KAPITEL 4
𝟎𝟗. 𝐍𝐎𝐕𝐄𝐌𝐁𝐄𝐑 𝟏𝟗𝟖𝟑, 𝐇𝐀𝐖𝐊𝐈𝐍𝐒, 𝐈𝐍𝐃𝐈𝐀𝐍𝐀 – »Jonathan!« Sinika steigt schnell aus dem Auto aus und fällt dem Jungen um den Hals.
»Es tut mir schrecklich leid«, flüstert sie und der Junge erwidert die Umarmung und die kleine Auseinandersetzung nach der Schule scheint wie Schnee von gestern.
Hopper und seine Kollegen steigen jetzt auch aus dem Auto und alle gehen nach drinnen. Joyce Byers setzt sich auf einen Stuhl und der älteste Sohn steht neben Sinika und betrachtet seine Mutter ängstlich.
Sie sieht nicht gut aus. Die Mutter scheint länger nicht mehr geschlafen oder gegessen zu haben.
»Ein Polizist fand etwas im Wasser beim Steinbruch. Unsere Vermutung momentan ist, dass Will mit dem Rad stürzte, zum Steinbruch rannte und aus Versehen hineinfiel. Die Erde muss nachgegeben haben.«
Eine Weile ist es still und keiner sagt was. »Joyce? Hast du verstanden, was ich gesagt habe?« Die Frau, die neben Hopper steht, schaut emotionslos auf die Wand vor sich und schüttelt leicht mit dem Kopf.
»Nein. Wen immer ihr auch gefunden habt... es ist nicht mein Junge. Es ist nicht Will«, meint Joyce mit zittriger Stimme. »Nein, du verstehst das nicht. Ich habe vor einer halben Stunde mit ihm gesprochen.«
Dann geht Joyce Byers zu einem Schrank und die anderen folgen ihr. »Er war hier. Er hat gesprochen. Damit.« Dabei hebt sie Lichterketten hoch und zeigt sie den anderen.
»Einmal blinken heißt "ja", zweimal "nein". Und... Und dann habe ich das hier gemacht, damit er mit mir reden kann. Denn er hat sich versteckt.«
Die Frau zeigt an die Wand, wo eine Weihnachtslichterkette befestigt und mit Farbe das Alphabet an die Wand gepinselt wurde. »Das Ding, das aus der Wand kam, und dich jagte?«, fragt Hopper nach und Joyce stimmt ihm nickend zu.
»Mom, bitte. Hör auf damit«, versucht Jonathan seine Mutter zu beruhigen. »Nein, es ist... Es ist hinter ihm her!«, schreit Joyce. »Er ist in Gefahr. Wir müssen ihn finden!«
»Was war dieses Ding?«, fragt der Chief. »War es ein Tier oder so?« Joyce rauft sich die Haare und versucht den anderen zu erklären, was sie gesehen hat. »Nein, es war fast... menschlich, aber dann auch wieder nicht. Es hatte diese langen Arme und... es hatte kein Gesicht.«
Währenddessen fuchtelt Joyce mit ihren Armen in ihrem Gesicht herum und Jonathan entfernt sich von seiner Mutter und stellt sich zu Sinika.
»Es hatte kein Gesicht?«, fragt Hopper nach und legt seine Hände beruhigend auf die Arme der aufgewühlten Frau. »Joyce... Joyce, hör mir zu. Hör mir mal zu. Nach Saras Tod... habe ich sie auch gesehen. Und ihre Stimme gehört. Ich wusste nicht mehr, was real war. Und dann wurde mir klar, dass das alles nur in meinem Kopf war. Und das ich dass alles verdrängen muss. Sonst wäre ich in ein Loch gefallen, aus dem ich nie mehr herausgekommen wäre.«
»Nein, du redest da von Trauer. Das ist was anderes. Ich weiß, was du meinst, Hopper. Ich schwör: Ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich bin nicht verrückt.« Hopper kniet sich vor Joyce und schüttelt den Kopf.
»Ich sage ja nicht, dass du verrückt bist.« Doch Jim wird von Joyce unterbrochen. »Doch, indirekt tust du das. Und ich verstehe das, aber... Gott... Du musst mir einfach glauben. Bitte.«
Joyce fängt an zu weinen und Sinika geht auf die Frau zu und legt ihre Arme um den Körper der Frau.
»Ich glaube Ihnen«, flüstert sie und das so leise, dass nur Joyce sie hören kann. »Pass auf... Geh morgen zum Leichenschauhaus und sieh ihn dir an. Dort findest du alle Antworten«, meint Hopper einfühlsam und trennt seine Tochter von der Frau.
»Aber heute Abend musst du versuchen zu schlafen.« Hopper steht auf und zieht seine Tochter hinter sich her. Der Chief zieht Sinika hinter sich her und verfrachtet sie dann ins Auto.
»Sowas kannst du ihr doch nicht sagen«, murrt er und fährt los. »Bitte? Wie kannst du einer Mutter sagen, sie soll sich die Leiche ihres Sohnes im Leichenschauhaus anschauen? Sie ist fix und fertig. Sei mal ein bisschen einfühlsamer!«, sagt Sinika sauer und schnallt sich an. »Ich weiß, wie es ist, jemanden zu verlieren, den man liebt.«
»Ja, und ich weiß das auch. Du bist nicht die einzige, der einen geliebten Menschen verloren hat!« Sauer schlägt Jim mit der Faust auf das Lenkrad und bleibt dann abrupt stehen.
Dann ist es still zwischen den beiden und Sinika ist sich unsicher, ob sie was sagen soll. »Wer ist Sara?«, fragt sie den Mann leise und Jim Hopper fährt sich mit den Händen durch Gesicht.
»Sie war meiner Tochter. Sara starb vor fünf Jahren an Krebs. Sie wurde nur sieben Jahre alt«, schnieft der Chief und Sinika sieht den Chief neben sich mitleidig an.
»Das tut mir leid, Jim.« Sinika ist wieder leise und wartet darauf, dass der Mann neben ihr was sagt. »Du siehst ihr sehr ähnlich. Sie hatte auch so blonde Haare so wie du und hat immer gelächelt. Sie war wirklich toll«, erklärt er und Sinika nickt leicht.
»Bestimmt«, sagt sie leise und das Auto setzt sich wieder in Bewegung.
Als sie vor dem Trailer zum Stehen kommen und Sinika aussteigen möchte, hält Jim Hopper sie auf, indem er ihr eine Hand auf den Arm legt und sie ihn fragend anschaut.
»Ich hasse dich nicht, falls du das denkst. Ich war nur überrascht von der Nachricht, dass es dich gibt«, meint Jim leise und sieht seine Tochter aus traurigen an. »Das habe ich nicht gedacht«, gibt Sinika zu und schaut ihren Vater traurig an.
»Aber du gibst mir nicht gerade das Gefühl, dass du glücklich darüber bist, dass ich hier bin.«
Jim nickt und nimmt seine Hand von Sinikas Unterarm. »Und das tut mir leid. Ich bin es nicht gewohnt, dass auf einmal meine Tochter im Büro steht.«
Dann ist es wieder still und Jim atmet schwer ein und aus. »Ich habe deine Mutter geliebt. Das musst du mir glauben. Hätte ich gewusst, dass sie damals mit dir schwanger war, hätte ich sie nicht gehen lassen. Aber sie hat mich damals aus heiterem Himmel und ohne triftigen Grund verlassen und ist aus Hawkins verschwunden. Ich habe sie nie wieder gesehen.«
»Meine Mom hat nie über dich gesprochen. Ich weiß gar nichts über dich«, meint Sinika und sieht ihren Vater fragend an.
»Es gibt nicht so viel über mich zu wissen. Nachdem Eleonore mich verlassen hat, bin ich Diane begegnet. Wir sind nach New York City gezogen. Und wir haben Sara bekommen. Nach Saras Tot bin ich zurück nach Hawkins«, erklärt er und Sinika nickt.
Die Schülerin überlegt, was sie ihrem Erziehungsberechtigten erzählen könnte und kichert dann leise. »Ich bin keine Jungfrau mehr«, schmunzelt Sinika und Hopper sieht seine Tochter mit großen Augen an.
»Das... Das wollte ich nicht wissen«, meint Jim leicht angewidert und steigt aus dem Auto. »Ich weiß. Aber als mein Erziehungsberechtigter solltest du wissen, dass ich in Kalifornien ein sehr aktives Sexleben hatte.« Jetzt muss Sinika erst recht lachen und folgt dem Mann.
»Als dein Vater, sage ich dir, dass ich solche Informationen nicht wissen möchte.« Er dreht sich zu der Blondine um und sieht ihr in die Augen. »Mach einfach nichts Unüberlegtes«, fügt er noch hinzu und Sinika muss lächeln.
»Ist das jetzt dein erster väterlicher Rat, Jim?«, fragt sie ihn und legt den Kopf schief. »Ja, ist es. Und hör auf mich Jim zu nennen. Ich bin schließlich dein Vater.«
»Bist du das?«, fragt sie ihn ernst und sieht ihn traurig an. »Natürlich. Da besteht kein Zweifel. Und auch, wenn wir uns noch nicht lange kennen, freue ich mich jetzt schon darauf dich besser kennenzulernen. Ich bin kein schlechter Mensch, Sinika.«
Damit lässt er das Mädchen draußen stehen und verschwindet im Trailer. Sinika schaut dem Mann hinterher und geht dann auch nach drinnen.
☾❀❁✧
𝟏𝟎. 𝐍𝐎𝐕𝐄𝐌𝐁𝐄𝐑, 𝟏𝟗𝟖𝟑, 𝐇𝐀𝐖𝐊𝐈𝐍𝐒, 𝐈𝐍𝐃𝐈𝐀𝐍𝐀 – Diesen morgen bringt Jim Hopper seine Tochter höchstpersönlich zur Schule. »Und nach der Schule gehst du zum Police Department. Keine Umwege, hast du mich verstanden?«
Mit warnendem Blick sieht der Vater seine Tochter an. Geschlagen nickt Sinika und kreuzt ihre Finger hinter ihrem Rücken. »Natürlich. Ich werde nach der Schule sofort zum Police Department gehen. Versprochen. Keine Umwege und keine Ausflüge.«
»Du nimmst mich doch gerade auf den Arm, oder?«, fragt Jim und Sinika nickt. »Ich muss jetzt in den Unterricht. Bis nachher.«
Zum Abschied winkt Sinika dem Mann zu und verschwindet in der Schülermenge. Sinika geht zu ihrem Spind, holt ihre Bücher für den Tag raus und macht sich auf den Weg zur ersten Stunde.
Nach der Schule streift Sinika durch die Innenstadt und sieht das Auto ihres Vaters vor einem Pub stehen. Guten Gewissens betritt sie das Pub und hält Ausschau nach ihrem Erzeuger.
»Hey, Jim. Ich brauche Geld. Ich habe Hunger«, sagt Sinika, als sie den Chief in Alltagsklamotten und einer Flasche Bier sieht.
Er sitzt bei einem anderen Mann, des ebenfalls ein Bier in der Hand hat und stellt sich zwischen die beiden. »Was machst du denn hier?«, fragt Hopper verwirrt und dreht sich zu seiner Tochter um.
»Ist sie das? Ist das Sara?«, fragt der fremde Mann und sieht den Chief belustigt an. »Mein Name ist Sinika, sie Perversling.« Dann dreht sie sich zu ihrem Vater um und sieht ihn auffordernd an.
»Also los. Ich hab Hunger.« Ihr Hand hält sie ihm offen entgegen und Jim atmet schwer aus und greift in seine Jackentasche und legt ihr einige Dollars in die Handfläche. »Und jetzt verschwinde!«, zischt er und Siniak sieht den fremden Mann lächelnd an.
»Sara ist meine jüngere Schwester«, erklärt sie dem Fremden und zwinkert dem Chief wissend zu, bevor die das Pub verlässt.
Ohne einen wirklichen Plan spaziert Sinika durch die Innenstadt und sieht plötzlich auf der anderen Seite Nancy und Jonathan.
»Hey, Jonathan! Nancy!« Die beiden Teenager drehen ihre Köpfe in die Richtung, aus der die Rufe kamen und sehen Sinika die ihnen zuwinkt.
Nancy winkt begeistert zurück und Jonathan lächelt schwach. »Hey, Sinika. Wir sind gerade auf dem Weg zur Schule. Kommst du mit?« Sinika nickt verwirrt und schließt sich den beiden an.
»Warum wollt ihr denn wieder zurück in die Schule?«, fragt das Mädchen interessiert. »Auf eines der Bilder, die Jonathan neulich Nacht gemacht hat, ist etwas zu sehen. Jonathan meinte, wir könnten im Labor in der Schule vielleicht mehr erkennen«, erklärt Nancy und Sinika nickt verstehend.
In der Hawkins High School angekommen begeben sich die drei in den extra Raum, um die Bilder zu entwickeln. »Ich helle es auf und vergrößere es«, erklärt Jonathan sein Vorgehen.
»Hat deine Mom noch irgendwas gesagt?«, fragt Nancy interessiert. »Vielleicht, wo es hingelaufen ist oder...« Doch Jonathan unterbricht sie sofort. »Nein, nur, dass es aus der Wand kam.« Dann legt der Junge das Papier in einen Behälter mit einer Chemikalie.
»Das Bild muss durch drei Chemiebehälter. Als Erstes muss es entwickelt werden.« Dabei zeigt Sinika auf den Behälter mit dem Foto.
»Anschließend in ein Bad, um den Vorgang zu stoppen. Und anschließend in das letzte Bad, um es zu fixieren, damit da nichts mehr mit passiert«, erklärt Sinika aufgeregt. »Aber um deine Frage zu beantworten: Nein. Das braucht nicht lange.«
Überrascht schauen Jonathan und Nancy Sinika an und sind sprachlos. »Woher weißt du das alles?«, fragt Jonathan und Sinika wird leicht rot.
Aber zum Glück fällt das bei dem roten Licht nicht auf. »Mein bester Freund fotografiert auch sehr gerne«, erklärt sie den beiden und zuckt mit den Schultern.
Dann widmet sich Nancy Jonathan zu und sieht ihn fragend an »Machst du das denn schon länger?«
»Ja, ich schätze, ich beobachte lieber Menschen als...« »Mit ihnen zu reden«, beendet Nancy seinen Satz und Jonathan nickt. »Ich weiß, das klingt seltsam«, meint der Schüler, doch Nancy verneint und Jonathan muss schmunzeln.
»Doch, es ist seltsam. Aber manchmal... sagen die Leute nicht das, was sie wirklich denken. Aber fängt man den richtigen Moment ein... sagt das mehr aus.«
»Was habe ich denn gesagt?«, fragt Nancy und Sinika muss versuchen nicht laut aufzulachen. »Was?«, fragt Jonathan verwirrt nach und Nancy muss kichern.
»Als du mich fotografiert hast.« Jonathan legt sich eine Hand vor den Mund und schüttelt den Kopf. »Das hätte ich nicht tun sollen.« Jetzt muss Sinika lachen und stupst den Jungen an.
»Ich hab dir ja gesagt, das war eine blöde Idee«, zieht sie ihn wieder auf und Jonathan lacht.
Aber dann dreht er sich zu Nancy und sieht sie entschuldigend an. »Es tut mir leid. Es ist nur...« »Das ist es«, unterbricht Nancy ihn und Sinika schüttelt den Kopf.
Hätte das Bild sich nicht ein wenig später entwickeln können ?, fragt sie sich leise. »Das habe ich gesehen«, sagt Nancy und zeigt dabei auf das Bild. »Meine Mutter... ich dachte sie sei verrückt. Sie meinte, es sei nicht Will Leiche, und dass er noch lebe«, stammelt Jonathan und zeigt auf das komische Etwas.
»Und wenn er lebt, dann...«, sagt Nancy und hat jetzt wieder Hoffnung. »Dann ist Barbara vielleicht auch noch am Leben«, meint Sinika und die drei sehen sich hoffnungsvoll an.
Es ist schon spät, als die drei die High School wieder verlassen und die Sonne geht schon unter. »Wir sehen uns morgen«, sagt Jonathan und verabschiedet sich mit einer einfachen Handbewegung von den beiden Mädchen.
»Bis morgen, Jonathan«, sagt Sinika und verabschiedet sich mit einer Umarmung von dem Jungen. Nancy wird leicht rot und winkt dem Jungen zum Abschied zu.
Der älteste Byers-Junge verschwindet hinter der nächsten Ecke und die beiden Mädchen setzen ihren Weg fort.
»Vermisst du deine Freunde?«, fragt Nancy und mustert das Mädchen interessiert und Sinika nickt.
»Ja, sogar sehr. Christine ist meine beste Freundin und Kai mein bester Freund. Aber auch Kalifornien im Allgemeinen vermisse ich. Ich musste eine Menge zurücklassen.« Traurig sieht Sinika zu Nancy, die verstehend nickt.
»Das tut mir leid. Auch das mit deiner Mutter«, sagt die Brünette mitfühlend und Sinika nickt leicht. »Ich muss da lang. Wir sehen uns ja morgen. Gute Nacht, Nancy.«
»Gute Nacht, Nika.« Die beiden umarmen sich flüchtig und dann trennen sich ihre Wege. Gedankenverloren streift Sinika durch die Straßen und kommt müde beim Trailer von Hopper an.
Doch der Mann ist nicht zu Hause und Sinika zuckt nur mit den Schultern und legt sich schlafen.
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