Recht schnell hatte Chan von ihm abgelassen, da er wusste, wie unangenehm Jeongin die ganze Sache werden konnte. Im Gegensatz zum ihm, fühlte sich der Jüngere oftmals nicht so ganz wohl bei der Sache in aller Öffentlichkeit seinem Freund so nahe zu sein. Er schämte sich nicht, doch es lag einfach nur an der Tatsache, dass Homosexualität nicht sonderlich gern gesehen wurde. Seine Mutter stand hinter ihm und auch Seungmin hatte absolut kein Problem damit gehabt. Oft spürte er die ganzen Blicke, die auf sie gerichtet waren, wenn sie auch nur Händchen hielten. Sein Mut verließ ihn nicht, solang er die Wärme seines Freundes spürte, aber seine Umgebung setzte ihm dennoch zu. Er war sich aber sicher, dass er eines Tages genauso selbstbewusst, wie der Australier sein würde, was ihre Beziehung anging. Tag für Tag würde sie wachsen, wie eine Blume, die mit der Zeit ihre Knospe öffnete und die wunderschöne Blüte zum Vorschein kaum. Genauso würde Jeongin irgendwann aufblühen können.
"Ich liebe dich und ich bin endlos stolz auf dich, was du in kürzester Zeit geschafft hast. Du bist wirklich stark, weißt du das?" Stumm nickte der Brünette. Chan sagte ihm das nicht sonderlich oft, dass er stolz war und das war besser so gewesen. Denn jedes Mal fühlte sich Jeongin ein Stück mehr unter Druck gesetzt, dass er sich bemühte, um den Ansprüchen gerecht zu werden, welche man an ihn hatte. Das war absurd gewesen, das wusste er und doch machte es ihn glücklich, dass er diese Worte gerade hörte. "Und ich bin froh, dass ich dich auf deinen Weg begleiten konnte, auch wenn er noch nicht beendet ist. Allein, dass du dich damals geöffnet hast, zeigt, dass du dich nicht von allem unterbringen lässt."
"Es war schwer, aber ich konnte nicht mehr. Ich dachte, ich platze, wenn ich diesen Druck nicht loswerde." Ein leichter Schauer durchfuhr den Jüngeren, als er an die Vergangenheit dachte, die ihm noch immer zu schaffen machte. Es war nicht einfach an sie zu denken, denn jedes Mal, wenn er auf sie zurückblickte, kam es ihm so vor, dass er noch immer in ihre steckte und die gleichen Gefühle in ihm herrschten. Dass er noch immer eiserne Ketten um sich trug, die engen an seinem Brustkorb lagen und ihm die Luft zum Atmen nahmen. Dann sah er aber, dass die Zeit sich gedreht hatte, er nicht mehr derselbe war, wie damals und dass seine Ängste nicht mehr allzu groß waren, die ihn erstickten.
Die Sonne war bereits untergegangen und sie standen schon vor Jeongins Haus. Wehleidig musterte er Chan die letzten Sekunden, ehe er ihn das letzte Mal für den heutigen Tag sah. Ihm schmerzte die Brust und für einen Augenblick durchfuhr ihm wieder die Angst, dass er ihn verlor. Dass er ihn ein letztes Mal sehen würde. Leise atmete Jeongin tief durch, schloss seine Augen für einen kurzen Moment und zählte bis drei. So konnte er sich selbst beruhigen und auch seine Gedanken zum Ersticken bringen. Er hatte verschiedene Methoden ausprobiert, um seine innere Panik loszuwerden. Vieles hatte ihm nicht geholfen und hatten es sogar verschlimmert. Die simpelste Methode hatte ihm aber geholfen und er war recht zufrieden damit, dass ihm überhaupt etwas half. Denn er hatte sich belesen, Berichte von Menschen gelesen, denen nichts half und nach wie vor Opfer ihrer Angst war. Vielleicht lag es aber auch an dem Fakt, dass Chan ihm immer wieder sagte, dass sie sich sehr bald wiedersehen würden. Mittlerweile gab es auch Tage, da sahen sie sich gar nicht und das setzte ihm zu. Aber davon wollte sich Jeongin nicht unterkriegen lassen. Er wollte kämpfen und irgendwann würde er diesen Kampf gegen seine Verlustangst gewinnen, sie ab da an endgültig hinter sich lassen können.
"Wir sehen uns morgen, Innie." Chans Lippen umspielte ein sanftes Lächeln, welches der Jüngere schwer schluckend erwiderte. Es zerriss ihn, das wusste der Ältere. Heute etwas mehr, als es gestern der Fall war und deswegen fand er es auch nicht schlimm, dass er von ihm nur einen flüchtigen Kuss auf seine Wange bekam, ehe er zügig im Haus verschwand. Sein Atem war schwer gewesen und für einen Moment dachte er, dass er seinem alten Ich gegenüberstand, als er die Tür ins Schloss fallen ließ und sich im Spiegel beobachtete. Wie ängstlich Jeongin in diesen sah und doch wusste er, dass alles allmählich gut werden würde, auch wenn es nach wie vor schlimme Tage gab. Aber sie wurden weniger und das war das Wichtigste.
Und er würde nicht aufgeben, bis er mit seiner schlechten Seite leben konnte und vielleicht würde er sie eines Tages auch hinter sich lassen können.
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