasst es mich kurz hinten holen."

Und damit verschwand er überraschend geschwind hinter dem Tresen und durch eine Tür, die, wie ich wusste, mit mehreren Schlössern gesichert war. Kurz noch sah ich ihm hinterher, dann wandte ich mich den Vitrinen und Regalen zu, die blitzend und strahlend ihren Inhalt präsentierten.

Mit begeistertem Blick strich ich durch den Laden und blieb vor einer Vitrine stehen, die einen Satz Wurfsterne aus Gold präsentierte. Im Regal daneben befanden sich einige Stahlspitzen für Pfeile und daneben ein Dolch mit gläserner Schneide. Denn das war es, was Schmitt anbot: Unorthodoxe Waffen und Spezialanfertigungen. Dabei kümmerte es ihn nicht wie viele andere, wer sein Kunde war. So mancher würde ihn als eiskalten Geschäftsmann bezeichnen, doch ich wusste, dass der Mann nur seinem Traum nachgehen wollte.

Und ich konnte das für mich selbst nutzen, denn nur wenige Waffenhersteller verkauften an Frauen. Einer hatte mir nicht einmal ein kleines Klappmesser verkaufen wollen, denn ich hätte mich ja damit schneiden und verbluten können. Das ich nicht lachte. Am nächsten Tag hatte ich mit Isabel gesprochen, die dann erwirkt hatte, dass der Vertrag mit dem Königshaus terminiert wurde. Das letzte was ich von ihm gehört hatte, war, dass er auf einer Apfelplantage im Westen arbeitete.

„Hier haben wir es."

Ich drehte mich herum und eilte zum Tresen zurück, wo Schmitt einen länglichen Kasten abstellte, der beinah so lang war wie ich groß. Er war frisch poliert und die Scharniere waren aus Gold, doch das interessierte mich nicht. Von mir aus hätte der Kasten auch auseinanderfallen können, solange nur der Gegenstand im Inneren perfekt war. Mit neugierigen Fingern griff ich nach dem Kasten und zog ihn an mich heran. Dann, nach einem letzten Blick zu Schmitt, dessen mürrische Miene nun durch verräterisch glänzende Augen ergänzt wurde, stieß ich den Deckel auf.

Im Inneren, in dunklen Samt eingelegt, wartete die Schönheit, die nur Schmitt erreichen konnte. Ein Kampfstab, ein Bō, aus weißer Eiche erwartete mich. Auf den ersten Blick war er einfach, mit schmaleren Enden und vielleicht einem Durchmesser von 2,5 cm. Doch als ich ihn vorsichtig heraushob, erkannte ich die Stellen, an denen Schmitt dieses Meisterwerk bearbeitet hatte. An den unteren Enden befanden sich kleine Stacheln aus weißer Eiche, die die Wirkung dieses unglaublich gut ausbalancierten Stabs nur noch verbesserten. Zum Test ließ ich die Waffe ein paar Mal kreisen, darauf bedacht, nichts in dem Laden zu zerstören.

„Und, wie gefällt er Euch?"

Mit einem Lächeln fuhr ich über den unscheinbaren Stab.

„Wunderschön. Ihr habt ganze Arbeit geleistet. Ich schicke Euch den Rest Eurer Bezahlung noch an diesem Nachmittag."

Bedächtig legte ich den Stab zurück, dann schloss ich den Lasten und winkte meinen Kutscher heran, der nahe der Tür bereitstand. Mit Adleraugen beobachteten ich und Schmitt, wie er den Kasten hinaustrug. Ich war mir nicht sicher, wer ihn zuerst dafür töten würde, sollte dem Stab etwas passieren.

„Habt Ihr sonst noch etwas gefunden, meine Gräfin?"

Ich warf einen letzten sehnsüchtigen Blick durch den Laden, dann schüttelte ich den Kopf.

„Ihr wisst, dass ich am liebsten den gesamten Bestand kaufen würde. Vielleicht komme ich in den nächsten Tagen noch einmal vorbei."

Wir verabschiedeten uns und ich trat wieder hinaus auf die Straße. Dort kontrollierte ich noch einmal, ob mein Gepäckstück befestigt war, dann schlüpfte ich in die Kutsche. Es gab noch einiges zu klären, besonders, da ich das Kabinett aus meinen Angelegenheiten heraushalten musste. Wenn sie erfuhren, was Isabel plante, würde man uns sicherlich eine ganze Schar Wachen mitschicken oder mich in meiner Stadtvilla einsperren, um ihre Pläne nicht zu durchkreuzen.

So setzte ich mich, mit einer weiteren süßen Limonade und ein paar Keksen, an meinem Schreibtisch und verfasste den restlichen Nachmittag über Briefe, die Fallon schon in dieser Nacht wegbringen sollte. Es schmerzte mich, meinen Berater so lange gehen zu lassen, doch sonst traute ich niemandem, den Auftrag auszuführen.

Als ich ihm schließlich die versiegelten Briefe überreichte, war die Sonne bereits untergegangen und die Luft war endlich erträglich. Außerdem knurrte mein Magen, sodass ich mich auf den Weg in die Küche begab, wo mein Koch, August, bereits die Speisen für den nächsten Tag vorbereitete. Als er mich sah, verbeugte er sich. Ich winkte bloß ab und ließ mich auf einen der Stühle sinken, die an dem Arbeitstisch standen.

„Was kann ich Euch zubereiten?"

Ich zuckte mit den Achseln und schlug das Buch auf, welches schon seit einer Weile auf einem meiner Regale verstaubte.

„Überrasch mich."

Nach einer weiteren Verbeugung ging er schweigend ans Werk und ich widmete mich meiner Lektüre. Obwohl, es war weniger eine Lektüre als ein altes Tagebuch, welches ich bereits vor vielen Jahren weggelegt hatte. Nur ab und zu noch schrieb ich etwas in ein Tagebuch, ein anderes, besser gesichertes. Denn ich konnte mir bei vielen Dingen nicht leisten, Beweise zu haben. Das Leben als politisch engagierte Frau war alles andere als einfach und ich war es gewohnt, nicht immer legale Wege zu gehen, um meine Ziele zu erreichen. Wahrscheinlich würde all das mich irgendwann noch an den Galgen bringen, doch momentan war ich glücklich damit, mein neuntes Lebensjahr ein weiteres Mal zu durchleben.

Es war verblüffend, wie ich damals gedacht hatte. Schon mit neun hatte ich an meinen Beziehungen gearbeitet. Meine Eltern hatten mich immer gedrängt, unserem Haus Ehre zu bereiten, auch wenn ich meinen gebürtigen Namen, Donquilant, mittlerweile abgelegt hatte. Mein kleiner Bruder, Corn, kümmerte sich mittlerweile um den Großteil der Anlagen unserer Eltern im Südosten Ensomiyas. Gerne hätte ich die Sommerweihung mit ihm oder meiner großen Schwester verbracht, doch beide hatten andere Pflichten. Meine Schwester zum Beispiel war eine vorbildliche Frau und Mutter und mein Bruder hatte, wie ich, immer irgendetwas geschäftliches zu klären.

Früher hatten wir uns sehr nahegestanden, denn wir waren die einzigen Kinder auf den meisten Festen meiner Eltern gewesen. Sie hatten nur dann Zeit für uns gehabt, wenn es etwas politisches zu unterrichten gab, sodass wir uns eigene Wege ausgedacht hatten, um Zeit herumzuschlagen.

Einmal hatten Corn und ich uns zum Beispiel in den Kopf gesetzt, einen der Welpen meiner Eltern zu dressieren. Dabei hatten wir aber übersehen, dass der Welpe einer Rasse angehörte, die zum Kampf und nicht zum Kuscheln gezüchtet wurden. Man konnte noch heute die Bisswunde an dem Arm meines Bruders erkennen.

Ein anderes Mal hatten wir uns unter den Tisch bei einem Essen unserer Eltern mit Freunden geschummelt und Schuhe geöffnet, Stiefel neu verknotet oder an den Rocksäumen der Damen gezogen. Wie wir nicht entdeckt worden waren, war mir bis heute ein Rätsel, denn sonderlich leise waren wir nicht gewesen.

Ein drittes Mal hatten wir mit Crestin, meiner Schwester, zusammengearbeitet. Damals hatte eine Lady versucht, uns den Tanz näher zu bringen. Sie war nie sonderlich nett gewesen und ihr Parfüm hatte mir Kopfschmerzen bereitet. Wir hatten uns angestellt wie neugeborene Welpen, waren herumgetapst, gestolpert und einander auf die Füße getreten. Die Lady hatte irgendwann nach unseren Eltern rufen lassen, um ihnen unsere Unfähigkeit vorzuführen.

Doch als mein Vater und meine Mutter schließlich eingetroffen waren, hatten wir den Tanz beherrscht. Denn Crestin hatte ihn uns schon Wochen vorher auf einem Fest zu ehren des Hochzeitstages unserer Eltern beigebracht. Es musste wohl nicht mehr hervorgehoben werden, dass die Lady noch am selben Tag von meiner Mutter entlassen worden war.

Seufzend schlug ich das Tagebuch wieder zu und nahm den Löffel auf, um etwas von der Suppe zu kosten, die August schon für den nächsten Tag vorbereitet hatte. Wie zu erwarten war sie köstlich und ich konnte mit vollem Magen ins Bett gehen, um von all meinen kleinen, kindischen Abenteuern zu träumen.

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So, ein kleiner Einblick in das Privatleben unserer Gräfin. 

Over and Out,
DasLebenLesen 

24/08/2020

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