siebzehn
Mit schlotternden Knien drehte Seungmin den Schlüssel im Schloss um und traute sich zunächst nicht in das Haus zu treten. Der Hintergedanke war fest verankert, dass er auf seine Mutter oder auf seinen Vater treffen würde, schließlich war heute Sonntag und da hatte das Café nicht sonderlich lang geöffnet. Als aber nur das Ticken der Küchenuhr durch die Wände hallte und sich seine Anspannung für einen Moment legte, betrat er dann die Türschwelle. Er wollte keineswegs schon wieder in sein Elternhaus zurück, denn er hatte sich bewusst für diese Uhrzeit entschieden, in der er wusste, dass beide noch arbeiteten, auch wenn Hyunjin noch schlief und er von seiner Aktion nichts wusste. Das war fürs Erste auch besser so, denn er hätte ihn von seinem Vorhaben abgehalten.
Mit nachdenklichen Blick legte er den Brief auf den Küchentisch, auf dem für Mama und Papa stand. Recht schnell viel ihm die ganze Unordnung auf, die er nicht gewohnt war. Vermutlich hatte es mit seinem Verschwinden zutun gehabt und wollte sich ungern ausmalen, was gestern passiert war, als sein Vater das Zimmer aufschließen wollte, welches bereits offen war. Irgendwie tat es Seungmin leid, dass er ihnen solche Sorgen und Unannehmlichkeiten einbrachte, doch er wollte ihnen damit einfach nur weismachen, dass er nicht in Ordnung war, wie er von ihnen als Sohn behandelt wurde. Homophobie war etwas, was schon längst der Vergangenheit angehören sollte und doch gab es noch sehr viele Menschen, dessen Grundgedanke immer noch bei den typischen Bild einer Familie war. Dieses Bild war jedoch derartig veraltet, dass ein Neues in die Köpfe der Menschen eingemeiselt werden sollte. Es gab nicht die perfekte Familie, denn es gab auch keinen perfekten Menschen. Nichts war perfekt, denn Perfekt sein war etwas, was nie erreicht werden konnte und davon könnte niemand den Blonden abbringen, seine Meinung zu ändern. Auch seine Eltern konnten es nicht. Zwar war Seungmin selbst jemand, der Perfektionismus anstrebte, aber immer kläglich scheiterte. So wie jeder andere auch.
Mit einem leichten Seufzen wandte er seinen Blick ab und holte sich noch einige Sache aus seinem Zimmer. Als er dieses jedoch betreten hatte, erschrak er. Seine sonst so gewohnte Ordnung glich einem kompletten Chaos. Der Großteil seiner Sachen lag auf dem Boden verteilt, was er definitiv seiner Mutter zu verdanken hatte. Sie war diejenige, die gern einmal in seinen Sachen herumgeschnuppert hatte, um Dinge herauszufinden, was sogesehen gegen seine Privatsphäre war. Tränen stießen in seine Augen, als er kleine Schritte in sein Zimmer ging, welches ihm gerade noch so fremd war. Der Hass gegen seine Eltern wuchs immer mehr und zugleich verstand er es, wieso sie so reagierten. Es war seine eigene Schuld gewesen. Wäre er in seinem Zimmer geblieben, käme es nie zu dieser Situation und zu dieser Panik, die man um den Blonden hatte.
"W-Wieso?" Überfordert suchte er nach den Dingen, die er holen wollte. Doch das erwies sich als ziemlich schwer, denn alles war auf einem großen Haufen geschmissen worden oder war quer verteilt auf dem Fußboden, aber nicht da, wo es eigentlich hingehört. Sein sicherer Ort war ein Schlachtfeld, als wäre ein Eindringling eingedrungen und hätte alles zermetzelt.
Irgendwann hatte er all die Sachen zusammengesucht, die er holen wollte und packte diese in seinen Rucksack, den er mitgenommen hatte. Nach wie vor war seine Atmung schwer und immer wieder wischte er sich die Tränen von seinen Wangen. In seinen Gedanken ermutigte er sich immer, dass alles halb so wild war. Doch das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich ziemlich dreckig und eigentlich gab es da nichts zum Schön reden, denn das war es nicht. Gerade kam ihm es so vor, als wäre alles ein riesen großer Scheiterhaufen, den man nicht mehr bekämpfen würde, sondern nur zusehen konnte, wie er immer größer und grausamer wurde.
Schweren Herzens schloss er seine Zimmertür und holte ein weiteres Mal tief Luft, denn er dachte, die Tränen würde ihm die Luft zum Atmen nehmen. Indirekt war dem auch so, doch wenn er sich das eingestand, wusste er, dass alles nur noch schlimmer werden würde. Ein weiteres Mal wischte er sich die Tränen von seinen Wangen und trat aus dem Haus, um zurück zu Hyunjin zu gehen. Von dem erwartete er eine Standpauke, weil er einfach so nach Hause gegangen war, ohne ihm Bescheid zu geben.
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