🌸 04 🌸
Zwei ganze Monate war es nun her gewesen, dass ihr Sohn zur Welt gekommen war und ihr bisher so ordentliches Leben auf den Kopf gestellt hatte. Vor allem die ersten Tage, als er auch nur einen Mucks gemacht hatte, ließen Chan und Jeongin alles stehen und liegen, um zu sehen, was nicht stimmte. Oft war es nichts Gravierendes gewesen. Entweder war Junhyuk der Schnuller aus dem Mund gefallen, hatte Hunger oder ihm musste die Windel gewechselt werden. Aber heute war es das erste Mal, dass Jeongin leicht panisch wurde, als sein Sohn nicht einmal im Ansatz ruhiger wurde und sogar die Flasche verweigert hatte. Er machte sich sogar so einen großen Kopf, dass ihm aus Hilflosigkeit die Tränen in der Augen stiegen und er seit einer knappen Stunde versuchte ihn in den Schlaf zu wiegen.
Normalerweise war Junhyuk ein friedliches Baby, schlief oft direkt ein, wenn man ihn in sein Bettchen legte. Aber wenn der Koreaner versuchte ihn wegzulegen, begann er mit weinen und zwang ihn, dass man ihn wieder auf den Arm nahm. Und das zerrte an Jeongins Nerven, denn er war auf sich allein gestellt. Chan war in die nächstbeste Apotheke gegangen, um Medizin zu holen, damit die Schmerzen, die der Kleine hatte, gelindert werden würden. Irgendwas musste am Ende helfen.
"Es wird alles gut werden. Papa ist gleich wieder da." Kaum hatte Jeongin die Worte gesagt, begann Junhyuk wieder zu weinen und das machte den jungen Vater noch unruhiger. Er wusste, dass sich das Verhalten auf das Kind auswirken konnte. Wenn er Unruhe ausstrahlte, würde auch sein Kind diese wiederspiegeln. Und weil das schon seit einer guten Stunde ging, würde er ihn wohl auch nicht mehr zum Schlafen bringen können. Eben so lang nicht bis Chan da war, der mit so einer Situation viel besser umgehen konnte, als er es tat. Gerade kam er sich jedoch wie der schlimmste Rabenvater vor, weil er in sowas Einfachen versagte. Das bestätigte seine Bedenken, die er in der Schwangerschaft gehabt hatte ungemein.
Die Wohnungstür öffnete sich und direkt erblickte Chan die verheulten Augen seines Freundes, die nur vor Verzweiflung sprühten. Direkt fühlte er sich schlecht, dass er sich zu viel Zeit gelassen hatte, obwohl die nächste Apotheke nicht gerade um die Ecke war und er durch die halbe Stadt gefühlt gegangen war.
"Ich hab gehofft, dass er einschlafen würde bis ich wieder da bin.", seufzte der Australier und nahm Jeongin ihren Sohn ab. Der Schwarzhaarige spürte direkt, wie seine Arme schwer wie Blei waren. Bis jetzt hatte er die Schmerzen ausgeblendet. "Aber jetzt wird es hoffentlich besser mit seinen Bauchschmerzen." Das Wimmern von Junhyuk verstummte nach wenigen Sekunden wieder und irgendwie fühlte sich Jeongin nicht sonderlich gut dabei. Als wäre es nur seine Schuld, dass der Kleine nicht zur Ruhe kam, aber er versuchte das Positive zu sehen; Bei Chan würde ihr Sohn zur Ruhe kommen, da er oft ziemlich ausgeglichen war, jedenfalls versprühte Chan das Gefühle und gerade das, half ihm auch selbst nicht den Verstand zu verlieren. Während Jeongin in den kleinsten Moment in voller Verzweiflung schwelgte und nicht wusste, wie er Dinge angehen sollte, war der Ältere das komplette Gegenteil. So gut wie immer fand er eine Lösung, um schwierigere Dinge zu bewältigen. Vielleicht lag es auch an ihrem Altersunterschied, der zwar nicht sonderlich groß war, aber manchmal eine Rolle spielen konnte. Jeongin hatte einfach nicht so viel Lebenserfahrung gesammelt, wie es Chan tat. Er hatte noch einiges zu lernen, aber das hatte jeder. Mit jedem neuen Tag.
Chan verabreichte ihren Sohn mit Leichtigkeit die Medizin, als hätte er in seinem Leben dies des öfteren getan. Mit großen Augen wurde er von Junhyuk, aber auch von Jeongin angesehen. Ein schüchternes Lachen entkam ihm und klopfte auf den Platz neben sich, damit sich sein Freund neben ihn setzen konnte.
"Es ist echt unfair so angesehen zu werden. Man weiß nicht, wen man zurück anstarren soll." Direkt fing Jeongin an zu schmollen und wollte am liebsten wieder losweinen. "Hey, es ist alles gut. Mach dir nicht so einen großen Kopf. Jeder ist mal mit etwas überfordert und du hast die Sache trotzdem gut gemeistert. Andere hätten ihr Kind ins Bett gelegt und gewartet bis es endlich schläft. Aber du hast es nicht gemacht, weil ich weiß, dass du es nicht übers Herz bringen würdest dein Kind allein zu lassen, während es leidet." Einen kleinen Kuss gab er ihm auf die Wange, ehe er zu Junhyuk sah, dessen Augen langsam aber sicher zu fielen.
Dann musste der Jüngere doch lächeln, jedenfalls für einen kurzen Moment. Das Bild, wie Chan das kleine Baby in seinem Arm hielt, während es schlief, war einfach nur zu schön mit anzusehen. Hätte man ihm vor einem Jahr gesagt, dass es Realität sein würde, hätte er nur mit dem Kopf geschüttelt. Denn dazu hätte er sich damals nicht in der Lage gefühlt sich um ein Kind zu kümmern. Aber jetzt, wo er Junhyuk zur Welt gebracht hatte und sah, wie liebevoll sich Chan um ihn kümmerte, konnte er sich doch nichts mehr anderes vorstellen. Auch wenn es manchmal anstrengend war und er am liebsten aufgeben wollen würde. Er bekam die passendsten und aufmuntendsten Worte, die er sich zu so einem Zeitpunkt wünschen konnte. Es nahm ihm zwar nicht seine Gefühle und Gedanken ab, aber sie waren nicht mehr ganz so präsent, als wenn Chan einfach nur vor sich hinschwieg und neunmal kluge Sprüche schlug.
"Manchmal ist es so schwer, die Fassung nicht zu verlieren..." Seufzend strich er sich durch sein pechschwarzes Haar, welches er vor kurzem erst gefärbt hatte. Er hatte nämlich erstmal genug davon seine Haare mit Chemie zu zerstören und außerdem hatte er nicht mehr so viel Zeit, jetzt, wo Junhyuk auf der Welt war. Da konnte er froh sein, wenn er mal eine Nacht durchschlafen oder mal etwas mit seinem Freund machen konnte. Groß etwas machen, konnten sie sowieso nicht, da der Kleine ja immer mit musste. Sie konnten ihn ja nicht einfach allein lassen. Ihn ständig zu den Großeltern zu bringen, war auch nicht das Richtige. Jetzt, wo er auch noch so anhänglich war, konnten sie das erst recht nicht machen. Das konnte Jeongin nicht übers Herz bringen.
"Aber das hast du nicht." Noch immer lächelte Chan, weil er wirklich glücklich war, wie sein Leben gerade verlief und es gegen nichts eintauschen wollte. "Wollen wir ein bisschen spazieren gehen? Frischluft kann ja nicht schaden." Stumm nickte Jeongin. Also stand der Australier auf, bedacht darauf, dass er seinen Sohn nicht weckte und holte aus dem kleinen Flur die Babytrage, denn er konnte schon erahnen, wenn man Junhyuk in den Kinderwagen legte, würde das Geschrei groß sein und das wollte er Jeongin nicht antun.
"Es ist auch nicht so heiß draußen.", merkte der Ältere noch an, "Willst du ihn tragen? Bei dir ist er immer ruhiger, als bei mir." Der Schwarzhaarige zuckte nur mit den Schultern und nahm es ihm dann doch aus der Hand, um die untere Schnalle mit einem Klicken zu schließen und Junhyuk dann in den Stoff zu legen, der auf seinem Schoss lag. Dabei verzog dieser schon das Gesicht, als wollte er wieder losschreien und das brachte Jeongin erneut zur Verzweiflung. In einer Bewegung hatte er ihn dann an seinen Oberkörper gelegt und Chan schloss die zweite Schnalle, sodass Jeongin sich aufrichten konnte und zu seiner Verwunderung blieb Junhyuk doch ruhig, was ihm ein leichtes Seufzen entgleiten ließ, er aber anfing zu lächeln.
"Ihr seid so süß!", quietschte der Ältere. Er fand es einfach nur zum dahin schmelzen jedes Mal, wenn sein Freund Junhyuk trug. Und manchmal war es schwer begreiflich, dass dieses kleine Wesen in Jeongins Bauch war und in ihm gewachsen war.
"Er ja, ich nicht"
"Oh doch, und wie du das bist."
Mit einem Grinsen griff der Ältere nach Jeongins Hand, nur um seine Finger mit denen des Jüngeren zu verflechten.
"Er ist schon richtig groß geworden und vor allem schwer... auf dem Arm fühlt er sich gar nicht so schwer an, wie beim Tragen in der Trage." Leicht abwesend beobachtete Jeongin den Kleinen und musste direkt schmunzeln. Zwar verstand er nicht, wie ein Mensch ihm so viele Nerven kosten konnte, aber am Ende war er doch ziemlich glücklich, wenn er von ihm angelächelt wurde. Vor allem wenn er der Grund dafür war, weil er stets sein Bestes gab. Tag und Nacht, um ein gutes Elternteil zu sein.
Nach einem etwas längerem Fußweg hatten sie sich dazu entschieden in ein Café zu gehen, weil Jeongin langsam der Rücken vom Tragen wehtat. Es war ihm ein Rätsel, wie er es vierzig Wochen aushalten konnte Junhyuk auszutragen. Aber ihm war so vieles ein unerklärliches Rätsel gewesen.
Als sie bestellt hatten, oder besser gesagt als Chan bestellt hatte, weil der Jeongin nichts wollte, herrschte ein Schweigen. Ein ziemlich unangenehmes sogar, sodass Jeongin unruhig mit dem Bein wippte. Chan hasste es, wenn er das tat, obwohl es nicht einmal mit Absicht passierte. Es war die Aufregung, die Jeongin versuchte zu überspielen und doch konnte der Australier selbst keinen klaren Gedanken fassen, weil er sich etwas fest vorgenommen hatte, was er die letzten Tage und Wochen immer vor sich hin geschoben hatte. Er fand jedoch keinen passenden Moment, vor allem jetzt nicht, wo Jeongin immer so sensibel war. Manchmal übermannte ihn der Gedanke, dass er abgestoßen werden würde, obwohl er wusste, dass der Gedanke vollkommen absurd war. Jeongin würde so etwas nie tun, er würde viel eher weinen für die nächsten sechzig Minuten, ehe er überhaupt etwas erwidern konnte. Vielleicht war es auch die Reaktion, vor die sich Chan fürchtete.
"Was ist denn los, Channie? Du bist so abwesend..." Besorgt musterte Jeongin ihn, streichelte über dessen Handrücken. Leicht abwesend nickte Chan und zeigte, dass er die Frage anscheinend nicht so ganz verstanden hatte und das sorgte den Koreaner nur noch mehr. "Du kannst mit mir reden"
"Es ist nichts. Ich denk' nur wieder zu viel nach und... Ach, keine Ahnung. Manchmal fehlen mir einfach bei einigen Dingen der Mut und dann denke ich zu viel nach, wodurch ich mich noch viel weniger zu etwas traue." Seufzend nippte der Ältere an seinem Getränk und versuchte die ganze Situation damit überspielen zu können. Doch der eindringliche Blick seines Gegenübers zeigte ihm, dass das nicht so einfach war. Nein, eher im Gegenteil. Jeongin machte sich dadurch noch viel mehr Sorgen.
"Aber sonst bist du doch nie so... Wieso beschäftigt dich das so sehr?"
"Es ist mir halt sehr wichtig, weißt du?"
Seufzend wühlte der Australier in seiner Hosentasche, um das kleine Schächtelchen aus seiner Hose zu kramen. Ihm war bewusst, dass der Ort nicht der Schönste war, um jemanden einen Heiratsantrag zu machen. Aber manchmal musste nicht alles so perfekt sein, wie bei vielen anderen. Es musste nicht immer alles glitzern und funkeln, denn das Leben war oft nicht so, wie man es aus den Erzählungen vieler hörte. Oft war es eher das Gegenteil, es war anstrengend und frustrierend, manchmal auch nicht schön. Aber es gab auch Momente, da schien es doch alles perfekt zu sein, manchmal sogar zu perfekt, dass es der Realität entsprechen konnte.
"Du weißt, du kannst mit mir über alles reden. Immerhin bin ich dein Freund!"
"Genau das ist mein Problem." Jeongins Gesichtsausdruck wechselte in einen Verzweifelten und am liebsten wollte er fragen, was seine Worte zu bedeuten hatte, aber er blieb stumm. Er brachte nichts über seine Lippen und in ihm brach die Panik aus. Scheinbar hatte er Chan mit irgendetwas vergrault, ohne, dass er es bemerkt hatte und so suchte er nach irgendwelchen Gründen, was den Älteren dazu brachte, sowas zu sagen. Ihm schlug das Herz bis zum Hals, während ihm abermals die Tränen in die Augen stießen. "Du bist viel zu lang schon nur mein Freund, weil ich mich nie traue, über meinen Schatten zu springen." Erneut nahm Chan einen Schluck und erhoffte sich, dass sich dadurch seine Nervosität legen würde. Wenigstens auch nur ein kleines Stück, denn jetzt konnte er sich keinen Rückzieher erlauben. Das würde er sich nicht verzeihen können.
"Wir sind jetzt fast vier Jahre zusammen und damals warst du derjenige gewesen, der seine Gefühle gestanden hatte, weil ich es nie konnte. Meine Angst, zurückgewiesen zu werden, war damals zu groß und jetzt habe ich beinahe wieder mit der selben Angst zu kämpfen, wie damals, obwohl es völliger Schwachsinn ist... Es gibt keinen Grund dazu. Jeden Tag, jedes Mal, wenn ich neben dir auf wache, ich sehe wie du mich mit dem gleichen verliebten Blick ansiehst, du meine Nähe suchst, wenn dir alles zu viel wird und wie du mit Junhyuk umgehst, weiß ich, dass du derjenige bist, mit dem ich meine Zukunft verbringen möchte. Gleichzeitig frag ich mich aber auch, wie ich so einen Menschen, wie dich, verdient habe..."
Und dann schwieg Chan wieder, schaute starr auf die Maserung des Tisches und versuchte sich irgendwelche weiteren Sätze zusammenzureimen, um dieser Frage entgehen zu können, die er ihm am Ende doch stellen musste. Eigentlich wollte er sie nicht stellen, aber er fühlte sich verpflichtet dazu. Denn Jeongin war nie jemand, der viel von Hochzeiten hielt, das hatte er ihm ganz klar gesagt. Für ihn war es mehr als in Ordnung, wenn sie nicht heirateten. Der Ältere zeigte ihm schon genug seine Liebe. Für Chan war es wiederum um so wichtiger. Er wollte nicht nur, dass ihr Sohn seinen Nachnamen trug, sondern auch Jeongin, denn dann würde ihre bisher kleine Familie zu einem gewissen Teil vollendet sein. Und genauso mochte er es, dass sie sich das Versprechen gaben, einander für immer zu lieben, bis dass der Tod sie schied.
"Deswegen wollte ich dich fragen, ob du mich heiraten möchtest."
Mit großen, glasigen Augen musterte Jeongin seinen Freund. Für ihn fühlte sich die Situation so surreal an, dass Chan um seine Hand anhielt. Allein ein hektischer werdendes Nicken beantwortete die Frage, sodass ihm der Ältere den Ring, der sich in der kleinen, schwarzen Schatulle befand, an den Ringfinger seiner linken Hand ansteckte. Der Schwarzhaarige spürte, wie nervös sein nun Verlobter war, da seine zitternden Hände nicht unbemerkt blieben. Irgendwie fand er es doch ziemlich putzig, wie sich Chan verhielt und dass er sich darüber solche Gedanken gemacht hatte. Als sich der Ältere wieder aufrichtete, verband er seine Lippen mit denen von Jeongin, steckte all seine Liebe hinein, die er ihm geben konnte. Als sie sich von einander gelöst hatten, gab er auch Junhyuk einen kleinen Kuss auf seinen Kopf, nur um diesen dann vorsichtig zu streicheln.
Die Anspannung verfolg jedoch nicht, da Jeongin den Ring ausgiebig musterte, aber ein Lächeln auf seinen Lippen lag.
"Gefällt er dir?", fragte Chan, als er noch immer keinen Mucks vom Jüngeren gehört hatte, der sich anscheinend einen kleinen Spaß daraus machte, ihn auf die Folter zu spannen. Der Ring war in einem schlichten Silber gehalten, so wie er es mochte. Jeongin hielt nie etwas von Ringen, die aufwendig gemacht und teuer aussahen. Das war nicht er und das wusste Chan. Umso mehr schätzte es der Koreaner, dass er auf seine Wünsche einging.
"Ja, sehr sogar."
"Das freut mich sehr zuhören, Bang Jeongin."
E N D E
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