KAPITEL 29

𝟐𝟑. 𝐌Ä𝐑𝐙 𝟏𝟗𝟖𝟔 𝐇𝐀𝐖𝐊𝐈𝐍𝐒, 𝐈𝐍𝐃𝐈𝐀𝐍𝐀An der Hawkins High angekommen, steigen die drei Mädchen aus und verschwinden im Gebäude, um nach ihren Freunden zu suchen.

Die drei finden ihre Freunde schließlich auf den Gängen der Schule. »Was ist los?«, fragt Sinika besorgt und schaut sich um. »Habt ihr gefunden, wonach ihr geschaut habt?«, fragt Robin und Steve nickt.

Doch noch immer schweigen Max, Steve und Dustin und Sinika legt den Kopf leicht schief. »Was ist passiert?« Sinika sah ihre Freunde fragend an und ging auf Steve zu. »Steve?«

Der Junge sah zu Max und Sinika folgt seinem Blick. »Was haben wir verpasst?«, fragt Nancy. »Kann jetzt bitte einer was sagen?« Robin wird ungeduldig und auch Sinika möchte endlich wissen, was vorgefallen ist.

Es war letztlich Max, die den Mädchen erzählt, was sie gesehen hat. »Es war hier. Genau hier«, meint Max schließlich und deutet mit der Taschenlampe auf eine leere Wand. »Eine Standuhr?«, fragt Nancy nach und Max nickt.

»Es war so real«, sagt sie. »Und, als ich näher kam, bin ich plötzlich ... Bin ich aufgewacht.«

»Es war, als ob sie in Trance wär«, erklärt Dustin den Mädchen. »Genau wie es Eddie über Chrissy erzählt hat.«

Max dreht sich zu ihren Freunden um. »Das ist noch nicht mal das Schlimmste«, sagt Max. Sie geht an ihren Freunden vorbei zurück in das Büro von Ms, Kelley.

»Fred und Chrissy wollten Hilfe von Ms. Kelley. Sie hatten beide Kopfschmerzen, schlimme Kopfschmerzen, die einfach nicht weggingen. Dann ... dann die Albträume«, erklärt sie.

»Schlafprobleme. Sie sind schweißgebadet aufgewacht. Und dann sahen sie Dinge. Schreckliche Dinge. Aus ihrer Vergangenheit. Diese Visionen wurden ... Sie wurden einfach immer schlimmer, bis irgendwann ... alles zu Ende war.« Max erzählte das, als ob sie es selbst bereits erlebt hatte.

»Vecnas Fluch«, schlussfolgert Robin.

»Chrissys Kopfschmerzen fingen vor einer Woche an. Freds vor sechs Tagen. Ich habe sie inzwischen seit fünf Tagen. Ich weiß nicht wie lange ich noch habe. Ich weiß nur, Fred und Chrissy starben in weniger als 24 Stunden nach der ersten Vision«, erklärt Max.

»Und, ich habe gerade diese verdammte Uhr gesehen, also ... Werde ich wohl morgen sterben.«

Plötzlich hören sechs ein Geräusch und alle schrecken auf und drehen sich panisch um. »Rührt euch nicht«, meint Steve und verschwindet mit einer Stehlampe auf dem Flur.

Sinika ist dir Erste, die sich rührt und ihrem Freund folgt. Die anderen tun es ihr nach und als sie alle im Gang stehen, wird das Geräusch lauter und Steve macht sich bereit, mit der Lampe zuzuschlagen.

Als die Person schließlich um die Ecke auf sie zukommt, kreischen alle panisch auf und das Licht der Taschenlampe offenbart die Gestalt von Lucas. »Ich bin es!«, ruft er panisch.

»Lucas?«, fragt Nancy überrascht nach. »Verdammt noch mal, was soll das?«, fragt Steve ihn aufgebracht. »Was läuft bei dir falsch, Sinclair?«

»Es tut mir leid«, entschuldigt sich der Junge. »Ich hätte dich verletzen können!«, brüllt Steve den Jungen an und deutet auf die Stehlampe in seinen Händen. »Tut mir leid, Leute. Ich bin 13 km geradelt«, erklärt er und atmet schwer.

»Gebt mir eine Sekunde. Scheiße. Wir haben Alarmstufe Rot«, meint er dann schließlich. »Was?«, fragt Steve verwirrt nach und stellt die Lampe auf den Boden.

»Dustin.« Lucas geht auf seinen Kumpel zu. »Ich war bei Jason, Patrick und Andy, die drehen voll ab«, erklärt er ihm.

»Sie sind hinter Eddie her. Und sie denken du, weißt, wo er ist. Hör zu, du bist in großer Gefahr«, redet er auf seinen Freund ein.

»Ok. Ja, das ist scheiße, aber wir haben größere Probleme als Jason«, meint Dustin und Sinika schaut automatisch zu Max. Sie ist es auch schließlich, die Lucas erklärt, was er in letzter Zeit verpasst hat.

Schließlich sagt keiner ein Wort mehr und die Gruppe fährt zu dem Haus der Wheelers. Die Kinder legen sich direkt Schlafen, doch Max liegt die gesamte Nacht wach und kriegt kein Auge zu.

Währenddessen sitzt Sinika mit verschränkten Armen auf Nancys Bett und schaut müde und genervt zu Robin und Nancy auf. »Es macht nur Sinn, wenn du mitkommst. Du studierst doch schließlich, Psychologie«, versucht Nancy Sinika immer wieder zu erklären.

»Das verstehe ich ja. Aber wenn ihr beide geht, reicht das ja. Außerdem ist es irrelevant, wenn ich mitkomme, da ihr beide sowieso vorhabt, euch eine falsche Identität anzulegen«, murrt Sinika wieder und gähnt müde.

Verzweifelt sehen sich Robin und Nancy an. »Bitte Nika. Ohne dich schaffen wir es nicht«, bittet Robin und setzt den Hundeblick auf. Sinika verengt die Augen und nickt schließlich. »Nun gut. Ich komme mit«, meint sie und lässt sich rücklings aufs Bett nieder.

Sofort schläft sie ein und wird am nächsten Morgen von Robin geweckt. Müde macht sich die dunkelhaarige was zu Essen, ehe die drei Mädchen in die High School fahren und sich ihre falschen Identitäten beschaffen.

Zurück bei Nancy zu Hause gehen die drei sofort in das Haus. »Ok, also, wir haben einen Plan«, teilt Nancy mit, als sie zusammen mit Sinika und Robin die Treppen in den Keller hinuntergehen.

»Dank Nancys Zeitungsfritzen sind wir jetzt Rockstar-Psychologiestudenten der University of Notre Dame«, erklärt Robin allen.

»Ich bin Ruth«, stellt Nancy sich vor. »Und ich bin Rose«, meint Robin. »Und ich Sara«, stellt sich Sinika vor.

»Ruth. Guter Notendurchschnitt«, lobt Dustin und Nancy nickt. »Wir haben in der Pennhurst Nervenklinik angerufen und gesagt, wir würden gerne mit Victor Creel für unser Diplomarbeit über paranoide Schizophrenie sprechen.«

»Sie wollten das nicht«, unterbricht Robin sie. „Aber wir haben einen 15 Uhrtermin beim Direktor. Wir müssen ihn nur noch umgarnen, damit er uns mit Victor reden lässt. Und dann können wir Max vielleicht von diesem Fluch befreien«, erklärt Nancy den Plan.

Sinika steht mit verschränkten Armen daneben, da sie viel lieber bei Steve bleiben würde, aber Nancy hatte ja recht: Persönliche Vorlieben kann sich gerade keiner erlauben.

»Ja ... Äh, was das angeht, wir haben unsere Victor-Creel-Hausaufgaben gemacht und wir haben ein paar Fragen«, sagt Steve.

»Eine Reihe Fragen«, fügt Lucas hinzu. »Wir auch. Hoffentlich hat Victor die Antworten«, meint Sinika schließlich und geht auf ihren Freund zu. »Warte, warte, warte kurz. Wo ist meins?«, fragt er und hält die Mappen hoch und sieht die drei Mädchen fragend an.

Steve passt es jedoch gar nicht, dass er nicht dabei ist und sieht seine Freundin verständnislos an, welche nur entschuldigend mit den Schultern zuckt. Schließlich gehen die vier Älteren nach oben.

»Nancy, du hast sie nicht mehr alle, wenn du denkst, ich babysitte wieder« meint Steve genervt, als er dem Mädchen durch ihr Schlafzimmer folgt.

»Okay, erstens: Sind sie keine Babys mehr. Und Max ist in echter Gefahr. Sie braucht Leute, um sich herum«, erklärt sie ihrem damaligen Freund und öffnet ihren Kleiderschrank.

»Nika?«, fragt Steve da seine Freundin und das Mädchen zuckt nur wieder mit den Schultern. »Ich wollte ja bei dir bleiben, Steve. Aber Robin und Nancy hatten echt gute Argumente«, entschuldigt sie sich und Steve schlägt sich die Hände über den Kopf zusammen.

»Oh, mein Gott!«, unterbricht Robin das Gespräch und zieht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich. »Du hast ein Tom-Cruise-Poster!«, quietscht sie. »Du hast ein Tom Cruise Poster«, schmunzelt sie nun vielsagend und wackelt mit den Augenbrauen.

Nancy verdreht die Augen. »Das ist alt,... das ist nur ...«, murmelt sie durcheinander, als Robin weiter in ihrem Zimmer herumstöbert und sich nun ihren Musikkassetten widmet. »Bitte fass nichts an« bittet Nancy sie, doch das ignoriert Robin mir einem schmunzeln.

»Es ist nur so, ich kann hier nichts tun, Nance«, versucht sich Steve rauszureden. »Vielleicht könnte ich euch behilflich sein bei diesem Anstaltsdirektor«, überlegt er. »Keine Ahnung, ich hab Charme.«

Sinika lacht und Steve schaut sie fragend an. »Der ist fehl am Platz«, erklärt Sinika ihm und Steve fasst sich an die Brust. »Autsch«, sagt er verletzt und Sinika geht schmunzelnd auf ihren Freund zu.

Sie drückt ihm einen leichten und liebevollen Kuss auf die Lippen und sieht ihm mit schief gelegtem Kopf grinsend an. »Besser?«, fragt sie ihn und Steve nickt. »Besser.«

Robin nimmt derweil ein Schmuckkästchen in die Hand und öffnet sie mit großen Augen, und als eine Melodie erklingt, fangen sie an zu glitzern. »Heilige Scheiße. Da ist eine Ballerina drin«, teilt sie sprachlos mit.

Sinika schmunzelt und kriegt die Unterhaltung, die Steve und Nancy halten, nicht wirklich mit.

»Akademikerin. Wirkt sie auf dich wie eine Akademikerin? Ja?«, fragt Steve und zeigt mit der Hand auf seine beste Freundin, die beleidigt das Schmuckkästchen schließt.

»Nein, aber ... Sie wird es«, grinst Nancy diabolisch und hält eine scheußliche Bluse mit Rüschen hoch.

Robin schüttelt den Kopf und sieht Nancy fassungslos an. »Bitte sag, dass das nicht dein Ernst ist«, bittet Robin und auch Sinika kraust ihre Nase. »Für dich habe ich auch was«, meint Nancy dann noch und hält ihr ein Kleid hin.

Mit großen Augen schaut sie Nancy an. »Was ist an meinem Outfit auszusetzen?«, fragt sie murrend nach und schaut an sich herunter. Sinika trägt eine schwarze Mom Jeans und ein weißes T-Shirt und darüber eine Bluse von Steve.

»Es sieht nicht ...«

»Was? Akademisch-genug aus?«, fragt Sinika mit hochgezogenen Augenbrauen. »Exakt.« Nancy überreicht Sinika schließlich das Kleid und Sinika schaut Steve fassungslos an.

»Akademisch-genug. Ich studiere Psychologie, verdammt.« Sinika wirft das Kleid auf Nancys Bett. »Keiner hat was an meinem Kleidungsstil auszusetzen. Keiner!« Eingeschnappt setzt sich Sinika neben Nancys Kleid aufs Bett.

Ein paar Stunden sind sie schließlich in Kerley County angekommen und Nancy fährt durch die Einfahrt der Pennhurst Nervenanstalt hindurch und parkt auf dem kleinen anliegenden Parkplatz.

Als die drei aussteigen, stolpern Sinika und Robin aus ihren Schuhen und halten sich aneinander fest, um nicht auf die Fresse zu fallen.

»Ich krieg keine Luft in diesen Sachen«, murrt Robin. »Und, es juckt mich. Es juckt überall.« Sinika schmunzelt und öffnet einen Knopf ihrer Bluse, damit sie wieder vernünftig atmen kann.

»Es geht nicht nur um Bequemlichkeit. Ok? Wir sind Akademikerinnen«, erklärt Nancy zum wiederholten Male und Sinika verdreht die Augen. Sie hatte dieses Wort langsam satt.

»Die offensichtlich vom Osterbrunch kommen. Und der schreckliche BH, den du mir gegeben hast, quetscht meine Brüste ein«, beschwert sich Robin weiter. »Ok. Könntest du ... Könntest du mir und Sinika das Reden überlassen?«, fragt Nancy.

Überrascht schaut Sinika das Mädchen an. »Jetzt bin ich also wieder gut genug, oder was?«, fragt sie pampig und stolpert ein weiteres Mal. »Bist du noch immer wütend wegen des Kleides?«, fragt Nancy und verdreht die Augen über Sinikas lächerliches Verhalten.

»Möglich ist es«, meint sie angriffslustig und folgt den beiden nach drinnen. Am Empfang warten die drei Mädchen auf den Direktor Dr. Hatch. Sinika, Nancy und Robin lassen sich auf die Stühle vor dem Pult nieder und überreichen Dr. Hatch die gefälschten Unterlagen.

»Notendurchschnitt 1,1. Alle beide. Und Sara, Sie haben sogar einen Notendurchschnitt von 1,0.« Dr. Hatch nickt erstaunt. »Hm. Beeindruckend«, meint der Mann mit der Brille und legt die Unterlagen zurück auf den Tisch.

»Und das ist eine Empfehlung von Professor Brantley«, sagt Nancy und überreicht das unechte Empfehlungsschreiben Dr. Hatch. »Ah, ich kenne Larry. Ganz gut eigentlich. Sie wissen ja, wie man sagt. "Wer nichts kann, unterrichtet."«, lacht er.

Die Mädchen steigen mit dem Kichern ein und Sinika und Robin versuchen sich nicht zu übergeben, bei der Schleimspur, die Nancy hinterlegt. »Äh, ja. Ja, das ... Das ist der Grund, weswegen wir hier sind«, meint Nancy schließlich.

»Ich meine, man kann nur begrenzt lernen in den Kursräumen«, erklärt sie. »Hm. Ich kann Ihre Probleme nachvollziehen, wirklich. Aber es gibt Vorschriften für Besuche bei Patienten, wie Victor«, erklärt Dr. Hatch und verstehend nickt Sinika.

»Sie müssen einen Antrag stellen und ein Prüfverfahren durchlaufen, an dessen Ende der Vorstand eine Entscheidung trifft.« Dr. Hatch überreicht die Unterlagen den Mädchen zurück.

»Ich sehe, dass Sie enttäuscht sind«, stellt der Mann fest, als er in die bedrückten Gesichter der Mädchen schaut.

»Aber ich bin gern bereit, Sie durch unsere Einrichtung zu führen«, schlägt er stattdessen vor und die drei schauen sich kurz an. »Vielleicht können Sie sogar mit Patienten im offenen Vollzug sprechen.«

Sinika nickt wieder. »Das würde uns wirklich sehr freuen, Dr. Hatch. Aber wissen Sie, es ist nur so, dass unsere Abgabe bereits nächsten Monat ist«, erklärt Sinika ihm und der Mann nickt. »Ihnen läuft also die Zeit davon?«, fragt er und Sinika nickt wieder.

»Und wessen Schuld ist das?«, fragt er und Sinika atmet schwer ein und wieder aus, bevor sie ihm schließlich antwortet: »Unsere, Dr. Hatch. Und das ist wirklich nicht zu entschuldigen.«

Robin schüttelt den Kopf und bringt Sinika so aus ihrem Konzept. »Du hast recht, Sara. Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Vergiss es. Wir stellten bereits vor Monaten einen Antrag, und der wurde abgelehnt. Dann haben wir uns erneut beworben und wurden wieder abgelehnt. Doch unser Studium soll nicht umsonst gewesen sein. Deswegen sind wir hier her. Und ich kriege keine Luft in diesen Sachen.«

»Rose, vielleicht möchtest du nach draußen gehen und etwas frische Luft schnappen«, überlegt Nancy und Sinika muss sich zusammenreißen, nicht zu lachen. Das könnte jetzt noch ziemlich lustig werden.

Robin nickt wild mit dem Kopf. »Vielleicht sollte ich das, Ruth.« Dann steht Robin plötzlich auf und schaut ihre zwei Freunde an.

»Weil ich langsam denke, die ganze Sache ist ein kolossaler Fehler. Ich bekomme einen schrecklichen Ausschlag. Meine Brüste tun weh.« Dabei fasst sich Robin an ihre Brüste und dreht sich dann zu Dr. Hatch.

»Die Wahrheit, Anthony. Darf ich Anthony sagen?«, fragt sie den Mann, doch bevor er ihr überhabt antworten kann, redet sich Robin weiter in rage.

»Es sind nicht meine Sachen.« Dabei zeigt Robin auf Nancy, die versucht, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Ich habe sie mir geliehen, damit Sie uns ernst nehmen. Niemand achtet Frauen in der wissenschaftlichen Welt. So ist es doch! Weil unser Aussehen nicht passt. Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte.«

Sinika lehnt sich entspannt in ihrem Stuhl zurück und schaut Robin abwartend an. » 1978 war ich zusammen mit Sara im Sommercamp. Und unser Betreuer Drew erzählte uns und allen im Bungalow C die wahre Geschichte des Victor-Creek-Massakers. Und der kleine Petey McHew ... Ihr kennt Petey noch, oder?«, fragt Robin die beiden Mädchen.

Sinika und Nancy nicken, wobei Nancy sowohl genervt als auch überrascht wirkt, während Sinika die Lippen aufeinandergepresst hat und versucht nicht laut loszulachen. »Ja. Der kleine Petey McHew fing auf der Stelle an zu schluchzen. Und er fing an zu hyperventilierten. Alle konnten wochenlang nicht schlafen.«

Dann deutet Robin auf Sinika. »Und wir beide konnten auch nicht schlafen. Nicht aus Angst, sondern weil wir von der Frage besessen waren: "Was, treibt nur einen Menschen zu so einer abscheulichen Tat, die so böse ist?" Andere Kinder wollten Astronauten werden, Basketballspieler oder Rockstars. Aber wir wollten wie Sie werden. So wie Sie!«

Robin atmet einmal kurz schwer ein. »Also verzeihen Sie mir, wenn ich alles Erdenkliche tue, einschließlich dieses lächerlichen Outfits, nur um den Mann zu sprechen, der die Leidenschaft in uns entfachte und mehr darüber zu erfahren, wie sein verdrehter, aber seien wir ehrlich, total faszinierender Verstand funktioniert.«

Sinika nickt zustimmend. »Also ja, wir haben nicht die offizielle Genehmigung, aber erzählen Sie mir nicht, das Heulsuse Petey McHew nicht eine Audienz bei Victor bekommen hätte, ohne Umschweife, wenn er höflich gefragt hätte, denn wir beide wissen, das hätte er!«

Robin scheint mir ihrer Ansprache fertig zu sein und beeindruckt wartet Nancy die Antwort von Dr. Hatch ab. »Wir bitten Sie lediglich um zehn Minuten mit Victor. Das wäre unsere Einzige bitte«, bittet Sinika ruhig und der Mann sieht die drei Mädchen an.

»Folgen Sie mir.« Und das tun die drei Mädchen. Sie verlassen das Gebäude und gehen hinaus ins Freie. »Dies sind unsere Gärten. Wunderschön, nicht wahr?«, fragt Dr. Hatch und drei Mädchen nicken desinteressiert.

»Wir erlauben ihnen, zwei Stunden am Tag draußen zu sein«, fügt er noch hinzu. »Richtiger Luxus«, murmelt Sinika und schaut sich die Patienten der Klinik an.

»Können sie nicht einfach weglaufen?«, fragt Nancy interessiert. »Sie könnten. Aber die große Mehrheit bleibt lieber hier. Sie mögen es hier.«

Die vier gehen wieder nach drinnen und betreten einen weiteren Raum. »Dies ist einer unserer beliebtesten Bereiche«, erklärt Dr. Hatch. »Der Hörraum. Musik hat eine beruhigende Wirkung auf den verwirrten Geist. Das richtige Lied, besonders eines, das eine persönliche Bedeutung hat, kann ein hervorragendes Stimulus sein.«

Dr. Hatch macht eine Pause. »Aber ... es gibt auch solche, die ... unheilbar sind.« Die Mädchen folgen dem Mann hinunter in den Keller. »Dr. Hatch, denken Sie, es wäre möglich, mit Victor Creel allein zu sprechen?«, fragt Nancy den Mann vorsichtig. »Ginge das?«

»Allein?« Dr. Hatch bleibt mitten in der Bewegung stehen und auch der Wärter dreht sich misstrauisch zu den Mädchen um.

»Was meine Freundin damit sagen wollte, ist, dass es doch eine außergewöhnliche Herausforderung für uns wäre, wenn wir Mr Creel ohne Absicherung eines außerordentlich hervorragenden Experten sprechen könnten. Sie wissen schon. Dann könnten wir es Professor Brantley unter die Nase reiben«, erklärt Sinika dem Mann.

Der Mann vor ihnen schweigt eine Weile, ehe er nickt. »Ja. Wieso nicht. Sie drei bringen mich in eine rebellische Stimmung. Und ich muss sowieso etwas Dringendes erledigen, also ... Gerne.« Dr. Hatch dreht sich zu dem Wärter um. »Behalten Sie sie im Auge.«

Dann schaut er wieder zu den drei Mädchen und nickt ihnen zu, ehe er wieder nach oben geht. Die Tür wird geöffnet und der Wächter lässt die Drei eintreten.

»Sie dürfen ihn nicht erschrecken. Berühren Sie ihn nicht. Reichen Sie ihm keine Gegenstände. Bleiben Sie immer einen halben Meter von den Gitterstäben entfernt. Ist das klar?«, fragt der Wächter.

Vor der Zelle von Victor Creel kommen sie letztendlich zum Stehen und der Wärter macht mit seinem Schlagstock lärm, um die Aufmerksamkeit des Mannes in der Zelle zu bekommen. »Victor!  Heute ist dein Glückstag! Du hast Besuch. Richtig hübschen Besuch.«

Dann hören sie ein Geräusch und Sinika bekommt Gänsehaut. Es ist so, als würde jemand mit den Fingernägeln über eine Schultafel gehen. »Er hat wohl einer seiner Launen«, schmunzelt der Wärter. »Viel Spaß.« Und dann geht er weg und die drei Mädchen sind mit dem Mann alleine.

»Victor?«, fragt Nancy vorsichtig. »Mein Name ist Nancy«, stellt sie sich schließlich vor. »Nancy Wheeler. Und das sind ...«

»Robin Buckley«, stellt sich Robin selber vor und beide schauen zu Sinika. »Sinika Hopper«, meint Sinika und legt den Kopf leicht schief. Sie tritt ein wenig näher an die Zelle heran, um mehr von seinem Leben zu sehen.

»Wir haben ein paar Fragen«, erklärt Robin. »Ich spreche nicht mit Reportern«, antwortet der Mann ihnen. »Hatch weiß das«, regt er sich auf. »Zum Glück sind wir keine Reporter«, erklärt Sinika ihm ruhig.

»Meine Freundin hat recht. Wir sind hier, weil ... wir Ihnen glauben«, meint Nancy. »Und, weil wir Ihre Hilfe brauchen.«

»Was immer Ihre Familie getötet hat, wir glauben, es ist zurück«, erklärt Robin. Victor Creel dreht sich langsam zu den dreien um, und als sie sehen, dass der Mann keine Augen mehr hat, läuft ihnen ein kalter Schauer über den Rücken hinunter.

»Wenn er angreift, beschreibt unsere Freundin es als eine Art Trance«, fängt Nancy an zu erklären. »Wie ... ein Alb-Wachtraum. Deswegen glauben wir, dass er sie als Nächstes holen will. Erinnert Sie etwas davon an das, was Ihrer Familie passiert ist?«, fragt sie ihn.

»Wir brauchen Ihre Hilfe, Victor. Wir haben Angst um unsere Freundin und wir wissen nicht, wie wir ihr helfen können«, erklärt Sinika. »Wie haben Sie überlebt?«, fragt Robin. »Das würden wir gern wissen.«

Victor lacht heiser auf. »Wie ich überlebt hab? Nennt ihr das etwa so? Habe ... ich ... überlebt? Nein, ich sag es euch. Ich befinde mich immer noch in der Hölle!« Es ist so, als würde er den drei Mädchen direkt in die Seele schauen.

»Ich war seit 14 Jahren zurück aus dem Krieg. Ein Großonkel war gestorben und hatte und ein kleines Vermögen hinterlassen. Wir konnten ein neues Haus kaufen, ein neues Leben beginnen. Es war ein wunderschönes Haus. Alice sagte, es war wie aus einem Märchen«, fängt Victor an zu erzählen.

»Alice. War das Ihre ... Tochter?«, fragt Nancy. Victor nickt leicht mit dem Kopf. »Hm. Ja. Aber Henry, mein ... Mein Sohn ... Er war ein sensibles Kind. Und ich konnte sehen, dass er spürte, dass etwas nicht stimmte. Wir hatten einen Monat lang Frieden in diesem Haus. Und dann fing es an.«

Victor macht eine Pause, bevor er weiter redet. »Tote Tiere, verstümmelt, gequält, tauchten in der Nähe unseres Hauses auf. Kaninchen, Eichhörnchen, Hühner, sogar Hunde! Der Polizeichef führte die Angriffe auf eine Wildkatze zurück. Das ... Das war keine Wildkatze«, lacht der Mann.

»Es war etwas Böses. Etwas Böses, das weder tierisch noch menschlich war. Das war eine Ausgeburt Satans. Ein Dämon. Und er war sogar viel näher, als ich angenommen hatte. Meine Familie hatte plötzlich Visionen heraufbeschworen von diesem Dämon. Albträume«, bestätigt er Nancys Geschichte.

»Reale, lebendige Albträume. Dieser Dämon schien Freude daran zu haben, uns zu quälen. Sogar die arme, unschuldige Alice. Es dauerte nicht lange, da hatte ich plötzlich auch Visionen. Ich nehme an, alles Böse muss sich ein ... Zu Hause suchen«, überlegt der Mann.

»Und, obwohl ich keine rationale Erklärung dafür hatte, konnte ich spüren, dass dieser Dämon immer in der Nähe war. Ich war überzeugt, dass er sich irgendwo im Schatten unseres Hauses versteckt und eingenistet hatte«, meint Victor und dreht ihnen kurz den Rücken zu.

Er lehnt sich mit dem Rücken gegen die Gitterstäbe. »Er hatte unsere Stadt verflucht. Er hatte unser Haus verfluch. Er hatte uns verflucht.« Victor lässt sich auf sein Bett fallen. »Er holte sich Virginia zuerst. Ich versuchte, die Kinder rauszubringen, um sie zu retten.«

Sinika geht wieder näher an die Gitterstäbe und sieht den Mann mitleidig an. »Und, dann war ich plötzlich zurück in Frankreich, zurück im Krieg. Es wahr eine Erinnerung. Ich hatte gedacht, dass deutsche Soldaten drin waren. Ich erteilte Schießbefehl«, meint er.

»Ich hatte mich geirrt.« Victor Creel schlägt sich die Hände über die Ohren zusammen. »Dieser Dämon, er verhöhnte mich. Und ich war sicher, er würde mich holen, so wie er meine Virginia geholt hatte.«

Victor lässt seine Hände wieder sinken. »Aber dann ... hörte ich ... eine andere Stimme. Zuerst glaubte ich, es wäre ein Engel. Ich folgte ihr, nur, um mich dann in einem noch viel ... schrecklicheren Albtraum wiederzufinden.«

Robin war zu Sinika an die Gitterstäbe herangetreten und legt ihre Hand in Sinikas. »In meiner Abwesenheit hatte der Dämon meine Kinder geholt. Henry fiel kurz darauf in ein Koma. Eine Woche später starb er.«

Sinika verschränkt eine Hand mit Robins und sie schaut zu Nancy, die hinter ihnen steht. »Ich wollte ihnen folgen. Ich habe es versucht.« Victor tut so, als würde er sich etwas in die Augen stechen. »Hatch stoppte die Blutung. Er wollte mich nicht zu ihnen lassen«, schluchzt der Mann.

Er lässt sich auf seinem Bett nieder und legt ein Kissen unter seinen Kopf. »Der Engel, dem Sie gefolgt sind, wer war das?«, fragt Nancy. Victor summt ihnen was vor und Robin schaut zu Sinika.

»Victor?«, fragt Nancy. Plötzlich gehen die Türen auf und Dr. Hatch tritt herein. »Ist er, wie Sie ihn sich erhofft haben?«, fragt er Mann sie und Sinika lässt Robins Hand wieder los. »Ich hatte gerade ein interessantes Gespräch mit Professor Brantley. Am besten besprechen wir das in meinem Büro!«

Der Mann scheint sauer zu sein und sieht die drei Mädchen empört an. »Und dort warten wir auf die Polizei!« Der Wächter gleitet sie hinaus und schließt hinter ihnen die Tür wieder. Nancy versucht dem Mann zu erklären, was los ist, doch dieser will ihr nicht zuhören.

»Erwarten Sie wirklich, dass ich Ihnen noch irgendwas glaube? Erzählen Sie Ihre rührselige Geschichte der Polizei«, meint der Mann aufgebracht. Sinika und Robin lauschen beide der Musik, die gerade im Musikzimmer angespielt wird und schauen sich kurz an.

Wieder draußen an der frischen Luft, versuchen Sinika und Robin mit Nancy schritt zu halten. »Victor sagte, in der Nacht des Angriffs ging alles im Haus an. Er erwähnte ausdrücklich die Musik. Er sagte, Musik ging an«, erklärt Robin.

»Und, als du ihm nach dem Engel gefragt hast, fing er an zu summen«, fügt Sinika hinzu. Robin fängt an, den Text zu der Melodie zu singen. »"Dream a Little Dream Of Me"«, sagt Nancy aufgeregt und Sinika nickt. »Genau. Von Ella Fitzgerald.«

»Die Stimme eines Engels«, meint Nancy. »Hatch sagte, Musik spricht einige Bereiche des Gehirns an, die Worte nicht erreichen. Also, vielleicht ist es der Schlüssel, eine Rettungsleine«, überlegt Robin.

»Zurück in die Realität.« Sinika nickt. Nancy schaut sich um und Robin und Sinika tun es ihr gleich. »Wir hängen sie ab«, erklärt Nancy und Sinika schaut sie überrascht an. »Was?«, fragt auch Robin nach. »Zum Auto«, erklärt Nancy den beiden.

»Ok, ich warne dich, ich habe null Koordination. Ich brauchte sechs Monate länger, um laufen zu lernen, als andere Babys«, plappert Robin wieder drauf los. »Lauft mir hinterher«, flüsterst Nancy und fängt plötzlich an zu laufen.

Verwirrt läuft Sinika ihr nach und zieht Robin an der Hand hinter sich her. »Oh, mein Gott!«, ruft sie überrascht und die Wächter versuchen ihnen nachzulaufen. Robin und Nancy katapultieren ihre Schuhe weg und auch Sinika war am überlegen, ihre loszuwerden.

Doch jetzt, wo sie schneller unterwegs sind, hat sie keine Probleme mehr damit. Die drei laufen über die Wiese und kommen schließlich atemlos an Nancys Auto an. Schnell steigen sie ein und versperren von innen das Auto.

»Halt! Raus aus dem Auto!«, ruft einer der Wächter und klopft gegen die Scheibe. »Los!«, drängt Sinika von der Rückbank und schaut dem Mädchen auf der Fahrerseite über die Schulter. Nancy startet dann letztendlich das Auto und fährt vom Parkplatz runter.

»Heilige Scheiße. Heilige Scheiße. Heilige Scheiße«, wiederholt Robin immer wieder. »Du läufst wirklich komisch«, lacht Nancy und Sinika schmunzelt. Die beiden werden vielleicht doch noch warm miteinander.

»Robin, Nance, Nika, Alarmstufe Rot! Ich wiederhole, Alarmstufe Rot!« Es ist Dustins Stimme, die Sinika aus dem Cerebro neben sich hört. Schnell greift sie danach und schaltet es ein. »Dustin, hier ist Nika. Wir haben verstanden«, meint sie panisch.

»Oh, das wurde aber auch Zeit!«, meint der Junge erleichtert. »Bitte, bitte sagt mir, dass ihr es herausgefunden habt«, bittet Dustin verzweifelt und Sinika hat plötzlich ein ganz ungutes Gefühl.

Nancy schaut durch den Rückspiegel zu Sinika und Robin dreht sich zu ihr um. »Musik«, fängt sie an zu erklären.

»Musik spricht bestimmte Bereiche des Gehirns an, die Worte nicht erreichen. Also wenn ihr Max' Lieblingslied spielt, ist das wie eine Art Rettungsleine, an der sie sich zurück in die Realität ziehen kann.«

»Okay. Alles klar.« Dustin legt Cerebro beiseite und kramt im Rucksack von Max nach ihren Walkman und den Kassetten.

Derweil schauen sich die drei Mädchen besorgt an und Sinika schaut den Funk in ihren Händen an, als könne sie so Dustin erreichen. »Dustin?«, fragt Sinika nach einiger Zeit und wippt ungeduldig mit ihrem Bein.

Als sie aber keine Antwort erhält, versucht sie es immer und immer wieder. »Verdammt!« Panisch vor Angst schmeißt sie den Funk neben sich und wischt sich eine kleine Träne weg.

Vorne im Auto ist es ruhig. Nancy fährt zurück und schaut nach ihrer besten Freundin durch den Rückspiegel.

Robin hat sich derweil wieder nach vorne gedreht und tut es Nancy gleich. Die beiden werfen sich stumme Blicke zu.

»Nika? Nance, Robin? Seid ihr da?«, fragt Dustin am anderen Ende und sofort greift Sinika wieder nach dem Funk. »Ja! Ja, wir sind da«, ruft Sinika schon fast und kurz schlägt ihr Herz wie wild in der Brust.

Sinika atmet schwer ein und wieder aus. »Geht es ihr gut?«, fragt Sinika und Dustin nickt. »Ja. Ja, ihr geht es so weit gut. Das mit der Musik hat geholfen. Ihr wart klasse!«, ruft Dustin begeistert und die drei Mädchen atmen erleichtert aus.

»Wir treffen uns bei Nancy zu Hause«, meint Dustin nach einer Weile und die drei Mädchen nicken. »Bis gleich«, sagt Sinika und legt Cerebro wieder beiseite. Nancy und Robin schauen Sinika durch den Rückspiegel an.

»Wir haben es geschafft. Max ist fürs Erste in Sicherheit«, murmelt Sinika vor sich hin und erwidert den Blick ihrer Freunde.

Die drei Lächeln über den kleinen Erfolg und setzen die Fahrt schweigend fort.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top