72. Anruf
Mitte März 2012
"Er ist verdammt wütend auf mich, weil er jetzt weiß, dass ich dir alles erzählt habe. Naja, nicht ganz alles, aber genug, um alles zu versauen."
"Wieso versauen?"
"Der Idiot nimmt seine Medikamente einfach nie regelmäßig. Ich muss ihn täglich daran erinnern, und was macht er? Mich ignorieren und mir die Tür vor der Nase zuschlagen. Oder noch besser: er macht sie mir gar nicht erst auf und schreibt lieber über sein Handy, dass er nicht aufstehen wird, um mir "die scheiß Tür" zu öffnen. Aber mit diesem verdammten Alkohol wird das sowieso nichts."
"Alkohol?"
"Ja, er ist abhängig. Und das schon seit Langem. Er hat sich wieder völlig die Kante gegeben!"
"Ich-"
"Du weckst in ihm Gefühle, die er schon längst unter der Erde begraben hatte."
"Und was ist, wenn ich ihm sage, dass ich ihn liebe?"
"Ihr habt euch noch nie getroffen; das ist verrückt und schlichtweg überhaupt nicht möglich, Winston."
"Was weißt du denn schon davon?!"
"Winston ..."
"Nein, sei still. Du hast keine Ahnung, was ich für eine Verbindung zu ihm aufgebaut habe, okay?"
"Ich finde deine Hoffnung und deinen unermüdbaren Optimismus wirklich bewundernswert. Aber wenn du hier sein würdest, wo sich die Realität abspielt, inmitten der vielen leeren Flaschen und dem Gestank von Zigaretten, dann würdest du freiwillig kehrtmachen."
"Nein, ich könnte ihm helfen."
"Helfen? Denkst du, ich tue das nicht schon mein halbes Leben? Ich kenne ihn seit über zehn Jahren. Und wenn du damit auf einen Entzug anspielst, dann kann ich dir nur sagen, dass er schon mehrere hinter sich hat. Er wurde jedes Mal rückfällig und hat es letzten Endes aufgegeben."
"Da war er aber alleine.
Jetzt wäre ich da."
"Ich würde dir so gerne glauben und daran festhalten, doch ich halte das für unwahrscheinlich. Selbst ich bin mit meinen Nerven irgendwann am Ende. Nochmal kann ich das nicht, Winston ... Ich kann nicht mehr mit ansehen, wie sich mein bester Freund immer ein Stück mehr zerstört. Bis er sich ganz auflöst."
"Ich kann es. Ich habe die Geduld und die nötige Kraft. Lass es mich wenigstens versuchen, ja?"
"Tu, was du nicht lassen kannst. Aber ich warne dich: du wirst dich an ihm verbrennen."
"Dann ist das eben so."
"Hmh. Warte einfach eine Weile. Er wird sich hoffentlich schon von ganz alleine melden, wenn er das Handy hat. Ich rede auch nochmal mit ihm."
"Danke, Lennie."
"Bis dann."
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