Cara [7]

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„Setzt euch doch", forderte Isabel Andrej und Drysden auf, die noch immer wie festgefroren am Rande der Lichtung verharrten.

Ein paar Sekunden lang geschah nichts, dann jedoch setzte Drysden sich in Bewegung, Andrej dicht hinter ihm. Sie gingen langsam, beinah bedächtig, und ließen sich dann uns gegenüber neben Emerald auf den Boden sinken. Drysden wandte dabei kein einziges Mal den Blick von den drei Personen ab, die ruhig warteten, beinah wie edle Statuen.

Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn mir war es zu Beginn schwergefallen, den Blick abzuwenden. Als sie die Lichtung mit eleganten, federleichten Schritten betreten hatten, hatte ich für ein paar Sekunden gedacht, sie würden schweben. In dem Moment hätten sie wahrscheinlich ein Messer ziehen können, und ich hätte nicht reagiert.

Doch nicht nur die Art, wie sie sich bewegten, hatte mich in ihren Bann gezogen. Auch die Kleidung, die sie trugen, hatte mich fasziniert und tat es noch immer, denn zu dem Zeitpunkt hatten sie ihre Gesichter noch hinter dünnen Kapuzen verborgen und mir einen besseren Blick auf die feinen Züge verwehrt. Die Hosen aus einem weichen Material schienen sich ihren Bewegungen anzupassen, während die Hemden, die sie trugen, an den schlanken Oberkörpern eng saßen und an den Armen weit fielen, die langen Ärmel nur durch elegant verzierte Manschetten am Handgelenk gestoppt.

Nach den ersten Sekunden hatte ich mich von meiner Entgeisterung erholt. Geduldig hatten sie stillgestanden, bis wir uns gesammelt hatten, denn selbst der Pirat hatte seinen Blick nicht von den Gestalten abwenden können. Dabei war ich mir fast sicher gewesen, dass das nicht sein erstes Treffen mit diesen Leuten gewesen war. Eine Vermutung, die sich schnell bestätigt hatte.

„Emerald, wie ich sehe, hast du Gäste mitgebracht", hatte eine der Personen schließlich von sich gegeben.

Emerald hatte sich ein wenig geschüttelt und dann mit missmutiger Stimme geantwortet: „Gäste ist vielleicht etwas übertrieben. Sie suchen nach euch."

„Nach uns suchen? Weshalb?"

Ich hatte das Gesicht des Mannes - zumindest vermutete ich, dass es sich um einen Mann handelte - nicht sehen können, doch sein Tonfall verriet nichts als eine überwältigende Heiterkeit.

„Und wer sind die Gäste, die nach uns suchen?"

Mit einem kleinen Räuspern hatte Issi uns vorgestellt. Dann, als sie geendet hatte, waren die drei Gestalten synchron in eine Verbeugung gesunken. Der Mann hatte sich als Tanyth vorgestellt, dann auf seine Begleiter gedeutet, zuerst nach links, dann rechts. Die zweite Person, Elen, trug einen hellgrünen Mantel, ganz anders als der dritte Begleiter, Katar, dessen Mantel von einem dunklen Braun war. Auch Tanyth trug braun, jedoch weitaus heller.

„Nun erklärt, was bringt euch auf unsere bescheidene Insel?"

Mit konzentriertem Ohr hatten die drei Personen gelauscht, wenn ich die schiefgelegten Köpfe richtig deutete, während Issi einen kurzen Überblick über unser Anliegen geschaffen hatte. Dabei versuchte sie, sich wage zu halten, die Dringlichkeit der Angelegenheit wieder zu geben, ohne zu viel über die Sorge, einen Krieg nicht ohne Hilfe gewinnen zu können, preiszugeben.

Nachdem sie geendet hatte, hatten die drei Personen sich in den Wald zurückgezogen. Zuerst hatte ich versucht, ruhig zu bleiben und mich zu gedulden, doch schließlich hatte ich etwas tun müssen. Mit Yan und Issis Hilfe hatte ich ein Feuer eingerichtet, da es schnell in den tiefen Schatten des Waldes abkühlte, dann hatten wir Baumstämme besorgt, um etwas bequemer zu sitzen. Zu unserem Glück hatte es, nicht weit von der Lichtung entfernt, einige umgekippte Bäume gegeben, die noch recht jung gewesen waren, sonst wäre das Unterfangen wohl gescheitert.

Zu meiner Überraschung hatte auch der Pirat angepackt, statt sich aus dem Staub zu machen und zu seiner Mannschaft zurückzukehren. Nur ab und zu hatte er einen Blick in die Richtung geworfen, aus der wir kamen, oder er hatte Issi einen düsteren Blick zugeworfen.

Als wir schließlich ein ordentliches Lager errichten hatten, waren Tanyth, Elen und Katar zurückgekehrt. Schweigend hatten sie es sich auf einem der Baumstämme bequem gemacht, dann, nach ein paar Sekunden des bedeutungsschwangeren Schweigens, hatten sie, synchron wie eine Person, die Kapuzen abgestreift.

Mein überraschtes Einatmen war von dem leisen Zischen, das Yan neben mir ausstieß, beinah übertönt worden, während er mit seiner Schulter gegen mich stieß. Der Kontakt tat überraschend weh, was vermutlich daran lag, dass die Schultern des Fürsten außerordentlich knochig waren, doch ich nahm es ihm nicht übel, denn es half, etwas anderes als Erstaunen und vielleicht sogar das winzigste bisschen Ehrfurcht zu fühlen.

Ich hielt mich normalerweise für einen Menschen, der eine Person nicht nach ihrem Äußeren beurteilte, dennoch kam ich in diesem Moment nicht umhin, die Schönheit der drei zu bewundern. Sie alle hatten feine Gesichtszüge, vielleicht sogar ein wenig puppenartig, mit großen, dunklen Augen, schmalen Augenbrauen und den geradesten Nasen, die ich je gesehen hatte. Komplimentiert wurde das Ganze von dem sanften Schwung der Lippen und der hohen Stirn, die alle drei aufwiesen.

Für ein paar Sekunden war ich mir sicher gewesen, dass die drei identisch aussahen. Doch Tanyth hatte ein weitaus breiteres Kinn, während Elens Augen tiefer lagen und Katar einen breiteren Mund aufwies. Als sie sich uns weiter zugewandt hatten, hatte ich ein weiteres Mal die Luft angehalten. Die Ohren, die hinter sanften Strähnen herausragten, waren spitz gewesen wie Pfeile, während kleine Steine und Gold daran funkelte.

„Wir sind zu einem Entschluss gekommen."

Das war das erste Mal gewesen, dass Katar gesprochen hatte. Seine Stimme war dunkler, als ich erwartet hatte, ein wenig wie die eines Balladensängers, der von Herzschmerz und der Liebe sang. Gespannt wartete ich darauf, mehr von seiner Stimme zu hören, während ich mich zugleich fragte, wie sie wohl entschieden hatten.

„Wenn ihr seid, wer ihr seid, Isabel, Cara und Yan, dann habt ihr das Recht auf eine Anhörung. Als Väktare haben wir nicht das Recht, euch eine solche zu gewähren, jedoch die Möglichkeit, euch sicher zu geleiten."

Väktare? Ich hatte einen schnellen Blick mit Issi getauscht, die jedoch wie ich ahnungslos schien. So leicht, dass man es hätte übersehen können, hatte sie den Kopf geschüttelt. Dann hatte sie sich den drei Fae, denn ich war mir sicher, dass es Fae waren, zugewandt und genickt.

Und dann waren auch schon Drysden und Andrej aus dem Wald getreten und wie versteinert stehen geblieben.

„Seid gegrüßt", murmelte Tanyth nun mit einem leichten Neigen des Kopfes. Dabei ließ er den Blick immer wieder zwischen den beiden hin und her huschen, als wäre er sich nicht sicher, welchen der beiden er gerne genauer mustern wollte.

Schließlich blieb sein Blick an Andrej hängen. Mit etwas, was wohl an Faszination stieß, betrachtete er ihn. Verwirrt, was es wohl an ihm zu betrachten gab, ließ ich meinen Blick zwischen dem Fae und dem Leibwächter wandern. Beschämenderweise dauerte es ein paar Sekunden, bis mir der Grund auffiel. Tanyths Kinn war frei von Bartstoppeln, wohingegen Andrejs Bart, in kleinen Zöpfen geordnet, beinah seinen gesamten Hals verdeckte.

Der Anblick schien alle drei Fae für eine kleine Weile zu hypnotisieren, auch wenn ich mir sicher war, dass sie schon der Piratencrew begegnet waren, deren Mitglieder zu Teilen eindrucksvolle Bärte mit sich trugen.

Schließlich jedoch rissen sie sich aus ihrer Betrachtung. Elen warf einen Blick gen Himmel. Ich war mir nicht sicher, was sie sah, denn ich erblickte nur das dichte Blätterdach, obwohl wir und auf einer Lichtung befunden. Der Gedanke, dass die Bäume so groß waren, war beängstigender als ich erwartet hatte, doch die Fae schien es nicht zu stören. Was auch immer Elen gesehen hatte, es schien sie zufriedenzustellen, denn mit einem kleinen Nicken zu ihren Kameraden erhob sie sich.

„Folgt uns. Vor Einbruch der Nacht sollten wir noch die Havssangare erreichen. Dort können wir uns ausruhen und morgen den Weg fortsetzen."

Zögerlich erhob ich mich, nicht sicher, ob wir den Fae wirklich folgen sollten. Auch Yan neben mir zögerte einige Sekunden. Issi jedoch erhob sich selbstbewusst und trat dann einige Schritte auf die Fae zu, bis sie bemerkte, dass niemand ihr folgte. Ungeduldig drehte sie sich herum und nickte in Richtung der drei, sich entfernenden, Personen.

„Jetzt kommt schon, ich habe keine Lust, mich zu verirren."

Mit diesen Worten lief sie ein weiteres Mal los, einen leise vor sich hin brummenden Andrej dicht auf den Fersen. Drysden schien, wie Yan und ich, zu zögern, doch dann setzte auch er sich in Bewegung. Mit einem kleinen Seufzen stieß ich den Fürsten an, dann folgten wir den anderen.

Als ich ein leises Rascheln hinter mir vernahm, drehte ich mich halb herum, betend, dass ich nicht über einen Stein oder eine Wurzel auf dem Waldboden stolperte, und warf dem Piratenkapitän einen verwunderten Blick zu. Der jedoch zuckte nur mit den Schultern und schloss auf, bis er dicht hinter Yan lief. Dann warf er einen Blick zu den anderen, die in einer zweiten Gruppe den Fae folgten.

„Warum verschwindet Ihr nicht? Zuvor schien Euer Interesse an einer Begegnung mit den Fae nicht gerade hoch zu sein."

Die Worte waren leiser, als ich sie beabsichtigt hatte, beinah wie Flüstern. Weshalb war mir nicht bewusst, doch ich war mir sicher, dass die Erleichterung, die mich durchflutete als ich merkte, dass niemand außer Emerald und Yan mich gehört hatte, keine Einbildung war.

„Kein Grund zur Förmlichkeit", murmelte der Pirat mit einem kleinen Grinsen, dann warf er einen verstohlenen Blick nach vorne.

„Ich lasse mir sicher nicht die Chance entgehen, dass Lager der Havssangare zu besuchen. Außerdem habe ich sowieso noch ein paar Sachen zu klären. Und da ich bisher noch kein Messer in der Seite habe, gehe ich davon aus, dass mir niemand diesen kleinen Verrat übelnimmt."

Ich nickte, zufrieden mit der Antwort. Doch Yan schien es nicht so zu gehen, denn er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und warf dem Piratenkapitän einen misstrauischen Blick zu.

„Was ist so besonders an diesen Hafsonjere?"

Emerald verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. Ich konnte es verstehen, denn auch wenn ich dieses seltsame Wort nur zweimal gehört hatte, war ich mir sicher, dass es nicht so ausgesprochen wurde.

„Sag das bitte nie wieder."

Yan verdrehte die Augen, behielt den Blick aber erwartungsvoll auf dem Piraten, bis er schließlich nach einem weiteren Blick nach vorne, antwortete.

„Ich weiß nicht genau, wie viele es gibt, aber es existieren verschiedene Clans hier in der Umgebung. Die Havssangare sind ein Grenzvolk. Sie leben hier im Wald, an einem See, der so groß ist, dass man das andere Ufer kaum noch erkennen kann. Sie sind die einzigen, die übersetzen können. Glaubt mir, ich habe es schon versucht."

Bei der Erinnerung verzog er das Gesicht.

„Ohne ihre Hilfe kommt man nicht ans andere Ufer und den See zu umgehen kann dich mehrere Tage kosten. Ihr solltet also glücklich sein, dass euch Väktare und nicht, sagen wir, Löpare, gefunden haben. Die hätten euch nämlich eher einen Kopf kürzer gemacht, als zuzuhören."

Ich war mir sicher, dass mein Gesicht meine Verwirrung widerspiegelte, doch Emerald schien genug gesagt zu haben und ließ sich zurückfallen, bis er einige Schritte hinter Yan und mir lief. Gedankenverloren lockerte ich den Griff um meinen Stab, den ich unbewusst verkrampft hatte. Vermutlich wäre das ein guter Moment gewesen, um zu den anderen aufzuschließen, doch ich konnte mich beim besten Willen nicht dazu aufraffen, schneller zu gehen. So schien es auch Yan zu gehen, der immer wieder kleine Steine aus dem Weg kickte.

Dieser Moment war, wie ich schließlich erkannte, der friedlichste Moment der letzten Wochen. Das matte Zwielicht, das den Weg beleuchtete, vermittelte den Eindruck einer unwirklichen Welt, die zwischen Licht und Schatten existierte. Es war still, aber nicht auf eine Weise, die Unheil ankündigte, sondern beruhigend wirkte. Das leise Knirschen unserer Schritte, das Klacken der Steine, wenn sie gegeneinanderstießen und die entfernten Stimmen von Andrej, Drysden und Isabel, all das verwandelte den Moment in etwas zeitloses.

Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen und das alles in Ruhe in mich aufgenommen, doch stattdessen festigte ich den Umhang um meinen Schultern und den Griff um meinen Kampfstab. Ausruhen kannst du dich, wenn du tot bist, wie meine Eltern gerne gesagt hatten.

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Upsi.

Zu  meiner Verteidigung lässt sich wohl sagen, dass ich zwei anstrengende Monate hinter mir habe. Der Abistress, Renovierungen und ein kleiner Urlaub. Aber jetzt, wo ich meinen Schreibtisch wieder benutzen kann, sollte wohl wieder regelmäßiger etwas kommen.

Over and Out,
DasLebenLesen

28/06/2021

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