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"Egal, was es ist, du wirst immer der Felix bleiben, den ich liebe." Seungmin nahm ihn noch einmal fest in den Arm, wog ihn, als wäre er ein kleines Kind, welches Zuflucht bei seiner Mutter suchte und es beruhigte Felix sehr. Das Wimmern verstummte vollkommen, sodass der Australier seine Stimme wiederfand. Zwar war sie schwach, mehr als das, aber so langsam traute sich Felix zu sprechen. Den Grund zu nennen, warum er verschwand und erst jetzt vor ihm stand. Auch wenn es noch immer wehtat darüber zu sprechen. 

"Es ist wegen Chan... Alles. Dass ich dich täglich angeschrien habe, dich angemotzt habe wegen nichts und ständig die Schuld bei dir gesucht habe. Ich hab den Verlust nicht ertragen und dabei hab ich auch nicht ertragen, dass ich dich mit meiner Art immer mehr abgestoßen habe. All die Wut, die ich in mir hatte, war eigentlich gegen mich selbst gerichtet. Ich hab mir die Schuld an Chans Tod gegeben." Ein erneuter Schwall an Tränen. Verzweiflung, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, Seungmin darüber zu erzählen, ehe der Blonde weitersprechen konnte. 

Felix' Hilfe war es, dass Seungmin nach wie vor seine Hand hielt, während sie auf dem kleinen, doch gemütlichen Sofa saßen, auf welchen sie sehr oft miteinander gekuschelt und die Nähe zueinander genossen hatten. 

"Als du gesagt hast, dass es dir reicht, war ich verzweifelt. Ich wusste nicht, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen sollte, die sich nur nach purer Wut und Hass anfühlten. Ich hab mich selbst nicht einmal verstanden, schließlich hatte ich diese Gefühle als täglichen, ständigen Begleiter und während alle glücklich waren, war ich wütend. Als könnte ich nichts anderes fühlen, als würde mein Leben nur aus diesem negativen Gefühl bestehen, welches mich betäubt und gleichzeitig blind macht. Ich wollte dich bei mir haben, aber ich weiß, dass ich dir schade. Und wenn ich diese Gefühle nicht gespürt habe, dann waren es andere, negative Gefühle. Als wäre ich eine Enttäuschung, eine Belastung, jemand, der es zu Nichts schafft und ich konnte nie jemanden davon erzählen. Ich schäme mich, ich schäme mich vor mich selbst, Seungmin, weil ich weiß, dass ich anders bin und mich niemand so verstehen kann, um nachvollziehen zu können, was in meinem Kopf vorgeht. Es ist so, als würde ich mich selbst würgen, obwohl das Schwachsinn ist. 

Nur Chan wusste davon, weil er mir gezeigt hat, dass ich Hilfe brauche. Aber mit seinem Tod, starb auch mein Geheimnis." 

Tatsächlich hatte der Jüngere Felix' ständige Gefühlsschwankungen mitbekommen, doch diese hatte er nie hinterfragt. Es gab Situationen, da war er wütend gewesen und urplötzlich war er einfach nur traurig, ehe er anfing zu lächeln, als wäre nichts gewesen. Als sei er glücklich. All das hatte er aber nie hinterfragt, sondern hatte es hingenommen, weil er dachte, dass Felix eben so war und nichts dafür konnte. Hinter all dem steckte eine Krankheit, die so viele Facetten hatte und nicht nur die für die Angehörigen eine Belastung sein konnte, sondern auch für den Betroffenen selbst. 

"Keine zwei Wochen später, als du mich vor eine Entscheidung gestellt hast, habe ich mich selbst verletzt, so sehr, dass ich fast daran gestorben wäre. Dabei habe ich es zu diesem Moment gar nicht als so schlimm und lebensgefährlich empfunden. Es hat mir viel eher geholfen diesen Griff um meinen Hals zu lösen, der mich sonst zum Ersticken gebracht hätte. In diesem Moment habe ich einfach viel zu viel gefühlt, als dass ich es hätte verarbeiten können und es ist peinlich das alles zuzugeben. 

Chan hat immer gesagt, ich sollte stolz sein, auf den, der ich bin. Schließlich ist keiner wie ich. Aber wie soll ich auf etwas stolz sein, was mich schwach macht? Was mich zu Dingen zwingt, die ich eigentlich nicht tun möchte? Seungmin, ich möchte diese Krankheit nicht haben, obwohl sie ein wichtiger Teil meines Lebens ist." 

Felix litt an Borderline, eine Persönlichkeitsstörung, die vor allem durch extreme Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist. Schon seit vier Jahren wusste er davon, aber hatte kaum jemanden davon etwas erzählt, weil es ihm derartig unangenehm war. Er wollte sich schließlich nicht erklären müssen und bis zu Chans Autounfall hatte er seine Gefühle mehr als nur im Griff gehabt. Außer einmal. Über drei Jahre war er in Therapie gewesen und hatte gelernt mit seiner Krankheit umzugehen. Vor allem seine Wutausbrüche hatte er in den Griff bekommen. Doch seitdem Chan verstorben war, kehrten sie zurück. Als wäre er von seinem Traum erwacht und diese ganzen Gefühle fraßen ihn förmlich auf. 

Dabei wollte er Seungmin nicht verlieren. Er wollte für immer bei ihm bleiben, aber seine Worte zerstachen den Koreaner viel eher und dadurch verlor Felix ihn. Den wohl wichtigsten Menschen verlor der Blonde durch seine Erkrankung. Und nur deswegen. 

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