[2/4] Chance auf Versöhnung

Anfang Juni 2012

"Du siehst schlecht aus, Winter. Als hättest du wochenlang kein Auge zugemacht, obwohl du im Koma lagst. Als wärst du zehn Jahre gealtert ... "

Die Mundwinkel des älteren zuckten vor Spott leicht, doch er wollte seinem Gegenüber nicht in die Augen sehen. Sein leerer Blick war auf das Fenster des Krankenzimmers gerichtet, im Hintergrund hörte man die Beatmungsmaschinen anderer Patienten. Es machte ihn krank.

"Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein. Du ignorierst mich? Schon wieder?"

Winston wedelte mit einer Hand vor dessen Gesicht, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.

"Sieh mich an, wenn ich mit dir rede, Winter."

Der ältere gehorchte, indem er sein Gesicht in die Richtung des jüngeren drehte.

"Du siehst gut aus."

Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch es schien als würde er überhaupt nicht wahrnehmen, was er dort sagte. Er war in seiner eigenen Welt gefangen. In seinem Selbsthass und den Schuldgefühlen, die ihn erstickten.

"Dann hättest du mich mal nach der Aktion in der Bar sehen sollen", meinte der Auszubildene trocken und strich sich unruhig über seinen hellblauen Kasack. Hellblau - die Farbe der Schüler unter den Pflegekräften.

"Du hasst mich, ja? Gut so."

"Was? Nein, ich hasse dich nicht. Ich bin bloß enttäuscht und verletzt. Hassen ist ein viel zu starkes vernichtendes Wort. Aber weißt du wie gerne ich dir auch eine reinhauen würde? Doch dann wäre ich nicht besser als du."

Winter konnte ihm nicht länger in die Augen sehen, ohne an den Schlag seiner eigenen Faust zu denken.

"Ich schäme mich."

Winston wusste keine Antwort darauf und schüttelte leicht und mit fassungslosem Gesichtsausdruck den Kopf.

"Kannst du nicht einfach gehen?"

"Nein, kann ich nicht ... Ich arbeite doch hier", rechtfertigte er sich.

"Ich meine aus dem Zimmer."

"Wie du willst. Aber ich schaue nachher nochmal vorbei, ob alles in Ordnung ist."

Winter zuckte die Achseln, weil er mittlerweile wusste, wie stur Winston war und dass man ihn nicht so schnell von seinen Gedanken abbringen könnte.

"Tu, was auch immer du nicht lassen kannst, Winston."

"Also darf ich dir eine Ohrfeige verpassen?", kam es zurück und der ältere war sich nicht sicher, ob Winston schmunzelte.

"Nur zu, ich bin ja gerade wehrlos", meinte Winter und breitete seine Arme aus, um seinen schutzlosen Körper zu präsentieren, der in einem der typischen Kittel für Patienten gekleidet war. In einer Armbeuge steckte eine Flexüle, die mit einem Infusionsschlauch verbunden war. Er führte zu einer durchsichtigen Flüssigkeit, die gleichmäßig tröpfelte.

"Das war ein Witz, Winter. Ruh dich aus, ich komme später wieder."

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