𝘱𝘳𝘰𝘭𝘰𝘨;;

die nacht war eisig kalt, der wind fegte durch die sauberen straßen seouls ;der mond stand hoch am himmel, doch jeon jeongguk konnte ihn durch die dichten wolken am dunklen firmament kaum sehen; nur die spitze der mondsichel war für den jungen mann zu erkennen.

er befand sich soeben auf den weg nach hause, nach seinem täglichen spaziergang in der nacht, und musste feststellen, dass seine jacke vielleicht doch etwas zu dünn war. dabei hatte auf seiner smartwatch doch gestanden, dass die temperaturen gar nicht so weit nach unten sinken würden.

sein vater hatte jeongguk erklärt, dass vielleicht der sensor an der smartwatch ein wenig beschädigt war; in zwei tagen sollte er eine neue bekommen. jeongguk seufzte leise auf und betrachtete nachdenklich die weiße atemwolke, die seine trockenen lippen verließ, ehe er auf sein handgelenk drückte.

nun erschienen drei große screens vor seinem gesicht, die sich immer dann bewegten, wenn es der siebzehnjährige auch tat, und mit flinken fingern tippte er auf einen der bildschirme, um den messenger zu öffnen. er erkannte, dass drei neue nachrichten von seokjin eingetroffen waren, die ihn nach der mathematik hausaufgabe fragten.

„alexis, ruf' notizen auf und schicke die letzte an kim seokjin.", befahl er seiner in der smartwatch eingebauten künstlichen intelligenz, die seinen wunsch sofort ausführte, ohne dass jeongguk einen finger hatte rühren müssen. alexis, das in seine uhr eingebaute programm, hatte nun seine lösungen an jeongguks besten freund geschickt. ganz entspannt lief er weiter, summte vor sich hin und entfernte die drei großen screens vor seinem gesicht durch ein erneutes drücken auf sein handgelenk.

es war schon spät, aber jeongguk machte das nichts aus. um diese uhrzeit war eigentlich niemand mehr unterwegs außer die obdachlosen, die durch die bezirke seouls streiften, um endlich einen schlafplatz zu finden. wahrscheinlich wurden sie dabei von den ordnungshütern immer wieder aus den hauseingängen verjagt und jeongguk stellte sich vor, wie er sich dabei fühlen würde.

„wir haben ihn viel zu empathisch gemacht", beklagte sich sein vater immer wieder bei seiner mutter, wenn jeongguk wiederholt das elend der unterschicht und der ausgestoßenen ansprach. seine mutter rollte dann gewöhnlich mit ihren wachsamen augen und zwinkerte ihren sohn zu, der sich nicht ernst genommen fühlte.

seit dem friedensschluss zwischen dem ehemaligen nord - und südkorea war die schere zwischen arm und reich exponentiell angestiegen und jeongguk war mit zwölf erschrocken, als er einen bericht über das leben der verstoßenen im fernsehen gesehen hatte. seitdem hatte jeongguk immer wieder seinen vater darauf angesprochen, doch der benutzte seine macht lieber weiterhin für das erfinden neuer gene, die man in die dna der künftigen generationen einbauen konnte und mit denen er ordentlich geld verdiente.

„beschissener kapitalismus", murmelte der schwarzhaarige und zog sich bibbernd seine kapuze tiefer ins gesicht, um sich vor dem wind zu schützen. jetzt lief er an einigen geschäften vorbei, in denen kleine roboter wache hielten. jeongguk blieb vor einem geschäft für hochmoderne künstliche intelligenzen stehen und starrte durch die glasscheibe in das innere des ladens. interessiert betrachtete er den kleinen roboter, dessen körper aus einem runden unterkörper mit rädern bestand, sein kopf war ein kleiner screen, auf dem ein gesicht zu sehen war.

soeben bog der roboter in die vorderste regalreihe ein; die hände der kleinen maschine hielten eine silberne taschenlampe, die ihren hellen strahl auf den gefliesten boden warf. das gesicht des roboters wirkte traurig, denn die mundwinkel waren nach unten gezogen und die augenbrauen berührten fast die augen des roboters. jeongguk erkannte, dass er „max" hieß, denn auf seinem unterteil war dieser name eingraviert.

nachdenklich wandte jeongguk den blick ab, und wollte sich schon aus dem staub machen, als er urplötzlich eine kalte hand auf seiner schulter spürte. „stehengeblieben", forderte eine tiefe stimme hinter ihm und jeongguk tat wie ihm befohlen. er wusste nicht, was er zu erwarten hatte, doch jeongguk suchte vorsichtig mit seiner linken hand nach dem knopf an seinem rechten handgelenk, um zur not den notruf zu wählen.

um diese uhrzeit war, wie er wusste, nur die unterschicht unterwegs und jeongguk befürchtete, dass ein obdachloser ihn erspäht hatte und nun ausrauben wollte. das war schon einmal jimin passiert, der sich nur hatte retten können, weil er weggerannt war, ehe der räuber ihn überwältig hatte. „dreh' dich um.", hörte jeongguk die tiefe stimme in diesem moment sagen und zögernd folgte der siebzehnjährige den anweisungen.

es war gewöhnlicherweise dunkel in seoul, wenn jeongguk um diese uhrzeit spazieren ging. tatsächlich schalteten sich alle straßenlaternen um mitternacht automatisch aus, damit nicht unnötig strom verschwendet wurde. dementsprechend erkannte der schwarzhaarige so gut wie nichts von dem fremden, der ihn zum stehenbleiben aufgefordert hatte; nur den kragen eines trenchcoats und zwei aufblitzende augen konnte er sehen.

schweigen trat ein, und der angebliche räuber räusperte sich unschlüssig. „tut mir leid, falls ich dich erschrocken haben sollte. ich wollte nur fragen ob...", er brach ab und seufzte kraftlos auf. jeongguk legte verwundert den kopf schief. er hatte mit allem gerechnet - drohungen, schimpftiraden, gezischte forderungen. deswegen starrte er auch perplex zum fremden, der ein kleines bisschen kleiner als er selbst war und den kopf gesenkt hatte.

er erhaschte einen blick auf dunkles haar, das sich der fremde aus dem gesicht strich und unter eine mütze schob, ehe dieser wieder zu sprechen begann. „hast du vielleicht ein wenig geld für mich? ich brauche welches für meine mutter..." die stimme verstummte augenblicklich, so als würde sie sich für seine bitte schämen. das war aber verständlich - jeongguk würde sich genauso fühlen. obwohl er alles besaß, fühlte er sich häufig schuldig, wenn er seine mutter um ein wenig geld fragen musste.

„n - natürlich", stammelte jeongguk mitfühlend los und drückte auf den knopf auf seinem handgelenk. die drei screens ploppten auf, und erleuchteten das gesicht des fremden, der überrascht zurückwich. jeongguk konnte nun sein antlitz sehen, und war erstaunt, denn der fremde schien in seinem alter zu sein. seine haare waren stumpf und glanzlos und seine wangen etwas eingefallen. es gefiel jeongguk gar nicht, wie deutlich er die wangenknochen erkennen konnte und welche tiefen schatten unter den braunen augen des anderen jungen lagen.

jeongguk schluckte den aufkommenden kloß in seinem hals herunter und rief dann alexis auf. „alexis, wie viel geld habe ich noch auf meinem bitcoin konto?", erkundigte er sich und seine künstliche intelligenz nannte eine recht hohe summe. der junge von ihm gegenüber gab einen erstaunten laut von sich und seine augen weiteten sich, sodass jeongguk das leben, das sie eigentlich beinhalteten, sah. er lächelte den jungen an. „wie viel brauchst du?", fragte er und der fremde zuckte mit den schultern. „ich weiß nicht...die medikamente meiner mutter kosten insgesamt 100 dollar."

der fremde lächelte schief. und jeongguk erkannte, dass dieser typ so traurig, so verzweifelt war, dass er es nicht einmal mehr hinbekam ein richtiges lächeln auf seinen mund zu zaubern. fühlte sich extreme traurigkeit so an? war die traurigkeit so schwer, dass man nicht einmal mehr seine mundwinkel heben konnte?

„wir haben ihn viel zu empathisch gemacht...", die worte seines vaters kamen ihm wieder in den sinn, und jeongguk schüttelte traurig den kopf. er konnte nichts dafür. seine eltern hatten seine dna verändern lassen, ihn - wie sein vater sagen würde -, zu einem weichei gemacht. „soll ich dir 200 dollar geben? ich weiß zwar nicht wieso, aber ich habe das gefühl, dass du das geld brauchen könntest.", erklärte jeongguk sanft und der andere legte den kopf schief. „mir reichen die 100 dollar komplett. sie braucht ihre tabletten gegen ms, weißt du? den rest...besorge ich anders."

„ms?", der fremde schmunzelte bei jeongguks verwirrten gesichtsausdruck und blickte dann hinab auf seine schuhe. jeongguk tat es ihm gleich und erkannte, dass er abgetragene lederboots trug. „multiple - sklerose. eine erkrankung der nerven.", antwortete er dann leise, so leise, dass jeongguk ihn fast nicht verstanden hatte. er wusste nicht, was er sagen sollte.

„du hast doch auch bitcoin, oder? ich übertrage dir das geld darüber, wenn das in ordnung ist.", flüsterte jeongguk in die stille. der junge nickte und drückte auf sein eigenes handgelenk. jedoch erschien nur ein mittelgroßer screen, anstelle von drei und jeongguk stellte fest, dass der fremde ein älteres smartwatch modell besaß. „alexis, übertrage 300 dollar auf das bitcoin - konto von...", er hielt inne und sah dem unbekannten in die augen, der sich mit seiner hand unbefangen am hals kratzte.

„...kim taehyung.", antwortete er.

alexis führte die überweisung aus, und taehyung tippte auf die nachricht, die nun auf seinem bildschirm erschienen war. „ich danke dir,.."

„...jeon jeongguk.", antwortete jeongguk.

kim taehyung nickte und verbeugte sich unbeholfen, ehe er seinen screen verschwinden ließ. jeongguk drückte auch auf sein handgelenk, die displays verschwanden; alles war wieder dunkel. kim taehyung nickte ihm ein letztes mal zu, bevor er sich abwandte und verschwand.

jeongguk starrte ihm nachdenklich hinterher, und er spürte, wie ihn das mitleid verzehrte - aber auch ekel. kim taehyung hatte nichts und wollte trotzdem nur das nötigste. und jeongguk hatte alles und wollte immer mehr.

„scheiß kapitalismus", murmelte jeongguk - und dann lief er nach hause.

𝘱𝘳𝘰𝘭𝘰𝘨 𝘦𝘯𝘥𝘦 𖦹

viel spaß mit dieser story <3

lasst votes und kommentare da !!

love, jeneh :)

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