KAPITEL 2



1. September 2014

Der Bahnhof Kings Cross ist wie jedes Jahr am 01. September total überfüllt. Alle jungen Hexen und Zauberer wollen nach Hogwarts fahren, um ihre Zauberausbildung fortzuführen. So fahre auch ich heute nach Hogwarts. Das erste Mal zusammen mit meinem Bruder James. James ist genauso wie mein Bruder Albus nicht mein leiblicher Bruder, aber im Herzen sie ich sie und meine Schwester Lily als meine Geschwister an. Seit sie geboren sind lebe ich mit ihnen und meinen Eltern Harry und Ginny in Godrics Hollow. Schon vor ihrer Geburt bin ich mit meinen Eltern in das alte Haus meiner Großeltern (also den Eltern von meinem Vater) gezogen. Seitdem wohnen wir dort. In dem Haus wurden meine Geschwister geboren, ich habe dort Laufen und Fliegen gelernt, ich habe meine Geschwister aufwachsen sehen. So viele Erinnerungen hängen an diesem Haus. Und ich bin unendlich traurig, dass ich es irgendwann verlassen werde. Aber ich hoffe, dass ich eine Wohnung oder ein Haus in Godrics Hollow finden werde, wenn ich mich dazu entschließe auszuziehen.

„Ted, geh du zuerst durch die Mauer", sagt Mum zu mir und lächelt mich sanft an. Schon jetzt sehe ich die Tränen in ihren Augen. Jedes Jahr, wenn sie mich verabschiedet, macht sie es unter Tränen. Und ich weiß, dass dieses Jahr nochmal viel schwieriger für sie ist, da sie zwei ihrer Söhne verabschiedet.

Ich komme der Aufforderung meiner Mutter nach und schiebe meinen Wagen durch die Mauer, die zum Gleis 9 ¾ führt, wo der Hogwarts-Express abfährt. Den Weg durch die Mauer mache ich frei und warte auf den Rest meiner Familie. Wie jedes Jahr beeindruckt mich der prachtvolle Zug, der uns nach Hogwarts fährt. Die Lok ist in einem dunklen schwarz gehalten, während die Wagons in Rot strahlen und voller goldener Verzierungen sind.
Als meine Eltern und meine Geschwister auch durch die Mauer getreten sind, wagen wir uns einen Weg durch das Getümmel, um andere Familienmitglieder zu suchen. Mit Sicherheit sind mein Onkel Percy und meine Tante Audrey mit meinem Cousinen Molly und Lucy schon da. Zu jeder Familienfeier und jedem anderen Anlass sind sie überpünktlich und fast schon beleidigt, wenn jemand zu spät erscheint. Zumindest mein Onkel. Meine Tante und meine Cousinen sind da etwas gelassener.
Nach einigen Minuten der Suche finden wir sie tatsächlich. „Hallo ihr Lieben", werden sie von meiner Mutter begrüßt.
„Hallo Ginny", wird sie von Audrey umarmt.
Nach und nach begrüßen wir uns alle und warten auf meinen Onkel George, meine Tante Angie, meine Cousine Roxanne, meinen Cousin Fred, meinen Onkel Bill, meine Tante Fleur, meine Cousinen Vic und Dom sowie meinen Cousin Louis. Vic allerdings ist nicht nur meine Cousine. Sie ist auch meine beste Freundin. Unsere gesamte Kindheit haben wir miteinander verbracht. Umso größer war der Schmerz, als ich mit elf Jahren nach Hogwarts gefahren bin. Vic war zu dem Zeitpunkt erst neun und konnte also noch nicht mit. Es war komisch, ohne sie dort zu sein. Davor haben mir uns fast jeden Tag gesehen und dann konnte ich nur Zeit mit ihr in den Weihnachts- und Sommerferien verbringen. Es war eine riesige Umstellung, unter der wir beide gelitten haben. Aber wir haben uns regelmäßig Briefe geschrieben.
Als Vic zwei Jahre später zum ersten Mal mit nach Hogwarts gefahren ist, war es, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Immer wenn ich von Hogwarts geträumt habe, habe ich auch Vic gesehen. Vic und mich, wie wir gemeinsam essen in der Großen Halle, Vic und mich gemeinsam auf den Ländereien, Vic und mich gemeinsam vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum. Letzteres hat sich nicht erfüllt, denn wir sind in zwei unterschiedlichen Häusern. Vic ist in Gryffindor und ich in Hufflepuff. Trotzdem sehen wir uns jeden Tag und nehmen jede Mahlzeit zusammen ein mit unseren Freunden. Wir haben echt Glück, dass sich Matt, Toby, Leya, Mary und Kat auch gut verstehen. Man trifft uns zwar nicht immer als Gruppe an, aber trotzdem wissen wir, dass wir einander vertrauen können.

Kurz nach uns stoßen auch mein Onkel George, meine Tante Angie, meine Cousine Roxanne und mein Cousin Fred, der wie James zum ersten Mal nach Hogwarts fahren würde, dazu. „Hallo, Familie" lacht George und begrüßt meine Mum als erstes.

„Und, bist du aufgeregt?", frage ich Fred lächelnd und muss daran denken, wie aufgeregt ich damals war, als ich zum ersten Mal nach Hogwarts gefahren bin.

„Nein, gar nicht."

Ich lache leicht, weil ich weiß, dass er das nur sagt, um cool zu sein. James hat dasselbe heute Morgen gesagt.

Von weitem kann ich nach einigen Minuten rote Haare erkennen, die ich als die von Dom und meinem Onkel Bill identifiziere. Daneben laufen auch meine Tante Fleur, Louis und Vic. Als Vic mich erkennt, lässt sie ihren Wagen mit dem Koffer zurück, den kopfschüttelnd Bill weiterschiebt, und kommt auf mich. Sie schmeißt sich förmlich in meine Arme und ich lasse meinen Kopf auf ihren sinken, der sich an meine Brust lehnt. Ich atme ihren blumigen Duft an. Wie immer, wenn ich Vic umarme, fängt mein Herz an schneller zu schlagen. Ich habe aufgehört, zu hinterfragen, warum. Meine Freunde Toby und Matt sagen, ich wäre in sie verliebt, aber das kann nicht sein. Sie ist meine beste Freundin.

„Hallo, Vic", murmle ich in ihre Haare hinein. „Schön, dich wiederzusehen."

Vic löst sich von mir und schaut lächelnd zu mir hoch. „Hey, Teddy", erwidert sie.

Vic ist die Einzige neben meiner kleinen Schwester Lily, die mich noch Teddy nennen darf. Als Kind wurde ich von allen so genannt, aber als ich das erste Mal nach Hogwarts gefahren bin, wollte ich nur noch Ted genannt werden. „Ich bin ja schon ein großer Junge", habe ich laut meinen Eltern immer gesagt.

„Kommt, ihr müsst langsam in den Zug", sagt mein Dad. Ich sehe, dass meine Mum sich daneben mit tränenden Augen von James verabschiedet, der die zerquetschende Umarmung über sich ergehen lässt. Auch ich umarme meine Eltern, meine Schwester Lily und meinen Bruder Albus zum Abschied. Ebenso verabschiede ich mich von meinen Tanten und Onkeln und Lucy, Louis und Roxy.

James und Fred verschwinden nach dem Abschied schnell in den Zug, während Vic, Dom, Molly und ich langsam auf die Tür zuschlendern. Wir steigen nacheinander in den Zug.

Mit einem „Bist später" verabschiede ich mich von ihnen und mache mich auf die Suche nach meinen Freunden Toby, Matt und Leya. Meist sitzen wir in einem der vorderen Abteile.

Schnell habe ich Toby und Leya in einem der Abteile gefunden. Matty scheint noch nicht da zu sein.

Ich öffne die Abteiltür und sie werden auf mich aufmerksam. Leya springt mir förmlich in die Arme, um mich zu begrüßen. „Ted, heyyyy", ruft sie laut. Als sie sich wieder von mir löst strahlt mich voller Freude an.

„Hallo, Leya", sage ich lachend, da diese Begrüßung total zu ihr passt. Leya ist ein aufgedrehtes Mädchen, das einem Flummi gleicht. Sie kann nie still sitzen, weswegen der Unterricht ihr häufig Probleme bereitet. Leya hat dunkelbraunes Haar mit einigen blonden Strähnchen darin. Meist trägt sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz, der beim Laufen hin und her wippt. Es gibt selten einen Moment, in dem Leya nicht lächelt, grinst, lacht oder strahlt. Sie sprüht nur so vor guter Laune und steckt alle in ihrem Umfeld damit an. Und wenn sie mal traurig ist, dann hat das einen sehr triftigen Grund, denn so schnell bekommt man Leya nicht traurig.

Nachdem Leya sich wieder hingesetzt hat, fährt der Zug los und Toby begrüßt mich mit einem Handschlag. „Hey, Ted, alles gut?"

„Klar", sage ich lächelnd. Das ist Toby. Toby fragt uns jeden Tag, ob alles gut ist oder wie es uns geht. Er ist so bedacht, dass es all seinen Freunden und Mitmenschen gut geht. Er interessiert sich für die Menschen um sich herum und hat für jeden ein offenes Ohr. Kein Wunder, dass er seit unserem 5. Schuljahr Vertrauensschüler ist. Toby hört eher stillschweigend zu bei Gesprächen und nimmt die Rolle als Beobachter sein. Aber wenn man ihn um einen Ratschlag bittet, ist er sofort zur Stelle. Sein blondes, verwuscheltes Haar fällt ihm meist in sein Gesicht und seine dunkelbraunen Augen sind herausstechend.

Ich packe nach der Begrüßung meinen Koffer auf die Ablage über den Sitzen und setze mich dann neben Leya.
Da wir uns vor zwei Wochen das letzte Mal gesehen haben (wir waren gemeinsam in London), frage ich, wie ihre letzten zwei Ferienwochen waren.

„Total schön. Ich habe viel Zeit mit Levin und Loreen verbracht", strahlt sie. Levin und Loreen sind Leyas jüngere Geschwister. Levin ist zwar schon 13, aber trotzdem nicht auf Hogwarts, da Leya muggelstämmig ist. Sie ist also die Einzige ihrer Familie, die Hogwarts besucht.

„Hab noch viel Zeit mit Matty verbracht und auch mit meiner Schwester", erzählt Toby.
Matty und er leben lustigerweise im gleichen Ort und verbringen deswegen viel Zeit miteinander. Schon als Kinder waren sie befreundet und in der Schule sind Leya und ich dazugestoßen.

Plötzlich öffnet sich die Abteiltür und der braunhaarige Matt erscheint. Er grinst uns freudestrahlend an und öffnet seine Arme. „Meine alten Freunde", ruft er.
Wir stürzen uns auf ihn und landen somit in einer Gruppenumarmung.

Matty ist der Verrückte von uns und für jeden Spaß zu haben. Er denkt, dass Regeln da sind, um gebrochen zu werden, weswegen er sich wohl auch so gut mit meinem Onkel George versteht. Angst kennt Matty nicht, seinen täglichen Spaziergang macht er im Verbotenen Wald. Außerdem ist unser Matt ein kleiner Frauen- und Männerheld, regelmäßig stellt er uns seine neue Freundin oder seinen neuen Freund vor, die aber meist nicht lange an seiner Seite bleiben. Matt ist der Inbegriff von Loyalität, was ich besonders an ihm schätze.

Nachdem wir uns voneinander gelöst haben, setzen wir uns alle auf unsere Sitze und unterhalten uns die Fahrt über über die unterschiedlichsten Themen. Wie immer vergesse ich meine Sorgen, wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin. Ich vergesse die hohen Erwartungen, die andere vermutlich an mich haben, aber vergesse auch die Erwartungen, die ich an mich selbst. Ich strebe nach Perfektion, habe wohl noch nicht gelernt, dass Perfektion nicht zu erreichen ist. Ständihe gute Laune wird ebenso von mir erwartet. Ich darf nicht traurig, nicht wütend, nicht enttäuscht sein. Das denke ich zumindest. Und ich werde es niemals jemandem erzählen, dass ich diese hohen Erwartungen an mich selbst habe, sie aber nie erfüllen kann. Noch nicht einmal Vic werde ich dies erzählen.
Und all dies vergesse ich, wenn ich mit meinen Freunden bin. Bei meinen Freunden bin ich einfach ich.

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