𝐄́𝐥𝐢𝐭𝐞 • class trip

LUCRECIA

Wenn man eine Eliteschule besuchte, dann erwartete man vor allem eines nicht: eine verdammte Klassenfahrt mitten ins Nirgendwo. Aber genau das passierte. Nachdem die Hälfte der Klasse einem Versuch startete sich abzumelden, setzte jemand das Gerücht in die Welt, dass die Teilnahme daran Pflicht sei. Zudem behauptete jemand, dass wir in einem fünf Sterne Hotel wohnen durften und es uns der Nähe einen Club gab - beides meiner Meinung nach nicht zu viel verlangt.

Wie sich herausstellte, wurden aus fünf Sternen nur drei, einen Club gab es nicht und mein Internet versagte schon beim Aussteigen aus dem Bus. ,,Verdammter Mist! Hast du Empfang, Carla?!", schrie ich über meine Klassenkameraden hinweg zu Carla, die sich anstelle um ihren Koffer zu holen. Wie sollte ich es eine Woche ohne Internet aushalten? Und dazu noch in dieser Kälte, wo mir die Fingernägel einfroren.

Bevor ich eine Antwort von Carla erhielt, mischte sich jemand anderes in unser Gespräch ein. ,,Sieh mal Lu...", meldete sich ausgerechnet Rebeka zu Wort, die genüsslich einen Kaugummi kaute und in ihrem bunten Jogginganzug in der Kälte stand. ,,Das hier nennt sich Natur. Soll ich es dir buchstabieren oder musst du es erst googlen?"

Ich funkelte Rebe finster an. ,,Soll ich "Stil" googlen? Das hat die Drogenprinzessin offensichtlich noch nicht verstanden, denn dieser Jogginganzug ist scheußlich."

,,Wenigstens trage ich Schuhe, mit denen meine Füße trotz Schnee trocken bleiben, Barbie Latina."
Ich sah auf meine Füße hinunter. Tatsächlich waren meine Schuhe nicht wasserabweisend und bestanden nur aus edlem Stoff, aber das würde ich vor Rebe niemals zugeben. Ihre Schuhe - weiße, robuste Stiefel mit breiten hohen Absätzen sahen zwar teuer, aber absolut scheußlich aus.

Glücklicherweise stellte sich in diesem Moment Carla neben mich und tippte genauso verzweifelt auf ihrem Handy herum. Offensichtlich hatte sie gerade eben festgestellt, dass wir heute keine Instagram Story mehr aufnehmen würden.

,,Wie lange ist es bis zum Hotel, Azucena?", fragte ich die Lehrerin am Vorbeigehen. So ungern ich es sagte. Hier, in der Nähe der Bushaltestelle, befanden wir uns mitten im nirgendwo. Welche Art von Schulausflug sollte das sein? Ich würde hinterher ganz bestimmt eine Beschwerde einreichen.

,,Eine Stunde", erklärte Azucena.

Ausnahmsweise waren Rebeka und ich uns einig. Keine von uns hatte Lust, eine verdammte Stunde zu einem zweitklassigen Hotel zu laufen und vier Tage dort verbringen. Ich lachte leicht. ,,Eine Stunde? Das kann nicht Ihr Ernst sein."

Es war Azucenas voller Ernst. Wir stapften eine verdammte Stunde lang in der Kälte herum, die Straßen waren eingeschneit und die Hälfte aller Anwesenden trug trotz der ausdrücklichen Aufforderung der Schule keine geeignete Kleidung. Den ganzen Weg über redete ich mit Guzmàn und Carla, obwohl 'ich beschwere mich über alles und jeden' es auch gut beschrieb.

Als wir dann endlich da waren, überzeugte mich das Hotel nicht im geringsten. Es lag am Rande einer Kleinstadt und die Tatsache, dass wir niemand anderem begegneten, erklärte schon alles was ich über diese Stadt wissen musste. Zweitens gab es keine Einzelzimmer für jeden mit eigenem Bad, sondern zweier- und dreierzimmer. Großartig. Ich hasste es jetzt schon.

,,Hat die Schule nicht mehr genug Geld um einen anständigen Ausflug zu organisieren oder wollen Sie uns damit quälen?", sprach ich meine Gedanken für die ganze Klasse stellvertretend an Azucena weiter.

Diese gab sich leider sehr unbeeindruckt davon. Es schien ihr nicht einmal leidzutun jemanden wie mich in der verdammten Hölle auszusetzen. ,,Dir und den anderen wird es guttun ein paar Tage an diesem Ort zu verbringen, Lucrecia. Dieser Ausflug wird eure Klassengemeinschaft stärken und es werden sich vielleicht neue Freundschaften bilden."
Ich pfiff auf die Klassengemeinschaft. Ich war an der Schule um die beste zu sein, nicht um mich mit Drogendealern wie Rebeka oder durchschnittlichen Leuten wie Samuel zu unterhalten.

Aber selbst ich konnte nichts dagegen tun. ,,Ich will mit Guzmán in ein Zimmer", forderte ich dann wenigstens.

,,Nein", antwortete Azucena.

,,Warum nicht?", mischte sich Guzmàn in meine Diskussion ein. Na endlich. Ich hatte mich schon gefragt, wann er endlich das Wort ergriff und mir beiseite stand.

,,weil Mädchen und Jungs getrennt schlafen werden", meinte unsere Lehrerin. Das verbreitete eine allgemeine Unruhe unter den Schülern. Carla neben mir verzog zwar keine Miene, aber sie sah ein bisschen genervt aus. Genau wie Guzmán, Polo, Cayetana und der Rest der Klasse.

Guzmán ergriff wieder das Wort. ,,Sind wir im Kindergarten?", fragte er Azucena.

,,Das frage ich euch. Es sind nur vier Tage", meinte diese und las dann über alle Proteste hinweg die Einteilung vor.

Später saß ich mit Carla und Rebeka in einem Zimmer fest. Mit Carla kam ich klar, aber Rebe würde anstrengend werden. Wir hatten ungefähr nichts gemeinsam (in meinen augen), ihre Art war unzivilisiert und sie rauchte bei geöffnetem Fenster, kaum dass wir uns einrichteten. Das Zimmer bestand aus mehr oder weniger einem Raum, in dem es glücklicherweise drei getrennte Betten gab. Eine weitere Tür führte zum Bad. Das Zimmer sah nicht luxuriös, sondern eher gemütlich aus. Boden und Decke bestanden aus Holz, die Matraze knarzte sobald man sich draufsetzte und in diesem Bad bekam man Platzangst.

,,Könntest du das Fenster zumachen? Es ist eiskalt", sagte Carla streng, als sie aus dem Bad kam und die kühle Luft spürte. Abgesehen davon war es unmöglich zu erfassen, was meine beste Freundin gerade dachte.

,,Schläfst du überhaupt hier? Ich war mir sicher, dass du in spätestens fünf Minuten das Zimmer verlässt, um mit Samuel zu vögeln", konterte Rebeka, schloss dann aber das Fenster und drehte die Heizung auf.

Das Problem mit drei Mädchen, die immer ihre Meinung sagten war, dass es nicht lange dauerte, bis Konflikte entstanden. Glücklicherweise ließ Carla die Dinge nicht so leicht eskalieren als ich. Obwohl sie gut kontern konnte, würde sie wegen dieser lahmen Aussage niemals anfangen zu schreien. ,,Du wirst mich nicht so schnell los", antwortete die Blondine und setzte sich elegant auf ihr Bett.

,,Wenn hier einer verschwindet, dann du", pflichtete ich natürlich Carla bei und hörte auf den Schrank einzuräumen, nachdem ich die Hälfte davon für meine Klamotten verbrauchte.

,,Meine Güte, ist das langweilig mit euch. Wollen wir etwas Spaß haben?", fragte Rebeka und setzte sich auf. Bisher hatte sie auf dem Bett gelegen und an die Decke gestarrt.

Ich hob die Augenbraue. ,,Ich werde nicht dein Gras rauchen", antwortete ich der drogenprinzessin. Ich hoffte für sie, dass sie in ihrer Tasche keine dabeihatte. Die Schule hatte es ausdrücklich verboten und mit etwas Pech gingen Carla und ich mit Rebeka unter. Auch verboten hatten sie auf dieser Klassenfahrt Alkohol und Sex - also so ziemlich alles, was Spaß machte.

Rebeka verdrehte die Augen. Die riesigen goldenen Ohrringe mit dem großen 'R' schwankten gefährlich und ich versuchte immer noch zu erraten, wie viele verdammte Muster dieser farbige Jogginganzug abbildete. Das Teil würde ich wahrscheinlich nicht einmal an Fasching anziehen. ,,Das Gras rauchen wir erst, wenn wir schon betrunken sind, Prinzessin", meinte sie - ich konnte wirklich nicht sagen ob sie Witze machte oder alles an ihrer Aussage ernst meinte. Dann aber griff sie in ihre Tasche, kramte darin herum und zog eine Flasche hervor. ,,Was haltet ihr von Tequila?"

,,Wir sind tot, wenn die uns erwischen", fuhr ich unsere Dealerin an.

,,Also ich könnte einen Schluck vertragen", antwortete Carla.

Ich drehte mich zu ihr um. Ich wollte mein Stipendium nicht unbedingt aufs Spiel setzen, obwohl dieser Tequila mich schon anlachte. ,,Bitte was? Bist du jetzt eine Verräterin, Carla? Willst du ihretwegen unnötigen Ärger bekommen?"
Genau das bedeutete Rebeka de Bormujo nämlich. Ärger.

Carla winkte ab und nahm Rebe den Tequila aus der Hand. ,,entweder wir haben Spaß oder sterben vor Langeweile. Ich wähle Variante eins. Lasst uns Spaß haben. Die Nachricht an die anderen ist schon raus."


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Teil 2 ist in Bearbeitung :)

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