Andrej [III]
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Die Stimmung während des reichlichen Mahls, welches Fürstin Sureda uns servierte, war alles andere als gut. Über den dunklen Tisch hinweg, der beinah vor Speisen überquoll, funkelten die Prinzessin und die Fürstin einander an, wann immer sie dachten, die andere würde gerade nicht hinsehen. Und wenn sie einander ansahen, dann trugen beide so falsche Lächeln, dass mir fast schlecht wurde.
Yan beobachtete die Situation belustigt, in seinem Stuhl zurückgelehnt und an einem Glas Wein nippend. Cara versuchte währenddessen die Situation zu entschärfen. Doch ihre Einwürfe wurden entweder ignoriert oder für eine unterschwellige Beleidigung genutzt. Ich musste zugeben, dass mir die direkte Konfrontation, wie sie bei Pub Prügeleien oder sogar Überfällen üblich war, tausend Mal lieber war.
Doch wer war ich, mich zu beschweren? Ich saß weit genug von den beiden weg, um nicht in den Streit hineingezogen zu werden und konnte in Ruhe mein Hühnchen essen. Oder zumindest hatte ich das getan, bis ein sehr obszöner Kommentar zu eben diesem mir jeglichen Appetit geraubt hatte. Mir war bis zu diesem Augenblick nicht bewusst gewesen, dass Adelige solche Redewendungen überhaupt kannten.
Der einzige, der unter diesem Essen mehr litt als ich, war Drysden. Denn er wurde immer wieder mit Kommentaren in das Gespräch gezerrt oder die Fürstin flirtete mit ihm, während er sich auf seinem Stuhl wandte. Er tat mir leid, doch ich musste zugeben, dass es ein komischer Anblick gewesen war, als er sich bei einer ihrer Aussagen an seinem Wasser verschluckt hatte. Die rote Farbe war ihm seitdem nicht aus dem Gesicht gewichen. Ein ungewohnter Anblick.
Erleichtert atmete ich auf, als das Dessert serviert wurde. Vielleicht etwas zu schnell schlang ich die süße Creme mit Beeren herunter. Zum einen wollte ich diesen Tisch endlich verlassen, zum anderen schien Fürst van Statten bereit dazu, jeden Moment zu gehen. In dem Anwesen eines anderen Kabinettmitglieds konnte ich ihn unmöglich allein herumlaufen lassen, wer wusste schon, was sie alles aushecken würden.
Als er sich schließlich erhob, verstummten beide Frauen für einen kurzen Augenblick und richteten ihre kühlen Blicke auf ihn. Anscheinend waren sie sich in einer Sache einig.
„Vielen Dank für dieses vorzügliche Essen, Freya. Es ist noch früh, doch ich bin müde von der Reise und würde mich gerne zurückziehen."
Auch ich erhob mich, zu meiner Überraschung dicht gefolgt von Cara, und verabschiedete mich.
„Natürlich, wie es Euch beliebt. Ein Diener wird Euch zu Euren Gemächern begleiten."
Während wir den Raum verließen drehte ich mich noch einmal um, nur um Drysdens panischem Blick zu begegnen. Anscheinend würde er nicht so leicht davonkommen wie wir.
„Sollten wir ihm helfen?", murmelte ich leise an Cara gewandt, meine Stimme von den prächtigen Wandbehängen und dem weichen Teppich unter meinen Füßen beinah verschluckt.
Sie zuckte nur mit den Schultern.
„Ich bin mir sicher, dass der Baron es überleben wird."
Ich drehte mich herum und nickte dem Fürsten zu, der hinter uns den Gang entlangschlenderte. Er wirkte, entgegen seiner eigenen Aussage, nicht sonderlich müde, stellte ich in diesem Moment fest. Auch Cara schien das zu bemerken, denn sobald der Diener auf drei Türen deutete und sich mit einer tiefen Verbeugung verabschiedete, drehte sie sich gänzlich herum.
„Was haltet ihr zwei von einem Spaziergang? Ich bin nicht müde und das ständige Sitzen zu Pferd ist nicht gerade entspannend."
Ich warf einen Blick auf meine Zimmertür, aber nach einer kurzen Abwägung nickte ich. In meinen Beinen bahnten sich erste Verspannungen an und auf Krämpfe konnte ich gut verzichten. Als auch der Fürst einwilligte, kehrten wir in dem Korridor wieder um. Gemächlich spazierte Cara mit dem Fürsten an ihrer Seite vor und ich folgte ihnen, obwohl der Gang breit genug für uns alle gewesen wäre.
Während wir gemächlich einen Weg in die, wie ich vermutete, prächtigen Gärten, suchten, bemerkte ich die beinah schon gespenstische Stille, die über dem Anwesen lag. Ich war mir sicher, dass hier unglaublich viele Bedienstete arbeiteten, doch man hörte keinen einzigen Mucks. Selbst im Schloss seiner Majestät erklangen regelmäßig Schritte, dass Klirren von Waffen, die auf das Metall von dekorativen Rüstungen trafen oder leise Stimmen.
„Irgendwie gruselig hier, oder?"
Ich hob den Blick, den ich auf den weichen Boden gerichtet hatte, und folgte Caras Blick. Wir hatten einen kreisrunden Raum erreicht, dessen Wände beinah nur aus großen Fenstern bestanden. Doch weder dies noch die Deckenmalereien waren mit dem Kommentar gemeint.
Ich trat etwas vor und richtete meinen Blick aus den Fenstern des zweiten Stocks. Vor unseren Augen breitete sich ein scheinbar endloser Park aus, der im schwachen Licht des Sonnenuntergangs zu leuchten schien. Hohe Hecken, kleine Rasenflächen in dem saftigsten Grün, das ich je gesehen hatte und Steinwege, die sich in alle Richtungen zu schlängeln schienen.
Das wahre Wunder jedoch waren die Blumen, die in Beeten den Weg säumten. Vielleicht war es nur eine Illusion durch den Lichteinfall, doch sie alle schienen in bunten Farben zu glühen und sich zu präsentieren. Einige kannte ich davon, dass ich den Unterricht der Prinzessin begleitet hatte, doch andere waren mir gänzlich unbekannt.
Als ich mich schließlich aus der Betrachtung der Blumen riss, ließ ich meinen fragenden Blick vorsichtig zu Cara gleiten, die mir mit großen Augen zu nickte. Ich sah auch zu dem Fürsten hinüber, der mit schief gelegtem Kopf hinabstarrte. Viel konnte ich nicht aus seiner Miene herauslesen, doch ich war mir sicher, dass auch er Cara und meinen Gedanken teilen musste.
„Ich denke, wir sollten umkehren", murmelte ich schließlich, als ich Cara dabei erwischte, wie sie gähnte.
Der Fürst trat einen Schritt zurück, schien noch immer in Gedanken zu sein, dann nickte er. Wieder schwiegen wir auf dem Rückweg, doch dieses Mal lag es nicht daran, dass wir nicht wussten, was wir sagen sollten, sondern an dem Anblick, der sich uns nur wenige Momente zuvor geboten hatte.
Vor meiner Tür, der ersten in dem breiten Korridor, der für uns vorbereitet worden war, blieb ich stehen und wünschte den beiden eine gute Nacht. Ich wartete, bis ich sicher war, dass der Fürst sich für die Nacht vorbereitet hatte, dann erst zog ich meine Tür auf und begab mich in den luxuriösen Raum vor mir.
Auch hier lagen weiche Teppiche, die Wände waren in einem dunklen Grün gestrichen und das Bett wirkte so weich, dass ich spürte, wie ich mich allein bei dem Anblick nach Schlaf sehnte. Und es war so groß, dass ich keine Probleme haben würde, mich auszustrecken, ein echter Luxus bei meiner Größe. Doch zuerst steuerte ich die große Wanne an, die in einer Nische des Raumes wartete. Das Wasser darin war, wie ich überrascht feststellte, noch warm und roch süßlich. Sicherlich war es mit einem Parfum versetzt worden.
Seufzend zog ich mich aus und glitt in die Wanne. Für ein paar Minuten genoss ich die Wärme, die meine Glieder entspannte, doch schließlich setzte ich mich gerader hin und konzentrierte mich auf eine schnelle Wäsche. Als ich ins Bett und unter die weichen Laken glitt, fiel es mir wie erwartet nicht schwer, einzufallen.
Ich träumte. Von weichen Wiesen, duftendem Haar und einem Blumenbeet, das im Dunkeln glühte. Und inmitten des Beets stand eine Figur, deren Haare in der leichten Brise wehten. So sehr ich mich auch konzentrierte, ich erkannte sie nicht. Und ich erreichte sie nicht, denn ich war wie am Boden verwurzelt.
Der Traum verfolgte mich durch das üppige Frühstück, zu dem Drysden sich stark verspätete, bis wir wieder auf dem Weg gen Norden waren. Wieder ritt ich am Ende der Prozession, doch ich wusste, dass ich auch den Fürsten nicht aus den Augen lassen dürfte. Doch das war leichter gesagt als getan, denn meine Gedanken glitten immer wieder zu dem Traum und auch dem Garten der Fürstin zurück. Ich war mir sicher, dass es sich dabei um keine herkömmlichen Blumen gehandelt hatte. Viel eher vermutete ich, dass sie mehr über die Fae wusste als jeder anderer. Zum Beispiel, welche Pflanzen sie züchteten.
Ich war mir sicher, in mehr als einem der Gedichte über sie, die Drysden als Bezug genommen hatte, von leuchtenden Blumen gelesen zu haben. Einige sollten sogar in der Lage dazu sein, zu schweben.
Doch keiner von uns hatte sie darauf angesprochen. Kurz hatte ich darüber nachgedacht, doch ich hatte keinen Verdacht auf unseren Plan lenken wollen. Je weniger wir zu wissen schienen, desto unvorsichtiger würden sie in ihrem Umgang mit uns sein. Meine größte Sorge musste nun erst einmal dem Fürsten dienen.
Als wir an diesem Abend das Lager vorbereiteten, auf einer Lichtung in den Ausläufern des Holzfällers, des gewaltigen Waldes inmitten Ensomniyas, meldete ich mich wieder freiwillig zur Suche nach brauchbarem Holz.
„Begleitet Ihr mich?", fragte ich dann nach, als ich neben dem Fürsten stehen blieb.
Mit zusammengezogen Augenbrauen beobachtete er mich, nickte dann aber und ließ sich in die tiefen des Waldes führen. Es war still, nur das vertrocknete Gesträuch am Boden raschelte durch unsere Schritte und dass ein oder andere Tier, das durch das Unterholz huschte.
Es war, unter dem schützenden Blätterdach, angenehm kühl und zum ersten Mal an diesem Tag klebte mein Oberteil nicht an mir. Das Bad der letzten Nacht schien schon Wochen her zu sein. Nachdem wir uns ein ganzes Stück von den anderen entfernt hatten, deutete ich schließlich auf eine umgestürzte Esche.
„Seht Ihr den Baum dort drüben? Eschen, sofern sie trocken sind, eignen sich sehr gut als Feuerholz. Sie brennen gut und warm und es entsteht wenig Rauch."
Mit immer noch gerunzelter Stirn trat er an mich heran und gemeinsam begannen wir, Äste in der richtigen Breite zu entfernen. Als wir beide gut einen Arm voll hatten, machte ich mich daran, aufzubrechen. Doch ich hielt bei dem Klang einer Stimme inne.
„Warum sollte ich mitkommen? Der Baron wäre sicherlich die bessere Wahl gewesen."
Ich zuckte, so gut es mit beladenen Armen ging, mit den Schultern.
„Drysden weiß wonach er suchen muss, Ihr nicht. Sollten wir uns trennen müssen, wäre es zweifelhaft, wenn ihr an Unterkühlung oder einer Rauchvergiftung sterben würdet."
Mit meiner Antwort scheinbar zufrieden, wenn auch nur für den Moment, wenn man dem langen Blick in meine Richtung glauben schenken konnte, erhob er sich und marschierte los. In die falsche Richtung. Für ein paar Sekunden sah ich ihm hinterher, abwartend, ob ihm der Irrtum noch auffallen würde.
Als er beinah zwischen den Bäumen verschwunden war, rief ich: „Falsche Richtung."
Verwirrt drehte er sich herum, dann trampelte er zurück. Wirklich elegant.
„Das wusste ich", murmelte der Fürst, als er wieder neben mir zum Stehen kam.
Doch er wartete, bis ich mich in Bewegung setzte, und folgte mir dann durch den Wald. Im Gegensatz zu ihm fand ich einen Weg, der mit weniger Lärm verbunden war und schon bald erreichten wir wieder die Lichtung. Cara und Isabel hatten bereits ihre Schlafplätze vorbereitet und flüsterten verschwörerisch, während sie sich ein Glas mit etwas, das verdächtig nach getrockneten Früchten aussah, anreichten.
Drysden trat gerade von dem Steinkreis zurück, den er als Vorbereitung für das Feuer aufgebaut hatte. Er nickte uns knapp zu, dann zog er sich auf seine Matte zurück und holte aus einer seiner Taschen das kleine Tagebuch hervor, dass er immer mit sich herumtrug. Ich musste zugeben, dass mich der Anblick neugierig machte. Ich war mir sicher, dass er das nicht gehabt hatte, als wir uns kennengelernt hatten.
Doch der Drysden von damals, der unbedingt ein Elitesoldat hatte werden wollen, schien sich zurückgezogen zu haben. Er war immer noch einer meiner besten Freunde, aber auch irgendwie nicht. Er hatte sich entfernt und ich war mir nicht sicher, ob er das selbst bemerkt hatte oder nicht.
Seufzend wandte ich mich dem Feuer zu und erklärte dem Fürsten, wie er es stapeln musste und wie man es am besten anzündete. Oder ich versuchte es, denn er entpuppte sich als hoffnungsloser Fall. Es war offensichtlich, dass er als Diplomat, nicht als Krieger aufgewachsen war. Am Ende mischte Cara sich ein und ich überließ ihr dankend das Feld.
Seufzend richtete ich meinen Schlafplatz her, dann ließ ich mich fallen und verzog das Gesicht. Ich wurde wirklich langsam zu alt für solche Reisen. Dazu kam noch die Tatsache, dass ich in den letzten zwei Jahren keine einzige Nacht auf dem Boden hatte verbringen müssen.
Ächzend nahm ich etwas von dem Essen an, dass die Prinzessin mir mit einem belustigten Grinsen reichte. Sie ließ sich, sehr viel eleganter, neben mir nieder und gemeinsam beobachteten wir, wie Cara wild gestikulierte und den Fürsten dann überraschend fest zur Seite stieß. Nun war es an ihm, zu gestikulieren. Leider sprachen sie so leise, dass ich nur erahnen konnte, was wirklich vor sich ging.
„Fünf Goldstücke, dass Cara Yan gleich mit einem Ast schlägt."
Überrascht hob ich den Kopf und sah in die vor Schalk blitzenden Augen der Prinzessin.
„Ich denke, dass sie ihn vorher in den Holzstapel schubst", erwiderte ich und sie nickte lachend.
„Sie prügelt ihn mit einem Ast, bis er auf den Stapel fällt", mischte sich da noch eine neue Stimme ein.
Drysden hatte es sich auf meiner anderen Seite bequem gemacht und beobachtete das Geschehen mit einem kleinen Schmunzeln. Vielleicht war mein alter Freund doch kein ganz anderer Mensch. Denn, wie früher, behielt er recht und wurde um zehn Goldstücke reicher.
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Es geht weiter. Bisher konnte ich noch kein Kapitel vorschreiben, aber das Rona-bedingt erstmal keine Volleyballspiele sind, werde ich sicherlich an den nächsten Wochenenden Zeit finden.
Over and Out,
DasLebenLesen
26/10/20
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