∭ Kapitel 1 ∭
Eilig hastete der Sportstudent durch die Einkaufsstraße in der Nähe der Uni und zwängte sich durch die Menschenmassen, um noch rechtzeitig die Bushaltestelle zu erreichen. Er hatte seine große Sporttasche geschultert, die ihm das Vorankommen nicht unbedingt erleichterte. Doch Jungkook wäre nicht Jungkook gewesen, wenn er sich von so etwas Banalem wie angerempelten Passanten hätte aufhalten lassen.
Als er den Bus schon aus der Ferne bereits an der Haltestelle stehen sah, holte er noch einmal tief Luft und beschleunigte sein Tempo. Er musste diesen Bus kriegen, sonst geriet sein ganzer Zeitplan ins Rutschen! Gerade noch pünktlich schaffte er es, in den Bus zu springen, bevor dieser gleich darauf mit einem lauten Zischen seine Türen schloss. Er keuchte aufgrund des schnellen Sprints, den er hinlegen musste, und sah sich nach einem Sitzplatz um. Aber der Bus war proppenvoll. So musste er erst einige tiefe Atemzüge nehmen, um seine Atmung wieder zu beruhigen, bevor er sich in sein Schicksal ergab und sich einfach an der nächsten Stange festhielt. Seine Sporttasche klemmte er sich auf dem Boden zwischen die Füße, damit sie nicht mehr als unnötig im Weg war.
Der kurze Sprint hatte ihm den Rest gegeben, da er sich mal wieder beim Training völlig verausgabt und sich noch weiter zu steigern versucht hatte. Er hatte erst ein Ende gefunden, als seine Muskeln ihm sehr deutlich signalisierten, dass es für heute reichen sollte. Die Uhr hatte er dabei völlig außer Acht gelassen, doch Jungkook kannte dieses Dilemma bereits. Es war immerhin nicht das erste Mal, dass er zu lange in dem Trainingsraum, der zu seiner Uni gehörte, geblieben war. Und dennoch verfluchte er sich in diesem Moment selbst dafür.
Er hatte nämlich noch etwas sehr wichtiges vor. Er wusste genau, würde er es nicht rechtzeitig schaffen, seine "Mission" heute zu erledigen, würde er sich wochenlang Moralpredigten anhören dürfen. Und darauf konnte er gerne verzichten. Seine große Schwester hatte schon am nächsten Tag Geburtstag, und in der Familie Jeon war dies immer ein heiliger Tag. Ohne Geschenk dort auftauchen? Das kam nicht in Frage! Das würde er niemals wagen. Aber leider hatte er es mal wieder viel zu lange aufgeschoben - wie eigentlich jedes Jahr. Und nun saß ihm die Uhr im Nacken, dieses Problem eben hier und sofort zu erledigen.
Ihr fragt euch nun sicherlich, wieso Jungkook sich nicht schon lange vorher darum bemüht hatte. Tja, es gibt eben diese Menschen, die alles bis zur letzten Minute hinauszögern und Jeon Jungkook gehörte leider definitiv dazu.
Dass diese lästige kleine Angewohnheit sein Leben nachhaltig verändern sollte, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Im Nachhinein war er mehr als froh über diese Umstände, aber im Moment ahnte er nicht, was heute noch passieren würde. Darum eins nach dem anderen.
Schon nach kurzer Zeit war der volle, stickige Bus im Zentrum angekommen. Jungkook bückte sich und schulterte erneut seine große Tasche, um sich aus dem Bus zu quetschen und sich wie zuvor schon durch die Masse an Passanten zu zwängen. Frustriert schnaufend und völlig überfordert stand er kurze Zeit später vor dem Einkaufszentrum.
Das moderne Kaufhaus lag direkt in der Innenstadt in der Fußgängerzone und war nur wenige Schritte von der Bushaltestelle entfernt. Die Läden und Restaurants hier waren vor allem bei jungen Leuten sehr beliebt, und so war das Zentrum in der Regel zu jeder Tageszeit gut besucht. Grade jetzt schoben sich eine ganze Menge Leute durch die Passagen an den Läden vorbei. Eine Tatsache, die Jungkook zwar nicht gut fand, die er aber so hinnehmen musste. Verschweigen wir lieber, dass er auch das hätte vermeiden können, wenn er sich ein bisschen eher gekümmert hätte ...
Während er versuchte, jede Lücke zum Vorwärtskommen auszunutzen, grübelte er darüber nach, was er seiner Schwester denn nun eigentlich kaufen sollte. Auch das war nicht das erste Mal, allerdings fand er es dieses Jahr besonders schwierig, die zündende Idee zu kriegen. Die letzten Jahre hatte seine liebreizende Schwester ihm wenigstens noch Tipps gegeben oder den ein oder anderen Wunsch geäußert. Dieses Jahr erhielt er von ihr nur die überaus hilfreiche Aussage, dass sie endlich den Partner fürs Leben finden wollte.
Toll, Partner fürs Leben, dachte Jungkook. Wo soll ich den bitte herkriegen? Ich kanns ja mal im Baumarkt probieren... oder doch eher im Lebensmittelladen oder in der Spielzeugabteilung? Uff!
Doch sein Sarkasmus brachte ihn dabei nun mal leider nicht weiter, und so schlängeltete er sich an den großen Blumenkübeln in der Eingangshalle vorbei und sah sich einen Moment nachdenklich um. Vielleicht sollte er einfach etwas holen, was sie wieder aufmunterte, nachdem ihr Freund grade nach fast drei Jahren Beziehung einfach so Schluss gemacht hatte. Etwas, was ihr wieder Selbstbewusstsein gab und sie positiv mach vorne schauen ließ.
Aber was??? Das Problem war nämlich, dass er sich selbst noch nie in dieser Lage befunden hatte und sich dementsprechend schlecht in sie hinein versetzen konnte.
Ja, richtig gelesen. Jungkook war noch nie in einer Beziehung gewesen. Nebenbei auch noch nie wirklich verliebt. Bis auf ein paar Flirts hatte er noch keinerlei Erfahrung damit gemacht. Es störte ihn auch nicht sonderlich, denn das Studium und seine Vorliebe für Krafttraining und Ausdauersport reichten ihm zum jetzigen Zeitpunkt völlig aus, um sein Leben mit Inhalt zu füllen.
Bei seiner Schwester sah das ganz anders aus. Diese tat gerade so, als wäre nun ihr ganzes Leben dahin. Sie hatte sich nach der Trennung tagelang in ihrem Zimmer verschanzt und sich die Augen ausgeheult. Jungkook hatte mehr als einmal zum Frustabbau herhalten müssen, aber was hat man nicht alles für seine Schwester?
Vielleicht gehe ich einfach erstmal los und schaue mich um. Vielleicht kriege ich so eine passende Idee, dachte sich Jungkook und machte sich auf den Weg zu den Aufzügen. Seine Beine schmerzten noch immer vom Training, und der Sprint zum Bus hatte sein Übriges getan. Daher erlaubte er es sich, ausnahmsweise mal nicht die Treppen zu nehmen, sondern sich entspannt von dem Aufzug in die nächsten Etagen bringen zu lassen.
Ja, selbst die Rolltreppen kamen ihn gerade zu anstrengend vor. Vor allem, als er gesehen hatte, wie voll diese waren. Und durch Menschenmassen hatte er sich heute für seinen Geschmack schon genug durchgekämpft. Da wirkte ein Aufzug doch wesentlich einladender.
Jungkook hatte den Flur erreicht, in dem sich die Aufzüge befanden, und erkannte, dass bereits ein weiterer junger Mann in seinem Alter davor stand. Also gesellte er sich zu ihm und warf einen ungeduldigen Blick auf seine Handyuhr. Schweigend nebeneinander stehend warteten beide auf die einfache Fahrmöglichkeit.
Zwei Minuten später starrte Jungkook noch immer genervt auf die leuchtende Anzeige des Aufzugs. Geduld war leider auch noch nie seine Stärke gewesen, und so tippelte er unruhig von einem Bein aufs andere, selbst wenn ihm jede Bewegung weh tat. Nur leider brachte das den Aufzug auch nicht schneller herbei, genauso wenig wie das mehrfache Drücken des Knopfes.
Wieso brauchen die Dinger immer dann so lange, wenn man es wirklich eilig hat?
Jungkook wusste nicht, was da so lange dauerte. Wahrscheinlich stiegen in den oberen Etagen dauernd Leute ein und aus und hielten damit alles auf. Doch das konnte er von hier aus auch nicht ändern, also musste er wohl oder übel einfach weiter warten. Die Zeit vertrieb er sich damit, sich etwas um zusehen. Neben ihm stand der ziemlich angespannt aussehende junger Mann, Jungkook schätzte ihn in etwa gleich alt, mit etwas längerem, leicht gewelltem, schwarzem Haar und einem anscheinend extravaganten Modegeschmack. Er war ganz in weiß gekleidet mit einer Hose und einem Hemd aus weichem, fließendem Stoff, der ein ganz kleines Bisschen schimmerte. Ich käm ja nie auf die Idee, sowas anzuziehen. Aber nicht schlecht, schoss dem schlicht und zweckdienlich gekleideten Sportstudenten durch den Kopf. Die Gesichtszüge des Fremden waren zwar maskulin, und doch erinnerten sie Jungkook eher an das feine, ebenmäßige Gesicht eines Porzellanpüppchens. Vielleicht lag es daran, dass die Haut so rein und weich aussah und die dunklen Augen einen starken Kontrast zu seiner hellen Haut bildeten. Was es auch war, Jungkook war fasziniert von diesem Anblick und musste sich eingestehen, dass der andere echt nicht hässlich war, zumindest nicht für einen Jungen.
Jungkook beobachtete ihn, was sollte er auch sonst tun, um seiner Ungeduld Einhalt zu gebieten? Der Blick des Dunkelhaarigen lag unentwegt auf der leuchtenden Anzeige, und Jungkook meinte kurzzeitig, so etwas wie Angst in seinen Augen zu erkennen. Aber was interessierte es ihn? Sie würden wahrscheinlich keine halbe Minute stillschweigend nebeneinander in dem Aufzug stehen und sich danach nie mehr wieder sehen.
Endlich schaffte er es, den Blick von dem Fremden zu lösen. Und er war im selben Moment erleichtert, dass der sein Starren wohl nicht mitbekommen hatte.
Seit wann starrte er hübsche, fremde Jungs an? Und seit wann fand er Jungs überhaupt hübsch?
Der Tag war schon jetzt wirklich verrückt und er einfach heilfroh, wenn er endlich ein Geschenk für seine Schwester finden und sich erleichtert nach Hause in sein Bett trollen könnte.
Ein lautes Bing ertönte und beendete Jungkooks ungeduldiges Warten. Erleichtert sprang er in den Aufzug und rechnete damit, dass der Fremde ihm augenblicklich folgen würde, doch dieser blieb stattdessen mit großen Augen regungslos an Ort und Stelle stehen. Jungkook hatte wirklich keine Lust, noch länger zu warten. Ihm die Tür vor der Nase zugehen zu lassen, wollte er aber auch wieder nicht. Dafür hatte er Zeit seines Lebens eine zu gute Erziehung genossen.
„Ey, was ist jetzt? Willst du nun einsteigen oder nicht?"
Der Fremde sah ihn etwas erschrocken an, ganz so, als sei er gerade aus irgend welchen Tagträumen erwacht. Während Jungkook seine Hand in die Fahrstuhltür hielt, zögerte er noch einen Moment, bevor er zaghaft nickte und ihm folgte.
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Und, schon ne Idee worum es gehen wird? XD
Was haltet ihr bis jetzt davon?
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