Kapitel 6

Mein Blick war sturr auf mein Handy gerichtet.
Wie lange tat ich das jetzt schon? Keine Ahnung.
Worauf wartete ich? Ich wusste es nicht.
Doch ich wusste, dass ich auf etwas wartete und das genΓΌgte mir.

ZΓΆgernd machte ich es an.
Keine Nachricht auf dem Sperrbildschirm. DafΓΌr allerdings mein Hintergrundbild; Taiki.Β 
Er lag schlafend im Bett, seine Decke lag nur noch halb auf ihm, seine braunen, damals fast schulterlangen Haare, fielen ihm beinahe ins Gesicht und sein orangenes Hemd war schon nach oben gerutscht, sodass man seine leichten Bauchmuskeln sah.Β 
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich dieses Foto geschossen habe...

Er wollte mir zu Thanksgiving meine Lieblingscupcakes backen.
Mit Sahne, Erdbeeren und Streuseln drauf.
Allerdings hatte er nicht die Streuseln da, die ich bevorzugte und daher ist er in alle LΓ€den gelaufen, die es im Umkreis von mehreren Kilometern eben zu finden gab.
Allerdings waren die Streuseln in den meisten FΓ€llen ausverkauft, oder es gab sie dort einfach nicht.
SpÀt Abends kam er zurück und war vâllig niedergeschlagen. Und auch wenn ich ihn zu beruhigen versuchte, dass es ja nichts Schlimmes war, war er so traurig, dass er sich letzten Endes 'nen heißen Kakao machte - was er echt oft tat, wenn es ihm grade schlecht ging - und als er den Kakaopulver aus dem Schrank holte, tauchten dahinter schon die gesuchten Streuseln auf.
Taiki war danach so wΓΌtend, dass er aus Verzweiflung schon den TrΓ€nen nahe war. Nach langer Kuscheleinheit mit mir schlief er dann ein und so entstand dieses Bild...

Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen doch das Vibrieren meines Handys ließ es verschwinden und ich entsperrte sofort das Display.
Eine Nachricht von Taiki.

Ist alles in Ordnung?

Was fΓΌr eine dumme und gleichzeitig unnΓΆtige Frage.
NatΓΌrlich war alles in Ordnung.
Ich habe ja gerade nur rausgefunden, dass meine Mutter und somit der einzige Mensch, der mir noch was bedeutete, stirbt und ich somit auch in weniger als 2 Wochen schon auf der Straße landen würde.
Abgesehen davon habe ich ja bloß ein Trauma, da ich 4 verdammte Jahre bei 'nem scheiß Kidnapper saß, der mir Tag für Tag das Leben mehr zur Hâlle machte.

Aber ich hatte auch keine Lust darauf, diejenige zu sein, die sagt, alles wΓ€re okay, wenn das nicht stimmte und wenn es doch offensichtlich war, dass nichts wirklich okay war.
Also schrieb ich:

Nein.

Ich musste nicht lange warten, da hΓΆrte ich das nΓ€chste Vibrieren.

Das mit deiner Mutter tut mir leid.

Ich erkannte ihn gar nicht wieder.
FrΓΌher, wenn wir miteinander chatteten, gab es hinter jeder einzelnen Nachricht eins oder sogar mehrere Herzchen und so monoton sprachen wir nie ΓΌber Messenger miteinander.
Doch jetzt war alles anders.
Jetzt hatte er eine andere.

Ich legte mein Handy weg und schloss die Augen. Tief atmete ich ein und tief atmete ich aus.

Wie lange sollte das noch so gehen?
WΓΌrde ich wirklich bis zu meinem Tod so leiden mΓΌssen?
Gab es denn keinen Ausweg?

Nein... Denn das hier war weder Film noch Buch.
Das war keine Geschichte mit Happy End, das war die RealitΓ€t. Die bittere Wahrheit. Mein Untergang.

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