//DER SONDERZUG NACH PANKOW//
SUSI UND ihre vier Gefährten Max, Legolas, Gimli und Chnum stehen am Bahnhof von Eichenstedt, um herauszufinden, mit welchem Zug Gollum damals entkommen ist. Ihren Eltern haben sie wieder einmal eine Lüge aufgetischt und erzählt, dass sie bei einem gemeinsamen Klassenkameraden eingeladen sind. Elrond hatte zugesichert, dass er der Gutgläubigkeit ihrer Erziehungsberechtigten mit ein wenig Elbenmagie auf die Sprünge helfen will. Wollen wir mal darauf vertrauen, dass er sein Wort hält. Denn es ist dieses Mal noch ungewisser, wann unsere Abenteurer von ihrer Reise ins Ungewisse zurückkehren, als beim letzten Mal.
Lasst uns so tun, als wären wir normale Zugreisende und unauffällig lauschen, welche Fortschritte Susi und die anderen auf ihrer Suche nach Gollum und den Ring bereits gemacht haben.
»Hier war es. Bäh, ich spüre noch seine kalten Finger an meinem Hals«, sagt Susi angewidert, als sie an der Stelle ankommen, an der Gollum mit dem Ring in einen Zug sprang und verschwand.
»Hat jemand von euch eine Ahnung, wie viel Uhr es damals war?«, fragt Max, als er erneut auf den Abfahrtzeiten nachsah, in welche Bahn Gollum damals gesprungen sein könnte.
»Die Bahnhofsuhr hat gerade 19 Uhr geschlagen, da fuhr der Zug los«, antwortet Chnum trocken und kratzt sich beiläufig an der Nase.
Woher weiß er das so genau? Er war doch gar nicht dabei. Das nennt man dann wohl göttliche Gabe, oder was?
»Danke, Chnum. Zu der Zeit steht aber leider keine Zugverbindung auf der Abfahrtliste. Da haben wir letztes Mal schon nachgeguckt«, bemerkt Max enttäuscht. »Vielleicht war es kein planmäßiger Halt in Eichenstedt, sondern nur eine Durchfahrt. Ist ja zu diesen späteren Zeiten durchaus üblich, dass der Zug nicht mehr in jeder Kleinstadt stoppt.«
»Und was sollen wir jetzt machen, wenn wir nicht wissen, wo Gollum hingefahren ist? Wir können uns schlecht trennen und jeder fährt auf gut Glück in irgendeine Richtung.« Susi schaut Legolas und Gimli ratsuchend an, doch diese zucken nur teilnahmslos mit den Schultern.
»Warum haben wir euch überhaupt dabei?«, grummelt Max und dieses Mal muss ich ihm sogar recht geben, was selten vorkommt bei diesem Hitzkopf. »Ich meine, seid ihr Elben nicht irgendwie so weise und habt die Gabe der Voraussicht und so was alles? Wieso wisst ihr dann nicht längst, wo Gollum gerade ist, und wir schnappen ihn einfach dort, anstatt hier lange herumzugrübeln? Das ergibt doch keinen Sinn!«
»Ach, Max. Ich denke nach Logik brauchen wir in dieser Geschichte wirklich nicht zu suchen, die werden wir nicht finden«, sagt Susi und klingt sehr resigniert.
So ganz Unrecht hat sie damit nicht oder was meint ihr? Etwas Unwahrscheinlicheres als das, was sie und Max erlebt haben und gerade erleben, kann man gar nicht erfinden!
»Gut, dann versuche ich es nochmal auf eine normal menschliche Art. Ich frage am Ticketschalter nach«, schlägt Susi nun vor und geht zu dem freundlichen Herrn am Fahrkartenverkauf, der offensichtlich gerade seinen wohlverdienten Feierabend vorbereitet.
»Entschuldigung?«, macht Susi breit grinsend auf sich aufmerksam. »Wissen Sie vielleicht, wohin der Zug vom 09. Juli auf Gleis 1 um 19 Uhr hingefahren ist?«
»Moment bitte, junge Dame.« Der rundliche Mann tippt in seinem PC herum und jetzt erhellt sich sein Gesicht. »Oh, natürlich! Das war der Sonderzug nach Pankow«, meint er schließlich.
»Nach Pankow? Das ist in Berlin, oder? Wann fährt der denn wieder?«, fragt Susi nach.
»Da hast du Glück. Heute fährt er ein letztes Mal von Eichenstedt ab. Es gab insgesamt nur fünf Fahrten, die hier vorbeikamen. In ein paar Minuten rollt er ein. Wollt ihr Tickets kaufen? Macht 50 Euro pro Person. Ist halt ein Sonderzug, ne«, erklärt der Ticketverkäufer schulterzuckend und tippt auf ein Plakat auf der Scheibe seines Kassenhäuschens, auf dem der Zug angepriesen wird.
»50 Euro?! Na gut, was soll's. Fünfmal Pankow, dann bitte«, antwortet Susi mit schmerzendem Magen und jammerndem Portemonnaie.
Zum Glück hat Elrond den Abenteurern ein bisschen was für die Reisekasse spendiert. Das ist wohl auch das Mindeste, nachdem er sich ansonsten sehr zurückhält in dieser Sache.
Das Blöde ist nur, dass wir jetzt auch Karten für diesen Sonderzug brauchen. Mann oh Mann. Habt ihr so viel Geld dabei? Ich hatte nicht erwartet, dass das Abenteuer dieses Mal so kostspielig werden würde.
Susi kommt jetzt mit den Tickets zu ihren Freunden zurück und vereinbart mit ihnen, dass Gollum den Preis für die Tickets zahlen soll, wenn sie ihn erstmal gefunden haben. Sehr gute Idee. Unsere kann dieser Kriecher dann auch gleich zurückzahlen. Lasst ihn ordentlich bluten für seine Vergehen!
Seht! Da trudelt gerade der Sonderzug nach Pankow ein. Es ist so weit. Das Abenteuer beginnt, die Spannung steigt! Die Freunde steigen ohne Bedenken ein. Wir tun dann auch mal so, als würden wir nicht wissen, auf welchen Pfaden diese illustre Truppe wandelt.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gollum sich immer noch in Berlin aufhält. Er wird wissen, dass wir ihn dorthin folgen«, überlegt Max, als sie sich auf ihre Plätze setzen.
»Aber dort finden wir vielleicht Hinweise auf seinen jetzigen Aufenthaltsort. Er wird dort bestimmt jemandem aufgefallen sein, so wie er aussieht«, hofft Susi, bevor etwas ihre Aufmerksamkeit gewonnen zu haben scheint. »Aber, Halt! Guckt mal«, flüstert sie ihren Freunden aufgeregt zu und deutet mit einer dezenten Kopfbewegung den Gang herunter. »Der da vorne, der mit dem schwarzen Hut! Kennen wir den nicht irgendwoher?« Sie zeigt auf einen komischen Typen, der eine Art Uniform trägt und trotz des Rauchverbots im gesamten Zug eine Zigarre im Mundwinkel hat.
»Was denn für'n Hut? Siehst du jetzt schon Gespenster?«, fragt Max, der sich genau in dem Moment umdreht, als sich der Mann bückt und aus seinem Sichtfeld verschwindet.
Der berühmte Vorführeffekt.
»Guck doch mal, der da! Jetzt schaut er zu uns rüber«, drängt Susi weiter und grinst den bekannten Unbekannten verlegen an.
»Ach, der da! Der mit dem schiefen Mund und der dicken Zigarre! Ist das nicht ...?«, fängt Max an etwas zu laut seine Gedanken zu äußern und durchwühlt sein Gedächtnis nach dem Namen des huttragenden Herrn.
»Ja, verdammt. Sei doch leiser. Der hat das bestimmt gehört. Dass du auch nie deine Klappe halten kannst«, unterbricht Susi ihren vorlauten Freund.
Zu spät. Der uniformierte Raucher nimmt bereits Kurs auf unsere Bande.
»Guten Tag, ihr Leutchen«, begrüßt er sie freundlich, während er die Zigarre weiterhin im Mundwinkel trägt. »Ihr seid ja ein komischer Haufen. Zwei Jugendliche, einer mit Widderhörnern, ein kleiner Dicker mit Bart und ein langer Hippie mit spitzen Ohren. Aber hey, ihr macht eurer Ding. Find ich gut. Was wollt ihr denn beim Oberindianer in Pankow?«, fragt der Mann etwas nuschelnd und nun wissen die Freunde genau, wer es ist.
Ihr sicher auch, habe ich recht?
»Guten Tag, Herr Lindenthal!« Max begrüßt ihn etwas überfreundlich und streckt ihm seine Hand entgegen. Aber irgendwie ist er mal wieder dabei, sich in ein Fettnäpfchen zu setzen. »Welchen Oberindianer meinen Sie denn? Hat Gollum sich etwa schon so hochgearbeitet?«
»Halt doch endlich deinen Mund, Max und behalte dein gefährliches Halbwissen für dich.« Susi stößt ihren Freund mit dem Ellenbogen in die Rippen. »Es soll doch niemand von Gollum erfahren. Außerdem heißt er LindenBERG und nicht Lindenthal.«
»Kein Problem! Aber, dass ihr den Oberindianer nicht kennt, kann ich nicht akzeptieren. So kann es für euch hinterm Horizont nicht weitergehen. Ich muss euch die Geschichte vom Oberindianer vorsingen! Kommt, singt mit mir! Das verkürzt die Fahrzeit«, schlägt Udo Lindenberg vor und zieht fix sein Mikrofon aus seiner Uniformjacke.
Die fünf singen nun zusammen mit dem Udo und wir wippen fröhlich im Takt mit und in der Tat, die Zeit vergeht wie im Flug. Schon erreichen wir unser Ziel – Berlin-Pankow.
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