💭 thirty six
⚠️ Triggerwarnung: psychische Misshandlung, häusliche Gewalt ⚠️
Am Ende tat sich Felix doch für entscheiden den Älteren hereinzulassen. Zwar erhoffte er sich nicht sonderlich viel von diesem Gespräch, nur konnte er Chan nicht einfach so die Chance verwehren, sich entschuldigen zu können. Jeder hatte ein Anrecht darauf. Jedenfalls war es bei Felix der Fall gewesen, auch wenn er noch so sauer auf die Person war. Vielleicht war er in dieser Hinsicht zu gutherzig.
Abwartend musterte Felix seinen Besuch, der es sich auf seinem Bett gemütlich gemacht hatte und scheinbar wirklich mit sich rang zu sprechen. Normalerweise war es ein Leichtes für Chan mit Menschen zu reden. Er hatte keinerlei Probleme und er genoss es eben auch, wenn er im Mittelpunkt aller Menschen stand. Doch nun wollte er genau das Gegenteil. Es fiel ihm schwer, einfach so zu erzählen, was mit ihm falsch war. Wer redete schon gern über seine Fehler und Schwächen?
»Ich hatte eine schwierige Kindheit... Bei meinen leiblichen Eltern wurde ich oft ignoriert. Wenn sie sich um mich gekümmert haben, war es immer ein sehr kühles Verhältnis und wenn ich nicht das Richtige in ihren Augen getan habe, schlugen sie mich. Einmal ist meine Erzeugerin mit einem Messer auf mich losgegangen, als sie getrunken hatte. Als man das in der Schule gesehen hat, hat man die Polizei kontaktiert und ich wurde von ihnen weggebracht. Mit zwölf kam ich in ein Heim, hab mich mit den Kindern dort immer angelegt, ein Jahr später kam ich zu meinen Pflegeeltern.
Aber bei denen hab ich auch nur Probleme gemacht. Irgendwann wurde ich einem Psychologen vorgestellt, als ich schon zum fünften Mal die Schule wechseln musste weg meinem Verhalten... Und der hat dann diagnostiziert, dass ich wohl eine dissoziale Persönlichkeitsstörung habe. So wirklich kann das erst gesagt werden, wenn ich aus der Pubertät raus bin, aber er geht stark davon aus, weil ich sehr viele Eigenschaften habe... Eigentlich alle, die darauf zutreffen.
Es entschuldigt mein Verhalten nicht, das weiß ich und es macht auch nichts rückgängig, wie schlecht ich andere behandelt habe. Ich habe sie verletzt und ihnen schlimme Dinge angetan. Und obwohl ich eine zweite Chance in einer Pflegefamilie bekommen habe, scheine ich es eher mit Füßen zu treten, anstatt mich wirklich anzustrengen... Aber es ist schwer, wenn man nicht weiß, ob man Richtiges oder Falsches tut.
Es ist erbärmlich, dass ich hoffe, dass man mich im Ansatz versteht, wenn ich selbst nicht einmal erkennen kann, was falsch mit mir ist.«
Noch immer schwieg Felix und hörte aufmerksam zu, was der Brünette ihm sagte. Nur konnte er sich nicht einmal im geringsten vorstellen, was Chan erleben musste, wie viel leid er durchgemacht hatte, dass er nun solch eine gebrochene Psyche hatte. Und irgendwie spürte Felix, dass er ihm für all das verzeihen würde, weil er scheinbar nicht wirklich etwas dafür konnte. Niemand hatte ihm den Weg als Kind gezeigt, wie er richtig war und somit tat er eben das, was er für richtig hielt, was jedoch oftmals falsch war. Und wenn es doch einmal falsch war, wurde er körperlich bestraft, sodass jegliches Empfinden dafür verloren ging.
»Ich lüge Menschen an, damit sie mich mögen. Ich zerstöre Freundschaften, weil es mir irgendwie Spaß macht mit anzusehen, wie sie zugrunde gehen... Wenn andere mir ihre Probleme versucht haben anzuvertrauen, habe ich nie verstanden, was daran so schlimm ist. Zugleich finde ich meine Vergangenheit nicht schlimm, obwohl meine Pflegefamilie mir immer eingetrichtert hat, dass es absolut schlimm war und es mir bei ihnen hier nie so ergehen wird. Für mich war es damals normal und ich dachte, dass jeder andere auch so erzogen wird... Deswegen hab ich auch die Jüngeren im Heim immer geschlagen, wenn sie in meinen Augen etwas Falsches gemacht haben und bin noch immer verwundert, dass meine Pflegeeltern mich seither nie schlugen, auch wenn sie mich oft von der Polizei abholen müssen und ich unfair zu meinen Geschwistern bin... Man merkt einfach, dass ich in diese Familie nie gepasst habe.
Es ist eben, wie gesagt, eine zweite Chance, die ich nicht ergreife, weil ich nie soziale Dinge gelernt habe... Deswegen habe ich auch nie wirkliche Freundschaften geführt, auch wenn ich andere an einer Leine gehalten habe...«
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