-evening

007 |  library

Sunoo schaute mich verwirrt an. ,,Warum sollte ich weinen?" Jiwon zeigte auf seine Wange, woraufhin er sie mit seiner Hand berührte und realisierte, dass er wirklich ein paar Tränen vergossen hatte. ,,Ich w-weiß nicht, sie kamen einfach so." Meine Freundin, die neben mir stand, zog scharf die Luft ein und zeigte die ganze Zeit allwissend abwechselnd auf ihn und auf mich. Genervt fragte ich sie, warum sie das machte. Das ist einfach unangenehm. Sie entschuldigte sich kurzerhand, bevor sie anfing zu erzählen.

,,Was ist, wenn das ihr seid, in eurem früheren Leben? Like, Sunoo hat gerade geweint, oder? Sorry nochmal wegen eben", aufmunternd berührte sie kurz seine Schulter, „aber vielleicht sind das alte Gefühle gewesen, die hochgekommen sind? Erinnert ihr euch als Soyoung irgendwie total komisch drauf und aufgeregt war, als sie am Abend davor Sunghoon begegnet ist? Das hängt vielleicht zusammen, überlegt mal. Es kann sein, dass ihr wiedergeboren worden seid." Grübelnd kräuselte ich meine Stirn. Die Chance besteht. Es war auch plausibel.

,,Du meinst, das sind unsere alten Ichs?" Bei dem Gedanken bekam ich tatsächlich einen leichten Schauer. Wenn ich mir die Gesichter auf dem Bild anschaute, schienen sie mit so vertraut, als wären sie alte Bekannte. Alles was jedoch bisher geschah, war so widersprüchlich und ich war mir etwas zuwider, ob ich dem noch glauben kann. Es war einfach surreal, gleichzeitig auch beängstigend, denn was ist, wenn das Ganze hier etwas ein könnte, was uns in Gefahr bringt?

,,Es ist schon spät, es wäre besser, wenn wir jetzt alle wieder zu unseren Zimmern gehen, falls die Lehrer rumgehen." schlug ich vor. Das kam zwar aus dem Nichts, aber ich war wirklich ein wenig aufgelöst. Ich brauchte Zeit, um alles zu verdauen. Das war doch etwas viel für einen Tag. Als alle einverstanden waren, erklärte ich Sunoo, wie er das Bild wieder an seinen rechtmäßigen Platz bringen konnte. Sonst wäre das ziemlich auffällig gewesen. Danach ging jeder seinen eigenen Weg und wanderte in seine Schlafräume.

Am nächsten Tag beschloss ich die Bücherei aufzusuchen. Während die anderen ihre Nachmittagsstunden hatten, fielen meine aus, da der Lehrer eine andere Klasse betreuen musste. Es war also perfekt, dass ich noch Recherchearbeiten zum Bild hatte, die unbedingt noch erledigt werden mussten. Nach der Mittagspause verfolgte ich also den Weg ins Erdgeschoss, während draußen sich der nicht gerade seltene Schauer im Oktober ankündigte.

Gleichmäßig prasselte der Regen gegen die hohen Fenster und hinterließ leichte Wasserschlieren, die Schattenmuster an die Wände warfen. Ich öffnete die Holztür und betrat eine vollkommen stille kleine Halle, die mit vielen Bücheregalen ausgestattet war. Vorne stand auch die Bibliothekarin, welche mit einem Schiebewagen die Bücher an ihren richtigen Platz brachte. Ok, ich hatte einen Plan.

Am Ende der Bibliothek grenzte ein kleiner Raum, der als Archiv genutzt wird. Nur die Lehrer und die Bibliothekarin hatten Zutritt. Heute war Freitag und die Bibliothekarin würde einige Papiere in das Zimmer bringen, welche am Wochenende nochmal die Lehrer sortieren. Das heißt, wenn sie den Raum verlässt, schleiche ich ich darein solange die Tür noch offen ist. Denn wenn die Schüler auf dem Bild wirklich auf diese Schule gingen, muss es Aufzeichnungen gegeben haben, die mir einige Infos liefern.

Das einzige Problem: Ich wusste nicht, wann genau diese Frau vorhatte, ihre Arbeit zu tun. Gefühlt saß ich mehrere Stunden an einem Tisch mit verschiedenen Büchern, während ich sie still und heimlich beobachtete, doch sie redete entweder mit Schülern, sortierte dies und jenes oder saß an ihrem Pult, während sie KDramas schaute. Man kann es glauben oder nicht, ich war irgendwann so frustriert, dass ich angefangen habe Prinzessin Lillifee zu lesen.

Therapeutisch gesehen, half es mir nicht wirklich, aber ich hatte genug Zeit zum Verplempern. Erst nach einer Weile beschloss ich mir ein Buch über Fabel- und Mythoswesen zu holen. Genaueres wusste ich nicht über Vampire, also sollte es eine gute Entscheidung gewesen sein, dass ich mich darüber mal informiere. Twilight allein brachte mich nicht weiter.

,,Je nach Kultur und Mythos waren die Vampire mit verschiedenen übernatürlichen Kräften ausgestattet. Nach Überlieferung sollen sich die den Wesen zum Opfer gefallenen meist an nichts mehr erinnert haben, weder von der Zeit, an der sie attackiert worden sind, noch wo sie waren. Einige erzählten ebenfalls andere Versionen ihres Tagesablaufes, obwohl es handfeste Beweise und Zeugen gab. Es schien, als könnten sie sich nicht mehr erinnern, was möglicherweise einer Fähigkeit der Vampire zuzuschreiben ist."

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Die Kapitel werden immer länger-
Ich habe viel vorgeschrieben, wenn es überhaupt hier noch jemand liest  🤠

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