∭ Kapitel 11 ∭

Viele weitere endlose Minuten später, Jungkook hatte längst aufgehört, die Zeit noch irgendwie zählen zu wollen, wurde die Luft in dem Aufzug langsam stickig. Zwar behiehlt Yoongi Recht damit, dass ersticken hier drinnen ausgeschlossen war, aber frische Luft war definitiv etwas anderes.

Taehyung saß noch immer angelehnt an Jungkook, der sich sehr schnell daran gewöhnt hatte, von dem hübschen jungen Mann als Kissen missbraucht zu werden. In Gedanken versunken lauschte Jungkook einfach Taehyungs ruhiger, gleichmäßiger Atmung. Allem Anschein nach brauchte dieser grade einfach etwas Ruhe, um sich von den zwei Panikattacken zu erholen. Bei Jungkook schien er sich sicher genug zu fühlen, um sich vom Schlaf übermannen zu lassen. Und der war darüber einfach nur froh.

Gedankenverloren strich Jungkook durch das schwarze, gewellte Haar des Jungen neben sich. Er fand es jetzt schon beinahe normal, wie nah sie einander waren, obwohl sie sich erst seit nicht mal zwei Stunden kannten.

Verrückt, aber es war so.

Und je länger sie so beisammen saßen, desto weniger verwirrte es ihn, dass er das erste Mal in seinem Leben jemand wirklich anziehend fand. Dass es sich dabei ausgerechnet um einen Jungen handeln musste, störte ihn dabei viel weniger, als er zunächst angenommen hatte.

Vielleicht lag es an ihrer ganzen verqueren Situation und den vorher gefallenen homophoben Aussagen des blonden Miesepeters, dass er es nicht schlimm fand. Das hier war einfach eine Ausnahmesituation, völlig neu und anders. Wer wusste das schon. Aber vielleicht hatte er einfach aus dem Grunde noch nie etwas mit Frauen anfangen können, kleine Flirts zur Selbstbestätigung ausgenommen, eben weil er sich schon immer eher zum selben Geschlecht hingezogen gefühlt und nur einfach noch nie diesen WOW-Effekt erlebt hatte wie heute bei Taehyung. Ein bisschen musste er ja über sich selbst schmunzeln. Aber der Gedanke fühlte sich nicht falsch an. Überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.

„Namjoon?", erklang die leise Stimme Seokjins. Er hatte aus Langeweile mittlerweile ebenfalls die Augen geschlossen, nur mit dem Unterschied, dass er noch wach war. Jungkook lauschte seinen Worten, wie auch nicht, wenn es sonst nichts weiter gab, womit er sich sinnvoll hätte beschäftigen können. Er war nicht wie Jimin, der stundenlang wie vom Teufel besessen auf dem kleinen Mobiltelefon herum tippen konnte.

„Wegen deiner Frage vorhin..."

„Welche meinst du? Wie lange wir wohl noch auf Hilfe warten müssen?", lachte Namjoon und erntete ein belustigtes Lachen von Seokjin. Die Chemie stimmte einfach zwischen den beiden, dessen wurde sich Jungkook immer sicherer, je länger er sie miteinander interagieren sah. „Nein. Viel früher. Warum ich mit der Arbeit kürzer treten will."

Namjoons Lächeln erstarb langsam, bis er wieder ernst wirkte und nachfragte, was Jin damit meinte. Seokjin seufzte leise, ehe er den Grund seines teilweisen Rückzuges genauer erklärte.
„Ich mag die Arbeit echt, es war immer mein Traum, irgendwann ein eigenes Restaurant zu führen. Dass ich so erfolgreich werden würde, hätte ich mir niemals erträumen lassen, und doch bin ich jetzt sogar Chef einer ganzen Restaurantkette."

„Aber...?" Namjoon hakte nach.

„Aber dennoch fehlt mir etwas. Ich kann nicht mal genau sagen was, doch ich dachte immer, wenn ich nur genug Geld verdienen würde, wäre ich rundum zufrieden. Leider ist das nie eingetreten. Und nun habe ich zwar einen überdurchschnittlich guten Verdienst und kann sorglos leben, aber ich habe eben immer noch das Gefühl, dass meine Arbeit nicht ... sinnvoll ... ist." Seokjin unterbrach sich mit einem verlegenen Lachen selbst, ehe er weiter erzählte. „Ich weiß, dass das sicherlich nicht logisch klingt. Aber ich würde gerne etwas von meiner Verantwortung abgeben, damit ich Zeit habe und mich auf die Suche machen kann, etwas Sinnvolleres mit meinem Geld anzufangen. Vielleicht ... unterstütze ich einfach ein paar gemeinnützliche Hilfsorganisationen oder so etwas in der Art. Ich weiß es einfach nicht."

Alle Augenpaare, bis auf Taehyungs, da dieser friedlich weiter an Jungkooks Schulter schlummerte, waren schlagartig auf den Mann in Bordeaux gerichtet.

„Hätte nicht gedacht, dass ihr Anzugträger so drauf seid", grinste die Frohnatur schließlich munter. „Ich dachte immer, ihr legt nur Wert auf teure Uhren, dicke Autos, hübsche Mädels und sowas. Aber cool. Echt, das finde ich wirklich krass."

Hoseok war wirklich beeindruckt davon. Er selbst konnte ein Lied davon singen, was es bedeutete, wenn das Geld nicht mal mehr für das Nötigste reichte. Und es gab so viele Einrichtungen, die eine finanzielle Unterstützung gut gebrauchen konnten, weil die staatlichen Zuschüsse nie und nimmer reichten.

Auch Jungkook nickte. Hoseoks Vorstellung von "Anzugträgern" deckte sich so ziemlich mit seiner eigenen von einem gut situierten Mann in Seokjins Alter. Und auch er fand es erstaunlich, dass dieser sich um die Menschen kümmern wollte, die eben nicht so viel Geld hatten. Die wenigsten schaffen es, sich von ihrem Geld zu trennen, wenn sie erstmal genug davon hatten.

Während er Taehyung weiter sanft durch sein weiches Haar kraulte, dachte er daran, dass er selbst auch seine finanziellen Engpässe zu stemmen hatte. Das Studium war nun mal nicht billig, genauso wie seine Sportausrüstung oder das Monatsticket. Zwar wohnte er noch bei seinen Eltern, damit er wenigstens keine Miete irgendwo bezahlen musste, aber er hatte nun mal auch kein eigenes Einkommen. Für Wünsche musste er lange sparen, und manchmal gab er fast die Hoffnung auf, dass sich da jemals etwas dran ändern würde.

Natürlich war Geld nicht alles, Jungkook war durchaus zufrieden mit seinem bisherigen Leben, aber mit etwas mehr finanziellen Ressourcen lebte es sich nun mal doch einfacher. Er würde sich jedenfalls nicht dagegen wehren.

"Also ... wenn du nicht weißt, wohin mit deinem Geld, kannst du mir liebend gerne was abgeben!", lachte Jungkook, der die Aussage natürlich nicht ernst meinte. Seokjin wusste, dass der Jüngere nur scherzte, trotzdem stieg er mit ein. "Wusste gar nicht, dass du eine gemeinnützige Hilfsorganisation bist!"
"Doch klar! Ich kümmere mich um die Menschen, die in Aufzügen stecken geblieben sind, opfere mich und geselle mich zu ihnen, um sie zum Lachen zu bringen in der nicht enden wollenden Wartezeit! Geiler Job. Muss nur noch beim Finanzamt die Gemeinnützigkeit beantragen und dir meine Kontonummer geben."

Und während ihm bewusst wurde, was für einen Schwachsinn er da eigentlich von sich gab, fing er an, über sich selbst zu lachen. Leise natürlich, um Taehyung nicht zu wecken.

Aber zumindest hatte Jungkook heute doch einiges dazu gelernt, was seine Schlagfertigkeit anging. Diese Ausnahmesituation hatte er wohl mal gebraucht.

Apropos Schlagfertigkeit.

Jungkooks Blick ging zu der Frohnatur rüber, die mittlerweile aufgegeben hatte, weiter die vermeintlichen Dehnungsübungen zu machen. Es war einfach zu eng hier. Während er Hoseok musterte, bekam er auf einmal die Eingebung des Tages, von der er sich fragte, wieso ihm das nicht schon früher eingefallen war. Das hieße tatsächlich, drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen!

„Na gut, okay, Ich gebs ja zu. Aber mal ganz davon abgesehen denke ich, sind hier zwei, die wirklich etwas Sinnvolles tun und dabei deine finanzielle Unterstützung gebrauchen könnten."

Seokjin folgte Jungkooks Blick, der von Hoseok zu Taehyung ging, und da fiel es ihm mit einem Male wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Hoseoks Tanzstudio als Hilfsorganisation für Jugendliche und Taehyung, der seinen Teil zur Unterstützung schwer erkrankter Kinder bereits beitrug. Wenn nicht sie es verdient hatten, wer dann? Zufrieden richtete er sich auf, und in seinem Kopf fing es an zu rattern.

Natürlich würde Seokjin sich in Hoseoks Fall noch davon überzeugen müssen, dass der Laden tatsächlich sauber lief und wirklich für das genutzt wurde, wofür er vorgesehen war. Aber so wie er Hoseok in den letzten Stunden kennen gelernt hatte, würde der alles daran setzen, dass es den Kids besser ging, die den Weg zu ihm fanden. Und das war es wirklich wert, unterstützt zu werden. Zumal er wohl offensichtlich sehr viel genauer wusste, worum es ging, als ihm selbst lieb war. Hoseok war keinesfalls naiv, was seine Träume anging.

"Weißt du, Jungkook. Ich denke, dass ist wirklich eine gute Idee. Ich werde drüber nachdenken", lächelte Seokjin freundlich und erntete dafür ein freudestrahlendes: "Wirklich!? Oh wow. Danke, Bro! Das bedeutet mir alles" von der Frohnatur.

Jungkooks Herz füllte sich mit einem Male mit einer wohligen Wärme.

Wenn das alles klappen sollte, dann hatte diese Misere doch noch einen tieferen Sinn bekommen. Immerhin etwas. Und aus dem Grunde fand er es auch genau in diesem Moment gar nicht mehr so schlimm, dass das Schicksal sie hier in diesem engen Loch zusammen gewürfelt hatte. Das Schicksal schlug dabei zwar recht seltsame Wege ein, aber der Erfolg schien ihm bis jetzt ja recht zu geben.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top