Ein Monat war zu Ende, es fehlten nur noch elf. 

Ja, Albus war nicht allzu angetan von seiner Zeit in Hogwarts. Er hatte seinen großen Bruder vielleicht einmal in den Korridoren gesehen, als ihm dessen Freunde mal wieder Beleidigungen nachgerufen hatten, Lily war auch wie vom Erdboden verschwunden und Rose verbrachte ihre Zeit lieber mit Scorpius als mit ihrem Cousin. 

Scorpius. Er war der einzige, der Albus' Schulzeit einigermaßen erträglich gestaltete, aber an Albus nagte die Sorge, dass dies nicht von Dauer sein würde. Er wusste nicht, ob es Einbildung oder Wirklichkeit war, aber er schien sich immer mehr von dem Malfoy zu distanzieren und es wirkte so, als könnte er nichts dagegen tun. 

Aber er wollte sich nicht von ihm distanzieren. Scorpius war sein bester Freund, der beste Freund, den man sich wünschen konnte, und ohne ihn würde Hogwarts und auch alles andere unerträglich sein. 

Albus wusste, dass Scorpius nahezu perfekt war. Er fing nie Streit an, war hilfsbereit und empathisch und wollte dafür sorgen, dass es jedem gut ging. Er war liebenswürdig, gutherzig, und schlicht und ergreifend bewundernswert. Jeder wäre gerne mit ihm zusammen. Wenn Albus ein Mädchen wäre, würde er sich ohne mit der Wimper zu zucken in ihn verlieben. 

Er lachte bitter auf bei diesem Gedanken. Wahrscheinlich war Rose in ihn verliebt. So wie sie sich ihm die ganze Zeit an den Hals warf.

Er erinnerte sich an die Tage vor vielen Jahren, als Rose und er ein unzertrennliches Duo gewesen waren. Sie hatten sich beim Fangenspielen miteinander verbündet und jedes Mal gewonnen, egal wie sehr Lily sich beschwert hatte, dass das gegen die Regeln war. Sie hatten gemeinsam geplant, wie es nach Hogwarts weitergehen sollte; Rose wollte die nächste Zaubereiministerin werden und Albus ihr Assistent. 

Und jetzt? 

Jetzt stahl Rose Albus' besten Freund. 

Es war Samstag. Scorpius hatte sich vor gut einer Stunde verabschiedet mit den Worten: "Ich treffe mich jetzt mit Rose in der Bibliothek zum Lernen, du kannst auch kommen wenn es dir besser geht!" 

Albus hatte Kopfschmerzen vorgetäuscht, um nicht mitkommen zu müssen. Er fühlte sich allein für diesen Gedanken selbstsüchtig, aber er hatte doch sehr gehofft, dass Scorpius dableiben würde, um sich um ihn zu kümmern. Auch, wenn er nicht einmal Kopfschmerzen hatte. 

Aber nein, anstatt dessen saß er jetzt mit Rose in der Bibliothek. Allein. 

Albus hasste diesen Gedanken. 

Ein Trick, den Lily ihm beigebracht hatte, als er sich in den Ferien drei Tage lang geweigert hatte, sein Zimmer zu verlassen, weil Scorpius ihm nicht zurückgeschrieben hatte, war, spazieren zu gehen, um auf andere Gedanken zu kommen. Es war eine Idee, auf die er eigentlich auch selbst hätte kommen können, aber er war Lily trotzdem dankbar für den Tipp, denn es funktionierte eigentlich immer ganz gut, wenn ihm mal wieder die Eifersucht über den Kopf stieg. 

Du bist das Problem., sagte eine kleine, lästige Stimme in seinem Hinterkopf, als er sich vom Bett aufrichtete. Wärst du nicht so besitzergreifend, würde Scorpius liebend gern mit dir Zeit verbringen. 

Er verdrehte die Augen und ignorierte sein Unterbewusstsein, auch, wenn es wahrscheinlich einen guten Punkt hatte. Aber Ziel dieses Spaziergangs war es, seine Probleme zu vergessen und nicht, sie zu reflektieren. 

Er kletterte aus dem Portraitloch in die dunkeln Korridore nahe den Kerkern und machte sich auf den Weg auf die Ländereien. Einen Moment lang dachte er darüber nach, anstatt dessen in die Bibliothek zu gehen, verwarf diesen Gedanken aber schnell wieder. 

Draußen neigte es sich allmählich dem Herbst zu. Die Blätter der Bäume hatten bereits einen leichten Gelbstich und trotz des Sonnenscheins wehte ein kalter Wind, was die Schülerschaft allerdings nicht davon abhielt, ihren Samstagnachmittag am schwarzen See zu verbringen. Ein paar Idioten waren sogar darin Baden. Auf den zweiten Blick stellte Albus fest, dass einer dieser Idioten James war. 

Schön, dass er Spaß mit seinen Freunden hatte. Aber es wäre noch schöner, wenn er sich hin und wieder erkundigen würde, ob seine Geschwister noch lebten. 

Albus versuchte, sich auf andere Gedanken zu bringen. Gedanken, die seine sowieso schon schlechte Laune nicht noch mehr hinunterzogen. 

Schöne Blumen. 

Eine Szene entstand in seinem Kopf, in der Scorpius die Blumen pflückte und sie Rose schenkte.

Das klappte nicht.

Im Endeffekt machte er nur sich selbst verrückt. Wahrscheinlich waren Rose und Scorpius nur sehr gute Freunde. Wenn Scorpius Gefühle für sie hätte, hätte er das Albus erzählt. Hätte er das?

Natürlich. Die beiden waren beste Freunde. Nicht mehr lange, wenn du dich weiterhin so verhältst.

Er verhielt sich nochmal. Scorpius und Rose sind nur Freunde.

Den letzten Satz wiederholte er wie ein Mantra. Scorpius und Rose sind nur Freunde. 

"Scorpius und Rose sind nur Freunde.", murmelte er leise zu sich selbst. Zum Glück war er mittlerweile in der Nähe des verbotenen Waldes, fernab von den Gruppen an Schülern, die sich am See und in dessen Nähe versammelt hatten. 

Wieso interessiert es dich so sehr?, fragte eine Stimme aus seinem Hinterkopf, die sich verdächtig wie Lily anhörte. Scorpius wird schon nicht aufhören, dein Freund zu sein, selbst, wenn er mit Rose zusammenkommt. Und irgendwann wird er eine Freundin haben, Rose oder nicht, und du wirst damit klarkommen müssen. Du weißt, dass er attraktiv ist. Viele Mädchen würden mit ihm zusammen sein wollen. 

"Ich will aber nicht, dass er eine Freundin hat.", murmelte Albus eingeschnappt. Toll, jetzt redete er schon mit sich selber. Das mit dem spazieren-gehen-um-auf-andere-Gedanken-zu-kommen schlug gerade ein wenig fehl.

Stell dir mal vor, wie glücklich er mit Rose wäre. Nein, das wollte sich Albus gerade eigentlich nicht vorstellen. 

"Rose und Scorpius sind nur Freunde!", sagte er nun etwas lauter und hoffte, dass sich niemand hinter den Büschen befand, an denen er gerade vorbeischlenderte. 

Sie wären das perfekte Paar. Nächstes Schuljahr werden sie wahrscheinlich beide Vertrauensschüler. Draco und Ron wären stolz, trotz der Familienfehde. Vielleicht würden sie sich sogar versöhnen wegen den beiden. Rose hat gute Noten und ist außerordentlich ambitioniert. Und du? 

Was hast du, dass Rose Scorpius nicht bieten könnte?

Diese Gedanken taten weh, aber was mehr wehtat, war die Wahrheit, die sich dahinter verbarg. Es stimmte. Jedes einzelne Wort davon. Albus war eine Enttäuschung in jeder Hinsicht. Aber Rose... 

Er wusste, dass sie ihm nichts getan hatte. Gott, sie zeigte ja noch nicht einmal ein romantisches Interesse an Scorpius. Wieso war er eifersüchtig? 

Wieso interessiert es dich so sehr?, wiederholte sein Unterbewusstsein die Frage. 

Scorpius ist mein bester Freund. Natürlich interessiert es mich. 

Solltest du dich nicht für ihn freuen?

Wer würde sich bitte für seinen Freund freuen, wenn er eine Freundin bekommt?

Jeder. Das machen Freunde so. 

Albus atmete einmal tief ein und aus, ein verzweifelter Versuch, sich zu beruhigen. Aber es funktionierte nicht. Es half alles nichts, und mittlerweile wurde ihm kalt. 

Seine Gedanken waren ein einziges Chaos, aber er beschloss, das Nachdenken für's erste zu verschieben und wieder ins Schloss zu gehen. Er konnte entweder in seinem warmen, gemütlichem Bett Trübsal blasen oder hier in den kalten, ungemütlichen Ländereien. Also kehrte er um. 

Seine Gedanken schienen sich in Spiralen zu drehen, in der Mitte eine einzige Frage. Wieso interessiert es dich so sehr?

Allmählich war er sich nicht mehr sicher, ob er die Antwort kannte. 

Gedankenversunken machte er sich auf den Weg zurück in den Gemeinschaftsraum. 

Er hörte die Stimmen, bevor er sie sah. 

triggerwarnung: erwähnungen von rassismus/homophobie

"Vielleicht mag sie mich einfach lieber." Der provokante Unterton kam ihm bekannt vor, aber er konnte ihn nicht genau zuordnen. 

"Tut sie nicht. Sie kann dich nicht ausstehen.", erwiderte ein anderer Junge in einem sauren Tonfall, dessen Stimme Albus unbekannt war. 

"Und wieso kommt sie dann immer zu mir, wenn du dich wieder mal wie ein Vollidiot aufgeführt hast? Mal ehrlich, versuch, kein Arschloch zu deiner Freundin zu sein, und vielleicht wird sie dich ranlassen. Obwohl, ich glaube, nicht mal dann hättest du Chancen." 

Albus kam gerade rechtzeitig um die Ecke, um zu sehen, wie der größere der beiden Jungen den anderen gegen die Wand schlug. 

"Sag das nochmal."

Aedan. Was tat er hier und wieso hatte er Stress mit diesem Jungen? Albus runzelte die Stirn. 

"Gerne. Du bist ein kompletter Vollidiot und noch dazu meilenweit unter Zara's Niveau. Vielleicht solltest du außerdem mal in Betracht ziehen, zu duschen."

Die Antwort des Größeren war gezischt, gerade so, dass Albus sie noch vernehmen konnte. 

"Geh zurück in dein Land und lass mich und meine Freundin in Frieden."

Aedan schnaubte. "Unoriginell. Fällt dir keine bessere Beleidigung ein?"

Jetzt war der Angreifer anscheinend erfolgreich zur Weißglut getrieben. Er holte aus zum Schlag, und Albus wurde klar, dass er allmählich aufhören sollte, wie eine Salzsäule daneben zu stehen. 

"Stupor!", rief er. Die beiden Jungen drehten sich erschrocken zu ihm um, gerade, als der Angreifer mit voller Wucht nach hinten flog. Wie durch ein Wunder landete Aedan nicht mit voller Wucht auf dem Boden, sondern mit einer unerklärlichen Eleganz auf seinen Füßen. 

"Albus?", fragte er, nachdem der Junge ins schummrige Licht der Kerkerlampen trat. 

"Hi.", erwiderte der Potter nur leise. "Alles klar?"

"Ich hab schon Schlimmeres erlebt und gehört.", sagte er mit einem Schulterzucken. 

Mittlerweile hatte sich der andere Typ aufgerichtet. "Du bist doch James' Bruder?", fragte er ungläubig. 

Er kannte also James. Das war keine große Überraschung. Wahrscheinlich einer der zwielichtigen Freunde, mit denen er sich abgab, denen "Vollidiot" praktisch in Großbuchstaben auf die Stirn geschrieben stand.

Albus nickte, nicht sicher, was er zu erwarten hatte. 

"Also ist das wahr? Du bist echt schwul?", Er lachte ungläubig. Albus runzelte die Stirn, aber bevor er etwas erwidern konnte, redete der Typ weiter. 

"Ich hab's ja am Anfang nicht geglaubt, weil du James' Bruder bist und alles und er ist echt cool, aber jetzt..."

Er kam nicht dazu, weiterzureden. Im Bruchteil einer Sekunde trat Aedan nach vorne und schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht, sodass er erneut hintenrum umfiel. 

"Jetzt sind wir quitt."

Albus war beeindruckt davon, wie neutral Aedans Gesichtsausdruck die ganze Zeit hinweg über geblieben war. Er zeigte nicht einmal die Spur einer Emotion. 

"Tut mir leid, dass er dich beleidigt hat."

In Al's Hinterkopf begann, einer von Roses Monologen abzulaufen. 

"Das war keine Beleidigung.", sagte er wie von selbst. 

Aedan runzelte die Stirn. "Mein Vater hat es aber immer als Beleidigung benutzt."

"Schwul ist nur eine Beleidigung, wenn man es zu einer Beleidigung macht.", zitierte er Roses Worte. Aedan schien weder sonderlich überzeugt noch sonderlich interessiert an dem Thema. 

"Wie auch immer. Was machst du hier so spät draußen ohne den anderen?" Die beiden Slytherins setzten sich in Bewegung in Richtung Gemeinschaftsraum und ließen dabei den bewusstlosen Jungen im Gang liegen. 

"Du meinst Scorpius?" Aedan nickte. 

"Er ist... bei einer Freundin.", erwiderte und versuchte, seine Stimme nicht allzu bitter klingen zu lassen. Erfolglos. 

"Die Rothaarige? Das scheint dich anzupissen, hast du was gegen sie?" Albus sah ihn von der Seite her an; entweder, Aedan war einfach eine apathische Person, oder er interessierte sich einfach kein Stück für Albus, denn auf seinem Gesicht war immer noch nicht die kleinste Spur irgendeiner Emotion. 

"Ich hab nichts gegen sie. Sie ist meine Cousine.", murmelte er. 

"Das heißt doch nicht, dass du sie mögen musst. Manchmal nervt mich meine kleine Schwester auch." Er stoppte einen Moment. "Nein, das tut sie eigentlich nicht. Aber sie ist auch praktisch ein Engel."

"Du hast eine kleine Schwester?", fragte Albus, froh über den Themenwechsel. 

"Ella. Sie wurde dieses Jahr eingeschult."

Grob erinnerte sich Albus an ein zierliches Mädchen am ersten Schultag, die nach allen Erstklässlern eingeschult wurde. Sie hatte ihn an jemanden erinnert, dem man auf einer Wiese in Süditalien beim Blumenpflücken begegnen würde. 

"Sie ist gerade in der zweiten Klasse."

"Wieso wurde sie jetzt erst eingeschult? Und wieso ein Jahr nach dir?"

"Du solltest nicht so viele Fragen stellen, oder ich beginne dich darüber auszuquetschen, was du gegen deine Cousine hast."

"Ich habe nichts gegen Rose." Das stimmte. Rose hatte ihm nichts getan, außer, Zeit mit Scorpius zu verbringen. Was völlig legitim war. Scorpius gehörte Albus nicht, und er konnte seine Zeit verbringen, mit wem er wollte. 

Aedan wirkte nicht so, als würde er Albus dies abkaufen, aber schien sich auch nicht groß weiter für den Sachverhalt zu interessieren.

"Was war eigentlich los auf dem Gang? Was hatte der gegen dich?"

"Irgendwas bescheuertes. Aber ich kann sowieso weder ihn noch seine Freundin leiden, also interessiert mich das auch nicht wirklich." 

Keiner der beiden sprach mehr, bis sie den Schlafsaal erreichten. 

Scorpius lag auf seinem Bett, konzentriert auf ein Buch, und zuckte leicht zusammen, als die Tür aufging. 

"Albus!", begrüßte er den Potter begeistert, und verengte seine Augenbrauen, als er registrierte, dass dieser nicht alleine war. 

"Aedan?", fragte er überrascht. 

"Wir sind uns... über den Weg gelaufen.", meinte Albus. Scorpius sah immer noch verwirrt aus, schien aber nicht mehr darauf eingehen zu wollen. 

"Wie war es mit Rose?", fragte Albus, während er sich auf sein eigenes Bett setzte und die Schuhe auszog. 

"Schön.", erwiderte Scorpius und sah weiter auf sein Buch. 

"Gut.", antwortete Albus. 

Aedan zog seine linke Augenbraue hoch und sah die beiden Jungen an, bevor er leicht den Kopf schüttelte und ins Badezimmer ging. 

zwei kapitel an einem tag? applaus bitte

und ja, während ich albus' inneren dialog geschrieben habe, habe ich heather gehört. der song erinnert mich sehr an die beiden und rose, muss ich sagen. 

hab ich schon erwähnt dass ich in quarantäne bin und deshalb irgendwie zu viel zeit habe? (ich hatte allerdings keine lust, mir das kapitel nochmal durchzulesen, also sorry falls es schlecht ist oder dumme fehler enthält.)