𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐰𝐞𝐥𝐭𝐞𝐧 𝐤𝐨𝐥𝐥𝐢𝐝𝐢𝐞𝐫𝐞𝐧

'•.¸♡𝐆𝐞𝐰𝐢𝐝𝐦𝐞𝐭 𝐚𝐧 𝐚𝐥𝐥𝐞, 𝐝𝐢𝐞 𝐦𝐢𝐫 𝐣𝐞𝐝𝐞𝐧 𝐓𝐚𝐠 𝐝𝐚𝐬 𝐆𝐞𝐟𝐮𝐞𝐡𝐥 𝐠𝐞𝐛𝐞𝐧, 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐠𝐚𝐧𝐳 𝐬𝐨 𝐞𝐢𝐧𝐬𝐚𝐦 𝐳𝐮 𝐬𝐞𝐢𝐧. 𝐈𝐜𝐡 𝐥𝐢𝐞𝐛𝐞 𝐞𝐮𝐜𝐡. ♡¸.•'

𝐊𝐢𝐦 𝐓𝐚𝐞𝐡𝐲𝐮𝐧𝐠 war einer dieser Teenager, den andere nie beachteten. 

Er war Teil eines Phänomens, das man häufig auf dem Pausenhof entdeckte, mit Mitleid und Faszination anstarrte, bis man realisierte, was man da eigentlich tat und wen man dort so klammheimlich beobachtete: 

Einen 𝐀𝐮𝐬𝐬𝐞𝐧𝐬𝐞𝐢𝐭𝐞𝐫. 

Ja, Kim Taehyung war eine dieser einsamen Seelen, die jeder schon einmal irgendwo im Pausenhof erspäht hatte, ganz alleine, nur die Kopfhörer und das tägliche Pausenbrot als Gesellen. Es war schon beinahe pervers, wie alle diesen Außenseiter bemitleideten und doch einen Gefallen daran fanden, dass sie selbst nicht Teil dieses traurigen Phänomens waren und es jemand anderen getroffen hatte - das Alleinsein. 

Manch einer munkelte ja, dass das Taehyung nichts ausmachte. Dass es ihn nicht störte, wenn er da so einsam auf einer der vielen Bänke saß, meist mit einer kleinen Brotdose voller gezuckerter Erdbeeren und mit einer Thermoskanne voller Kakao, die er sogar im schwülen Sommer mitbrachte. Manch anderer flüsterte ja, dass Taehyung eh nicht sonderlich interessant war. Immerhin war er während des Unterrichts ziemlich still, beteiligte sich bei Gruppenarbeiten eher passiv indem er die Fotos ausdruckte oder die Powerpoint - Präsentation bearbeitete und redete nur mit den anderen, wenn er nach einem Stift oder Blockblatt gefragt wurde. 

Alle wälzten die Verantwortung ab. Keiner der anderen dachte ja daran, dass es Taehyuhg verletzen könnte, wenn er mitbekam, wie über ihn gesprochen wurde. Keiner kam je auf den Gedanken, dem jungen Mann nur ein kleines Lächeln zu schenken, das seinen Tag doch schon so viel besser und nicht ganz so einsam gemacht hätte. Alle wälzten die Verantwortung ab. Und nicht einmal schuldig fühlten sie sich, denn Taehyung war ja ein 𝐀𝐮𝐬𝐬𝐞𝐧𝐬𝐞𝐢𝐭𝐞𝐫, dem das alles nichts ausmachte und der seinen Titel verdient hatte. 

Doch Taehyung selbst dah das nicht so. Denn ihm machte es definitiv etwas aus, dass ihn alle ignorierten oder bloß gafften. Er fand, dass er seinen Titel nicht verdient hatte, dass es ungerecht war, ihn so zu verurteilen. Und dass er selbst daran Schuld war, konnte er erst recht nicht verstehen. Seit drei Jahren besuchte er schon nun diese Schule, auf die er gewechselt hatte, nachdem er aus seiner Heimatstadt Daegu nach Seoul gezogen war. Auch wenn Taehyung als 14 - Jähriger damals nervös gewesen war, hatte er alles gegeben, um einen positiven Eindruck auf seine Mitschüler zu machen. 

Er hatte seine Haare extra gestylt, die Uniform zehnmal bügeln lassen und war mit einem breiten Lächeln ins Klassenzimmer getreten. Er hatte sich freundlich vorgestellt, jeder Schülerin und jedem Schüler eine seiner gezuckerten Erdbeeren geschenkt und immer wieder Gespräche begonnen. Aber keiner der anderen sprang darauf an, zeigte ehrliches Interesse - nein, sie belächelten ihn. Taehyung hatte sich neben sie in der Pause  gesetzt, seine roten Früchte mit ihnen geteilt - doch nach einer Woche wollte die keiner mehr. Nach zwei Wochen setzten sich seine Klassenkameraden in den Pausen woanders hin und er begriff, dass er nicht erwünscht war. 

So blieb es bis heute, drei Jahre später. 

Dabei war Taehyung doch so interessant. 

Er fotografierte leidenschaftlich gerne, war ein Anime - Weeb und konnte ganz gut tanzen. Er war lustig, das sagten zumindest die Leute auf Animo und Tumblr, und er hatte einen guten Sinn für Mode. Bei seinen zwei engsten Internet - Freunden Jimin und Jeongguk, die ein Paar waren, hatte er sich als homosexuell geoutet; außerdem konnte er Saxophon spielen. Er hatte eine Schwäche für Kakao, besaß einen kleinen Hund namens Yeontan und seine Lieblingsjahreszeit war der Winter. 

Taehyung mochte also vieles sein, jedoch nicht langweilig oder eine kleine, stille Maus, für die ihn alle hielten, nur weil sie ihm die Chance verwehrt hatten, sich zu öffnen. Wenn ihn Jimin und Jeongguk darauf ansprachen, zuckte er meist bloß mit den Schultern, lächelte sein Box - Smile in die Kamera und lenkte während des Videoanrufs vom Thema ab. Auch wenn Taehyung selbst nicht fand, dass er ein Außenseiter war - 

so verletzte es ihn doch, dass ihn jeder dazu gemacht hatte. 

Doch er blieb ruhig, tat so, als würde er die Worte der anderen nicht hören und aß schön brav seine Erdbeeren und trank den warmen Kakao. Bis er eines Tages nicht mehr aufkreuzte und sein Stammplatz auf der Bank leer blieb. Für geschlagene zwei Wochen war der Außenseiter nicht mehr da, bis er dann urplötzlich wieder in der Pause dasaß, auf seiner Bank. Seine Augen waren glasig, die Haare ungewaschen und seine Brotdose lag unberührt neben ihm. An diesem Tag bekam er all die Aufmerksamkeit, nach der er sich immer insgeheim gesehnt hatte. 

Die Gerüchteküche brodelte. Spekulationen häuften sich an, eine Theorie wahnwitziger als die andere. Doch alle waren sie sich sicher, dass der Outcast die letzten zwei Wochen in Daegu verbracht hatte. Aber wieso? 

Seine Großmutter war gestorben. 

Sie war mitten in der Nacht friedlich eingeschlafen. Regungslos hatte man sie am nächsten Morgen in ihrem Bett gefunden, die vom Wetter gegerbten Gesichtszüge in kindlicher Entzückung verzogen, so als wäre sie nun überglücklich. Taehyung hatte es die ganze Autofahrt über nicht glauben können. Erst als er sie sah, erstarrt und still, realisierte er es

Die Frau, die Taehyung großgezogen hatte, die ihn immer bestärkt hatte und bei der er jedes Wochenende verbracht hatte, bevor er weggezogen war, war tot. Die Frau, die ihm das erste Mal gezuckerte Erdbeeren und Kakao für den Kindergarten mitgegeben hatte und diese Mahlzeit zur Tradition gemacht hatte, die ihm das Fahrradfahren beigebracht hatte und durch die er seine Liebe zu Frank Sinatra's Musik entdeckt hatte, war tot. 

Er könnte nie dieses Gefühl beschreiben, das ihn just in diesem Moment der Realisation durchfahren hatte. Es gab keine Worte dafür. Es war so, als hätte er kein Herz mehr gehabt. Der Anblick seiner Halmurni hatte ihm nicht das Herz gebrochen, nein, sondern dieses völlig verschwinden lassen. Mit jeder Minute mehr war es unter schrecklichen Qualen zusammengeschrumpft, bis nichts mehr davon übrig gewesen war. Oh, es hatte so wehgetan. Bei der Beerdigung eine Woche später war sein Herz immer noch verschwunden gewesen, und er war davon überzeugt, dass man es gemeinsam mit seiner Großmutter vergraben hatte. 

Als er nach Seoul zurückkehrte, wo ihm urplötzlich all die Aufmerksamkeit zuteil wurde, war er noch ruhiger und erfüllte sogar noch mehr dieses Außenseiter - Image, als er es eh schon tat. Nur einmal am Tag seiner Rückkehr sprach er mit seinen Klassenkameraden und auch nur deshalb, weil er wiederholt gefragt worden war, was geschehen war. In diesem Moment hatte ihn einfach unbändige Frustration gepackt, sodass seine Antwort nicht ganz so freundlich gewesen war. 

»Als ob euch das ernsthaft interessieren würde. Sucht euch jemand anderen, dem ihr eure Sorge vorheucheln könnt.« Wutentbrannt war er aufgesprungen, hatte sich seine Thermoskanne und die Erdbeeren geschnappt, während seine Augen wie Raureif geschimmert hatten, bevor er verschwunden war und so getan hatte, als hätte er Bauchschmerzen, um nach Hause gehen zu können. 

Und heute war der erste Todestag seiner Großmutter. 

»Dein Vater und Ich müssen gleich zum Flughafen, Tae.« Der liebliche Sopran seiner Mutter hallte vom Elternschlafzimmer in das große Wohnzimmer, in dem es sich Taehyung bequem gemacht hatte. Er saß auf der roten, großen Couch, den Blick starr auf den großen Flatscreen gerichtet. Es lief eines dieser kitschigen K - Dramen, die Taehyung oft mit seinem Vater ansah, um sich über die Charaktere lustig zu machen oder um über die Plottwists zu lästern. Doch dieses Mal verdrehte er nicht wie gewohnt die Augen, als die grässliche Tusse der Serie mal wieder das Glück des Traumpaares manipulierte. 

Der junge Mann war nämlich in seinen Gedanken versunken. Er fragte sich, wie seine Eltern genau heute einfach eine zweiwöchige Geschäftsreise nach Japan unternehmen konnten. Nicht ein Mal hatten sie den Namen seiner Großmutter in den Mund genommen, sie hatten sie nicht annähernd erwähnt. Es war so, als hätten seine Eltern vergessen, dass ein wichtiges Familienmitlied vor genau einem Jahr von ihnen gegangen war. Doch Taehyung ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn das störte und verärgerte - denn sobald seine Eltern die Wohnung verlassen würden, hätte er die Möglichkeit, seine Oma so zu ehren, wie sie es verdient hatte. 

Jetzt trat sein Vater, dicht gefolgt von seiner Mutter, vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer. »Hier, das Geld.«, rief der Vater seinen Sohn zu sich, und Taehyung erhob sich, um die Scheine anzunehmen. Sein Vater gab ihm das Geld, das mehr als ausreichend war und Taehyung bedankte sich, bevor er seine Mutter zum Abschied in den Arm nahm und dann dabei zusah, wie sie sich ihre Jacken und Schuhe anzogen. Er hielt ihnen noch die Türe auf, als sie ihre Koffer in den Hausgang zogen, bevor er die Türe dann mit einem zaghaften Lächeln schloss. Das Lächeln verschwand jedoch, als die Türe einrastete und der junge Mann nun von Schweigen umhüllt war. Nur der Fernseher gab leise Geräusche von sich, als Taehyung wieder ins Wohnzimmer kam. 

Sein Blick glitt einmal über das gesamte Mobiliar und blieb dann bei Yeontan's Hundekorb hängen. Sein Hund sah ihn interessiert aus den kleinen Knopfaugen an, bevor er sich erhob und mit kleinen, tapsigen Schritten zu seinem Besitzer lief. Ein leises Bellen verließ seine Schnauze, und Taehyungs dünnen Finger strichen liebevoll über das Fell des Pomeraners, der sich an das linke Bein Taehyungs geschmiegt hatte. Am liebsten würde er immer so bleiben. Gemeinsam mit seinem Hund auf der Couch, irgendwelche Filme ansehen und Chips essen, eingekuschelt in seiner grauen Kuscheldecke und nebenbei mit Jeongguk und Jimin schreibend. Aber er hatte ja etwas vor. Und auch wenn sein Elan gesunken war und er am liebsten zuhause umherlümmeln wollte, so sagte ihm doch etwas tief in ihm, dass er das jetzt durchziehen musste. 

Seufzend ließ er von seinem Haustier ab und verschwand in sein Zimmer, um sich zumindest ein frisches Oberteil anzuziehen. Seine Hände griffen in den Kleiderschrank, und er zog einen braunen Pullunder hervor, den er dann mit einem weißen Hemd kombinierte. Er sah nicht einmal in den Spiegel. Es war nicht so, dass Taehyung nicht auf sein Äußeres achtete, jedoch hatte er einfach gerade eben keine Kraft, um sich unnötig mit seinem Erscheinungsbild zu erfassen, wenn andere Dinge doch so viel wichtiger waren als das. 

Seine Augen blickten bloß hinaus auf die Stadt, durch sein großes Fenster und überrascht musste er feststellen, dass es regnete.

 Eigentlich hatte der Wetterbericht für diesen Nachmittag Sonne vorhergesagt, doch anscheinend war der Himmel in einer genau so deprimierten Verfassung wie er. Er sah sich einmal in seinem Zimmer um. In diesem wunderschönen, aufgeräumten Chaos, an dessen Wänden alte Vinyl - Scheiben hingen, in dem sein schlichtes Bett, das direkt am großen Fenster stand durch den kleinen, braunen Teddybären dekoriert wurde und in dem sich auf seinem Schreibtisch, direkt neben seinem Notenständer, ein Stapel Briefpapier befand, der komplett vollgeschrieben war. Vorsichtig griff er nach dem Papier, das sich auf seinen Handflächen so viel schwerer anfühlte und las sich noch einmal die ersten Worte des Briefes durch. Er begann mit Liebste Oma und zog sich über fünf Seiten hinweg, aber Taehyung starrte nur auf einige der wunderschönen Lettern. 

Er hatte sich verdammt viel Mühe beim Schreiben gegeben. In seiner schönsten Schrift hatte er geschrieben, sodass jedes der einzelnen Zeichen einem kleinen Kunstwerk glich, und der junge Mann es eigentlich viel zu schade fand, diesen später in einer kleinen Flaschenpost auf die Reise zu schicken. Mit fliegenden Fingern faltete er die Papiere zusammen und verließ dann sein Zimmer, um in die Küche zu gehen. 

Manche würden vielleicht die nächsten Dinge als sentimental oder kitschig bezeichnen, doch für Taehyung war es eben eine Tradition, auf die er nicht verzichten konnte. Er öffnete den silbernen, großen Kühlschrank und holte eine kleine Packung Erdbeeren, die er dann auf der Küchentheke aufriss, in seine Brotdose gab und dann mit Zucker überschüttete. Währenddessen kochte er Milch auf und nachdem diese heiß geworden war, gab er sie gemeinsam mit Kakaopulver in eine Thermoskanne. Stolz betrachtete er sein Abendessen, das er heute mit seiner Großmutter in Gedanken zu sich nehmen würde. 

Er war fertig. Er hatte alles vorbereitet, die kleine Glasflasche stand auch schon bereit und Taehyung schnappte sich all seine Utensilien, bevor er sich im Flur seine Boots anzog und dann seinen langen, braunen Trenchcoat. Yeontan würde er zuhause lassen - zum einen hasste der Hund Regen und zum anderen war er schon vor knapp einer Stunde mit ihm Gassi gegangen. Taehyung schaltete den Fernseher aus, und klemmte sich dann seine Brotdose gemeinsam mit der Thermoskanne unter den Arm.

 Den Brief an seine verstorbene Großmutter verstaute er gemeinsam mit dem kleinen Behälter, der als Flaschenpost dienen sollte, in seiner einen Jackentasche. Nun wagte er sich doch, in den Spiegel zu sehen, der im Flur stand. Seine dunklen Haare lagen glatt auf seinem Kopf und versteckten zum Teil seine Stirn, die sich in zweifelnde Sorgenfalten gelegt hatte. Seine Augen schimmerten ein kleines bisschen, doch ob es wegen den Tränen war, die er nur zu gerne vergießen würde oder einfach nur so, wusste er nicht. 

Er holte den kleinen, schwarzen Regenschirm von der Garderobe, schnappte sich seine Schlüssel und holte einmal tief Luft. Er war nervös. Er war nervös, ängstlich, und hatte allgemein das Gefühl, dass irgendetwas schief laufen könnte. Sollte er die Erdbeeren nicht doch hier essen und den Kakao vor dem Schlafengehen schlürfen und einfach so seiner Großmutter gedenken? 

Auch wenn Taehyung das nur zu gerne tun würde, so wusste er doch, dass sich seine Großmutter gewünscht hätte, dass er an den Fluss ging. Sie hatte das Wasser geliebt, war häufig an den Nakdong - Fluss gegangen, um Ruhe zu finden, wenn sie Taehyung im Zentrum von Daegu getroffen hatte. Leider war er nicht in seiner Heimatstadt, deshalb musste wohl der Hangang hier in Seoul herhalten, aber der gute Will zählte ja. 

So verließ er also die Wohnung, schloss diese schön brav ab und trat dann hinaus in die regnerische und graue Welt, die trotz des schlechten Wetters wie immer emsig war. Menschen rauschten just an ihm vorbei, würdigten den jungen Mann keines Blickes - so, wie er es gewohnt war. Er spannte seinen Regenschirm auf, steckte sich seine AirPods ein und ließ sein zurzeit liebstes Musikstück laufen. Zu den Klängen von Clair de Lune machte er sich also mit gesenkten Kopf auf den Weg in den Park, direkt zum Fluss. Es würde einiges an Zeit dauern, bis er ankommen würde, ungefähr eine halbe Stunde, doch er verzichtete auf Bus und Bahn. Irgendwie hatte der Regen etwas Beruhigendes an sich, und erinnerte ihn nun an seine Großmutter und an all die klugen Dinge, die sie immer gesagt hatte. 

»Ohne den Regen könnten niemals unsere Blumen blühen, Tae. Vergiss' das nicht und sei dankbar, dass dir der Regen die Chance gibt, zu wachsen.« 

Taehyung lächelte beim Gedanken an diese Worte. Sie hatte immer eine tiefergehende Botschaft in ihren Weisheiten versteckt, die er meist erst dann begriffen hatte, wenn er sich genau in der Situation befunden hatte, die Harumni mit ihren Worten wie ein kaum sichtbares Aquarell in die Luft gemalt hatte. 

Der junge Mann sah sich um. Er befand sich an einer dieser großen Kreuzungen Seouls, an denen das Leben nur so strotzte, an der die Menschen vor sich hin eilten, als gäbe es kein Morgen mehr. Automatisch verstärkte sich sein Griff um den Regenschirm, als er sich unter all die Leute mischte, um auf eine der anderen Straßenseiten zu gelangen.

Taehyung sah viele Jugendliche. Meist liefen sie in kleinen Gruppen an ihm vorbei, allesamt lachend und häufig mit einem Kaffee oder ihrem Handy in der Hand. Obwohl seine Kopfhörer immer noch Clair de Lune spielten, so konnte er trotzdem Gesprächsfetzen aufnehmen. Viele spachen über neue Songs, unterhielten sich über die Schule oder schwärmten von ihrem Schwarm. Auch wenn Taehyung es gewohnt war, alleine durch die Stadt zu ziehen, so wollte er doch nur eines:  Das, was diese Jugendlichen hatten.

Freunde. Vielleicht sogar Liebe. 

Menschen in unmittelbarer Nähe, die seine Interessen teilten und ihn akzeptierten. War es wirklich so schwierig, in ihm mehr als nur den Außenseiter zu sehen? War es wirklich so kompliziert und anstrengend, sich einfach auf ihn einzulassen? Anscheinend schon. Somst wäre er jetzt genau jetzt nicht si alleine, nein, da wäre jemand neben ihm. Da wäre jemand, der den Regenschirm halten würde, weil er für Taehyung's zitternden Hände eigentlich schon viel zu schwer war, da wäre jemand, irgendjemand, der ihm genau  jetzt beweisen würde, dass er das nicht alleine durchleben musste. 

 Was hatten bloß all die anderen Menschen, das er nicht hatte? 

Was besaßen sie, das er nicht geben konnte?

Seine Boots wurden jäh durch eine große Wasserpfütze durchnässt, doch er lief weiter. Wenn er jetzt stoppen würde, würde er umkehren, das wusste er. Also lief Taehyung. Er lief und lief, und das Lied wechselte genau dreimal, bis eine liebliche, porzellanzarte Stimme sein Gehör durchdrang. Billie Eilish sang im nächsten Moment los, die melancholische Melodie erfüllte Taehyung's gesamten Körper. Das Lied hatte Jeongguk ihm empfohlen, und er konnte nur zu gut verstehen, wieso. Es war wunderschön, poetisch und so verdammt traurig, wenn Billie sang. »Isn't it lovely, all alone...« 

Taehyung griff in seine Jackentasche und betätigte den Lautstärkeregler seines Handys, um das Lied lauter zu schalten. Er hatte die Kreuzung überquert und mit einem letzten Blick nach hinten, direkt in die Menschenmenge, wollte er nun in eine Seitenstraße abbiegen - doch Kim Taehyung kam nie dazu. 

Er spürte, wie ein harter Körper gegen ihn stieß, und das mit so einer Wucht, dass der junge Mann stürzte. Wie in Zeitlupe rutschten ihm seine Brotdose mit den Erdbeeren und die Thermoskanne voller Kakao aus dem Arm und er konnte nur noch tatenlos und mit blankem Entsetzen dabei zusehen, wie das kleine Plastikdöschen aufsprang, eine Erdbeere nach der anderen aus dem Behälter direkt auf den dreckigen Boden purzelte. Der hohle Klang der aufprallenden Thermoskanne hallte in ihm nach wie ein endloses, schauriges Echo und Taehyung starrte fassungslos auf die roten Beeren, die im nächsten Moment vom prasselnden Regen benetzt wurden. 

Er konnte nichts dagegen tun, als ihm die Tränen über die Wangen rannten, als grausamer Kummer von seinem ganzen Körper Besitz ergriff, als sich all seine Entschlossenheit in Luft auflöste. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, um seiner Großmutter gerecht zu werden. Und nun? Nun lagen all diese Mühen im Dreck, mitten auf einem Bürgersteig in Seoul und Taehyung konnte sich die Idee mit seiner Tradition abschminken. 

»Oh Gott, das tut mir so leid. Bist du verletzt?« 

Eine raue Stimme riss Taehyung aus seiner Trance, und langsam wandte er den Kopf zu dem Typen, der in ihn gelaufen war. Die Haare des Unbekannten waren triefend nass, denn er hatte keinen Regenschirm, und so hingen ihm die blonden Haare ins blasse Gesicht, das kaum zu erkennen war. Der Kerl dachte wohl, dass er weinte, weil er sich beim Sturz wehgetan hatte - Aber nein. 

Taehyung weinte um die Erdbeeren, die er doch nur für seine Oma mitgenommen hatte. 

Er weinte um diese Frau, die er jetzt nicht mehr so ehren konnte, wie er es geplant hatte. 

Es zerriss ihn förmlich. Genau ein Mal hatte er eine Sache durchziehen wollen, und nun war er daran gehindert worden. 

Taehyung starrte in das Gesicht des fremden Jungens, der sich nun vor ihn hingekniet hatte. Sein Blick glitt zu der Brotdose, dann zu der Thermoskanne. »Bist du verletzt?«, fragte er wieder und ehe Taehyung reagieren konnte, hatte der Unbekannte nach seiner Hand gegriffen und strich nun sanft mit seinen langen, eleganten Fingern über Taehyungs nassen Handrücken. 

Er wusste nicht, was er von dieser Berührung halten sollte, aber sein überforderter Kopf schaltete bei dieser liebevollen Geste kurz. Also nickte er zaghaft, während die Tränen über sein Gesicht flossen, und der Unbekannte musterte ihn besorgt. »Wo tut es dir weh?«, erkundigte er sich und Taehyung nahm einen tiefen Atemzug, bevor er auf seine Brust deutete. 

»E - es tut im Herzen weh. Ganz d - dolle.« 

Der Fremde schien verdutzt, denn sein wunderschöner Mund verzog sich zu einem Oh, bevor er sich das hongiblonde Haar endlich aus dem Gesicht strich und Taehyung nun sein ganzes Gesicht zu sehen bekam. 

Und da erkannte Taehyung ihn. 

Das durfte doch nicht wahr sein. 

Seine braunen Augen weiteten sich in einer Mischung und Schock und bevor der andere reagieren konnte, sprang Taehyung auf, machte auf dem Absatz kehrt und rannte davon. 

Dass ihn ausgerechnet dieser Typ so sehen hatte müssen. 

Während er rannte, flogen die Briefblätter unbemerkt aus seiner Jackentasche und begannen einen traurigen Reigen mit dem Regen zu tanzen, der nur durch zwei schlanke Hände unterbrochen wurde, die nach dem Papier griffen. Der Fremde sah Taehyung bekümmert nach, die vor dem Unwetter geretteten Blätter an seine Brust gedrückt. Dann richtete sich sein Blick auf die  Erdbeeren, die nun einen matschigen Farbton annahmen, bevor er die Brotdose und die Thermoskanne aufhob. 

𝐔𝐧𝐝 𝐬𝐨 𝐤𝐨𝐥𝐥𝐢𝐝𝐢𝐞𝐫𝐭𝐞𝐧 𝐳𝐰𝐞𝐢 𝐖𝐞𝐥𝐭𝐞𝐧 𝐟𝐮𝐞𝐫 𝐳𝐰𝐞𝐢𝐞𝐢𝐧𝐡𝐚𝐥𝐛 𝐌𝐢𝐧𝐮𝐭𝐞𝐧

𝐰𝐞𝐠𝐞𝐧 𝐄𝐫𝐝𝐛𝐞𝐞𝐫𝐞𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐊𝐚𝐤𝐚𝐨

𝐌𝐢𝐧 𝐘𝐨𝐨𝐧𝐠𝐢 war niemand, der Neid oder Missgunst empfand, darin war sich jeder sicher. 

Denn wie sollte jemand, der schon ganz oben an der Nahrungskette stand und alles erreicht hatte, noch solche Gefühle empfinden? Wenn überhaupt wurde er beneidet. Viele seiner Freunde gingen sogar so weit, ihn mit einer Raubkatze zu vergleichen. Auch wenn er selbst nicht fand, dass man ihn mit einem Löwen oder einem Tiger asoziieren konnte, so tat es doch irgendwie die ganze Schule.  

Alle wussten zwar, dass er nur ein normaler Schüler war, eigentlich nichts Besonderes in dieser Welt, aber tatsächlich wurde er trotzdem besonders behandelt und geschätzt. Denn für seinen Jahrgang, für seine Schule, war er nämlich eines: 

Ein 𝐊𝐨𝐞𝐧𝐢𝐠. 

Ja, Min Yoongi war einer dieser Menschen, dem man die Welt zu Füßen legen wollte. Alle liebten ihn, jeder kannte seinen Namen; er war das Prachtstück der Schulgemeinschaft, das alle nur zu gerne anstarrten, wenn er in der Pause mit seinen Freunden seine Runden zog. Es war schon beinahe gruselig, wie ihm alle Augen folgten, wie sich Außenstehende wünschten, dass sie so sein konnten wie er, wie der große Star. Wenn er mit seinen engsten Freunden Namjoon, Hoseok und Seokjin durch den weitläufigen Hof schlenderte, wurde immer wieder sein Name geflüstert, man wank ihm zu und manchmal ging es sogar so weit, dass man ihm Essen anbot. 

Einige behaupteten ja, dass man das unbedingt tun musste. Immerhin war er ja der 𝐊𝐨𝐞𝐧𝐢𝐠, der all diese Aufmerksamkeit und Ehrfurcht genoss und auch verdient hatte. Er war nicht einfach Schulsprecher, weil er die Schule angenehmer machen wollte, er brachte die Trophäen für sein Basketball - Team nicht von den Spielen zurück, weil er einfach die Schulgemeinschaft stolz machen wollte, er überzeugte den Rektor nicht jedes Jahr zu aufwendigen Ausflügen, nur um seinen Mitmenschen etwas Gutes zu tun. Nein. Diese Gründe wären für einen König wie ihn viel zu simpel, er tat das angeblich alles, damit er verehrt wurde. Das war die einzige und zudem logische Erklärung für seine Großzügigkeit. 

Und alle waren davon überzeugt, dass er es liebte, im Mittelpunkt zu stehen. Dass er gerne das Wort ergriff, dass er gerne mal die Zügel in die Hand nahm und es ihm einfach Spaß machte, die Kontrolle zu besitzen, Menschen zurechtzuweisen und gut auszusehen. 

Doch die Wahrheit war - Min Yoongi tat das nicht, um Ruhm abzustauben. Er fand keinen Gefallen daran, dass ihn alle so anstarrten, dass er immer das Zentrum der Aufmerksamkeit war. Wenn der junge Mann ehrlich war und man ihn einfach Mal ernsthaft fragen würde, wie er das überhaupt fand, würde man wohl die Resignation, das Unbehagen in seinen katzenförmigen Augen sehen und realisieren, dass ihm das überhaupt nicht passte. Dass es absolut schrecklich war, wenn sich alle Blicke auf ihn richteten, dass sich sein Herz schon beinahe panisch verkrampfte, weil er es so sehr hasste. 

Und wieso er überhaupt diesen Ruf besaß, war Yoongi bis heute noch nicht klar. Er war als kleiner Junge von Daegu nach Seoul gezogen und war dann gemeinsam mit seinen Freunden auf die Mittelschule gewechselt, bevor sie nun auf der Oberschule dieses Jahr ihren Abschluss machten. Natürlich, Yoongi war freundlich, hilfsbereit und gut in der Schule, beinahe so begabt wie sein Kumpel Namjoon, aber er war nicht der Einzige, der diese Eigenschaften besaß. Er war vielleicht der Kapitän des Basketball - Teams, aber für diesen bedeutsamen Schritt hatte es Jahre gebraucht und zudem noch das Glück, dass der Trainer Hoseok nicht mochte, der eigentlich dafür vorhergesehen war; und Schulsprecher war er eigentlich nur vor zwei Jahren das erste Mal geworden, weil Seokjin nicht mehr antreten wollte und sein Klassenlehrer spontan ihn auserwählt hatte, um seine Klasse bei den Wahlen zu vertreten. Wenn man es so sah - sein Glück, sein Ruhm war auf den Leistungen und Misserfolgen anderer gewachsen. 

Und oh, wie schuldig fühlte er sich deswegen. 

Er sah doch, wie Hobi immer verzweifelter lächelte, wenn er als Captain die Pokale annehmen konnte, er sah doch, wie Seokjin immer schüchtern im Schülerkommitee dasaß und es sich abgewohnt hatte, sich für seine Ziele einzusetzen, er sah doch, wie Namjoon verbittert  den Blick senkte, wenn er für eine Klassenarbeit mehr Lohn einheimste, obwohl er gar nicht so gut gewesen war. 

Er sah das alles und sogar wenn er dagegen ankämpfte, alles tat, um seine Freunde glücklich und selbstbewusster zu machen, so brachte es ihn doch zum Verzweifeln, wenn sie alle abwinkten und das mit einem Lächeln abtaten und sich nicht trauten, mit ihm Tacheles zu reden.

Es verletzte ihn, dass ihn alle für einen Tyrannen hielten. 

Dabei war Min Yoongi weder ein König, noch ein Tyrann. 

Er war eigentlich ein ziemlich verschlossener Mensch, der nicht jeden in sein Herz ließ und wahnsinnig gerne Zeit alleine verbrachte. Er war nicht wie sein Bruder extrovertiert und aufgeschlossen, sondern ziemlich in sich gekehrt. Er malte unfassbar gerne Ölgemälde oder las interessante Bücher, die sich mit der Psyche befassten, er schmökerte auch in Yaois und hatte so auch herausgefunden, dass er pansexuell war. Er spielte Klavier und Gitarre, liebte die Musik von Eminem und schlief auch wahnsinnig gerne - dass er häufig wegen seinen Nickerchen nicht zu erreichen war, war in seiner Familie bekannt. 

Seine Familie. 

Auch wenn man es kaum glaubte, Yoongi's Familie hatte es nicht leicht. Deshalb war er auch niemand, der prahlte oder mit seinem Ruhm angab, niemand der sich über die anderen Schüler lustigmachte. Denn wenn die anderen wüssten, wie es in seiner Familie aussah, was hinter der perfekten Fassade des Königs steckte - 

so würden sie sehen, dass Min Yoongi sein eigener Sklave war. 

Denn seine Mutter war schwerkrank. 

Sie litt unter einer sehr seltenen Rückenmarkskrankheit, die ihr das Leben unfassbar schwer machte und eigentlich waren sie nur nach Seoul gezogen, weil es hier die besten Ärzte gab. Doch...woher hätte seine Familie wissen können, dass die Medikamente so verdammt teuer waren? 

Dass Yoongi's Vater nun noch härter arbeiten musste, als er es eh schon immer getan hatte, damit nicht das gesamte Geld für die Medizin verwendet werden musste? Auch wenn Yoongi sich nicht beschweren konnte, denn er führte ein einigermaßen angenehmes Leben, in dem er sich zumindest ab und an mal etwas leisten konnte, so war es doch schrecklich, dass sein Vater so viel arbeitete und trotzdem das Geld am Ende jeden Monates knapp war. 

Aber das sah keiner. Niemand in der Schule würde je auf die Idee kommen, dass der junge Mann jeden Tag mit Geldsorgen, mit einer schwerkranken Mutter und dem sozialen Druck zu kämpfen hatte. Niemand würde vermuten, dass sein süßes Lächeln doch nur eine Farce war und er es nicht verdient hatte, seinen Titel als König zu tragen, wenn er doch ein Sklave seiner eigenen, verzweifelten Gedanken war. Alle hielten ihn für extrovertiert, für eine gute und starke Persönlichkeit, aber Min Yoongi war genau das Gegenteil. 

Und doch ließ er sich als den König feiern. 

Die Erdbeeren waren eigentlich viel zu teuer gewesen. 

Und doch hatte Yoongi sie  gekauft. 

Er fühlte sich schuldig, denn er hatte natürlich den jungen Mann erkannt, in den er hineingelaufen war und dessen Erdbeeren dank ihm auf dem dreckigen Asphalt gelandet waren. Auch wenn Yoongi nie etwas mit ihm zu tun gehabt hatte, so hatte es ihm doch unfassbar leid getan, dass er so geweint hatte. 

Taehyung hatte wegen Erdbeeren geweint, und Yoongi versuchte daraus schlau zu werden. 

Er saß soeben auf seinem schmalen Bett, über dem einige Fotos hingen, und las in einem seiner Bücher. Das Licht seiner Nachttischlampe leuchtete in einem buttrig - weichen Schein auf das Buch, und während Yoongi versuchte, sich auf das Gelesene zu konzentrieren, prasselte der Regen weiterhin auf sein kleines Fenster. Doch irgendwie wollte das nicht so funktionieren, wie er es sich erhofft hatte. 

Die Begegnung mit Taehyung war nun schon drei Stunden her. Drei Stunden, seitdem er dem Jungen aus seiner Schule in die großen, schillernden Augen gesehen hatte und realisiert hatte, wer da eigentlich vor ihm stand. Zu Beginn hatte Yoongi ihn nicht erkannt - doch als Taehyung zu sprechen begonnen hatte, war ihm bewusst geworden, dass das nicht nur ein verdammt süßer Typ gewesen war, in den er dort hineingerannt war, sondern tatsächlich auch einer seiner Klassenkameraden. Einer der Klassenkameraden, mit denen Yoongi nichts am Hut hatte. 

Doch er kannte Taehyung. Auch wenn er nie mit ihm redete, so wusste Yoongi doch einiges über ihn, über diesen Jungen, dem keiner Aufmerksamkeit schenkte. Er wusste, dass Taehyung den Winter liebte. Immer wenn es zu schneien begann, glitt Taehyung's Blick nämlich aus dem Fenster, direkt zu den kleinen Flocken. Er sah, wie sich die Augen des Außenseiters freudig weiteten, und er sah auch, wie Taehyung immer klassische Musik anschaltete, wenn er vor Yoongi im Bus saß. Yoongi hatte auch bemerkt, dass er anscheinend gerne fotografierte und manchmal, da war er sogar neidisch auf seinen Kleidungsstil, denn Taehyung war immer großartig angezogen. Er hatte auch bemerkt, wie Taehyung häufig kurz grinste, wenn die Lehrer mal wieder seltsame oder sarkastische Kommentare von sich gaben. 

Er bemerkte all das und er hatte auch bemerkt, dass Taehyung eigentlich ein wundervoller Mensch war und der Drang, sich neben ihn zu setzen, war häufig schon so groß, dass sich der Blonde wirklich zusammenreißen musste, um diesem Wunsch nicht nachzugehen. Vielleicht hatte ihn deshalb auch das Agieren des anderen so aus der Bahn geworfen. Er war einfach so davongerannt, als er Yoongi erkannt hatte und hatte alles stehen und liegen lassen. Irgendwie konnte Yoongi ihn verstehen. Wenn man andauernd nicht beachtet wurde und dann in so einer sensiblen Situation war, konnte es wohl ein ziemlicher Schreck sein, wenn man urplötzlich dem Kerl gegenüberstand, der an der eigenen Schule so berühmt war. 

Seufzend schloss Yoongi das Buch, das er sich von Namjoon ausgeliehen hatte und starrte hinauf zu seiner kahlen Decke, bevor er sich wieder die zweieinhalb Minuten mit dem Außenseiter in Erinnerung rief. Auch wenn er das nie zugeben würde - Taheyung hatte ihn getroffen. Mitten ins Herz. 

Wie sein schönes Gesicht vor Traurigkeit verzogen gewesen war und sich seine salzigen Tränen mit dem Regen vermischt hatten. Wie seine tiefe Stimme so zerbrechlich gesprochen hatte, dass Yoongi augenblicklich ihn in den Arm hatte nehmen wollen. Wie seine Augen vor Schock groß geworden waren, bevor er weggerannt war und diese Blätter aus seinem Trenchcoat geflogen waren. 

Die Blätter. 

Yoongi lugte zu seinem hölzernen Schreibtisch, auf dem das ganze Papier lag, schön ordentlich und anständig sortiert. 

Er hatte es gelesen. 

Er wusste selbst, dass das eigentlich falsch war, dass das eine Störung der Privatsphäre war und dass das moralisch absolut inakzeptabel war, aber er hatte nichts gegen diese gewaltige Neugier tun können, und so hatte er auf dem Rückweg vom Laden die Worte gelesen, die Taehyung da verfasst hatte. Er würde nicht so weit gehen zu sagen, dass er geweint hatte, aber sein Herz hatte gewiss leise geknackst, so als hätte man es angebrochen. 

Es war seltsam. Taehyung hatte genau das erlebt, das Yoongi auch irgendwann durchmachen würde, wenn seine Mutter sterben würde. Irgendwie teilten sie ihr Leid - Er hatte diese gewaltige Angst in sich, dass seine Eomma jede Sekunde sterben könnte. Und Taehyung hatte diese Leere in sich, vor der Yoongi sich fürchtete. 

Und nun kannte Yoongi Taehyungs Geschichte. Er wusste, wie sich der Outcast fühlte und auch, wieso er vor einem Jahr so bissig auf die Fragen der anderen Schüler reagiert hatte. Er wusste nun, wieso er zwei Wochen lang von der Bildfläche verschwunden gewesen war und nun verstand er auch, wieso er immer gezuckerte Erdbeeren aß und heißen Kakao trank, sogar im Sommer. Yoongi wusste es nun und er verstand, dass es absolut falsch gewesen war, ihn dafür zu verurteilen oder ihn zu ignorieren.

 Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie es sein musste, das alleine durchzustehen, nur mit zwei Freunden in Busan und Eltern, die irgendwie immer nur auf Geschäftsreisen waren. 

Er verstand es, er begriff endlich die Geschichte hinter dem Gesicht, das alle so klammheimlich anstarrten. 

Und genau deshalb hatte er diese Erdbeeren gekauft, sie in den Kühlschrank gestellt und schon einmal das Kakaopulver für morgen bereitgestellt. Denn er hatte einen Plan. 

Der nächste Morgen begann wieder regnerisch, und der Schultag verging dieses Mal sogar sehr schnell. Taehyung war partout Yoongi's nervösen Blicken ausgewichen und hatte sich in den Pausen sogar auf der Toilette verkrochen, weil er Angst gehabt hatte, dass Yoongi ihn ansprechen könnte, direkt vor allen anderen. 

Doch Yoongi hatte andere Pläne. 

Als es endlich zum letzten Mal an diesem Schultag klingelte und wie gewohnt alle aus dem Klassenzimmer stürmten, hielt der König der Schule inne und stellte sich draußen vor der Türe auf. Er wusste, dass Taehyung immer etwas länger brauchte, und so lehnte er sich an einen der Spinde, während er in den Klassenraum blicken konnte, in dem Taehyung soeben stand und seinen hellroten Ordner akribisch einräumte. Yoongi musterte ihn aufmerksam, und so fiel ihm auch auf, wie rot seine Augen waren und was für tiefe Schatten unter ihnen lagen.  Auch erkannte er, wie eingefallen seine Wangen aussahen und auch wenn Yoongi nicht wollte, dass es so war, so zerbrach ihm dieser Anblick das Herz. 

Zu wissen, dass er daran Schuld war, weil er Taehyung bei seiner Mission einen Tag zuvor gestört hatte, machte das gewaltige Schuldgefühl nicht besser, das er verspürte. 

Da schloss der Außenseiter seinen dunkelbraunen Rucksack und schulterte diesen, bevor er mit gesenktem Kopf aus dem Raum ging. Beinahe wäre er an Yoongi einfach so vorbeigestürmt, doch der junge Mann agierte blitzschnell und griff sanft nach seinem Handgelenk. »Warte«, begann er und Taehyung wandte sich überrascht um, nur um direkt in das schöne Gesicht des beliebtesten Schülers zu sehen. Augenblicklich wollte er sich losmachen, denn oh gott, wie peinlich war ihm das alles, aber es war Yoongi's Blick, der Taehyung davon abhielt. 

Weder Spott noch Überlegenheit glänzten in den pechschwarzen Seen, die Yoongi's Augen waren. Da war nur eines, und das verstand Taehyung nicht. 

Verständnis. 

Yoongi wusste, dass er nicht viel Zeit hatte. Taehyung könnte sich jede Sekunde aus seinen Griff reißen und wieder davonrennen, so wie er es einen Tag zuvor getan hatte. Also machte er sich daran, die Lage zu erklären. »Ich weiß, das gestern war echt viel. Auch für mich und es tut mir so unfassbar leid. Ich kann es aber wieder gutmachen, Taehyung.«, redete er leise auf sein Gegenüber ein, das bei seinem eigenen Namen verwirrt den Mund öffnete. »Du weißt, wie ich heiße?«, hakte er schon beinahe perplex nach und Yoongi begann zu lächeln, denn er sah verdammt süß aus. Da nickte er, bevor er fortfuhr. »Kannst du mir vertrauen? Dann mache ich es wieder gut. Ich weiß, wie viel dir diese Erdbeeren bedeutet haben.«

Bei der Erwähnung der Erdbeeren zuckte Taehyung zusammen. Woher konnte Yoongi wissen, was er mit diesen Früchten verband, wieso er  diese so sehr liebte? Er senkte kurz den Blick, die Zahnräder in seinem Kopf ratterten. Er kapierte nicht, wie Yoongi darauf kam, dass ihm diese Erdbeeren so viel bedeutet hatten, aber das löste ein wohliges Gefühl in ihm aus. Wenn Yoongi wirklich wusste, wieso ihm das so sehr am Herzen lag, dann wäre das nicht nur verdammt seltsam, sondern auch irgendwie schön. Dass jemand etwas über ihn wusste, machte ihn doch  glücklich. 

»Vertraust du mir, Taehyung?«, wiederholte Yoongi da und riss den Jüngeren aus seinen Gedanken. Taehyung hob den Blick, und auch wenn er sonst wohl nicht der Meinung gewesen wäre, dass er dem Schulsprecher vertrauen konnte, so hatte dieser doch genau in diesem Moment etwas an sich, das Taehyung unfassbar beruhigte und entspannte. Nach wenigen Sekunden, in denen sich die beiden bloß in die Augen gesehen hatten, nickte er also und Yoongi seufzte, erleichtert. »Okay, gut. Dann komm' mit.« 

Yoongi verschränkte augenblicklich seine Hand mit der von Taehyung - zum einen, um sicherzustellen, dass er den Outcast nicht verlor, und zum anderen genoss er auch die zaghafte Berührung. Dann führte er ihn in den Regen, hinaus auf die Straße und packte einen Regenschirm aus, den er im nächsten Moment spannte, sodass er dann Taehyung unter den Schirm winken konnte. »Wohin gehen wir?«, erkundigte er sich neugierig, während Yoongi mit ihm in eine Seitenstraße bog, die direkt zum Park führte. Glücklicherweise lag die Schule nah an der großen Grünanlage, sodass die beiden nicht einen langen Marsch vor sich hatten. 

»Siehst du dann schon.«,erwiderte Yoongi sanft und warf ihm ein ermutigendes Lächeln zu, das Taehyung schlucken ließ. Er sah verdammt schön aus. Wie sein honigblondes Haar trotz des grauen Wetters wie ein Heiligenschein schimmerte, wie sein schönes, helles Gesicht voller Hoffnung war. Taehyung konnte nichts dagegen tun, als er die Hitze in seinen Wangen jäh aufkommen spürte und er starrte hinunter zu den verschränkten Händen. Yoongi's linker Daumen strich behutsam über Taehyung's Handrücken, während er den Jüngeren soeben über eine kleine Kreuzung zog, bevor sie an dem Eingang des Parks ankamen. 

In Taehyung regte sich eine leise Vorahnung, doch ganz sicher konnte er sich natürlich nicht sein. 

Was hatte seine Begleitung bloß vor? 

Schweigend durchquerten sie einen Teil des Parks. Sie liefen an anderen Passanten vorbei, die den beiden häufig ein kleines Lächeln schenkten - anscheinend dachten sie, dass die beiden Jungen ein Paar waren. Die Vögel zwitscherten, während der Regen auf den dunklen Schirm platschte, und nach einigen Minuten machte Yoongi Halt, direkt an einer Bank, die am Fluss lag. Er setzte sich hin, klopfte auf den Platz neben sich, bevor er Taehyung den Regenschirm in die Hand drückte und dann in seinem Rucksack umherkramte. 

Überrascht sah Taehyung dabei zu, wie Yoongi eine Brotdose und eine Thermoskanne auspackte, die beiden Utensilien dann auf seinen Schoß legte und noch fünf zusammengefaltete Papiere hervorholte, die in einer kleinen Flasche steckten. 

»W - was ist das?«, hauchte er überrascht, nachdem Yoongi seinen Rucksack neben sich abgestellt hatte und die Brotdose nun sanft auf Taehyungs Schoß legte. 

»Mach' einfach auf.«, forderte ihn der Honigblonde auf, und Taehyung tat wie geheißen. 

Seine Augen erkannten die rosarote Farbe sofort und auch die kleinen, weißen Kristalle, die auf der Oberfläche des Inhalts glitzerten. 

Gezuckerte Erdbeeren. 

Er sah auf. Sein Gegenüber hatte währenddessen die Thermoskanne aufgeschraubt und zwei Plastikbecher hervorgezaubert, die er nun befüllte. Der Duft des Regens wurde just von dem des lauwarmen Kakaos übertüncht und der junge Mann starrte sprachlos zwischen den Beeren und dem Getränk hin - und her. »Oh mein Gott..«, gab er von sich und Yoongi bemerkte, wie seine tiefe Stimme zu zittern begann. 

Seine Überraschung war gelungen. 

»Heute«, verkündete Yoongi feierlich, bevor er Taehyung einen Beicher reichte, »Heute feiern wir deine Oma. Ich habe sie nicht gekannt, aber ich bin mir sicher, dass sie genauso großartig wie ihr Enkel gewesen ist. Und jetzt: Auf deine Großmutter!« Vorsichtig stieß er mit seinem Plastikbecher gegen den des Außenseiters, und gemeinsam tranken sie dann einige Schlücke des Heißgetränkes. Dann deutete er auf die Erdbeeren, die auf Taehyungs Oberschenkel lagen und nahm sich dann eine aus dem kleinen Behälter heraus. 

Genüsslich biss er in diese, ließ sich den süßlichen Geschmack auf der Zunge zergehen - 

»Yoongi..«

Ein leises Schluchzen war zu hören. Bestürzt sah er zu dem jungen Mann neben sich und erkannte, dass dieser weinte. Oh nein. Eigentlich hätte er mit dieser Reaktion rechnen sollen, aber darauf vorbereitet war er trotzdem nicht. Er schluckte die Erdbeere hinunter, stellte seinen Becher ab, bevor er Taehyung seinen abnahm und dann den Jüngeren liebevoll in seine Arme zog. Schluchzer erfüllten die Stille, und Taehyung rutschte der Regenschirm aus der Hand, sodass die beiden nun dem Unwetter schutzlos ausgeliefert waren. »I - ich...woher weißt du das?«, fragte er verwirrt. »Woher weißt du das mit meiner Harumni?« 

Er war vollkommen überwältigt. Dass jemand so etwas für ihn tat, sich die Mühe machte, das alles organisierte, brachte ihn so aus der Fassung, dass er einfach weinen musste. Yoongi kannte ihn nicht. Die beiden ware keine Freunde, sie redeten eigentlich nie miteinander - und doch hatte sich der Ältere dazu entschlossen, das hier auf die Beine zu stellen, obwohl sie sich nur gestern getroffen hatten, ganz aus Zufall.  

Dankbarkeit erfüllte Taehyung's gesamte Seele, und er drückte Yoongi noch fester an sich, der leise lachend über das Haar des Jüngeren strich. »Der Brief.«, flüsterte er da, und langsam verstummte Taehyung. Er löste sich, sah auf die kleine Flasche mit den gefalteten Blättern hinab und dann zum Fluss.

 »Sie sind dir gestern aus der Jackentasche geflogen.«, fuhr Yoongi fort, und Taehyung erhob sich. Dieses Mal verband er seine Finger mit denen seiner Begleitung, bevor er nach der Flaschenpost griff und dann einmal zu Yoongi sah. »Weißt du..alles?«, fragte der Dunkelhaarige schüchtern, und Yoongi nickte leicht, bevor er seinen Kopf auf der Schulter Taehyungs ablegte. 

»Lass' es los, okay? Und dann lass uns von vorne beginnen.«, ermutigte er ihn sanft, und Taehyung holte nach einem letzten Blick zu Yoongi aus. Mit einem weiten Bogen flog die Flaschenpost in die Luft, segelte durch den Regen, bevor sie dann im Wasser landete. Die beiden Jungen schwiegen und starrten der Flaschenpost nach, bis sie in der Strömung endgültig verschwand. Sie schwiegen. Taehyung sah zu Yoongi, dessen Kopf immer noch auf seiner Schulter lag, und er lächelte leicht. 

Da erkannte er, dass auch der beliebte König weinte. 

»Wieso weinst du?«, flüsterte er besänftigend, und Yoongi, dessen Wangen ganz rot waren, zuckte mit den Schultern. Er schien mit sich selbst zu hadern, aber Taehyung spürte, dass auch er etwas auf dem Herzen hatte. Er führte den Älteren wieder auf die Bank, strich ihm das nasse Haar aus dem Gesicht und griff dann nach dem Regenschirm, um sich und den anderen vor der Nässe zu schützen. Yoongi sah in das Gesicht des jungen Mannes. Als er den sanften, liebevollen Blick Taehyungs spürte, war es um ihn geschehen. 

Er begann zu erzählen. 

Er erzählte von seinen Unsicherheiten, von seinem inneren Leiden, von seiner Mutter, von all den Dingen, die er sonst nie jemanden erzählt hatte. Er erzählte und erzählte, floh in Taehyungs Arme, als wären diese seine letzte Rettung. Sie tauschten sich aus. Taehyung berichtete von seiner Großmutter, vom dem Alleinsein und Yoongi hörte aufmerksam zu. Taehyuhg lauschte auch Yoongi gebannt, sog all seine Worte in sich auf und musste feststellen, dass mit jeder Minute die Schmetterlinge in seinem Bauch größer wurden. 

Er fühlte sich so viel besser. 

Stundenlang redeten sie, es wurde langsam dunkel und der Regen ließ endlich nach. Immer noch nieselte es, doch die beiden jungen Männer hatten den Regenschirm weggepackt, sich aneinandergelehnt und lachten soeben darüber, dass es vielleicht doch ganz gut war, dass Yoongi gestern in Taehyung gelaufen war. Der Dunkelhaarige griff in die Brotdose und holte die letzte Erdbeere hervor. Langsam schob er sie sich in den Mund und kicherte dann leise auf, als er Yoongis enttäuschten Blick bemerkte.  »Ich wollte auch noch eine. Die sind so lecker.«, jammerte er scherzhaft und Taehyung gluckste kurz, bevor er amüsiert das Gesicht seines Gegenübers musterte. »Ich kann dir leider die Erdbeere nicht zurückgeben, aber...ich kann dich sie schmecken lassen.« 

Ein überraschter Laut verließ Yoongi's schönen Mund, als Taehyung ganz langsam sein Kinn umfasste und den Kleineren näher an sich zog. 

Und bevor Taehyung weiter darüber nachdenken konnte, küsste er Min Yoongi. 

Als sie sich aus dem sanften Kuss lösten, bemerkte Yoongi, dass Taehyung rot geworden war und verlegen auf den Boden sah. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr seinen Körper, sodass er wie ein Depp zu grinsen begann. »Darf..ich nochmal schmecken?«, fragte da Yoongi und sobald Taehyung aufsah, spürte er wieder weiche Lippen auf seinen.  

Und das...wurde zu einer neuen Tradition. 

Am ersten Jahrestag ihrer Beziehung kamen sie genau an diesen Ort, mit Kakao und Erdbeeren, und mit jeweils einer kleinen Flaschenpost, die sie einander vorlasen und dann in den Fluss warfen.  Beim zweiten Mal gestanden sie sich ihre Liebe genau dort und beim dritten Mal ging Yoongi vor Taehyung auf die Knie. 

Wer hätte je gedacht, dass Erdbeeren und Kakao so eine Liebesgeschichte entstehen lassen könnten? 



𝐔𝐧𝐝 𝐬𝐨 𝐤𝐨𝐥𝐥𝐢𝐝𝐢𝐞𝐫𝐭𝐞𝐧 𝐳𝐰𝐞𝐢 𝐖𝐞𝐥𝐭𝐞𝐧 𝐰𝐞𝐠𝐞𝐧 

𝐄𝐫𝐝𝐛𝐞𝐞𝐫𝐞𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐊𝐚𝐤𝐚𝐨

꒰ 𝐟𝐮𝐞𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 ꒱

♡ 𝐄𝐍𝐃𝐄 ♡

Vielen Dank fürs Lesen! 

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