Wɪʟʟᴀᴍɪɴᴇ ➰ Jᴇssɪᴇs Tʀᴀᴜᴍ

Will Herondale x Jessamine Lovelace
Vor der Handlung von Clockwork Angel

Dunkelheit umfing sie. Jessamine konnte nichts sehen, bis ihre Augen sich daran gewöhnt hatten. Dann erkannte sie die dunklen Umrisse eines Raumes. Einer, den sie seit vielen Jahren nicht gesehen hatte und der ihr trotzdem sehr bekannt war. Es war das Schlafzimmer ihrer Eltern.
Jessamine schlug sich die Hände vor den Mund. Seit nahezu sieben Jahren war sie nicht hier gewesen. Das letzte Mal war an dem Tag, an dem ihre Familie überfallen worden war und ihre Eltern gestorben waren.
Damals hatte sie sich hier versteckt.

Die Tür ging auf und ein kleines Mädchen rannte hinein. Jessamine erkannte sofort, dass es sie selbst war, weil sie ihr damaliges Lieblingskleid trug und die Puppe ihrer Mutter in Händen hielt. Ihre blonden Haare waren hochgesteckt.

Ihr jüngeres Ich nahm Jessamine nicht war, als ob sie nicht existierte.
„Jessie?", fragte Jessamine, doch diese begann zu singen. Immer die gleichen Töne immer und immer wieder. Jessamine erinnerte sich daran, dieses Lied in ihrer Kindheit oft gesungen zu haben. Die kleine Jessamine hörte nicht mehr auf zu singen. Unten waren laute Geräusche zu hören. Schreie. Schritte.
„Jessie?"
Die kleine Jessamine hörte sie nicht. Jessamine beobachtete sich selbst, als die Tür aufging. Die junge Jessamine rannte hinüber zum Bett und nahm die altbekannte Puppe in die Hand, die Jessie heute noch immer besaß.

„Jessamine, du brauchst keine Angst haben."
Es war Charlotte, nur viel jünger. Jessamine erkannte sie ohne Probleme. Sie war höchstens sechzehn Jahre alt und blickte ebenso an ihr vorbei, als wäre sie ein Geist. In diesem Traum schien sie auch einer zu sein, zumindest ihr gegenwärtiges Ich.
Mummy? Daddy?", fragte die jüngere Jessamine. Unten war es still. Viel zu still.
„Komm mit mir. Ich bringe dich in Sicherheit."
Aber die kleine Jessamine wollte nicht mit Charlotte mitgehen. Sie schüttelte stumm den Kopf und drängte sich in den Schatten.
„Ich will nicht weg."
„Du musst. Deine Mutter und dein Vater..."
„Sie kommen gleich und werden dich hier vertreiben. Du willst mir was tun, ich weiß es."
„Nein, will ich nicht. Deine Mutter würde wollen, dass ich dich hier wegbringe. Mein Name ist Charlotte Fairchild. Ich bin wie du."
„Wo sind meine Eltern? Und wie meinst du das?"
Kommentarlos schob Charlotte die Träger ihres Kleides zur Seite und entblößte ihre nackte Schulter. Die Rune des Engels war darauf zu erkennen.
„Nein, das bin ich nicht", sagte die jüngere Jessamine. „Ich werde nie so sein. Wo sind meine Eltern."
Charlotte schüttelte den Kopf und ging vorsichtig auf Jessies jüngere Version zu. Diese wich aber schnell zurück und Charlotte ließ es bleiben. Jessamine fiel auf, dass die Szene etwas anders verlief, als es damals der Fall gewesen war, aber im Grunde war es genauso passiert.
„Es tut mir so Leid, aber sie werden niemals kommen."
„Das ist nicht möglich. Mommy hat gesagt sie kommen mich holen. Bald."
„Jessie, das geht nicht. Sie sind tot."

Plötzlich keuchte Charlotte überrascht auf. Die kleinere Jessamine schrie auf, als sie bemerkte, dass deren Kleid plötzlich voller Blut war, die Augen vor Schreck geweitet. Etwas stimmte hier nicht. Die gegenwärtige Jessamine wollte ihr helfen, doch als sie Charlotte auffangen wollte, entglitt sie ihr. Sie war wirklich eine Art Geist, der nichts berühren konnte. Ein kaltes Lachen ertönte im Raum. Jessie sah sich erneut um und als sie sich wieder Charlotte zuwenden wollte, blickte sie direkt ins kalte, tote Gesicht von William Herondale.

„Du hast meinen Namen geschrien, Jessie", sagte eine Stimme neben ihrem Bett. Jessamine schreckte auf und blickte in das schadenfroh grinsende Gesicht von Will Herondale.
„Verdammt Will, was hast du in meinem Zimmer zu suchen?", fragte Jessamine und versuchte sich zu beruhigen. Alles war nur ein Traum gewesen. Erleichterung erfüllte sie. Nichts war real. Ihre Eltern waren tot, ja, aber ansonsten war alles wie immer.
„Wenn du das ganze Institut zusammenschreist, muss ich doch nach der jungen Lady sehen."
Jessamine kniff die Augenbrauen zusammen. „Mir geht es gut. Danke", sagte sie kühl.

Sie pflegte schon lange ein eher kühles Verhältnis mit Will. Allgemein redete sie nicht viel mit den anderen, weil sie sie immer an etwas erinnerten, was sie nie sein wollte. Schattenjäger. Ihre Eltern hatten dieses Sein mit dem Tod bestraft, so wollte sie nicht enden.

„Ach Jessie", meinte Will seufzend, grinste dann aber. „Du solltest dir wirklich angewöhnen, nicht gleich so hochnäsig und zickig auf jegliche Art von Hilfe zu reagieren."
„Ich kann es nunmal nicht leiden wenn ein Gentleman wie Ihr nachts in mein Zimmer eintretet ohne meine Erlaubnis", entgegnete Jessamine.
„Natürlich habe ich gefragt, aber keine Antwort erhalten.", sagte Will. Natürlich hatte er keine erhalten. Jessamine hatte schließlich geschlafen.
„Das ist nicht lustig, William", entgegnete Jessamine und funkelte ihn böse an.

„Ganz ruhig, wovon hast du denn geträumt?", wollte Will wissen. Er wusste, dass Jessamine zu schlecht gelaunt war, um ein anständiges Gespräch über dieses Thema führen zu können.
Sofort entspannten sich ihre Gesichtszüge und hatten beinahe etwas trauriges an sich. Die Erinnerung an die Nacht, inder ihre Eltern gestorben waren, war wieder präsenter als je zuvor.
Das dunkle Zimmer, die Puppe und Charlotte, die wollte, dass Jessamine ihr vertraute, obwohl kurz zuvor ihre Eltern imselben Haus von Dämonen ermordet worden waren.

„Das geht dich nichts an, Will", entgegnete Jessamine scharf. Sie wollte nicht darüber reden, keine Schwäche zeigen und schon gar nicht vor Will.
„Jeder hat vor etwas Angst, Liebes", meinte Will, was ungewöhnlich für ihn war. Er pflegte gewöhnlich zu behaupten, dass er vor nichts Angst habe und auch sonst nur schwer zu beeindrucken war. Er war der geborene Kämpfer, den man laut seiner Aussage nicht besiegen konnte und natürlich wusste Will alles besser.
„Du nicht", meinte Jessamine, die durch Wills plötzlich so freundlichen Tonfall ebenfalls vergaß, ihn anzugiften. Sie setzte sich auf. Das dünne Nachthemd entblößte ihre schneeweiße Haut und die blonden Haare schimmerten leicht im Mondlicht.
„Natürlich", sagte Will gelassen.
„Ach ja?", fragte Jessamine ungläubig.
„Nun, ich hege eine große Abneigung gegenüber Enten", erwiderte er schließlich und Jessamine verdrehte die Augen. Jedoch ertappte sie sich, wie sie lachte und der Traum langsam in Vergessenheit geriet. Will war unmöglich!
„Diese Frage war ernst gemeint", meinte sie schließlich und warf ein Kissen nach ihm. Doch Will wich ihm nur grinsend aus und stand auf. Jetzt, wo er so direkt vor ihr stand, war er durchaus attraktiv. Bestreiten konnte es niemand.
„Genau wie meine Antwort, liebste Jessie", sagte Will scherzend, zwinkerte ihr zu und verschwand in den Gängen des Londoner Institutes.

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