[ 1.0 ] YOU MAKE ME STRONG ── hyuckren
hyuckren
19.09.2022
10.641 words
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melde mich aus meiner versenkung, hAllo 😃
wollte nur schnell dieses monster droppen 🤓
thank you for being here, I love everyone who reads this very much!
see you in a long while 🤡
(also thank you jenosjaemin for always having my back, I am beyond grateful for you, my pookie)
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Taeyong-Hyung hatte recht. Taeyong-Hyung hat immer recht, aber Donghyuck will es einfach nicht wahrhaben. Jedes Mal. Bis sie wieder in diesem "Ich hab's dir doch gesagt"-Moment landen mit Taeyong, der die Arme vor der Brust verschränkt und ihn von oben herab ansieht, während Donghyuck immer mehr in sich zusammensinkt. Dieses Mal ist es nicht anders. Oder vielleicht schon, weil es um Donghyucks Leben geht. Sozusagen. Und er ist noch nicht bereit, das aufzugeben.
„Weißt du noch, vor drei Jahren? Der Amerikaner?" Taeyong erzählt ihm jetzt schon seit drei Stunden immer wieder dieselbe Geschichte. Donghyuck weiß ehrlich nicht, wie lange er noch versuchen will, ihn davon zu überzeugen, dass alles, was er tut, in einer Katastrophe endet. Immer macht er Dinge kaputt. Dieses Mal war es das wohl wertvollste Besitzstück, das ihm je gehört hat. Oder hat es das überhaupt? „Donghyuck, weißt du noch? Das ging auch nicht gut aus." Taeyong klingt so weit weg, als wäre er gar nicht wirklich bei Donghyuck, sondern nur eine Einbildung, die ihm einreden will, dass sein Plan Mist ist. Die gepackte Tasche zu seinen Füßen, sein digitales Flugticket, Last-Minute, er hat einen Haufen Geld dafür bezahlen müssen. Donghyuck glaubt, dass es das wert war. Taeyong nicht. „Ich sag's dir nochmal, überleg es dir gut", sagt seine Stimme jetzt irgendwo in Donghyucks Hinterkopf. „Was, wenn er dich nicht sehen will? Wenn er nicht da ist? Himmel nochmal, Lee Donghyuck!" Donghyuck zuckt zusammen. Er will ihm nicht zuhören, nicht, wenn Taeyong die einzig rationale Konstante in seinem Leben ist. War er schon immer und scheiße, natürlich hat er deswegen auch immer recht, bloß will das nicht in Donghyucks Kopf.
„Ich muss ihn aber sehen", krächzt er. „Das kann doch nicht- das Ende sein." Seine Stimme klingt schon gar nicht mehr wie seine eigene, weil er während der letzten Tage in ein Loch gefallen ist, in dem es sowas wie Worte überhaupt nicht gab. Nur Leere und Einsamkeit und dieses konstante Stechen in seiner Brust, das Gefühl, nie genug zu sein, mit jedem Schritt einen gigantischen Fehler zu machen. Bis hin zu Ich bin der Fehler, und das war dann der Moment, in dem sein Hyung dazwischengegangen ist. Zwischen ihn und das Ich, das sich immer in seinem Inneren windet. „Hyung." Es ist nur noch ein Flüstern, verzweifelt und so leer, wie Donghyuck sich noch nie gefühlt hat. Er hasst es, so armselig zu klingen, als gäbe es nichts auf der ganzen Welt, das schlimmer als eine beschissene Trennung wäre. Die Trennung von einem Menschen, der sein Alles war und den er nie, nie, nie enttäuschen wollte. Eigentlich dachte er, all seine Tränen wären längst verbraucht, aber jetzt kommen trotzdem noch mehr, und Taeyong verschwimmt zu einem hässlichen Ölgemälde auf der grauen Leinwand seines Lebens.
„Hyuck", hört er ihn flüstern, spürt seine Umarmung und wie er das Kinn auf seinem Kopf ablegt. „Ich weiß, dass du es nicht hören willst. Ich weiß, dass es gerade nichts gibt, das dich davon abhalten kann. Und ich bitte dich, keine unüberlegten Dinge zu tun. Wir schaffen das zusammen, okay? Ich pass auf dich auf." Aber Donghyuck weiß nicht, ob es irgendetwas bringt, wenn Taeyong-Hyung auf ihn aufpasst.
⌛
Es ist wie Weihnachten und sein Geburtstag und das Meer zu Hause in Jeju und all seine schönsten Erinnerungen zusammen, als Donghyuck in Shanghai aus dem Flugzeug steigt. So viele Menschen und Gesichter und Bilder, und er kann kein Chinesisch, nur das, was Renjun ihm beigebracht hat für den Fall, dass er sich verläuft. Seine Hände sind feucht vor Aufregung und sein Herz klopft so heftig in seiner Brust, dass er Angst hat, es könnte im nächsten Moment vor Anstrengung stehen bleiben. Nichts an dieser Situation fühlt sich gut an, nicht die Übelkeit, die in seinem Magen brodelt, oder der Schwindel, der ihn in der Ankunftshalle am Gate überkommt, während seine Schritte immer langsamer werden und er zu zweifeln beginnt. Was, wenn Renjun ihn nicht mag? Wenn er ihn sich anders vorgestellt hat? Wenn er schon nach kurzer Zeit genug von ihm hat, wenn Donghyuck zu nervig ist, wie Doyoung-Hyung ihn gern beleidigt. Okay, bei Doyoung ist es längst keine Beleidigung mehr, aber bei Renjun schon, weil Renjun ihm auch wichtig ist, aber eben anders. Und auch absolut nicht der Grund dafür, dass er jetzt in kalten Schweiß ausbricht, dass ihm abwechselnd heiß und kalt wird. Seine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding, und irgendwas schnürt ihm schon seit der Landung die Luft ab.
„Gott, reiß dich mal zusammen, du Idiot", zischt er sich selbst zu, als sein Sichtfeld am Rand zu flimmern beginnt und er die Augen für einen Moment schließen muss. Taeyong-Hyung hat gesagt, dass er das schaffen wird. Dass ganz sicher alles gut gehen wird, weil er Renjun jetzt seit einem Jahr und zwei Monaten kennt und weil er sogar angeboten hat, die Hälfte seines Flugtickets zu bezahlen, nur weil er ihn genauso dringend sehen will. Donghyuck wäre nicht hier, wenn Renjun ihn nicht auch mögen würde. Das hier ist kein Traum. Es ist wahr, findet gerade wirklich statt und Renjun ist irgendwo, nicht weit weg, er ist hier und nicht 800 Kilometer entfernt, irgendein Fremder aus dem Internet, ohne den Donghyucks Tage sehr viel grauer wären. Renjun ist hier. Donghyuck ist hier. Und er wird jetzt weitergehen.
Die Menschenmassen sind undurchdringlich. Zuerst hat Donghyuck keinen Empfang, dann funktioniert sein Internet nicht und letzten Endes will auch sein Akku aufgeben. Aber dann findet er endlich eine Steckdose und freies WLAN, steckt sein Handy mit bebenden Fingern an und sinkt auf einem freien Stuhl in sich zusammen, während sein Handy in tausend Nachrichten explodiert. Renjuns Chat öffnet er zuerst.
AHHH WO BIST DU
ICH SEH DICH NICHT
HSJSXB HYUXK
HYUCK
ich halte es nicht mehr AUS WO BIST DU
dein flieger ist doch vor zwanzig minuten gelandet, oder nicht????
hyuck??
Ist was passiert??
bist du überhaupt mitgeflogen oder hast du mich nur abgezockt und dich nach europa verpisst?
hyuck
Donghyuck drückt nur auf den grünen Hörer, weil in seinem Gehirn ein Kurzschluss stattfindet. Ansonsten würde er noch immer wie regungslos dasitzen, gelähmt von seiner Nervosität. Wahrscheinlich würde er Renjun dann niemals zu Gesicht bekommen.
„Lee Donghyuck!" Renjuns Stimme bebt, geht beinahe im Summen der Hintergrundgeräusche unter. Er klingt abgehetzt und besorgt. „Wo bist du?"
„Ich- weiß nicht so genau." Donghyuck hat seine eigene Stimme noch nie so leise gehört. Eigentlich ist er immer laut, egal wo, egal wann. Es ist eher eine unabsichtliche Angewohnheit, um seine Unsicherheit zu überspielen, aber jetzt gerade erkennt er sich trotzdem selbst kaum wieder. „An irgendeiner Ecke. Mit Steckdosen. Und WLAN. Ich-"
„Schick mir deinen Standort und ich komm zu dir." Jetzt klingt Renjun erleichtert. Und noch atemloser als eben noch.
„O-Okay. Fuck", wispert Donghyuck, nimmt das Handy von seinem Ohr weg und schickt Renjun mit tauben Fingern seinen Standort. Das alles fühlt sich an wie eine wirklich komische Out-of-Body-Experience. Als wäre er nicht wirklich hier, als würde er seinem leeren Ich nur dabei zusehen, wie es atmet und hirnlose, dumme Dinge tut.
„Das ist nicht weit, ich- oh mein Gott. Ich bin gleich da!", ruft Renjun in den Hörer und dann ist er weg und Donghyuck will explodieren vor Angst. Die Panik frisst sich siedend durch seinen Körper, was, wenn er mich nicht mag, was, wenn wir nicht wissen was wir sagen sollen-
„Donghyuck!" Die Stimme klingt zu echt. Zu wenig nach Telefonleitung, zu wenig nach Headset und Super Mario Party. Zu wenig nach zu weit weg, weil zu weit weg jetzt gleich hier ist. Als Donghyuck den Kopf hebt, steht Renjun keine zehn Meter weit weg.
Etwas explodiert in Donghyuck beim Anblick des Menschen, der ihm im letzten Jahr so wichtig geworden ist, dass er ihn nie wieder weggeben will. Nie wieder, weil er gar nicht weiß, was er tun würde, wenn er Renjun nicht hätte. Wahrscheinlich immer noch auf Taeyongs Kosten leben und für immer joblos sein.
Renjun.
Er sieht nicht aus wie auf seinem Profilbild. Auch nicht so, wie in ihrem einzigen Videocall bisher. Er ist kleiner, schmaler, zerbrechlicher und so, so schön, dass Donghyuck den Blick gar nicht mehr abwenden kann. Er trägt einen Mantel und seine Haare sehen aus, als würde er vom Friseur kommen und überhaupt, neben ihm fühlt Donghyuck sich in seinen ranzigen Flugzeugklamotten wie der letzte Idiot. Renjun beginnt zu lächeln, hell und breit und strahlend, wie ein Asteroid. Wenn Donghyuck jetzt aufsteht, dann kippt er um. Er tut es trotzdem, weil Renjun sich wieder in Bewegung setzt, näher kommt, immer näher, bis er mit Donghyuck kollidiert.
Shutdown. Es ist, als würde Donghyuck in diesem Moment resetten. Nochmal neustarten, als Renjun in seine Arme fällt. Zu der Panik verschwinden auch die Aufregung und die Übelkeit, bis da nur noch dieses Kribbeln ist, das in jeder Faser seines Körpers lodert. So lange. So lange hat er sich diesen Moment herbeigewünscht, und trotzdem ist er schöner, als er es sich je vorgestellt hat.
⏳
Taeyong redet so lange auf ihn ein, bis Donghyuck sich geschlagen gibt und erschöpft auf dem Sofa wegnickt. Im Halbschlaf bekommt er mit, wie sein Cousin telefoniert, wie er im Raum auf und ab geht, Tee kocht und trotzdem kaum mehr als fünf Meter von Donghyucks Seite weicht. Seine Präsenz ist wenigstens ein bisschen tröstlich. Er legt sogar eine Decke um Donghyucks Schultern, obwohl das zwecklos ist, weil er nur noch friert.
Seine besten Freunde sind die Letzten, die er jetzt eigentlich sehen wollte, aber trotzdem kreuzen Jeno und Jaemin nicht viel später auf. Sie haben Essen dabei, und Eis, und Jaemin drückt seinen blöden Stoffhasen sogar ab, solange sie da sind. Sie reden nicht viel, aber das müssen sie auch nicht, Taeyong lässt sie irgendwann alleine, nachdem er sich vergewissert hat, dass seine Dongsaengs alles im Griff haben, und Jeno und Jaemin wechseln sich als Donghyucks cuddle buddies ab. Sie akzeptieren, dass er nichts sagt, zwingen ihn nicht zum Essen und sind einfach nur für ihn da. Es ist kein großer Unterschied, aber Donghyuck fühlt sich trotzdem ein bisschen weniger verloren.
Sie bleiben dann auch, weil es die dritte Nacht ohne ein Lebenszeichen von Renjun ist und weil ihn das schon wieder zum Heulen bringt. Und dieses beschissene Polaroid in seinem Zimmer gibt ihm dann noch den Rest, weil es von Renjuns erstem Besuch in Seoul ist und weil sie beide darauf so glücklich aussehen, dass Donghyuck das Bild zerreißen will. Adore hat Renjun in krakeliger Schrift darunter geschrieben, das U ist von Donghyuck. Adore U, er hätte es ihm öfter sagen sollen. Aber das hat er nicht und deswegen ist jetzt alles kaputt.
⏳
Seventeen dröhnt ihnen aus der Wohnung entgegen, sobald Renjun das elektronische Schloss entriegelt und ihnen die Tür geöffnet hat. Unfassbar schiefer Gesang begleitet die Musik von irgendwo aus der Wohnung. Sie ist größer, als Donghyuck sie sich vorgestellt hat. Größer und ein eindeutiger Beweis dafür, dass wohl weder Renjun noch sein Mitbewohner zur Mittelklasse gehören.
„Yang!", ruft Renjun, während er sich die Schuhe auszieht und in den Schuhschrank stellt. Donghyuck tut es ihm gleich und lässt seine Tasche und den Rucksack an der Tür stehen. „Yangyang!", ruft Renjun noch einmal, aber die schiefen Töne werden kein Stück leiser. Donghyuck muss grinsen. Er kennt Yangyang aus genug Erzählungen und aus einigen Spielen, bei denen er sich dazugeschaltet hat, nur weil er Renjun damit auf die Nerven gehen wollte. Er weiß, dass Yangyang die Personifikation von Chaos ist, noch schlimmer als Donghyuck selbst. Und er weiß, dass er Renjun noch mehr auf die Nerven gehen kann, als Donghyuck es für möglich gehalten hat. Renjun hat rote Flecken im Gesicht und stapft wütend vor Donghyuck her in Richtung Küche. Donghyuck will ihn zerdrücken. „Liu Yangyang!", schreit Renjun über den Lärm hinweg und dann prasselt eine Salve chinesischer Flüche auf seinen Mitbewohner nieder, der vor dem geöffneten Kühlschrank steht und in der schiefsten Tonlage überhaupt zu Seventeen singt.
„Fullsun!" Yangyang holt nur Luft, um Donghyucks User zu rufen. Er ignoriert Renjun wie ein Profi und anstatt die Musik leiser zu stellen, stürzt er sich in Donghyucks Arme, als wäre er eine verloren gegangene große Liebe. Über seine Schulter hinweg fängt Donghyuck Renjuns angepissten Blick auf. Die Musik verstummt. „Das war mein Lieblingslied!", protestiert Yangyang und dann flucht er auf Chinesisch zurück, als Renjun wieder zu sprechen beginnt.
Donghyuck muss grinsen. Er hat sich noch nie so angekommen gefühlt, wie in diesem Moment.
⏳
Renjun und Yangyangs Wohnung war schon an seinem ersten Tag ein Zuhause für Donghyuck. Er kann nicht genau festmachen, woran es lag, aber ziemlich sicher war Renjun der größte Faktor. Obwohl die Wohnung der beiden aussieht, als wäre sie einem Hochglanzmagazin entsprungen, war eigentlich von Anfang an klar, dass das nur am Reichtum ihrer Eltern liegt, die die beiden als Einzelkinder mehr oder weniger vergöttern. Überall sind die Abdrücke der beiden zu sehen, Poster an den Wänden, Magnete und Postkarten an der Kühlschranktür, diese eine Fliese im Bad, die die blaue Haarfarbe irgendwie absorbiert hat, selbst an der Einrichtung haben Verbesserungen stattgefunden, die Donghyuck lieber nicht hinterfragt. Alles war perfekt. Er konnte immer Stunden damit verbringen, sich Renjuns Zeichnungen und die Sammelobjekte in seinem Zimmer anzusehen, ohne dabei müde zu werden. Konnte ihm dabei zuhören, wie er im Homeoffice in die Tasten hackte oder an seinen Zeichnungen verzweifelte und sich währenddessen ununterbrochen über seinen Vorgesetzten aufregte, obwohl er ihn eigentlich mehr als irgendetwas liebte. Er konnte Renjun selbst stundenlang ansehen, entdeckte jedes Mal etwas Neues, irgendwas, das er davor noch nie gesehen hatte, und der schönste Moment war dann immer, wenn Renjun unter seinem Blick rot wurde und ihn mit diesem anklagenden Schmollmund ansah, der Donghyucks Knie ausnahmslos immer in Wackelpudding verwandelte.
Er realisierte es nicht gleich bei seinem ersten Besuch, sondern schob es auf die Freude, die er empfand, weil er den ihm wichtigsten Menschen endlich in Echt sehen durfte. Aber irgendwie war immer klar gewesen, dass das, was er für Renjun fühlte, nicht nur Freundschaft war.
⌛
„Ihr macht was!?"
„Wir fliegen nach Seoul!", wiederholt Renjun und lacht, weil Donghyucks Gesicht zu blöd aussieht. „Guck nicht so."
„Aber- aber-" Donghyuck sucht nach den richtigen Worten. Renjun, hier in Seoul? Bei ihm? So bald schon?
„Willst du mich gar nicht da haben?" Renjun legt den Kopf schief und Donghyuck sieht dabei zu, wie das Lächeln von seinem Gesicht verschwindet.
Wenn Renjun wüsste, wie gern er ihn hier hätte. Am besten jeden Tag, immer, dass er ihn schon morgens nach dem Aufwachen sehen kann. Damit er Teil von Renjuns Alltag sein kann und Renjun von seinem. Nebeneinander am Tisch arbeiten, zu Donghyucks Lieblingsrestaurant gehen, Sonnenuntergänge anschauen und am Hanggang spazieren gehen. Nächte durchmachen und so viele Snacks essen, bis ihnen schlecht wird, lachen, bis sie keine Luft mehr bekommen, und- ihn berühren. Immer. Es gibt nichts, das Donghyuck sich gerade lieber wünscht, als Renjun in den Armen halten zu können. Das letzte Mal war so schmerzhaft, dass er ihn dieses Mal nicht wieder loslassen will.
„Das stimmt nicht", sagt er also leise. „Ich wünschte, du wärst immer hier." Er schiebt die Unterlippe nach vorn und blickt direkt in die Kamera. Damit Renjun weiß, dass er es vollkommen ernst meint.
„Hör doch auf", mault Renjun und seufzt. „Ich vermisse dich auch, weißt du."
„Du gibst es endlich zu!" Donghyuck grinst zufrieden. In ihm explodiert ein Feuerwerk.
„Lass mich, du bist so ein Idiot! Ugh, vielleicht komm ich auch nicht mit."
„Nein!", sagt Donghyuck viel zu schnell. „Tu mir das nicht an, Renjunnie!"
„Gestern war ich noch dein Hyung", sagt Renjun belustigt.
„Für einen Hyung bist du viel zu süß." Donghyuck spürt, wie seine Ohren warm werden, aber er schafft es, seine Verlegenheit mit einem überheblichen Grinsen zu überspielen. Und vielleicht auch, weil Renjun für einen Moment die Worte fehlen. Volltreffer. „Wollt ihr am Siebzehnten oder am Achtzehnten herkommen?", fragt er, um zurück zu ihrem usprünglichen Thema zu gelangen.
„Ugh, Yang will auf beide Konzerte gehen", stöhnt Renjun. „Ist das zu fassen, dass jemand eine Band so abgöttisch liebt, dass er seine Seele dafür verkaufen würde?"
„Darf ich dich an-"
„Versuch's erst gar nicht", warnt Renjun. „Das ist nicht dasselbe."
„Ich hab die Photocards unter deinem Bett gefunden, ich glaube schon", widerspricht Donghyuck und am liebsten würde er Renjun damit jetzt noch mehr auf die Nerven gehen, indem er ihn ganz fest in den Arm nimmt, damit er nicht weglaufen kann, und ihm das Ganze noch einmal ins Ohr flüstert.
⏳
„Sagtest du nicht vor ein paar Wochen, es wäre eine Stelle direkt in Shanghai frei?"
„Ich hab sie nicht bekommen. Es hat sich niemand bei mir gemeldet." Taeyong reicht Donghyuck seinen Tee, als er die kalten, starren Finger von der Tastatur seines Laptops nimmt. Sein Sichtfeld wackelt bedenklich, als er den Blick endlich vom Bildschirm löst.
„Was hältst du davon, wenn du mit Junmyeon-Hyung darüber redest? Ich bin sicher, dass er dir helfen kann." Taeyong setzt sich zu ihm an den Tisch und dreht seine eigene Tasse in den Händen.
„Und was genau soll er bitte tun können?" Müde vergräbt Donghyuck das Gesicht in den Händen.
„Hyuck, du weißt, wie er ist", sagt Taeyong leise und eindringlich. „Er würde alles dafür tun, dass es dir gut geht. Denkst du, er stellt dich hinter einen armen Familienvater, der hier einen Haufen zu verlieren hat?"
„Das ist reine Geldsache. Hier geht es nicht darum, wer etwas zu verlieren hat, sondern wer liefern kann. Und ich bin nicht gut genug dafür. Ich bin doch noch nicht einmal lange genug da."
„Hör mir zu." Taeyong schlägt diesen Ton an, bei dem Donghyuck weiß, dass er keine Widerrede duldet und sauer wird, wenn ihm nicht zugehört wird. Ganz langsam hebt er seinen bleischweren Kopf und stützt das Kinn in der Handfläche ab. „Wir machen dir ein Meeting aus. Du redest mit Junmyeong-Hyung und ich sage Doyoung bescheid, falls was sein sollte. Deal?" Donghyuck schüttelt langsam den Kopf. Ganz sicher wird er Junmyeong-Hyung nicht so unter die Augen treten können. Nicht mit diesen Argumenten. „Hyuck, schau mich bitte an." Taeyong umfasst sein Gesicht mit den Händen und zwingt ihn dazu, ihn anzusehen. „Erinnere dich daran, was du zu verlieren hast. Niemand ist dir böse, wenn es nicht klappt, aber wenigstens hast du es versucht und selbst wenn es hart ist, damit abzuschließen, heißt das nicht, dass du kampflos aufgegeben hast."
„Aber- Hyung, ich-"
„Wir sind alle da, Hyuck. Doyoung, Jeno, Jaemin, ich. Du weißt, dass ich immer da bin."
„Ja", flüstert Donghyuck und umfasst Taeyongs Handgelenk.
„Das wird alles gut laufen, ich weiß es. Und wenn du wieder da bist, dann buchen wir dir zusammen ein Flugticket und du gehst und redest mit ihm, okay?"
Donghyuck sieht fassungslos zu ihm auf, vergisst sogar für einen Moment das Atmen. „H-Hyung, ist das- ist das dein Ernst?"
„Ich hab dich lieb, Hyuck, was denkst du denn?"
„Aber- Aber du hast gesagt, dass ich- und-"
„Ich habe meine Meinung eben geändert." Taeyong lächelt schief. „Ich will nicht, dass mein Lieblings-Dongsaeng so traurig ist. Hat vielleicht eine Weile gedauert, aber ich habe erkannt, dass es dieses Mal anders ist. Renjun ist anders. Und er ist dir wichtig."
„Mehr als irgendwas sonst", wispert Donghyuck. Taeyong verschwimmt schon wieder vor seinen Augen, zum hundertsten Mal diese Woche. Er hat es so satt. „Okay. Ich geh da morgen hin", beschließt er bebend. Eigentlich hat er nichts mehr zu verlieren, nicht einmal vor Junmyeong-Hyung.
„Ganz richtig. Und du überzeugst Junmyeong-Hyung, dass es die beste Idee ist, dich hinzuschicken." Taeyong tätschelt seine Wange, dann steht er auf und nimmt ihn ganz fest in den Arm. „Vergiss nicht, wofür du das alles tust", flüstert er.
⌛
Donghyuck versteht jetzt, was es für ein Chaos gewesen sein muss, als Renjun ihn damals in der Masse aus Leuten nicht gefunden hat. Er hat sich extra auf eine Bank gestellt, damit er den Überblick behalten kann, trotzdem gehen Renjun und Yangyang im Chaos der ankommenden Menschen am Gate beinahe unter. Er sieht sie nur, weil Renjun sich vehement dagegen weigert, dunkle Kleidung zu tragen. Und vielleicht, weil er immer leuchtet und das Zentrum von Donghyucks Sonnensystem ist. Er springt von seiner Bank und bahnt sich zielstrebig einen Weg durch die Menschenmassen. Das Grinsen auf seinem Gesicht wächst bei jedem Schritt, und die Aufregung ist auch dieses Mal allgegenwärtig. Sein Herz explodiert beinahe, als Renjun ihn ebenfalls sieht, stehen bleibt und die Arme ausbreitet.
„Ich hab dich vermisst", sagt Donghyuck an seinem Ohr, während er ihn an sich drückt und überlegt, wie er das gleich am besten machen soll, weil er ihn nicht mehr loslassen will.
„Ich dich auch, Hyuck." Renjuns Stimme ist ein großes Lächeln. Er klingt ganz anders als in ihren letzten Telefonaten. Als hätte irgendwas in ihm wieder Frieden gefunden und die monotone Traurigkeit aus seiner schönen Stimme vertrieben.
„Gross. Ich bin auch noch da", meldet Yangyang sich von irgendwoher. Er hat die Kapuze seines Hoodies so tief ins Gesicht gezogen, dass Donghyuck nicht einmal seine Augen erkennen kann, seine Maske verdeckt den Rest seines Gesichts.
„Tut mir leid, ich dachte, du wärst Renjuns Schatten." Donghyuck lächelt unschuldigt, und eigentlich fand er seinen Witz ziemlich übel, aber Renjun lacht, deswegen ist es okay.
„Unwitzig." Yangyang hängt sich trotzdem um seinen Hals, genau wie letztes Mal.
Renjun und Yangyang schlafen in einem Hotel, weil in Taeyongs Wohnung kein Platz für sie alle ist, aber die meiste Zeit verbringen sie trotzdem dort oder in der Stadt. Donghyuck ist froh, dass Jeno ein genauso schrecklicher Game-Nerd ist wie Yangyang und sie einander deswegen bestens bekannt sind, weil er Renjun so die meiste Zeit für sich haben kann. Er zeigt ihm sein Lieblingsrestaurant zwei Blocks weiter, sie gehen am Namsan-Tower spazieren und am Fluss. Renjun muss an jedem Streetfood-Stand Halt machen und probieren, obwohl er den größten Teil seiner Ausbeute jedes Mal an Donghyuck weiterreicht.
Donghyuck hat auf Yangyangs Kosten ebenfalls zwei Konzertkarten für Seventeen bekommen. Eigentlich kann er mit der Band gerade am wenigsten anfangen, kennt nur ein paar Lieder und die nicht einmal gut genug, aber Renjun geht auch hin, also ist er natürlich dabei. Und während Yangyang sich ins Getümmel vor der Bühne stürzt, bleiben sie weiter hinten stehen. Renjun behauptet zwar, dass er mit der Musik nicht viel mehr zu tun hat als Donghyuck, aber er beobachtet ihn trotzdem dabei, wie sein Gesicht erstrahlt, als die Show beginnt. Wie er mitsingt und tanzt und heller strahlt als alle Scheinwerfer zusammen. Deswegen muss er dem Verlangen irgendwann nachgeben und ihn an sich drücken, auch als er lacht und sich dagegen wehrt.
Das ist der Moment, in dem Donghyuck es merkt. Dass das Blubbern in ihm nicht nur von der Euphorie des Abends kommt. Dass sein Herz schneller schlägt, seit Renjun gelandet ist, seit er ihn am Flughafen in Empfang genommen hat. Dass er nicht nur glücklicher ist, weil er Renjun kennt. Und als er den Kopf hebt und ihn ansieht, blickt Renjun längst zurück, in seinen Augen spiegeln sich Donghyucks Gedanken in zehntausend winzigen Sternensplittern. Er ist so schön. Und Donghyuck will ihn nie, nie wieder loslassen.
„Lächeln, Lovebirds!", brüllt Yangyangs Stimme irgendwo, und in Renjuns Augen explodiert eine Supernova.
⏳
Vielleicht ist Yangyang doch zu irgendwas zu gebrauchen, denn ohne ihn hätte Donghyuck sich wahrscheinlich niemals getraut, Renjun zu küssen. Jetzt im Nachhinein wäre das vielleicht sogar besser gewesen, aber in diesem Moment hat er es nicht bereut (und jetzt irgendwie immer noch nicht). Im Halbdunkel seines Zimmers, während die Sterne in Renjuns Augen alles waren, was er noch sehen konnte. Sie haben sich die ganze Nacht geküsst, gelacht, wenn einer von ihnen für einen Moment weggenickt ist, ihre Beine übereinander und ihre Körper so nah, dass sie fast zu Einem wurden.
Donghyuck ist süchtig geworden nach diesem Gefühl, das nur Renjun in seinen Armen auslösen konnte. Süchtig nach der Leichtigkeit ihres Zusammenseins, nach den Momenten mit Renjun, die sich immer angefühlt haben wie ein Traum. Es war jedes Mal so scheiße schwer, wenn er gehen musste und Donghyuck plötzlich wieder allein war. Immer, wenn ein Abschied passierte, war es, als würde Renjun auch seine Luft zum Atmen mitnehmen.
⌛
„Als ich dich kennengelernt habe, dachte ich niemals, dass du mir mal so wichtig bist." Donghyuck betrachtet ihre ineinander verschränkten Hände. Renjuns Hand ist ein bisschen kleiner als seine, nicht viel, aber man kann einen Unterschied sehen, weil seine Finger länger sind. Er trägt einen Ring an seinem Zeigefinger, und Donghyuck küsst das Muttermal auf seinem Handrücken.
„Du bist cheesy", murmelt Renjun an seiner Schulter. Aber Donghyuck sieht sein Lächeln und dass er ihre Hände mindestens genauso eingiebig mustert wie er. „Ich will nicht, dass du gehst." Jetzt ist seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Was soll ich denn ohne dich tun?"
Donghyuck dreht sich auf die Seite und legt die freie Hand an Renjuns Wange. Als sich ihre Blicke begegnen, nimmt ihm die Traurigkeit in Renjuns Augen den Atem. „Denk nicht daran", wispert er gegen seine Lippen. „Nicht lang und wir sind wieder zusammen."
„Hyuck, ich-"
Donghyuck stiehlt ihm die Worte mit einem Kuss. Er fängt Renjuns Tränen mit seinem Daumen auf, drückt die Stirn gegen seine und flüstert ihm zu, dass alles gut werden wird, obwohl er selbst nicht genau weiß, was er ohne Renjun in Seoul tun soll. „Stell dir vor, wir wohnen in unserem Haus am Meer", sagt er, während Renjun leise schnieft und das Gesicht gegen seine Schulter drückt. „Mit drei Katzen. Oder mehr. Und wir sehen uns jeden Tag den Sonnenuntergang an. Wir können arbeiten, wann wir wollen und jeden Tag ausschlafen." Renjun lacht gurgelnd, aber es geht in einem Schluchzen unter. Donghyuck drückt seine Hand fester. Er hasst es, wenn Renjun so traurig ist. Wenn er weint, dann ist es am schlimmsten, und auch jetzt drückt ihm etwas Schweres die Kehle zu. Er will bleiben. Will morgen mit Renjun in seinen Armen aufwachen und wissen, dass das kein Abschied auf unbestimmte Zeit sein wird. Dass sie das immer haben können.
„Ich hab Angst, weißt du", krächzt Renjun in sein T-Shirt. „Dass- Dass du mich vergisst. Uns. Dass du irgendwann gehst und nie wiederkommst. Ich hasse es, dass ich dich nicht jeden Tag sehen kann, dass ich nicht immer weiß, was du gerade tust, auch wenn du mir so oft es geht schreibst. Ich hasse es, dass- dass ich nicht immer- dass wir nicht immer-"
„Mir geht's doch gar nicht anders, Renjunnie." Donghyuck schließt die Augen und drückt das Gesicht in Renjuns Haare. Hofft, dass er seine Wärme nie vergisst, solange er nicht bei ihm ist.
„Wenn du nicht hier bist, dann bin ich so ... so leer, verstehst du?" Renjuns Hand wandert unter sein T-Shirt, seine Finger sind kalt, als er sie gegen Donghyucks warme Haut drückt. „Ich wusste nicht, dass sich das Leben so gut anfühlen kann, bevor ich dich kannte."
„Sag sowas doch nicht." Donghyuck will ihn noch näher an sich ziehen, aber es resultiert nur darin, dass Renjun halb auf ihm landet, weil da kein Abstand mehr ist zwischen ihnen, der noch geschlossen werden könnte. Es ist trotzdem noch immer nicht nah genug. „Ich packe dich ein und nehm dich mit, Baby."
„Treffe ich dann auch endlich deine Freunde?", schieft Renjun an seinem Hals.
„Wenn du dir das antun willst." Donghyuck lächelt und streicht ihm durch die Haare. „Jaemin wird dich auffressen."
„Soll das ein Kompliment sein?"
„Oh ja." Und dann nimmt Donghyuck Renjuns Gesicht in die Hände und küsst jeden Zentimeter davon, bis Renjun wieder lächelt und seine Tränen nicht länger auf Donghyucks T-Shirt tropfen.
⏳
Er hätte ihm zuhören sollen. Nicht nur damals, sondern auch alle anderen Male. So viele Chancen und er hat sie alle verspielt. Vielleicht verspielt er sich jetzt sogar die Chance, die er bekommen hat, als Doyoung-Hyung ein gutes Wort bei seinem Chef eingelegt und Donghyuck ein Bewerbungsgespräch ausgehandelt hat. Eigentlich ist Donghyuck ihm eine Menge schuldig, das weiß er selbst, aber Doyoung ist einfach zu nett. Möglicherweise mag sein Glück auch daran liegen, dass Kim Junmyeong nicht viel besser ist. Wie auch immer er es auf den Posten einer Führungskraft geschafft hat, Donghyuck wünscht sich keinen besseren Chef. Und deswegen weiß er auch beim Betreten seines Büros, dass Taeyong-Hyung natürlich schon wieder recht gehabt hat. Junmyeong-Hyung wird ihm keinen Wunsch abschlagen.
Beim Verlassen des Büros ist Donghyuck um zehn Tonnen leichter ums Herz. Junmyeong-Hyung begleitet ihn sogar zurück zum Fahrstuhl und verspricht, sich gleich auf den Weg nach ganz oben zu machen, klopft ihm auf die Schulter und lächelt, während sich die Türen vor Donghyuck schließen und er erschöpft gegen die Wand sinkt. Das Meeting hat ihm mehr von seiner emotionalen Kraft geraubt, als er erwartet hatte.
Taeyong wartet in der Lobby und obwohl ihm das meistens peinlich ist, ist Donghyuck dieses Mal ziemlich froh darüber. Er weiß nicht, ob er den Weg nach Hause allein geschafft hätte.
„Hey." Taeyong hält ihn an den Schultern fest und mustert ihn aus zusammengekniffenen Augen. „Sieht nach Flugticket aus", stellt er fest.
„Ich glaube schon, Hyung", sagt Donghyuck kleinlaut, selbst wenn er es noch nicht wirklich wahrhaben will. „Ich bin mir nicht- sicher ob-"
„Ich schon." Und dann legt er Donghyuck einen Arm um die Schultern und zieht ihn mit sich.
„Warum bist du dir so sicher?" Donghyuck mustert ihn misstrauisch von der Seite. „Doyound-Hyung und du, ihr habt aber nicht-"
„Hyuck!", unterbricht Taeyong ihn. „Bitte glaub mir, nicht alles in deinem Leben passiert, weil Doyoungie und ich dir den Weg ebnen. Das damals war nur eine Hilfestellung, der Rest ist alles dein Verdienst. Sogar Junmyeong-Hyung mag dich!"
„Junmyeong-Hyung ist auch mit den Putzkräften und dem Hausmeister befreundet." Donghyuck verdreht die Augen.
„Siehst du." Taeyong grinst und drückt ihn an sich. „Und jetzt los, sonst sind alle Fensterplätze ausgebucht."
„Du hörst dich fast so an, als würdest du dich mehr freuen als ich", seufzt Donghyuck. Tatsächlich weiß er gar nicht, was er fühlen soll, jedenfalls tut er sich schwer, sowas wie Freude zu empfinden, wenn er daran denkt, warum er diese Reise machen wird. Ein letztes Mal wahrscheinlich. Für immer.
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Donghyuck ist den Weg zu Renjuns Apartment noch nie allein gegangen. Eigentlich kennt er ihn auch gar nicht gut genug, aber es ist, als würde sein Körper das automatisch für ihn regeln. Bis er im Fahrstuhl nach oben steht und sich fragt, ob das die richtige Entscheidung war. Er hat fast so viel Angst wie vor ihrem allerersten Treffen, nur mit dem Gewissen, dass das hier vielleicht ihr allerletztes sein wird. Seine Schritte sind schwer, als er sich zur Wohnungstür schleppt und versucht, außerhalb des Kamerawinkels stehen zu bleiben. Er will nicht, dass Renjun ihn sieht und die Tür noch nicht einmal öffnet. Er braucht ihn doch.
Es dauert trotzdem eine halbe Ewigkeit, bis sich etwas tut, nachdem er geklingelt hat, dann steht er Yangyang gegenüber und will am liebsten wieder heulen.
„Was willst du denn hier?" Yangyang sieht verzweifelt aus, noch mehr, weil er in einem viel zu großen T-Shirt versinkt und seine Haare aussehen, als hätte ein Tsunami darin gewütet. Donghyuck hofft, dass das nicht wegen Renjun so ist. Wegen ihm.
„Ich- Ich wollte mit Renjun reden", sagt er leise und senkt den Blick auf seine Schuhspitzen, umklammert den Riemen seiner Tasche noch fester.
„Ich glaub aber nicht, dass er mit dir reden will", stellt Yangyang fest und stützt eine Hand in die Seite.
„Bitte, Yangyang." Donghyuck hört sich selbst kaum noch sprechen. Er ist so verzweifelt und weiß doch gar nicht, was er tun soll, wenn er Renjun jetzt nicht sehen kann. Wenn ihm seine einzige Chance einfach genommen wird. Okay, notfalls wird er Gewalt anwenden, wenn es das Letzte ist, was ihm wenigstens noch einen Blick auf die Liebe seines Lebens gewährt, denn gegen Yangyang kommt er schon an. Aber trotzdem würde er darauf lieber verzichten. Er will, dass alles wieder gut ist.
„Ich würde euch beide gern gegen die Wand klatschen", sagt Yangyang kühl und verdreht die Augen, als Donghyuck ihn anklagend ansieht. „Ich hole ihn. Aber mach mich nicht dafür verantwortlich, wenn er dich nicht sehen will. Und geh, wenn er es will. Kapiert?" Er sieht Donghyuck durchdringend an, bis er ergeben nickt. „Warte draußen." Und dann fällt die Tür direkt vor seiner Nase wieder ins Schloss.
Donghyucks Knie wollen unter ihm nachgeben, während er wartet und seine Hoffnung mit jeder verstreichenden Sekunde schwindet. Das war eine blöde Idee, obwohl Taeyong-Hyung ihn bei seinem Vorhaben unterstützt hat. Wenn er jetzt geht und nicht wiederkommt, dann ist das vielleicht besser als wenn er darauf wartet, dass Yangyang wiederkommt und es ihm ins Gesicht sagt. Aber dann geht die Tür auf und er vergisst alles, was er eigentlich sagen wollte.
„Was willst du hier?" Renjun sieht müde aus. Müde und ungewaschen und so traurig, dass Donghyuck Yangyangs Aussage folge leisten und sich selbst gegen die Wand klatschen will.
„Wir-Wir müssen reden", bringt er hervor und muss gegen den Drang ankämpfen, Renjuns winzigen Körper an sich zu ziehen und ihn nie, nie, nie wieder loszulassen. So, wie er es schon die ganze Zeit hätte tun sollen. So, wie er es immer schon verdammt nochmal wollte.
„Was willst du denn noch bereden? Das hat keinen Sinn." Renjun fasst sich entnervt an die Stirn. Er hat Donghyuck noch kein einziges Mal in die Augen gesehen, aber vielleicht ist es besser so, weil Donghyuck sonst sein Innerstes sehen könnte. Wie damals, vor ihrem letzten Abschied. Nur dass er da noch nicht wusste, dass es der letzte sein wird.
„Renjun, wir- wir können doch über alles reden, oder?" Donghyuck weiß, dass er zu verzweifelt ist. Es ist, als wäre Renjun das Objekt im Zentrum seines Tunnelblicks, etwas anderes gibt es nicht. Wird es nie. „Bitte."
„Warum hältst du noch daran fest?", fragt Renjun. „Wir sind nicht mehr zusammen. Das mit uns, das- funktioniert nicht." Er seufzt leise. Sein Blick irrt immer noch überall umher, aber niemals in der Nähe von Donghyucks Gesicht. Als wäre er genauso verloren wie Donghyuck sich fühlt. „Schön, dass du den weiten Weg auf dich genommen hast, aber das war unnötig." Er seufzt nochmal und dieses Mal glänzen seine Augen verräterisch, als er den Blick wieder hebt. „Du kannst hier schlafen, bis du einen Rückflug gebucht hast. Aber das war's dann."
„Renjun-"
„Bitte, Donghyuck. Das hatten wir doch alles schon." Er dreht sich um ohne ein weiteres Wort, schlurft zurück in die Wohnung, bittet Donghyuck auch nicht herein. Kurz darauf fällt irgendwo eine Tür ins Schloss. Am liebsten würde Donghyuck gleich wieder gehen, weil er das Gefühl hat, es niemals in dieser Wohnung auszuhalten, wenn es mit Renjun ist, aber ohne ihn. Er hat ihn ja noch nicht einmal ausreden lassen.
Yangyang sitzt am Tisch im Esszimmer, vor ihm Skizzenbuch und Zeichentablet. Er arbeitet, aber nimmt einen Kopfhörer aus dem Ohr und sieht Donghyuck über den Rand seiner Brille hinweg missbilligend an, als er reinkommt. „Ist wohl nicht so gut gelaufen", stellt er fest. Donghyuck will ihm etwas an den Kopf werfen.
„Du bist echt keine Hilfe", sagt er leise und lässt sich aufs Sofa fallen. Er sieht sich selbst in der Spiegelung im Fernsehbildschirm, wie sein Blick starr ins Leere geht. Sie saßen hier schon stundenlang und haben sich alle Harry Potter-Filme angeschaut. Renjun hat Donghyuck zu einem Herr der Ringe-Marathon gezwungen, aber erst nachdem sie sich alle Hobbit-Filme reingezogen hatten, sie haben hier gelacht und vielleicht ein bisschen geweint, aber sie waren zusammen. Donghyuck hört Renjun immer noch lachen.
„Weißt du, er hatte es schwer." Das Sofa senkt sich kaum merklich, als Yangyang sich neben ihn setzt. „Und er hat mir nicht alles gesagt, was zwischen euch passiert ist, nur hatte er früher schon so viel Scheiße, dass ich mir alles mögliche zusammenreime. Also versteh das, wenn ich sauer auf dich bin, obwohl ich weiß wie Jun ist und dass es vielleicht nicht nur an dir liegt. Du bist jetzt aber hier und versuchst es nochmal, das find ich gut." Er rammt Donghyuck schmerzhaft seine Faust gegen den Oberarm. „Care to explain?", sagt er dann.
„Das hat doch keinen Sinn", wiederholt Donghyuck Renjuns Worte. „Es ist meine Schuld. Ich bin ein schlechter Freund und- ich-" Er schlägt die Hände vors Gesicht. „Ich hab- ihm glaube ich einfach das Gefühl gegeben, nicht genug zu sein und- und wahrscheinlich hat er recht. Ich meine- ich- wir sind so weit auseinander, und ich habe es so oft einfach verpennt ihm zu sagen, dass ich- dass ich ihn wirklich-"
„Schon gut", sagt Yangyang. „Beruhig dich erst einmal, ich versteh kein Wort."
Donghyuck seufzt und zieht die Nase hoch. Seine Augen brennen verdächtig und er starrt an die Decke, als er die Hände von seinem Gesicht nimmt. Die Decke, die sogar hier im Wohnzimmer diese fluoreszierenden Sterne drankleben hat, weil Renjun die kurz nach seinem Einzug schon in der ganzen Wohnung verteilt hat, neben seinem Zimmer auch in der Küche und im Bad. „Renjun verdient jemand Besseren", wispert er. „Jemand, der für ihn da sein kann. Auf ihn aufpasst und ihm jeden Tag sagt, wie sehr er ihn liebt. Der ihn immer in den Arm nehmen kann, wenn er es braucht. Jemand, der- der hier ist."
„Mein Gott, bist du cheesy." Yangyang stöhnt. „Kein Wunder klebt der so an dir."
„Aber-"
„Nichts aber, denkst du echt, Renjun schließt einfach so mit dir ab? Er hat dich reingelassen, oder? Ich sag's ja, er ist viel zu nett. Hätte er wirklich mit dir abgeschlossen, dann wärst du jetzt nicht hier, Fullsun."
„Das ist- Schwachsinn."
„Gut, dann glaub's mir nicht, ich zwinge dich nicht dazu." Yangyang steht wieder auf und streckt sich so eingiebig, dass seine Knochen knacken. „Wo du dann sowieso dabei bist, dir in diesem absolut aussichtslosen Ferienchaos einen Flug zu buchen und frühestens einen in so zwei Monaten bekommen wirst, hast du Bock auf Sushi? Ich hab nämlich Hunger."
„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du echt kein Feingefühl hast?"
„Ich hab Fingerspitzengefühl." Yangyang wackelt mit den Händen und grinst. Donghyuck verdreht die Augen.
Yangyang bestellt eine Riesenladung Sushi, breitet seine Ausbeute schließlich auf dem Sofatisch um Donghyucks aufgeklappten Laptop herum aus und versteckt auch nicht seine Schadenfreude, als er sieht, wie Donghyuck mit der beschissenen Airline zu kämpfen hat. Natürlich hatte die Ratte recht. Aber Donghyuck will nicht schon wieder Taeyong darum bitten, ihm bei etwas so Banalem wie einem blöden Rückflug zu helfen. Und Junmyeong-Hyung fragt er nach dem ganzen Drama auch vorläufig nichts mehr, sonst kann er die Anstellung in Shanghai vergessen, weil inkompetente Arbeitnehmer ganz bestimmt nicht versetzt werden.
Yangyang schmeißt den Fernseher an und macht sich neben Donghyuck so breit, wie er es überhaupt nicht für möglich gehalten hätte. Anscheinend kümmert es ihn auch nicht, dass Renjun während des gesamten Nachmittags nicht wieder aus seinem Zimmer gekommen ist, er dreht die Lautstärke seines Spiels voll auf und streckt die Beine über Donghyucks Schoß aus. Donghyuck findet, er ist ein ziemliches Arschloch, dafür dass er Null Mitgefühl zu haben scheint, aber irgendwie mag er ihn trotzdem.
Nach drei Stunden vergeblichen Wartens, zwei davon am Telefon in der Warteschleife der Flughafenhotline, gibt Donghyuck entnervt auf. Er hat Kopf- und Herzschmerzen, Yangyang geht ihm auf die Nerven, und Bock auf dieses beknackte Ballerspiel, das ihm den allerletzten Nerv auch noch raubt, hat er wirklich nicht. Er ist nur hergekommen, um mit Renjun zu reden. Und auch wenn der andere es nicht will, er ist immer noch hier, einen Flug kriegt er momentan sowieso nicht, und die Woche hat er auch frei, also warum sollte er einfach aufgeben? Eine Woche muss genug Zeit sein, um Renjun zurückzugewinnen.
Yangyang jubelt ihm hinterher, als er sich eine unangerührte Schachtel Sushi vom Tisch nimmt und im Flur verschwindet.
„Renjunnie?" Er klopft zaghaft gegen seine Zimmertür, in der Hoffnung, dass er wenigstens ein winziges Geräusch als Antwort bekommt, aber es bleibt genauso still wie zuvor. „Es gibt Essen, Renjunnie, willst du nichts?" Seine Stirn sinkt gegen die Tür, während er nach der Klinke tastet. Er will eigentlich nicht einfach so reinplatzen, aber was wenn Renjun was passiert ist oder ihm einfach die Hand ausrutscht und-
Renjun hat die großen Fenster absolut lichtundurchlässig abgeriegelt. Es herrscht völlige Dunkelheit in seinem Zimmer, und stickig ist es auch. Das Licht vom Flur zeigt Donghyuck nur einen Teil des Ausmaßes an Chaos, das in Renjuns sonst so akkurat aufgeräumten Zimmer herrscht. Klamotten überall, auf dem Boden, über seinem Stuhl, der Korb für alte Wäsche gleich neben der Tür quillt längst über. Auf seinem Schreibtisch zerknüllte Blätter, Stifte, Pinsel, halb volle Wasserflaschen, mittendrin sein Laptop und das iPad. Ein Regal versperrt Donghyuck die Sicht auf sein Bett, aber er weiß trotzdem, dass Renjun irgendwo in dem Kissen- und Deckenchaos sein muss.
„Renjunnie." Donghyuck kann nur noch flüstern, weil er Angst hat, dass ihm sonst die Stimme versagt. Er hat Renjun noch nie so gesehen, so nachlässig und- verloren. Er ist immer so perfekt gewesen, hat nie Risse bekommen. Scheinbar hat Donghyuck wohl noch mehr Schaden angerichtet, als er gedacht hat. Renjun muss jetzt eine Kluft sein. Es tut weh. Mehr als all der Schmerz bisher. Das hier tut am meisten weh. „J-Jun."
„Bitte geh weg." Renjuns Stimme ist leise, aber fest. „Du hast hier drin nichts zu suchen."
„Kannst du mir nicht einfach- einfach kurz zuhören? Ich brauch auch nicht lange. " Donghyuck sinkt auf die Bettkante und dreht die Sushischachtel in den Händen. „Du hast mich vorhin gar nicht ausreden lassen." Dieses Mal schweigt Renjun als Antwort und Donghyuck weiß nicht, ob er auf Durchzug geschaltet hat, oder ob das heißen soll, dass er fortfahren kann. „Es tut mir leid." Er will die Hand nach dem Deckenburrito ausstrecken, es kribbelt ihm in den Fingerspitzen, aber er lässt es. „Ich weiß, das- bedeutet jetzt vielleicht nicht mehr so viel, aber- es tut mir leid. Ich war ein scheiß Freund. Ich hab dir nicht zugehört und so getan als ob- als ob deine Gefühle mir nichts bedeuten, aber- aber Renjun." Er muss schon wieder die Nase hochziehen. „Deine Gefühle sind mir wichtiger als meine eigenen. Oder irgendjemandes", sagt er bebend. Nicht mehr lang, und sein Damm bricht. „Ich will dich nicht verlieren." Er beißt die Zähne zusammen und atmet tief durch. „Ich liebe dich. Mehr als irgendwas sonst, mehr als mich selbst, mehr als alles. Und- und deshalb- deshalb akzeptiere ich deine Entscheidung, okay? Ich verstehe dich, wenn du sagst, dass du so nicht weitermachen willst, ich dachte nur- wir schaffen das, irgendwie. Und ich will nicht streiten, ich will nur, dass- du glücklich bist, Renjunnie. Und du- du verdienst Besseres als mich, ich weiß das ja. Ich wünschte nur, ich könnte immer für dich da sein, immer, immer, immer. Aber ich kann's momentan nicht und ich hasse das so." Zum Ende hin flüstert er nur noch, schiebt die Schachtel zwischen das Chaos auf dem Nachttisch. „Bitte iss was, Baby. Und pass auf dich auf." Er wirft dem Deckenburrito einen langen Blick zu, wartet darauf, dass er sich bewegt, aber es passiert nichts. Schließlich steht er auf und verlässt Renjuns Zimmer, das ihm immer mehr ein Zuhause war als sein eigenes. Er schließt die Tür hinter sich und lehnt sich für einen Moment gegen die Wand im Flur. Es fühlt sich an, als hätte er sich eben sein eigenes Herz aus der Brust gerissen und würde jetzt langsam verbluten. Wahrscheinlich ist das der grausamste Tod, den er sich je hätte vorstellen können.
⌛
Hyuck
wir müssen reden
Donghyucks Handy hat noch gar nicht zu Ende vibriert, da greift er schon danach. Das war schon die ganzen letzten Tage so, die ganze Zeit hat er darauf gewartet, dass Renjun ihm endlich schreibt. Seit drei Tagen ist es, als wäre er verschwunden, ist nicht online, antwortet nicht auf Donghyucks Nachrichten, und zurückrufen tut er auch nicht. Die vergangenen drei Tage waren so beschissen grau, dass Donghyuck sich fragt, wie er das vor Renjun überhaupt aushalten konnte.
Jetzt machen Renjuns Nachrichten überhaupt nichts besser. Er ignoriert Donghyucks Sticker-Spam, seine Nachfragen, die Benachrichtigungen entgangener Anrufe. Einfach nur wir müssen reden. Eigentlich wird Donghyuck nicht schnell wütend. Nachtragend ist er auch nicht. Aber ehrlich gesagt wird er jetzt trotzdem ein bisschen sauer.
„Handy weg, Lee." Kim Jaesoo lugt über die Trennwand zwischen ihren Schreibtischen. „Ich sehe, dass du mal wieder nichts machst. Willst du, dass ich es dem Boss stecke? Damit er endlich merkt, dass du eine totale Niete bist?"
„Wenn du's nötig hast", sagt Donghyuck betont gelangweilt, obwohl in ihm drin gerade die Hölle losbricht, und schiebt sein Handy zurück in die Hosentasche. Eigentlich kann er keine Abmahnung gebrauchen, schon gar nicht, wenn von diesem Job quasi sein Leben abhängt. Trotzdem ist er den restlichen Tag lang unfähig, irgendwas Produktives zu schaffen, wirft im Minutentakt einen Blick auf die Uhr, überlegt, was er Renjun als nächstes schreiben soll, und verbringt auch die Mittagspause nicht mit den anderen in der Kantine. Sein Knie schlägt nicht nur einmal gegen die Tischkante, weil er es nicht ruhig bekommt.
Er ist der Erste, der das Büro verlässt und in der Lobby angekommen wartet er auch nicht auf Doyoung, sondern legt einen Sprint zur nächsten Bushaltestelle ein. Er ist nicht viel schneller zu Hause als sonst, weil der Feierabendverkehr ihm einen Strich durch die Rechnung macht, aber wenigstens ist er allein. Während der Fahrt umklammert er sein Handy mit beiden Händen, tippt neue Nachrichten ein, löscht sie wieder. Fuck, als wäre das so schwer. Renjun will nur reden.
heyy fremder <3
gibt's was wichtiges?
willst dus am telefon klären?
bin in einer halben stunde zu hause
hoffentlich
Es dauert ausnahmsweise nicht lange, bis etwas zurückkommt.
okay
Für mehr reicht es nicht. Aber es reicht, um in Donghyuck ein klammes Gefühl auszulösen. Ein Knoten wächst in seiner Brust, schwillt mit jeder Minute mehr an. Irgendwas stimmt nicht. Und Donghyuck weiß nicht, ob er wissen will, was es ist.
Taeyong-Hyung ist nicht da, aber das kommt ihm gerade recht. So muss er sich wenigstens nicht mit seiner Fragerei rumschlagen. Er macht sich nicht einmal die Mühe, seine Krawatte zu lösen, sondern wählt Renjuns Nummer, sobald er eine WLAN-Verbindung hat.
„Hey- Hey? Bist du da?" Renjuns Icon taucht auf seinem Bildschirm auf, aber zuerst ist es still. Und seine Kamera bleibt auch aus.
„Hey", sagt Renjun leise. Er klingt nicht gut. Donghyuck kann mittlerweile dazwischen unterscheiden, wie Renjun klingt, wenn alles in Ordnung ist. So ganz bestimmt nicht. So klingt Renjun an den Tagen, an denen er ihn am schlimmsten vermisst, nur um ihn mitten in der Nacht anzurufen, um seine Stimme zu hören, damit er einschlafen kann.
„Alles in Ordnung? Darf ich dich nicht sehen, Baby?", fragt Donghyuck, lehnt sein Handy gegen einen Stapel alter Bücher auf seinem Schreibtisch, der eigens für solche Zwecke existiert.
„Lieber nicht", sagt Renjun gepresst. Donghyuck vermisst ihn so sehr.
„Worüber wolltest du reden?"
„Ich wollte dir nur sagen, dass-" Renjun räuspert sich, aber es klingt mehr nach einem unterdrückten Schluchzen. Donghyuck fährt mit dem Finger unter seinen Krwattenknoten und zerrt daran. Er ist nicht bereit für das, was gleich kommt. „Ich wollte dir nur sagen, dass das mit uns- das mit uns nicht mehr geht."
„W-Was?" Es ist kaum mehr als ein Flüstern, weil die Worte Donghyuck mit voller Kraft erwischen. Er spürt den Schmerz nicht sofort, aber als er es tut, ist es, als hätte Renjun ihm ein Messer mitten in die Brust gerammt. „Du- Du- Renjun." Er überspielt es mit einem nervösen Lachen. „Das meinst du doch nicht ernst, oder?"
„Ich mein's ernst", kommt es aus seinem Handy. Er darf ja noch nicht einmal Renjuns Gesicht sehen.
„Und- das sagst du mir, ohne mir ins Gesicht zu schauen?", sagt Donghyuck leise. Er spürt, wie seine Schultern nach vorn sinken, wie sein ganzer Körper in sich zusammensinkt. „E-Einfach so? Du gibst uns auf? Mich?" Auf einmal?
„Es hatte doch von Anfang an keine Zukunft." Renjuns Kamera ist jetzt an, aber es ist so dunkel, dass Donghyuck sein Gesicht nicht sehen kann. Was für ein abgefuckter Scheiß geht hier vor? „Du- Nimm es nicht persönlich. Das hat nichts- nichts mit dir zu tun."
„Muss es ja." Donghyuck weiß gar nicht, was er sagen soll. Geh nicht weg, will er rufen, will durch sein Handy greifen und Renjun durchschütteln. „Ich-"
„Nein, Lee Donghyuck. Das ist nicht deine Schuld." Renjun seufzt bebend. „Es tut mir leid. Und ich- ich hoffe, dass du glücklich wirst."
„Was denkst du denn-" Donghyuck schnaubt und schüttelt den Kopf. „Jun, lass uns darüber reden, das- ich komm dich bald wieder besuchen, ich versprech's, so bald es geht setze ich mich in den nächsten Flieger."
„Darum geht's doch gar nicht", wispert Renjun. „Ich- Ich bin nicht für sowas gemacht. Wir sind einfach- es geht nicht. Und bevor ich hier irgendwem noch mehr Schaden zufüge, beenden wir das."
„Du kannst doch nicht- Du hast nichts-"
„Mach's gut, Donghyuck. Finde wen, der nicht so weit weg von dir ist und der bei dir bleiben kann, weil er okay ist."
„Nein, jetzt- Renjun- Renjun!"
Er legt einfach auf. Donghyuck kann ihn nicht festhalten, nicht dieses Mal. Irgendwo zersplittert krachend etwas, und erst nach einigen endlosen Sekunden kapiert er, dass es sein eigenes Herz war.
⏳
Er darf auf dem Sofa schlafen. Yangyang ist sogar gnädig genug, dass er ihm eine seiner zehntausend Decken aus seinem Schrankvorrat abdrückt. Wahrscheinlich findet er keine passenden Worte, um Donghyuck irgendwie ein bisschen zu trösten, falls ihn das alles überhaupt kümmert, deswegen pflastert er sich für den Rest des Abends an Donghyucks Seite und klopft ihm vor dem Zubettgehen auf die Schulter, als würde das irgendwas bringen.
Donghyuck kann genauso wenig schlafen, wie auch die vergangenen Wochen schon. Sein Kopf zeigt ihm alle möglichen Szenarien ihres Streits, der eigentlich nie einer war. Nur immer weniger Nachrichten und Anrufe, weniger gemeinsame Discordnächte, irgendwann nicht einmal mehr Bilder. Und dann die zögerlichen Nachrichten Hyuck, wir müssen reden, ihr letzter Anruf, bis Donghyuck nach Luft schnappend hochschreckt. Seine Wangen sind nass und er kann nicht mehr durch die Nase atmen, und als er sich aufsetzt, dröhnt sein Kopf. Er stöhnt leise in seine Handflächen und wischt sich schniefend über die Wangen, bevor er sein Handy vom Tisch angelt und im Browser ein neues Fenster der Korean Air öffnet. Das ist beschissen. Solange er hier ist, wird gar nichts besser werden. Das alles hatte von Anfang an überhaupt keinen-
„H-Hyuck?" Seine Stimme ist so leise, dass Donghyuck ihn zuerst für eine Einbildung hält. Bis er das schwache Licht vom Flur wahrnimmt, und Renjuns Silhouette in der Tür.
„Renjun?" Donghyuck hasst, dass seine Stimme so verräterisch nasal klingt. Er spürt Renjuns Präsenz überdeutlich im Raum, hört das leise Rascheln seiner Kleidung, als er näher kommt, aber sein Handy ist zu hell, deswegen kann er ihn nicht sehen. „Alles in Ordnung? Brauchst du was?" Weil diese Frage in Renjuns eigenem Zuhause sinnvoll ist. „Hey, schlafwandelst du oder-" Bevor er den Satz zu Ende bringen kann, senkt sich das Sofa neben ihm und Renjun sinkt mit seinem ganzen, mickrigen Gewicht gegen Donghyucks Seite. Sein Handy rutscht ihm aus der Hand und fällt in seinen Schoß, für einen Moment kann er nicht einmal atmen, weil alles stillsteht. Bis Renjun schnieft und sein ganzer Körper unter einem Schluchzen erbebt.
„Oh", flüstert Donghyuck heiser und greift nach ihm, zieht ihn an sich, zerrt an seinem T-Shirt, seinem Handgelenk, bis er den Arm um seine Taille schlingen kann. „Ich bin hier." Aber das führt nur dazu, dass Renjun heftiger weint und Donghyuck selbst nicht mehr gegen die Tränen und den Kloß in seinem Hals ankommt.
„Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir- l-leid-" Renjuns Flüstern ist nur undeutlich, mehr ein Atemzug an Donghyucks Hals, aber er versteht ihn trotzdem. Wie ein Mantra flüstert er das Wort vor sich hin, hört nicht einmal zum Luftholen damit auf.
„Es ist okay, Baby", sagt Donghyuck bebend. Er umfasst Renjuns Gesicht und streicht mit den Daumen unter seinen Augen entlang. Im Halbdunkel erkennt er ihn kaum, nur die nassen Spuren auf seinen Wangen und unter seiner Nase, das Glänzen in seinen Augen. „Es ist okay. Hör auf, das zu sagen und hol mal Luft." Er küsst Renjuns Stirn, seine Wangen, seine Lippen, schmeckt das Salz seiner Tränen und versteht, dass es für ihn gar nie anders war. Nicht anders ist.
„Verzeih mir", flüstert er gegen Donghyucks Lippen.
„Es gibt nichts zu verzeihen, Jun." Donghyuck streicht durch seine Haare und lächelt sanft. Er braucht dringend ein Taschentuch, aber bewegen will er sich jetzt nicht. Nicht dass Renjun wieder wegläuft, wie eine Katze, die schon bei der kleinsten unvorhergesehenen Bewegungen aufspringt und flieht. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich all deine Entscheidungen akzeptiere. Renjun, du-"
„Sag nie wieder, dass ich was Besseres als dich verdient habe", platzt es aus Renjun heraus. „Sag das nie wieder, wenn du das Beste bist, was mir je passiert ist, Lee Donghyuck."
„Hör auf", wispert Donghyuck zurück und legt einen Zeigefinger auf Renjuns Lippen. „Sag keine Dinge, die nicht wahr sind."
Renjun greift nach seiner Hand und nimmt sie von seinem Gesicht weg. Verschränkt ihre Finger ineinander und Donghyuck will explodieren. „Du weißt das doch gar nicht." Mit der freien Hand wischt er sich über die Wangen, zerrt an seinem Ärmel und wischt sich damit unter der Nase entlang. Donghyuck verliebt sich in diesem Moment wahrscheinlich noch mehr in ihn. Und das sagt er ihm auch, nur dass es Renjun noch mehr zum Weinen bringt. Seine Stirn sinkt gegen Donghyucks Schulter, während der ihn hält und hin und her wiegt, bis das Beben in seinem Körper endlich schwächer wird.
„Ich geh nicht weg, wenn du das nicht willst, Renjun. Nie."
Für einen Moment ist es still zwischen ihnen, während ihre Herzen sich wieder in der Mitte treffen und zu einem ganzen Rhythtmus werden. Renjun muss einige Male tief durchatmen, bis Donghyuck spürt, dass er sich endlich ganz entspannt. Er sinkt ganz gegen ihn, umfasst ihre ineinander verschränkten Hände auch noch mit seiner freien. Es dauert lange, bis er zu sprechen anfängt.
„Mein- mein erster Freund hat mich nur zum Spaß benutzt. Ich war jung und naiv und unschuldig, alle Jungs in meinem Alter wussten schon so viel mehr. Er hat das herausgefunden, mich ausgelacht und bei seinen Freunden zur Witzfigur gemacht." Eine Träne tropft heiß auf Donghyucks Hals. „Mein zweiter Freund hat- hat Videos gemacht." Wieder ein Beben, Donghyuck hält ihn fester. „Ich dachte, ich könnte ihm vertrauen. Alle haben gesagt, ich wäre- wäre s-schön und- ich wüsste nicht was ich hätte und deswegen will mich jeder. Das war schon an der Uni. Und ich dachte wir wären glücklich, aber ich bin nur wieder reingefallen auf diese Scheiße. Wie jedes Mal. Ich- ich hab so- so viele Freunde noch dazu verloren, ich-" Er muss eine Pause machen, weil der Heulkrampf ihm die ganze Luft nimmt. Donghyuck hält ihn fest, streicht ihm über den Kopf und verspricht, dass er nicht weggeht. Als es besser wird, zieht Renjun die Nase hoch und atmet wieder tief durch.
„Ich war das Gespött der ganzen Uni. Musste wechseln und hab in jedem nur noch das Schlechte gesehen. Menschen kann man nicht vertrauen, niemandem, verstehst du? Aber dann hab ich mich doch wieder- verliebt. Oder so. Nach einem halben Jahr hab ich herausgefunden, dass er mir fremdgeht. Mit einer Frau." Zum Ende hin flüstert er nur noch, stockt immer wieder. „Irgendwann hab ich angefangen, mich abzukapseln. Von meinen Freunden und meiner Familie auch, so gut es eben ging. Ich hab so getan, als wäre alles gut, als würde mir das alles nichts ausmachen, weil ich stark bin. Ich bin durch reihenweise Prüfungen gefallen, weil ich nur noch online war. Online sind immer alle so nett. Sie verstehen dich und sind immer da und sie sagen auch meistens genau das, was du gerade hören willst. Sie sind netter als echte Menschen und deswegen hab ich mich mehr oder weniger in dieser Welt verloren, bin nicht mehr rausgegangen, hab mein Studium vernachlässigt, kaum noch gegessen oder geschlafen. Wochenlang hat niemand was von mir gehört."
Donghyuck will ihn unterbrechen. Ihm sagen, dass er das nicht aushält, den Schmerz und die Wut, das Verlangen danach, irgendwas kaputt zu machen, am besten die Menschen, die seinem Renjun das angetan haben. Aber er kann noch nicht einmal Luft holen, weil ihm etwas die Brust zuschnürt. Er kann nur dasitzen, zuhören und Renjun festhalten.
„Dann hab ich dich kennengelernt." Renjuns Griff verstärkt sich. „Du hast mich genervt, aber Yang war auch nervig und eigentlich auch der Einzige, der irgendwann gucken kam, weil er sich Sorgen gemacht hat. Hast du auch, obwohl du nicht einmal ansatzweise wusstest, was in meinem Leben abgeht." Donghyuck spürt, wie Renjuns Lippen sich an seinem Hals zu einem Lächeln verziehen. „Du warst immer da, immer. Fast kam es mir so vor, als würdest du genau wie ich nie Pausen machen, als gäbe es irgendwas, das uns verbindet. Wenn ich mit dir geschrieben habe, dann war alles gut, ich konnte vergessen, was gerade um mich rum passiert, weil es etwas gab, das mich abgelenkt hat. Du warst wie ein Anker, alles, was mein sinkendes Schiff davon abgehalten hat, noch weiter aufs offene Meer zu treiben. Ich dachte nicht, dass ich dich für immer hab. Bis zum Voicechat und das war auch das erste Mal seit über einem Monat, dass ich mit einem anderen Menschen geredet hab, weißt du. Dann haben wir irgendwann Nummern getauscht und ich konnte mich wieder von meinem Schreibtisch loseisen und mich auch mal ins Bett legen, weil du immer dabei warst. Ich konnte wieder lächeln, bin irgendwann morgens aufgewacht, nachdem ich mehr als drei Stunden ganz durchgeschlafen hab - in meinem Bett und nicht am Tisch oder auf dem Boden -, und hab angefangen aufzuräumen. Überall, auch in meinem Leben."
„Renjun-", keucht Donghyuck atemlos, als würde er nach Hilfe rufen wollen. Dabei weiß er eigentlich selbst nicht genau, was er sagen will. Renjun hebt trotzdem den Kopf und sieht ihn an, besorgt und fast ein bisschen ängstlich, und Donghyuck weiß wieder, warum er ihm das erzählt. Der Knoten in seiner Brust lockert sich nur minimal, aber es reicht, dass wieder Luft in seine Lungen kommt. „Ich liebe dich, Renjun."
Renjun schüttelt zaghaft den Kopf. Seine Unterlippe bebt verräterisch, und Donghyuck streicht darunter entlang. Er nickt vorsichtig und dann ist da der kleinste Hauch eines Lächelns um Renjuns Mund. „Ich dich auch, weißt du", sagt er mit belegter Stimme. „Ich hatte solche Angst, selbst nach dem hundersten Anruf und der milliardsten Nachricht, ich dachte, ich sterbe, als ich dich damals am Flughafen abgeholt habe."
„Das war doch ich", widerspricht Donghyuck leise. „Ich war doch der, der fast gestorben ist."
„Glaubst du." Das Lächeln nimmt immer mehr Form an. „Du weißt ja, dass ich gerade mal drei Monate davor mit Yang zusammengezogen bin. Ich hab dir aber nie gesagt, dass ich mein Studium nachgeholt habe, während ich nebenbei im Studio gearbeitet habe. Ich bin ja noch nicht einmal jetzt ganz fertig, aber ich schiebe einfach alles auf. Und ich hab's dir nie gesagt, aber das alles hab ich nur wegen dir geschafft. Mich aufzurappeln meine ich. Ich hatte damals schon Angst, dir alles zu sagen, weil ich noch viel mehr Angst davor hatte, dich wieder zu verlieren. Dass du irgendwie- von mir abgeschreckt wirst, weil ich-"
„Nichts würde mich je dazu bringen, dass ich von dir abgeschreckt werde, Huang Renjun." In Filmen mag Donghyuck die Szenen, in denen sich die Hauptdarsteller die große Liebe gestehen, überhaupt nicht, auch weil das alles so fake ist, dass er jedes Mal kotzen könnte. Und diese Schleimerei ist auch schrecklich, aber jetzt versteht er, wozu das alles ist. Erst wenn man das alles selbst fühlt, ergibt es Sinn.
„Achja? Auch nicht die tiefsten Abgründe meiner Seele?" Renjun weint und lacht jetzt gleichzeitig.
„Auch nicht das, Baby. Ich hab mein Kletterset dabei."
„Hör doch auf." Renjun sieht ihn gequält an. „Wenn das jemand hört."
„Ist mir egal, ich mein's ernst." Donghyuck drückt seine Hand. „Jetzt und auch morgen und übermorgen noch. Und du hattest recht, wir sind nicht ganz unähnlich, weil du mir auch geholfen hast. Ich glaube, ohne dich hätte ich jetzt immer noch keinen Job und Taeyong-Hyung hätte mich längst gekillt." Er schenkt Renjun ein kleines, vorsichtiges Lächeln. „Ich hatte auch immer Angst. Und ich hab auch nie erwartet, dass ich mich in dich verliebe. Das hat alles nur viel schwieriger gemacht."
„Das ist meine Schuld", flüstert Renjun. „Ich hatte eine scheiß Zeit, als du weg warst, weil ich nicht wusste, was ich ohne dich tun soll. Gar nichts mehr hat irgendwie- Sinn ergeben."
„Du wolltest es mir sagen, oder?", fragt Donghyuck leise. „An dem Abend, bevor ich geflogen bin. Du wolltest es mir sagen."
„Vielleicht", sagt Renjun. „Aber ich glaube nicht, dass ich es geschafft hätte. Nicht in dem Moment, als du sowieso kurz davor warst zu gehen."
„Lieber wolltest du uns wegwerfen?" Donghyuck hofft, dass es nicht allzu gemein klingt, aber er weiß nicht, wie er es anders ausdrücken soll. „Ich weiß, dass ich scheiße zu dir war. Ich hab nicht zugehört und-"
„Hey." Renjun stupst ihn sanft an. „Das ist mein Job. Du hast nichts falsch gemacht, Hyuck. Das war die vorlaute Stimme in meinem Kopf, die immer denkt, sie hätte recht, weil sie mich beschützen will. Du warst weg und sie wieder lauter und deswegen- deswegen bin ich gefallen."
„Siehst du, ich hätte bleiben sollen."
„Du konntest nicht."
„Jetzt kann ich aber." Donghyuck atmet mit den Worten aus und hofft, dass es keine blöde Idee war, jetzt damit zu kommen, wenn er eigentlich gar nicht weiß, ob es klappt.
„Du bist ein Idiot, natürlich musst du zurück." Renjun sieht ihn durchdringend an. Donghyuck sieht die Traurigkeit in seinem Blick trotzdem. „Wir haben beide unser Leben und ein Teil davon läuft eben getrennt ab. Das heißt nicht, dass es keinen gibt, in dem wir nicht zusammen sein können."
„Bald muss es nicht mehr nur ein Teil sein, Renjunnie."
Zu der Traurigkeit mischt sich Verwirrung, die sich in Renjuns Augen spiegelt. „Was?"
„Ich komme fest her", sagt Donghyuck. „Vielleicht", fügt er noch hinzu, weil er nicht will, dass sie beide sich falsche Hoffnungen machen.
„W-Was?" Renjuns Hand löst sich aus seiner und für einen Moment denkt Donghyuck, dass das eine wirklich blöde Idee war.
„Ich- Ich komme her. Nach Shanghai. Vielleicht werde ich versetzt, aber-"
„Lee Donghyuck." Renjun umfasst sein Gesicht und quetscht seine Wangen. Er mustert Donghyucks Gesicht, sieht ihm in die Augen, als würde er nach etwas suchen. Vielleicht nach einer Lüge.
„Wasch", sagt Donghyuck undeutlich. Er kann Renjuns Gesicht nicht lesen, sucht nach irgendwas, das ihm sagt, dass das keine Scheißidee war, wie Taeyong-Hyung gesagt hat. Aber anstatt dass Renjun etwas sagt, bricht er schließlich wieder in Tränen aus.
„Ist das dein Ernst?", schluchzt er, seine Finger beben und Donghyuck greift sanft nach seinen Händen.
„Das ist mein voller Ernst, Baby."
„Oh Gott." Renjun starrt auf seine bebenden Finger, blinzelt gegen die Tränen an und öffnet immer wieder den Mund, als wollte er etwas sagen, nur um ihn dann doch wieder zu schließen.
„War das eine blöde Idee?", sagt Donghyuck besorgt. „Ich kann auch- ich weiß nicht, ich kann bestimmt mit meinem Chef reden und-"
„H-Hyuck." Renjun lacht in die Tränen hinein. „Das ist- weißt du, das- Ich liebe dich, oh mein Gott." Und dann fällt er Donghyuck um den Hals und weint an seiner Schulter weiter, aber endlich fühlt es sich so an, als würde er vor Freude weinen. Und als wäre alles wieder gut. Renjun ist kaputt, Donghyuck weiß jetzt auch wie sehr, aber das hat ihn nicht von seinem Vorhaben abgebracht. Er will bei ihm sein, immer, morgens neben ihm aufwachen, ihn nach der Arbeit zum Essen ausführen und abends neben ihm einschlafen. Es ist okay, dass er dafür nochmal neu anfangen muss. Es ist okay, solange er Renjun hat.
„Ich liebe dich, Baby. Und ich tue alles dafür, dass du mir das glaubst."
„Egal wie lange es dauert?", flüstert Renjun.
„Egal wie lange."
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