[3/4] Besuch von Freunden
Anfang Juni 2012
"Ich möchte gehen. Am besten jetzt sofort", platzte Winter heraus, als Winston gerade mit einem Essenstablett ins Zimmer kam.
Der Jüngere stellte das Tablett ein wenig überrumpelt ab, denn er musste die neue Information erst einmal verarbeiten.
"Aber deine Infusionstherapie ist noch nicht abgeschlossen."
"Therapie hin oder her. Ich werde gehen, auch gegen ärztlichen Rat."
"So wie bei den vielen anderen Malen auch?", konfrontierte Winston ihn ohne mit der Wimper zu zucken, "ja, ich weiß davon. Lennie hat es mir erzählt."
"Das wundert mich nicht. Er plaudert gerne alles heraus, wenn es um dich geht."
"Bist du etwa eifersüchtig?"
"Eifersucht? Was ist das?"
Winston verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Fakt ist, dass du hier bleibst. Ich kette dich persönlich an dein Bett, und glaub mir, ich bin stärker als ich aussehe", sagte er grinsend und zwinkerte letztendlich noch.
"Das will ich sehen."
"Fordere mich lieber nicht heraus."
"Sonst?"
Der Jüngere setzte gerade zu einer Antwort an, doch da klopfte es an der Tür und wenige Sekunden später kam Lennie mit seiner Frau herein.
"Na, altes Haus?, begrüßte er seinen Freund, während er ein leichtes Lächeln auf den Lippen trug. Dann warf er einen Blick nach rechts.
"Hey, Winston."
"Hallo", murmelte dieser, ein wenig traurig, weil sein Moment mit Winter zerstört wurde. Aber er würde zu einem späteren Moment noch eine weitere Chance bekommen.
"Was machst du denn hier?", fragte dann auch Winter, der die Anspannung und das Unbehagen von Winston förmlich spüren konnte, obwohl er diesen und dessen Körpersprache erst seit einigen Tagen richtig kennen gelernt hatte.
"Dich besuchen und nachsehen, ob alles gut läuft."
Winter hatte diese Antwort in der Vergangenheit bereits zu oft gehört, weshalb er gar nicht darauf einging. Er sah lieber Winston an, der nervös an seiner Arbeitskleidung herumzupfte. Es entkam ihm ein leichtes Seufzen, doch er presste seine Lippen schnell wieder aufeinander, als er merkte, dass er von Lennie und Rose angestarrt wurde.
"Stören wir?", meldete sich Rose nun ebenfalls zu Wort.
"Deine Aufmerksamkeit scheint gerade woanders zu liegen, also können wir kurz rausgehen", schlug sie lächelnd vor. Sie war immer gut gelaunt und das nervte Winter. Aber es schockierte ihn auch nicht, denn sie war glücklich verheiratet und hatte ein Kind. Was will man mehr?
"Nein, schon gut", nuschelte Winter perplex und peinlich berührt davon, dass man ihm das Bewundern des jüngeren so leicht ansah.
"Ich lasse euch erstmal alleine", äußerte Winston so beiläufig wie möglich, "bis später."
Und dann verschwand er auch schon aus dem Zimmer, bevor man ihn aufhalten konnte. Winter war zutiefst enttäutscht und diese Enttäuschung sah man ihm auch an.
"Du musst mir alles erzählen, Winter!", quietschte Rose, die sich einen Stuhl schnappte und diesen an dessen Bett stellte. Anschließend nahm sie Platz und überschlug die Beine, während sie sich nach vorne lehnte.
"So verliebt hast du nämlich noch nie ausgesehen", flüsterte sie ihm zu.
Winter konnte nicht anders als sie entgeistert anzusehen und darauffolgend nervös zu lachen.
"Verliebt? Wovon redest du da?"
"Ja, verliebt. Die Art und Weise, wie du ihn ansiehst, wenn er deine Blicke nicht erwidert. Du bist völlig verloren."
Winter sah hilfesuchend zu seinem Freund, der bloß die Schultern hochzog und zu seiner Frau sah. Er gab ihr also recht. Was für ein Arsch, dachte sich Winter.
"Nein. Nein, träumt weiter und lasst mich damit in Ruhe. Ich will davon nichts wissen."
"Das willst du bloß nicht, weil du Angst hast. Du hast Angst wieder zu lieben. Und das alles wegen-"
"Es reicht!"
Rose und Lennie warfen sich verzweifelte Blicke zu, entschieden sich aber dafür, es dabei zu belassen.
"Okay, Winter. Anderes Thema ... Wie geht es dir?"
"Gut, blendend, perfekt. Ich will gehen. Sofort."
"Das kannst du noch nicht, Winter. Der Arzt meinte erst am Montag."
"Das sind aber noch drei Tage! Ich halte es hier nicht mehr aus."
"Warum? Du hast doch Winston."
"Winston", schnaufte Winter spöttisch, "du meinst den Winston, den ich absichtlich geschlagen habe, damit er mich hasst und endlich verschwindet? Der aber das Gegenteil davon tut und mich behandelt, als wäre ich aus Porzelan? Der jede halbe Stunde in mein Zimmer hereingeplatzt kommt, weil er denkt, ich würde mir irgendwas antun wollen?"
"Verdammt, Winter. Jetzt halt endlich mal deinen Mund. Du bist so blind, dass du gar nicht merkst, was er immer noch für dich empfindet", sagte Lennie, dem sein Kragen auch bald zu platzen drohte.
"Vielleicht will ich das auch gar nicht."
Winter wandte sein Gesicht ab, sodass er wieder aus dem Fenster schauen konnte. Sie hatten recht, er hatte Angst. Davor wieder zu lieben und wieder zu verlieren, was er so sehr liebte. Er hatte Angst vor der Zukunft und ob es überhaupt eine Zukunft für ihn gab. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass er eine Zukunft mit Winston haben könnte. Auch wenn die Chance darauf sehr gering war. Doch sie bestand dennoch.
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