─ elf.

𝐄𝐕𝐄𝐑𝐘𝐓𝐇𝐈𝐍𝐆
kapitel elf; 2000
Sage, ich ... ich muss mit dir reden. ❞
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Es ist ein früher Nachmittag im Spätsommer. Die Sonne steht noch hoch am Himmel, und ein sanfter Wind weht über den Campus, lässt die Blätter der alten Eichen entlang der Hauptallee rascheln. 

Studenten strömen in kleinen Gruppen aus den Türen der Universitätsgebäude, während Sage langsam den Gehweg entlanggeht. Sie ist in Gedanken versunken, der Kopf noch bei den Vorlesungen, als sie plötzlich das vertraute Dröhnen eines Motors hört. 

Sage schaut auf. Vor ihr, direkt am Randstein, hält ein dunkler Jeep. Die Fenster sind heruntergelassen, und auf dem Fahrersitz sitzt niemand Geringeres als Phil. 

Er grinst breit, sein Ellenbogen lässig aus dem Fenster gelehnt, während er mit seiner freien Hand auf das Lenkrad trommelt. Er sieht entspannt aus, die Haare ein wenig zerzaust, wie immer.

»Überraschung!«, ruft er, als er ihren erstaunten Blick sieht. »Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit, oder ist der Bus bequemer geworden?«

Sage lacht und schüttelt den Kopf, während sie zu ihm hinübergeht. »Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst mit meinem Bruder und Stu unterwegs?«

»Ach, die können auch mal einen Tag ohne mich auskommen. Komm schon, steig ein.« Ohne zu zögern, öffnet Sage die Beifahrertür und wirft ihren Rucksack auf den Rücksitz. 

Phil lehnt sich zu Sage rüber und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. »Du siehst wunderschön aus«, komplimentiert er, was Sage kichern lässt. »Ich sehe bestimmt schrecklich aus«, erwidert sie und streicht sich ihre Haare glatt.

»Ganz im Gegenteil, Foxie«, schmunzelt er. Kaum hat sie sich angeschnallt, tritt Phil aufs Gas, und der Jeep rollt sanft die Allee hinunter. 

Die Fenster sind offen, und der warme Wind spielt mit Sages Haaren, während sie sich zurücklehnt und das Gefühl genießt, dass etwas Besonderes in der Luft liegt.

»Wohin fahren wir?«, fragt sie neugierig und schaut zu Phil hinüber. Er wirft ihr einen verschmitzten Blick zu. »Unser Lieblingsdiner.«

Sage sieht ihn überrascht an. »Ich dachte mir, wir könnten mal wieder hin. Vielleicht haben sie ja noch die besten Milkshakes der Stadt.«

Einige Minuten später parken sie vor dem altmodischen Diner, das kaum verändert aussieht. Der rot-weiße Neonschriftzug blinkt fröhlich über dem Eingang, und durch die großen Fenster sehen sie das vertraute Interieur: Die roten Lederbänke und das metallene Schimmern der Theke. 

Es ist fast leer, genau wie damals. Sie steigen aus, und Phil hält ihr die Tür auf. Als sie hineingehen, ist der Geruch von frisch gebratenen Burgern und Kaffee in der Luft. 

Sage sieht sich um und fühlt sich für einen Moment in die Vergangenheit zurückversetzt. »Der gleiche Tisch?«, fragt Phil, und sie nickt. Sie setzen sich in die Ecke, wo sie vor drei Jahren gesessen hatten. 

»Weißt du«, sagt Phil, während er die Speisekarte aufschlägt, »ich hab damals nie wirklich aufgehört, an diese Nacht zu denken.«

Sage sieht auf, ihre Augen treffen seine. »Wirklich?«

»Ja«, antwortet er leise. »Es war der Moment, in dem ich mir sicher war, dass du ..., dass wir was Besonderes haben.«

Sage errötet leicht, überrascht von seiner Offenheit. Sie greift nach der Speisekarte, um ihre zitternden Hände zu beschäftigen. »Ich auch.« 

Es ist ein ruhiger Sonntagabend. Der Duft von gebratenem Hähnchen und Kräutern erfüllt den Raum, während Sages Mutter die letzte Schale mit Kartoffelpüree auf den Esstisch stellt. 

Sage sitzt an ihrem üblichen Platz, gegenüber von ihrem Bruder Doug, der immer noch in sein Handy vertieft ist. Ihr Vater sitzt am Kopf des Tisches und mustert jeden mit einem zufriedenen Lächeln, froh, dass die Familie mal wieder zusammen zum Abendessen kommt.

»So, alle da. Lass uns anfangen«, sagt ihre Mutter und setzt sich mit einem leichten Seufzen hin. »Doug, weg mit dem Handy, das ist Familienzeit.«

Doug murrt etwas Unverständliches und schiebt sein Handy widerwillig beiseite. »Ja, ja. Bin da.«

Sie beginnen zu essen, und eine Weile ist nur das leise Klirren von Besteck zu hören. Sage ist froh, dass es ruhig ist – zumindest für den Moment. Sie kann nicht wirklich erklären, warum, aber in letzter Zeit wird sie bei diesen Familienessen immer nervös. 

Vielleicht liegt es daran, dass Phil und sie ihre Beziehung immer noch geheim halten. Vor allem vor Doug. Denn Doug und Phil sind seit dem Kindergarten beste Freunde, und er wäre alles andere als begeistert, wenn er wüsste, dass seine kleine Schwester sich mit seinem besten Freund trifft.

»Sage, du hast ja dieses Semester ziemlich viel um die Ohren, oder?«, beginnt ihr Vater beiläufig und blickt zu ihr hinüber.

Sage nickt und nahm einen kleinen Bissen. »Ja, es ist ziemlich stressig, aber es geht.«

»Na ja«, fügt ihre Mutter hinzu, »ich hoffe, du nimmst dir auch mal Zeit für dich. Du bist jetzt schon eine Weile am College ... Hast du eigentlich jemanden kennengelernt?« Sie stellt die Frage, als sei sie das Normalste auf der Welt, doch Sage spürt, wie sich ihre Schultern anspannen.

Doug schnaubt leise und hebt eine Augenbraue, während er sich etwas Soße auf den Teller schöpft. »Ja, Sage, wie sieht's aus? Immer noch Single?«

Sage fühlt, wie ihre Wangen warm werden. Sie zwingt sich, ruhig zu bleiben. Sie kann es nicht verraten, schon gar nicht vor Doug. »Ähm, nein. Ich habe keinen Freund«, sagt sie schnell und hofft, dass das Thema damit erledigt ist.

Ihre Mutter lässt jedoch nicht locker. »Ach komm, da muss doch irgendjemand sein. Ein netter Junge, vielleicht von deinen Kursen?«

Doug grinst plötzlich breit und lehnt sich zurück. »Oder ist es einer von meinen Kumpels, huh? Willst du mir etwa sagen, dass du auf einmal auf meine Freunde stehst?«

Sage hat sich beinahe an ihrem Wasser verschluckt und versucht, das Lachen ihrer Eltern zu übergehen. Ihr Herz schlägt plötzlich schneller, aber sie muss cool bleiben. »Nein, Doug. Definitiv nicht.«

»Zum Glück«, erwidert Doug und schiebt sich einen großen Bissen Kartoffelpüree in den Mund. »Meine Freunde sind nicht gerade das, was ich mir für dich wünschen würde.«

Sage versucht, ein Lächeln aufzusetzen, obwohl ihre Gedanken rasen. Wenn er nur wüsste. Sie spürt die Schwere des Geheimnisses, das sie trägt, und wie viel auf dem Spiel steht, wenn Doug jemals herausfindet, dass Phil und sie sich heimlich treffen. 

Es wäre eine Katastrophe. Doug ist schon immer beschützerisch gewesen, und Phil ... nun, Phil ist der letzte Mensch, von dem Doug je erwartet hätte, dass er sich mit Sage einlässt.

»Ich bin sicher, sie wird jemanden finden, wenn die Zeit reif ist«, fügt ihr Vater hinzu, offenbar zufrieden mit ihrer Antwort. 

Sage nutzt die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. »Also, Doug, wie läuft's bei dir? Irgendwelche spannenden Projekte?« Sie versucht, das Gespräch in eine sicherere Richtung zu lenken, weit weg von ihrem Liebesleben. 

Doug mustert seine Schwester noch ein paar Sekunden, bis er schließlich nickt. »Ach, das Übliche«, sagt er und beginnt, über seine neusten Projekte zu reden, während Sage sich innerlich erleichtert zurücklehnt.

Es war ist warmer Freitagnachmittag, und die Sonne strahlt durch das Fenster von Sages Wohnzimmer, taucht den Raum in ein goldenes Licht. Sage hat einen besonders guten Tag hinter sich – ihre Präsentation im College war hervorragend gelaufen, und sie fühlt sich voller Energie. 

Sie hatte den ganzen Nachmittag gewartet, dass Phil vorbeikommen würde, um zusammen zu entspannen und zu feiern. Als es an der Tür klopft, springt sie auf und öffnet sie mit einem breiten Lächeln. 

»Phil!«, ruft sie und zieht ihn in eine Umarmung. »Ich bin so froh, dass du da bist!« Phil umarmt sie kurz zurück, aber sie bemerkt sofort, dass etwas anders war. 

Sein Lächeln wirkt gezwungen, und seine Augen scheinen nicht ganz die Freude widerzuspiegeln, die Sage erwartet. »Hey, Sage«, sagt er und tritt ein. Sie lässt die Tür hinter ihm ins Schloss fallen und dreht sich um. 

»Setz dich! Ich habe ein paar Snacks gemacht. Wir können einen Film schauen oder einfach nur quatschen.« Phil setzt sich auf die Couch, und Sage schnappt sich eine Schüssel Chips und ein paar Drinks aus der Küche. 

Als sie sich neben ihn setzt, spürte sie, dass die Atmosphäre seltsam angespannt ist. Sie stellt die Snacks auf den Tisch und sieht ihn neugierig an. 

»Was ist los? Du siehst irgendwie ... nachdenklich aus.« Er atmet tief durch, und in diesem Moment fühlt Sage, wie die Freude in ihrem Herzen schwindet. »Sage, ich ... ich muss mit dir reden.« 

»Okay ...?« Sie blickt ihn an, ihre Sorge wächst. »Was ist es?« Phil wendet den Blick ab und starrt auf die Wand gegenüber. 

»Ich habe über uns nachgedacht. Über alles.« Sages Herz beginnt schneller zu schlagen, und eine Kälte breitet sich in ihrer Brust aus. »Was meinst du damit?« 

»Ich ... ich denke, es ist besser, wenn wir uns trennen.« Seine Stimme ist leise, aber klar. 

Sage blinzelt ungläubig. »Was? Phil, was redest du da? Sagst du das nur, weil du Angst vor Dougs Reaktion hast?« Ihre Stimme klingt etwas höher, als sie es beabsichtigt hat, und sie kann den Schock nicht verbergen. 

»Nein, das ist es nicht. Ich ... ich weiß, dass wir uns gut verstehen, aber ich fühle nicht mehr so, wie ich es einmal getan habe. Es ist einfach zu kompliziert geworden, und ich denke, es ist besser für uns beide.« Phil meidet es die Jüngere neben sich anzusehen. 

Sage kann nicht glauben, was er da gerade sagt. »Du machst Schluss? Nach all der Zeit? Nach allem, was wir durchgemacht haben?« 

Phil nickt, seine Augen sind glitzern vor Schuld. »Es tut mir leid, wirklich. Aber ich denke, es ist das Richtige.« Eine Welle von Emotionen überkommt sie. Wut, Trauer, Enttäuschung – alles gleichzeitig. 

»Du willst mich verarschen, oder?« »Ich wollte das nicht so machen«, sagt er leise, und er schluckt schwer. »Und warum jetzt? Warum heute?« Sage ist außer sich. Irgendwas stimmt hier nicht. 

»Weil ich nicht länger so tun kann, als wäre alles in Ordnung. Ich wollte ehrlich zu dir sein«, erklärt er ihr. Sage steht abrupt auf und taumelt ein paar Schritte zurück, als könnte sie den Schmerz mit etwas Abstand mildern. 

»So tun, als wäre alles in Ordnung?«, fragt sie. »Aber es ist alles in Ordnung.« »Es tut mir leid«, meint Phil und senkt den Blick. »Aber ich kann nicht mehr.« In diesem Moment überkommt sie die Wut. 

»Wenn du das wirklich willst, dann geh! Lass mich einfach in Ruhe!« Phil sieht sie mit einem Ausdruck an, der Mitleid und Bedauern in sich bringt. »Sage ...« 

»Geh einfach! Ich will dich nicht mehr sehen!«, ruft sie und deutet zur Tür. »Ich kann nicht glauben, dass du das machst!« 

Er erhebt sich langsam, und der Schmerz in seinen Augen ist offensichtlich. »Es tut mir leid, Sage. Wirklich.« 

»Ja, mir auch«, sagt sie bitter. 

Festlich geschmückte Häuser strahlen im warmen Licht der Weihnachtsbeleuchtung. Drinnen, im Wohnzimmer des Hauses Billings, knistert das Feuer im Kamin leise vor sich hin, während der Duft von Zimt und Nelken in der Luft hängt. 

Es ist Heiligabend, und wie jedes Jahr hat sich die kleine Gruppe von Freunden bei Sage und Doug zu Hause versammelt – Doug, Stu, Phil und Sage. 

Doch dieses Jahr ist alles anders. Seit der Trennung vor einigen Wochen hat Sage das Gefühl, dass die Welt ein bisschen grauer geworden ist, und der Gedanke, Phil an diesem Abend zu sehen, lässt ihr Herz schwerer schlagen, als es sollte.

Sie sitzen alle zusammen auf den großen Sofas, der Weihnachtsbaum funkelt in der Ecke, und Stu erzählt eine Anekdote aus dem letzten Jahr, als er versuchte, ein Rentierkostüm für seine Katze zu kaufen. 

Er lacht laut, völlig ahnungslos, während Doug ebenfalls grinst und seinen typischen Platz am Kamin eingenommen hat. 

Phil sitzt auf dem anderen Sofa, direkt gegenüber von Sage. Sie hat ihn so gut es ging ignoriert, sich auf die Gespräche mit Stu und Doug konzentriert und gelächelt, obwohl sich in ihrem Magen ein Knoten gebildet hat. 

Jedes Mal, wenn sie ihn ansieht, spürt sie die Anspannung zwischen ihnen, die unausgesprochenen Worte, die sie in sich trägt. Sie hat sich fest vorgenommen, nichts anmerken zu lassen – vor allem Doug darf nichts erfahren. 

»Erinnerst du dich, Doug, letztes Jahr, als du versucht hast, den Baum allein zu schmücken?«, ruft Stu und lacht. »Ich habe noch nie jemanden so schlecht eine Lichterkette aufhängen sehen.«

»Hey, der Baum sah am Ende großartig aus«, verteidigt sich Doug grinsend und nimmt einen Schluck von seinem Bier. Phil lächelt gequält, aber sagt nichts. Stattdessen starrt er in sein Glas, dreht es langsam in den Händen. 

Sage vermeidet es, ihn anzusehen, doch sie spürt seine Anwesenheit in jedem Moment. Ihr Herz schlägt schneller, und die Erinnerung an ihre letzte Begegnung, als er sie verlassen hatte, brennt noch immer in ihrer Brust.

»Ja, das war ein ziemliches Chaos«, fügte Sage mit einem gezwungenen Lächeln hinzu, als sie versucht, sich in das Gespräch einzubringen. Ihre Stimme klingt normal, doch Doug, der sie schon immer gut gekannt hat, wirft ihr einen kurzen, forschenden Blick zu. 

Er sagte nichts, aber Sage merkt, dass er etwas spürt. Er kann die Anspannung im Raum ebenso deutlich wahrnehmen.

Die Minuten verstreichen, und obwohl Stu die Unterhaltung am Laufen hält, wird die Stille zwischen Sage und Phil immer lauter. Sie sprechen nur, wenn es absolut notwendig ist – ein kurzes »Ja« hier, ein »Stimmt« da – aber jeder Satz fühlt sich gezwungen an.

Doug beobachtet die beiden, wirft Phil ab und zu einen prüfenden Blick zu, während er an seinem Bier nippt. Sage bemerkt, dass er es merkt – wie sie nervös an ihrem Glas spielt, wie Phil sich zurückzieht, statt mit seiner üblichen Leichtigkeit zu sprechen. 

»Hey, Sage«, sagt Stu plötzlich und wendet sich zu ihr um. »Hast du dieses Jahr eigentlich wieder Plätzchen gebacken? Deine Schokokekse waren letztes Jahr der Hit!« 

Sage zwingt sich zu einem Lächeln, dankbar für den Ablenkungsversuch. »Ja, die sind in der Küche. Ich hol sie mal eben.«

Sie steht auf, froh, dem Raum für einen Moment entfliehen zu können. Als sie in die Küche tritt, atmet sie tief durch, ihre Finger um den Rand der Küchentheke geklammert. 

»Du musst das jetzt durchstehen«, sagt sie sich, aber es fühlt sich an, als würde jede Minute im selben Raum mit Phil ihre Haut ein Stück dünner machen.

Als sie mit dem Teller voller Kekse zurückkommt, treffen sich ihre Augen kurz mit Phils. Er sieht sie an, und für einen winzigen Moment glaubt sie, in seinem Blick etwas wie Bedauern oder Schuld zu erkennen. 

Doch sie senkt schnell den Blick und setzt sich wieder auf ihren Platz. »Ah, die legendären Kekse!«, ruft Stu begeistert und greift sich sofort einen.

Während die anderen weiter plaudern, bemerke Sage, dass Doug schweigsamer geworden ist. Er scheint die Situation zu analysieren, seinen Freund und seine Schwester im Auge zu behalten. Aber er sagt nichts. 

Als der Abend schließlich zu Ende geht und die Freunde sich verabschieden, sieht Phil sie ein letztes Mal an. Seine Lippen öffnen sich, als will er etwas sagen, doch dann schließt er sie wieder und nickt nur knapp. 

Doug beobachtet die Szene schweigend. Und als Phil und Stu schließlich gehen, wussten Sage, Phil und Doug, dass das Weihnachtsfest nie mehr so sein würde wie früher.

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