//APPLAUS UND VERDERBEN//

DREI TAGE SIND vergangen, seit unsere Freunde mit Hilfe der Ents ihr Zuhause wieder gefunden haben. Den Riesengorilla haben sie unversehrt mitgebracht. Den Medienaufschrei, den das Monstrum verursacht hat, könnt ihr euch sicher vorstellen. Lasst uns mal schauen, wie Max sich dieser neuen Herausforderung stellt. Jetzt ist er kein einfacher Schüler mehr, der eine Hausaufgabe kreativ gestalten will, sondern ein weltweit bekanntes Gesicht. Bekannt für den King Kong von Groß Wiesenstedt.

Auch die Berichte über die geheimnisvolle Welt jenseits von Groß Wiesenstedt wurde bereits hundertfach in alle möglichen Sprachen übersetzt und hat Weltruhm erlangt, ganz wie Max es sich vorgestellt hat.

Doch nicht alle Stimmen sind ihm wohlgesinnt. Vor allem die Existenz der Dinosaurier wird von namhaften Paläontologen vehement abgestritten. Die einzigen Beweise dafür, die Aufnahmen seiner Kamera, wurden von den Baumgeistern geschluckt. Doch auch deren Existenz wird von Biologen und vor allem Dendrologen stark bezweifelt. Die Sichtung der Ents einiger Menschen, wird schlicht als psychisches Massenphänomen abgetan, ähnlich wie bei UFO-Sichtungen.

Max lässt sich von all den kritischen Stimmen jedoch nicht unterkriegen. Er plant für den heutigen Tag eine spektakuläre Weltpremiere. Der Monsteraffe soll im Gemeinschaftshaus im benachbarten Eichenstedt dem neugierigen Publikum präsentiert werden. In Groß Wiesenstedt ist einfach nicht genug Platz für eine derartige Großveranstaltung.

Hunderte, wenn nicht gar tausende Menschen tummeln sich bereits vor dem knapp einhundert Jahre alten Kulturhaus, indem sonst nur gediegene Veranstaltungen und klassische Konzerte stattfinden. Eine Reihe Reporter haben sich um unseren zweifelhaften Helden Maximilian Winter versammelt und betteln in den Zungen aller Herren Länder um ein Interview mit ihm. Doch Max lässt seinen eigens verpflichteten Manager erklären, dass alles Nötige bereits gesagt wurde und der Anblick des Gorillas schließlich für sich selbst sprechen würde.

Aber schaut mal! Da kommen zwei kleine blonde Mädchen auf Max zu. Sie haben einen farbenfrohen Kinder-Kassettenrekorder bei sich und eine der beiden hält Max ein kindlich buntes Mikrofon unter die Nase.

»Halle, Sie? Ich bin Maria Simoni und das ist meine Schwester Luisa«, stellt sich das Kind bei Max vor. Dieser ist so gerührt von dieser Szene, dass er für die Mini-Reporterinnen eine Ausnahme macht und sich ihnen zuwendet.

»Wir sind acht Jahre alt und wenn ich einmal groß bin, dann möchte ich im Radio arbeiten und ganz viele Menschen interwuwen«, erklärt die kleine Maria und Max muss über ihre niedliche Aussprache schmunzeln. »Darf ich dir ein paar Fragen stellen? Wie groß ist der Gorilla? Drei Meter?«

»Nein, Maria. Dieser Gorilla ist so groß wie ein Haus«, antwortet Max und hält die Hände in die Höhe, um die Dimensionen des leibhaftigen King Kong anzudeuten.

»Und der hat dich nicht gefressen?«, stellt die Mini-Reporterin die nächste Frage.

»Das hat er nicht und das wird er auch nicht.« Max verfällt wieder in Prahlerei, doch Maria lässt sich davon nicht abschrecken.

»Darf ich den Affen mal streicheln?«

»Ähm, lieber nicht«, wiegelt Max dann doch das Risiko ab. »Der ist sehr stark und du bist so klein, das ist keine gute Kombination. Aber weißt du was, ihr beiden könnt in der ersten Reihe sitzen und das Monster von ganz nah sehen. Ich sorge dafür, dass ...«

»Tut mir leid, aber meine Kinder dürfen da nicht zuschauen«, unterbricht eine Frauenstimme Max' Vorschlag. »Kommt, Maria, Luisa. Wir gucken uns das Untier lieber zuhause vorm Fernseher an.«

Traurig folgen die Mädchen ihrer Mutter, die (nicht unberechtigte) Sorgen hat, ihre Kleinen in die Nähe dieses Riesen-Menschenaffen zu lassen.

Aber wir sind Gefahren wie diese gewohnt, nicht wahr? Lasst uns schon mal reingehen, die Türen werden gerade geöffnet und ich habe Karten für uns ergattern können.

Dort ist er. Angekettet mit extra starkem Stahl hängt er da. Noch wird er von einem halbtransparenten Vorhang verdeckt, der nur seine riesenhafte Silhouette erkennen lässt. Doch die Menschen betrachten ihn bereits voller Ehrfurcht, Angst oder einfach nur Sensationsgier.

Eichenstedt.fm, ein kleiner Radiosender aus der Stadt ist vor Ort und fängt die Töne dieser Darbietung ein, um sie live seinen Hören präsentieren zu können. Das wäre doch später vielleicht etwas für die kleine Maria von eben, dieser Radiosender?

Der Affe bekommt von dem Trubel um seine Person allerdings nichts mit. Er bewegt sich nicht, scheint zu schlafen. Irgendwie tut er mir leid, wie er da so vorgeführt wird. Aber wo ist eigentlich Susanne? Ah, dort vorne! Sie kommt jetzt auf Max zu und sieht wie immer besorgt aus.

»Bist du dir sicher, dass dieser Stahl stabil genug für ihn ist? Wenn der sich losreißt und auf die Menschen ...«, offenbart Susi ihre Bedenken, doch Max unterbricht sie.

»Mach dir mal keine Sorgen«, versucht er seine skeptische Freundin zu beruhigen. »Seit wir in dieser fremden Welt waren, ist nichts mehr passiert und in dieser Welt habe ich persönlich die größten Sicherheitsvorkehrungen walten lassen. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut. Und wenn er sich doch losmacht, was ich nicht denke, wird er sich sowieso zuerst auf dich und deinen komischen Ring stürzen«, redet Max Susis Sorgen klein. Auf seine ganz eigene Art.

»Du verstehst es wirklich, jemanden zu beruhigen«, murmelt Susi mehr zu sich selbst und stellt sich etwas weiter abseits der Bühne, um dem illustren Treiben beizuwohnen.

In dem Moment geht endlich der Vorhang auf, dramatische Musik und Nebel erfüllen den Saal und das Publikum rast vor entsetzen. Nie zuvor hatten sie ein derart großes Tier gesehen.

Max stellt sich jetzt vor seine Attraktion. In einem teuren Frack gekleidet, mit stolz geschwellter Brust lässt er sich vom tosenden Applaus feiern.

»Da habt ihr ihn, den lang erwarteten Beweis für die Existenz dieser unentdeckten Welt, in der wir durch blanken Zufall geraten sind«, dröhnt er durch sein Mikrofon. Ein Raunen geht durch das Publikum. »Das ist er, der Affe, der sogar einen ausgewachsenen fleischfressenden Dinosaurier von 15 Metern Länge mit wenigen Handgriffen erledigen kann. Hier ist der wahre KING KONG!« Der Gorilla wird nun von unten durch riesige Scheinwerfer angestrahlt, damit er noch größer und gefährlicher wirkt. »Er ist keine Puppe! Nein, nein. Schaut nur, wie er euch ansieht, hört nur, wie er atmet und riecht, wie er ... halt riecht«, präsentiert Max seine Trophäe und stolziert dabei nervös vor dem Tier hin und her.

Beim Stichwort, wie er riecht, rümpften die Menschen die Nasen, denn wie bereits erwähnt, stinkt das Tier gewaltig nach Fisch.

»Als ich dieses Tier das erste Mal sah, hatte ich es vor Augen. Ich sah eure erstaunten Gesichter. Und es macht mich ungemein stolz, dass dieser Traum heute wahr wurde.« Max greift sich theatralisch an die Brust. »Nun möchte ich euch meine mutigen Begleiter vorstellen, ohne die der heutige Tag nicht möglich gewesen wäre. Hier sind Superman, Chnum und meine beste Freundin Susanne, welche sich bereits in den Fängen des Riesen befunden hat. Beifall!« Max klatscht selbstherrlich in die Hände und wartet darauf, dass seine Weggefährten auf die Bühne kommen.

Voller Begierde wartet auch der Affe auf Susanne, welche ja vermeintlich seinen Schatz bei sich trägt. Umso wütender macht es ihn, als sie nicht auf der Bühne erscheint. Ein ohrenbetäubendes Brüllen entweicht seiner Kehle und voller Zorn schafft der Gorilla es, sich loszumachen, um Susi zu suchen. Im Eichenstedter Gemeinschaftshaus bricht der blanke Horror aus. Menschen rennen und schreien und stürmen zum Ausgang des Gebäudes. Da kann man nur hoffen, dass sie sich nicht alle gegenseitig zertrampeln. Was bin ich froh, dass keine Kinder im Saal sind! Bleibt dicht an der Wand stehen, nur keine Panik. Der Affe will nichts von uns. Er will Susanne. Aber wo ist die denn hin? Eben war sie doch noch da.

Der Affe fragt sich das auch. Er verlässt jetzt das Kulturhaus und rennt auf die Straße, um Susanne und den Ring zu suchen.

»Wie konnte es nur so weit kommen?«, fragt sich Max fassungslos, als er vor den Scherben seiner Karriere steht.

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