Cara

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„Meine Gräfin?"

Mit gerunzelter Stirn blickte ich von dem Dokument auf, über dem ich die letzten Minuten verbracht hatte. Aus sicherer Quelle hatte ich erfahren, dass Dante, der Sohn meines verstorbenen Ex-Gatten, in den letzten Wochen einige Gutshöfe im Süden aufzukaufen versucht hatte. Bisher waren seine Bemühungen von mäßigem Erfolg gewesen, doch wer wusste schon, wann einer dieser Landtölpel nachgeben würde? Wenn das so weiter ging würde ich noch in den Süden gehen müssen, wo ich sicherlich zu einer Pfütze aus lauwarmer Zitronenlimonade zerlaufen würde.

„Die Prinzessin wünscht, Euch zu sprechen."

„Lasst sie eintreten", erklärte ich und legte das Dokument auf einen der Stapel zu meiner rechten. Für Isabel würde ich wohl ein paar Minuten Pause einlegen können.

„Cara, wie schön, dich zu sehen."

Mit einem Lächeln erhob ich mich, um meine beste Freundin zu umarmen. Dabei versuchte ich, mich nicht daran zu stören, dass ich kaum über ihre Schulter blicken konnte. Wir lösten uns voneinander und ich kehrte auf meinen Stuhl mit der hohen Lehne aus Holz und Leder sowie der gepolsterten Sitzfläche, die meine Form immer mehr annahm, zurück.

Isabel ließ sich mit der Grazie eines Elefanten auf einen der Sessel vor meinem Schreibtisch plumpsen und beäugte die Papiere auf meiner Schreibfläche, wobei der Blick aus den meerblauen Augen unverhohlen gelangweilt war. Isabel hatte noch nie wirklich einen Kopf für die Bürokratie gehabt. Für sie zählte das Abenteuer, doch wie sie es finanzierte oder plante überließ sie immer anderen. Der Luxus einer Prinzessin.

„Ich habe dir etwas mitgebracht."

Mit leuchtenden Augen nahm ich das fest verschlossene Glas entgegen, das sie aus einer Tasche hervorzog, und betrachtete den Inhalt begeistert. Die kleinen rosafarbenen Kugeln im Inneren waren, wie ich wusste, mit Creme so zart wie der eleganteste Sommerstoff gefühlt. Ihr Name lautete Himmelskugeln. Mein absoluter Liebling unter den zuckrigen Köstlichkeiten.

Doch ich zwang mich, das Glas abzustellen. Ich hatte vor nicht einmal einer Stunde Mittag gegessen und die Törtchen, die meine Konditorin zum Nachttisch gebacken hatte, lagen mir überraschend schwer im Magen. Aber die Füllung, Erdbeermousse, war auch zu verlockend gewesen, um nur ein oder zwei davon zu naschen.

Zudem stellte ich mir die Frage, weshalb genau Isabel mir ausgerechnet jetzt Himmelskugeln mitbrachte. Zur Sommerzeit waren sie rar und sie liebte sie Süßigkeiten beinah so sehr wie ich. Warum also opferte sie ihre vielleicht letzten Kugeln? Wir würden füreinander sterben, wie es gute Freundinnen taten, doch Süßes war uns heiliger als so etwas bizarres wie eine Freundschaft.

Mit verengten Augen sah ich sie an. Isabel wollte etwas. Bei genauerer Betrachtung wurde dies nur deutlicher durch das enorme Leuchten ihrer Augen und die vorgebeugte Körperhaltung.

„Was willst du von mir?"

Isabel warf ihre langen Strähnen nach hinten und zuckte mit den Schultern.

„Brauche ich denn einen Grund, um meine beste Freundin, die nebenbei bemerkt auch noch eine grandiose Geschäftsfrau ist, zu besuchen?"

„Wenn du Himmelskugeln bringst, dann ist die Situation ernst. Hast du vielleicht schon wieder eine Lady beleidigt? Du weißt, dass du mich nur bestechen musst, wenn es um die alte Hexe von einer Fürstin aus Langzloh geht."

Isabel seufzte, dann schüttelte sie sich.

„Die Frau ist gruselig. Wie kann sie sich nur immer wieder so junge Kerle angeln? Aber nein, deshalb bin ich nicht hier. Ich habe tolle Neuigkeiten, die ich dir gerne unterbreiten würde."

„Du meinst die Mission?", harkte ich nach und lehnte mich zufrieden zurück, als Isabel mich mit offenem Mund anstarrte.

„Woher weißt du solche Sachen nur immer?"

Ich schenkte ihr ein schiefes Grinsen.

„Ich habe meine Ohren und Augen überall, meine Kleine. Aber wo ist der Zusammenhang mit der Bestechung?"

Isabel lehnte sich so weit vor, dass ich schon befürchtete, sie würde aus dem Sessel direkt auf meinen Teppich fallen.

„Also gut, ich darf auf die Mission. Und ich darf meine Weggefährten selbst wählen. Ich komme deswegen mit dem Anliegen zu dir, dass du mich begleitest. Ich kann eine kluge Frau wie dich gut gebrauchen. Und du bist auch immer so beliebt, wir würden sicherlich weniger Probleme haben. Und..."

„Ich mache es."

Isabel hielt in ihrer Rede inne und sah mich aus ungläubigen Augen an.

„Wirklich?"

Ich nickte bloß und ließ mich dann in eine weitere Umarmung ziehen, die meine Hüfte unangenehm mit der Stuhllehne in Kontakt brachte. Was machte Drysden mit dem Mädchen? Gab er ihr Ziegelsteine zu essen, oder weshalb war sie so stark?

„Ich dachte nicht, dass du so einfach ja sagen würdest. Ich meine, du hast in letzter Zeit so viel zu tun."

Ich winkte ab, dann griff ich nach der kleinen Glocke an meinem Schreibtisch. Keine Sekunde später öffnete sich die Tür zum Arbeitszimmer und eine junge Frau mit braunem Dutt, gekleidet in ein einfaches blaues Gewand, die Farbe der de Cerca's, trat ein.

„Bring uns etwas von der Erdbeerlimonade, Klaudia. Und ein paar der Törtchen für Isabel."

Klaudia verneigte sich und glitt beinah geräuschlos aus dem Raum heraus. Zufrieden, dass ich meinen Gast angemessen versorgen würde, fasste ich nach Isabels Ellenbogen und zog sie auf den Balkon meiner Villa, dessen Türen offenstanden, um so ein wenig der heutigen Brise einzulassen. Von dem kleinen Balkon aus konnte man einen großen Teil der prächtigen Gärten der Reichen und Schönen überblicken, sogar den des Palastes.

Mit der warmen Mittagssonne im Gesicht ließ ich mich auf einen der Metallstühle gleiten und bedeutete Isabel, dasselbe zu tun. Sie atmete tief durch und drehte ebenfalls ihr Gesicht der Sonne zu. Für ein paar Minuten genossen wir stillschweigend die Wärme, die geradezu kühl war im Vergleich der letzten Tage, doch als unsere eiskalten Getränke ankamen, gewann meine Neugier.

„Also gut, erzähl mir mehr. Ich weiß bisher nur, dass du nach den Fae suchen sollst. Wer kommt mit, wann geht es los, wo reisen wir entlang?"

Isabel ließ sich Zeit und trank einen großen Schluck der süßen Limonade.

„Ich muss Fürst Sarkasmus mitnehmen. Was ich davon halte, weißt du ja."

Ich nickte, auch wenn ich ihre Abneigung Yan gegenüber nicht eindeutig verstand. Ja, er war manchmal sehr sarkastisch, zu gemein und übermäßig ehrlich, doch das war ganz erfrischend. Vielleicht lag mein Urteil auch daran, dass ich bisher nur zweimal mit ihm gesprochen hatte und wir zu beiden Gegebenheiten ähnliche Meinungen gehabt hatten.

„Dann kommt Andrej mit, ich denke, das ist offensichtlich. Und Drysden. Er sagt zwar, er überlegt es sich, aber ich bin mir sicher, dass er kommen wird."

Ich konnte mir ein Grinsen kaum verkneifen, auch wenn ich regelmäßig den Kopf über diese kleine Schwärmerei meiner Freundin schüttelte. Es war offensichtlich, was sie über den jungen Mann dachte, was ich ihr auch nicht verübeln konnte. Drysden war ein ganz feines Exemplar von einem Mann, wenn auch etwas zu ernst für meinen Geschmack.

„Wir treffen uns übermorgen in der Bibliothek, da werden wir dann weiteres besprechen. Ich denke aber, dass wir recht schnell nach der Sommerweihung aufbrechen. Das, was ich aufgeschnappt habe, klingt verdächtig nach einem baldigen Kriegsausbruch."

Ich nickte, dann ließ ich meinen Blick über die Dächer der Hauptstadt gleiten. Krieg. Nichts in Torn wies darauf hin, doch hinter den Kulissen bereiteten sich König, Kabinett und Militär seit über einem Jahr darauf vor, König Zechus und seine Armee zu schlagen. Erst wenn man in die Außenbezirke und Dörfer reiste, bemerkte man es. Die Straßen waren noch unebener, die Leute etwas dünner und die Pubs rarer.

„Glaubst du an sie?"

Ich richtete meinen Blick auf Isabel, die wie ich die Stadt überblickte. Doch sie schien weit weg zu sein, ein Bein auf den Stuhl gezogen und das Kinn auf das Knie gelegt.

„Es gibt so wenig über die Fae. Und dennoch werden sie immer im Zusammenhang mit dem Ersten Großen Krieg genannt. Das kann doch kein Zufall sein, oder?"

Nachdenklich nahm ich mir eines der Törtchen von Isabels Teller. Die Dinger waren einfach zu unwiderstehlich!

„Es gibt viele Geschichten. Die des einäugigen Zwerges, der für die Könige der alten Zeit ganze Pferdeherden zähmte. Die Mönchskrieger des scharlachroten Berges, deren einziges Anliegen der Frieden des Berges ist. Oder die Prinzessin, die noch immer in ihrem Palast in Cidus auf ihren Gefährten, den Seedrachen, wartet.

Es liegt in unserem Ermessen, ob wir daran glauben. Aber", ich hob mahnend die Hand, als Isabel mit gerunzelter Stirn den Mund öffnete, „ich denke, dass wir besonders die Geschichten über die Fae nicht einfach als Märchen abschreiben sollten. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht die einzigen Bewohner der Welt sind. Bestimmt wartet da draußen etwas auf uns. Aber ob es uralte Wesen sind, die friedlich auf der anderen Seite der See warten? Wer weiß."

Die Prinzessin nickte, den Blick noch immer in die Ferne gerichtet. Typisch. Isabel war eine Träumerin, Abenteurerin. Vielleicht sollte ich mir sorgen machen, denn sie war genauso sehr eine Prinzessin. Doch das tat ich nicht, dafür kannte ich sie zu gut. Isabel war einfach zu entschlossen, um sich aufhalten zu lassen. Ich war mir ziemlich sicher, dass dieses ganze Unterfangen mir noch eine Menge Ärger einhandeln würde.

„Meine Prinzessin?"

Gleichzeitig wandten wir uns um, und ich blinzelte, um die massige Gestalt zu erkennen, die den Rahmen meiner Balkontür ausfüllte.

„Andrej", stellte ich erfreut fest und schenkte ihm mein breitestes Lächeln.

Er erwiderte es und verbeugte sich, immer der Gentleman.

„Gräfin Cara, es ist mir eine Freude."

Dann richtete er sich auf und sah zu Isabel, die noch immer etwas verträumt wirkte.

„Ich sollte Euch daran erinnern, dass Drysden die Familiengeschichte der Vateranis am Abend gegen einen Besuch der Kräutergärten am Nachmittag eingetauscht hat. Um pünktlich zu sein, müssen wir jetzt leider los."

Seufzend erhob Issi sich und schenkte mir ein trauriges Lächeln. Ich erwiderte es, denn ich fand in den letzten Tagen kaum Zeit für sie, und wir umarmten uns ein weiteres Mal.

„Was steht auf dem Grabe eines Betrügers?", wollte Andrej da wissen.

Isabel runzelte die Stirn, doch ich fing den Blick des Leibwächters auf. Das war einfach. Andrej zwinkerte mir zu, er wusste, dass ich die Antwort nicht verraten würde. Denn es ging nicht darum, den Witz zu vollenden. Issi sollte an etwas anderes als diese Mission oder die Fae denken.

„Wie lautet die Antwort?"

Andrej schüttelte lächelnd den Kopf und wandte sich der Tür zu.

„Das verrate ich dir nicht."

„Warum nicht?", fragte Isabel, während sie ihm durch meine Räumlichkeiten folgte.

Mit einem Lächeln sah ich den beiden hinterher, dann erhob ich mich mit einem Seufzen von meinem Schreibtisch. Es gab noch einiges, um das ich mich kümmern musste.

Als erstes läutete ich die Glocke, um nach Fallon, meinem Berater, rufen zu lassen. Dann zog ich ein noch unbeschriebenes Stück Pergament aus einem der Stapel und griff nach dem frisch befüllten Füllfederhalter, ein neumodisches und ungemein praktisches Gerät. Theoretisch könnte ich auch jemanden bezahlen, um für mich zu schreiben, doch diese Fertigkeit beruhigte mich ungemein.

Besorgungen und Aufgaben während der Abwesenheit der Gräfin de Cerca:

1. Ein Angebot an das Kabinett. Die Gutsbesitzer im Süden müssen unabhängig bleiben.

2. Vorbereitungen für die Weinsaison müssen getroffen werden.

3. Absagen der Heiratsangebote aufgrund der Abwesenheit der Gräfin sowie der Trauerbewältigung der Witwe und des Erhalts ihres Erbes.

4. Weitere Überprüfung der Finanzen Dante und Derek de Cerca's. Bei Auffälligkeiten sollen die besprochenen Maßnahmen eingeleitet werden.

5. Ein außerplanmäßiges Inventar des Stadthauses.

6. Entsorgung der Möbel des Ballsaales.

„Ihr habt nach mir schicken lassen?"

Ohne von dem Schriftstück aufzublicken nickte ich. Dann rollte ich es zusammen und erwärmte das Wachs, den ich dann darauf träufelte, um dann vorsichtig mein Wappen anzubringen.

„Ich habe eine Liste der Aufgaben angefertigt, die während meiner baldigen Abwesenheit dringlichst erledigt werden sollen."

Fallon nahm das Pergament mit einer Verbeugung entgegen und ließ es in einer seiner unendlichen Taschen verschwinden.

„Noch gehe ich nicht, aber sobald das der Fall ist, übernehmt Ihr bitte die Führung. Erst dann dürft Ihr auch das Schriftstück öffnen. Es ist mit größter Diskretion zu behandeln. Verstanden?"

„Natürlich, meine Gräfin."

Fallon war ein vollendeter Schatten. Er glitt umher, besorgte mir Informationen, führte all die kleinen Aufgaben aus, die ich nicht zu erledigen vermochte und war immer verlässlich. Als ich ihn kennengelernt hatte, hatte er gerade versucht, die Jugendliche Version Dantes, jünger doch keinesfalls netter, von der Kollektion feiner Weine seines Vaters fernzuhalten.

Zu der Zeit war er nicht viel mehr als ein Spion meines Ehemannes gewesen, doch ich hatte schnell das Potential des dünnen Mannes erkannt, der in jeder Menge unterzugehen schien. Mittlerweile war er der einzige Mann, in den ich mein volles Vertrauen setzte und der einzige Mensch, dem ich mein Weinimperium anvertrauen würde.

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Und noch ein Kapitel, wieder von meinem Laptop aus. Wattpad hat sich schön zeitgelassen, muss ich schon sagen. Jedenfalls, ich hoffe, dass euch die Gräfin genauso gut gefällt wie mir.

Over and Out,
DasLebenLesen

PS: Freut sich noch jemand auf die zweite Staffel "The Umbrella Academy"?

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