𝗫𝗜𝗜 | alice
Warnung: In diesem Kapitel wird näher auf Alices Essstörung eingegangen. Es wäre wahrscheinlich weitaus schlimmer, wäre es aus ihrer Perspektive geschrieben, aber trotzdem will ich lieber auf Nummer sichergehen und es erwähnen.
Lest das nicht, wenn es euch triggern könnte.
Lest das nicht, wenn ihr Probleme mit dem Thema hat.
Benutzt Alices Verhalten nicht, um euer eigenes Verhalten zu entschuldigen, sondern holt euch Hilfe.
Wenn ihr in eurem Umfeld niemanden habt, mit dem ihr reden könnt, meine Nachrichten stehen euch immer offen, nur manchmal funktionieren sie bei meiner Version der App irgendwie nicht. Sonst könnt ihr mich auch jederzeit über Instagram erreichen, mein Name steht auf meinem Profil.
Ich will nur sicherstellen, dass meine Story bei niemandem der Trigger für irgendetwas ist. (und ich weiß nicht ob es möglich ist, aber eventuell werdet ihr Ellen hier nach noch mehr hassen. Mir geht es genauso tbh)
Kräuterkunde mit Ravenclaw. Scorpius hatte das Gefühl, er würde jederzeit zu einem Eiszapfen erstarren.
Rose war nicht hier, dass hieß, er durfte wieder einmal alleine arbeiten. Und nicht nur das; er spürte förmlich Lorcans Blicke in seinem Nacken, während er und Albus sich höchstwahrscheinlich gemeinsam über ihn beschwerten oder Albus ihm davon berichtete, dass Scorpius gestern Rose geküsst hatte.
Er schluckte; in naher Zukunft würde er hier sowieso nichts lernen und er hatte das Gefühl, er könne keine Sekunde länger still auf seinem Platz sitzen und so tun, als wäre nichts. Also hob er die Hand und wartete, bis Professor Longbottom auf seinem Rundgang, bei dem er überprüfte wie die Schüler vorankamen, bei dem Malfoy anhielt.
"Was ist los, Scorpius?", fragte Professor Longbottom. Er und Professor Finnigan waren die einzigen Lehrer an der Schule, die ihre Schüler mit den jeweiligen Vornamen ansprachen; ein weiterer Grund, aus dem sie bei den Schülern am beliebtesten waren.
"Kann ich bitte auf die Toilette gehen?", fragte er höflich. Der Professor nickte nur.
Die Toiletten im ersten Stock erreichte er erst seit geraumer Zeit, schließlich musste er den gesamten Weg hoch ins Schloss laufen. Er wusste nicht einmal, was er dort wollte, er wollte bloß weg von Albus.
Doch direkt als er den Raum betrat, hörte er ein Geräusch aus einer Kabine, das ihn stutzig machte; es klang, als würde sich jemand übergeben. Und danach roch es auch. Scorpius vergrub seine Nase im Kragen seines Hoodies, der Gestank nach Erbrochenem war eines der ekelhaftesten Dinge, die er je gerochen hatte.
Er klopfte an die Kabinentür. „Hey, alles klar?", fragte er die Person darin.
Stille.
Und dann hörte es sich an, als würde jemand weinen.
Scorpius runzelte die Stirn. Er würde diesen Typen ganz sicherlich nicht allein da drinnen weinen lassen, wer auch immer es war.
„Alohomora.", murmelte er und die Tür schwang auf. Im Inneren der Kabine war kein Typ.
Alice Longbottom saß zusammengekauert neben der Toilettenschüssel, ihr zierlicher Körper wurde nur ab und an von leichten Schluchzern erschüttert.
„Das ist die Herrentoilette.", sagte Scorpius und war sich dabei bewusst, dass er so ziemlich der unhilfreichste Mensch überhaupt war. Wie zu erwarten war reagierte Alice nicht auf diese nüchterne Feststellung und schluchzte nur weiter.
"Was ist los?", fragte er dann möglichst einfühlsam und setzte sich neben sie, wobei er den strengen, säuerlichen Geruch ignorierte, der die Kabine erfüllte.
Sie antwortete nicht. Wieso sollte sie auch? Er war Scorpius Malfoy und sie war, wenn ihn nicht alles täuschte, die aktuelle Freundin von James, der ihn zurecht verabscheute. Der Blonde bezweifelte, dass James Alice gegenüber von ihm geschwärmt hatte.
Wenn Alice merkte, dass er da war, so ließ sie sich nichts anmerken. Sie hörte nicht auf zu weinen, sie sah nicht einmal auf, auch wenn Scorpius' Körper auf dem gefliesten Boden leicht ihren streifte. Der Blonde hatte keine Ahnung, was er sagen sollte; Problemlösung war noch nie eine seiner Stärken gewesen, selbst wenn er noch so sehr versuchte, Menschen zu helfen. Um hilfreich zu sein musste man mit Menschen umgehen können, eine Fähigkeit die dem Malfoy verwehrt blieb.
Dann plötzlich schien Alice zu realisieren, in was für einer Situation sie sich befand. Ruckartig stand sie auf und stürmte aus der Kabine. Scorpius' Präsenz schien sie immer noch nicht zu interessieren, sondern sie ging lediglich zu dem Waschbecken und wusch sich einmal kurz ihr Gesicht. Als sie damit fertig war, ging sie endlich auf den Malfoy zu.
Alices Schuluniform war ihr zu groß. Die gebügelte Hose wurde nur von einem schwarzen Gürtel an ihren schmalen Hüften gehalten und das weiße Hemd war mindestens fünf Nummern größer als nötig. Sie sah nicht aus, als würde sie sich um sich selbst kümmern, in ihrem Gesicht waren einige Pickel zu finden und ihre ungekämmten Haare waren zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden worden.
Sie sah ihn entschuldigend an. "Tut mir leid, dass du das miterleben musstest. Aber ich flehe dich an, sag meinem Vater nichts. Er denkt ich habe aufgehört.", murmelte sie nur und vermied es Scorpius in die Augen zu sehen, der gerade von dem dreckigen Boden aufgestanden war.
"Alice, ich- wir kennen uns nicht, aber ich denke, ich sollte es ihm erzählen, er will ja nur dass es dir gut geht, verstehst du?" Alice sah ihn nun mit einem flehenden Blick in den haselnussbraunen Augen an.
"Bitte! Verstehst du das nicht? Ich kann so kurz vor meinem Ziel nicht aufgeben! Ich bin fast unter vierzig Kilo! Über die Ferien habe ich so viel zugenommen, aber ich bekomm das wieder runter." In ihrer Stimme schwang Nachdruck mit und ein Hauch von Ärger.
"Unter vierzig Kilo sind aber für jemanden in deiner Größe echt ungesund-", versuchte Scorpius zu beginnen, aber die Brünette schnitt ihm das Wort ab.
"Du hörst dich an wie mein Therapeut! Aber ihr versteht das alle nicht, ihr beiden. Ich bitte dich nur um eine Sache, Malfoy: Erzähl niemandem dass wir uns hier getroffen haben oder was ich gemacht hab. Danach müssen wir nie mehr reden, ich verstehe dass du mit einem Fettsack wie mir nichts zutun haben willst. Ich date James Potter, verdammt nochmal! Schau dir einmal seine Exfreundinnen an und dann sieh mich an! Ich bin fett und ein emotionales Wrack. Merlin, ich verstehe noch nicht einmal, was er von mir will! Aber ich weiß eine Sache, und zwar dass ich seinen Erwartungen gerecht werden muss. Kannst du das nicht verstehen? Nicht einmal ein klitzekleines bisschen?" Ihre Augen schwammen in Tränen und ihre Stimme war lauter geworden.
"Und weißt du, wer dir das bestätigen kann?", fügte sie dann hinzu, nachdem Scorpius eine Weile geschwiegen hatte. "Ellen." Der Malfoy verschluckte sich an seiner eigenen Spucke.
"Was hat sie dir gesagt?"
"Sie hat Witze darüber gemacht wie fett ich bin. Sie hat Recht! Wieso kann ich nicht wie Ellen sein?" Scorpius war baff.
Alice war zweimal dünner als Ellen, aber diesen Fakt mal beiseitegeschoben, was lief bei diesem Mädchen schief? Wie konnte jemand nur so ignorant sein?
Ich hab gehört, sie soll eine Essstörung haben. Bulimie.
Die Worte bahnten sich plötzlich den Weg aus Scorpius' Langzeitgedächtnis.
Ellen wusste davon.
Scorpius war sich sicher, noch nie so angeekelt gewesen zu sein.
"Glaub mir, du bist wunderschön.", meinte Scorpius nur. Alice schnaubte.
"Das sagst du, um mich aufzumuntern."
"Ja, aber es stimmt." Alices Haut mochte zwar unrein sein, ihre Haare ungepflegt und die Lippen spröde, aber sie hatte ein schönes Gesicht und sie sah so zerbrechlich aus mit ihren zu großen Klamotten und dem schmalen Körper.
Auf jeden Fall war sie hübscher als Ellen mit ihrem glitzernden Lipgloss, den riesigen, funkelnden Kreolen, den pingelig perfekt gehaltenen Nägeln und dem abstoßenden Charakter.
"Du bist nett, aber so läuft das nicht. Ich weiß, dass ich fett bin, okay? Ich kann mich im Spiegel sehen. Auch wenn ich wüschte, es wäre nicht so."
Scorpius schluckte.
"Sag es ihnen nicht." Ihre Stimme war nur noch ein leises Flehen. "Bitte."
Der Malfoy wusste nicht, was er sagen sollte. Also gab er sich geschlagen und nickte.
Alice lächelte, aber das Lächeln erreichte nicht ihre Augen, diese waren immer noch von unbändiger Trauer gezeichnet.
"Danke. Du bist nicht so schlimm wie James sagt." Und mit diesen Worten verließ sie die Toilette ein wenig wackelig. Scorpius wusste, dass es die falsche Entscheidung war, das geheimzuhalten, aber was sollte er tun?
Ginge er zu Professor Longbottom, würde Alice wahrscheinlich sagen, Scorpius sei ein Lügner, und natürlich zog man seine eigene Tochter immer vor, wenn es um Vertrauen ging. James redete nicht mit ihm - und ehrlich gesagt wollte er es auch nicht versuchen, er war nicht in Stimmung für eine Prügelei -, ansonsten kannte er niemanden, der Alice nahestand. Ihr Bruder Frank hatte letztes Jahr die Schule verlassen.
Deshalb entschloss er sich, anstatt dessen mit Ellen zu reden. Er war es müde, sich mit ihren unmoralischen Grundsätzen abzugeben, er wollte und konnte keine Sekunde länger in ihrer Gegenwart verbringen, ohne sich entgültig zu übergeben.
Mit einem Seufzer machte Scorpius sich jedoch erst einmal auf den Weg zur nächsten Stunde.
Nicht passierte den ganzen Tag lang, und Scorpius ignorierte wie immer die Blicke, die Albus ihm zuwarf. Traurig, wütend - wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Und wer konnte es ihm verübeln?
Aber was für eine Wahl hatte Scorpius?
Das Mittagessen verbrachte er allein. Er beeilte sich und versuchte, nicht zu Albus zu sehen, der sich anscheinend prächtig mit Roxannes Freundinnen verstand.
Jedes Mal wenn er Albus sah fühle er mehr als nur einen Stich in seinem Herzen. Es fühlte sich an, als würde das Organ chirurgisch entfernt werden und mit tausend Nadeln durchbohrt zurück in seine Brust kommen.
Wann war das endlich vorbei? Er bezweifelte, dass es einen Punkt gab, an dem Ellen genug hatte. Sie war jemand der breit lächelte, wenn man mental zerstört und innerlich komplett zerbrochen am Boden lag, und sagen würde: "Es fängt gerade erst an."
Nach dem Essen war er mit Rose in der Bibliothek verabredet. Er wollte mit Ellen reden, aber die beiden waren so gut wie nie allein, Rose schwirrte immer um Scorpius herum.
Deshalb beschloss er, sie einfach auf ein Wort in den Korridoren zu bitten.
"Was ist los, Scorp?", fragte sie. Es könnte daran liegen, dass er mittlerweile darauf gepolt war, dass alles an ihr falsch war, aber sie wirkte auf ihn nicht wirklich interessiert, sondern nur überheblich wie immer.
"Was stimmt nicht mit dir?", fragte er zähneknirschend. Sie quittierte das nur mit einem leichten Lächeln, das wohl überrascht aussehen sollte.
"Ich kann dir nicht folgen."
"Du weißt ganz genau, dass Alice Bulimie hat, wie kommst du auf die Idee es sei hilfreich, sich über ihr Gewicht lustig zu machen?" Ellen schien milde überrascht.
"Ich dachte nicht, dass es hilfreich ist, meine Güte Scorpius, ich hab einen Witz gemacht! Das Mädchen sieht aus wie ein Stock, ich kann nichts dafür wenn sie sensibel ist und überreagiert. Seit wann bist du übrigens in ihrem Fanclub?"
"Seit ich ein Mensch mit normalen Moralvorstellungen bin. Mal ganz im Ernst, was läuft falsch bei dir? Du erpresst mich, sodass ich mit deiner besten Freundin ausgehe, nur weil du Al nicht magst?"
"Gegenfrage: Was meinst du, welche Schuleule ist stark genug, um ein Tagebuch bis zu Rita Kimmkorn nach Hause zu tragen?"
Miststück.
Aber es war genug, um Scorpius zum schweigen zu bringen.
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