Chapter Six

Julian
28.09.2020, London

Mit Tränen in meinen Augen schaute ich hoch zu Kai, welcher mir zwar zulächelte, aber ich erkannte, dass er nur versuchte stark zu wirken.
Noch ein letzten Mal drückte ich mich fest an seinen großen Körper und spürte seine starken Arme um meinen Körper. Fest zog ich seinen Geruch ein und ich fühlte mich, wie bei einem Deja-Vu. Dieser Moment erinnerte mich viel zu deutlich an unseren Abschied in Leverkusen von vor ein paar Wochen. Nur hoffentlich mit dem Unterschied, dass die zukünftigen Wochen hoffentlich nicht so schlimm werden würden.
„Ich möchte nicht gehen.", schluchzte ich leise und vergrub meinen Kopf noch tiefer in die Halsbeuge von Kai. Seine langen Finger spürte ich in meinen blonden Haaren und ich spürte seine weichen Lippen sanft auf meiner Schläfe.

„Bitte weine nicht, Jule.", hauchte Kai leise und löste sich so weit von mir, dass er mir die Tränen von der Wange wischen konnte. „Ich würde dich am liebsten auch hier bei mir behalten und den ganzen Tag mit dir auf der Couch kuscheln, aber wir beide wissen, dass das nicht geht.", zitterte die Stimme von Kai ebenfalls und ich musste leise Lachen bei dieser Vorstellung. Ich hätte auch nichts gegen diese Idee von Kai, aber leider hatte er auch recht. „Ja, ich weiß ja, dass es nicht geht, aber ich möchte trotzdem nicht gehen.", gab ich zu und schniefte kurz. „Ich werde dich so vermissen, mein kleiner Idiot.", hauchte ich leise und blickte tief in seine blauen Augen. „Und wehe du rufst mich nicht spätestens heute Abend an. Ich schwöre dir, dass ich dich eigenhändig umbringen werde, wenn du mich wieder so ignorierst.", piekste ich meinen Zeigefinger in seine Brust und sah ihn ernst an.

Die letzten Wochen waren der Horror für mich und ich wollte diese auf keinen Fall wiederholen müssen. Mit Kai war alles geklärt, wir haben uns - wenn auch etwas umständlicher als geplant - ausgesprochen und waren jetzt wirklich ein Paar. Ich hatte so lange davon geträumt und das ich Kai nun endlich meinen Freund nennen durfte, was um ehrlich zu sein das war, was ich so lange schon wollte.
Um nichts in der Welt würde ich Kai eintauschen. Wenn ich die Wahl zwischen dem entscheidenen Tor in der Weltmeisterschaft zu schießen oder Kai hatte, dann würde ich ohne zu zögern Kai wählen.

„Keine Sorge Jule. Ich melde mich sofort, schreibe dir wahrscheinlich schon während dem Flug.", nahm er vorsichtig meine Hand von seiner Brust und verwob sie mit seinen eigenen Fingern. „Ich liebe dich.", hauchte er leise und lehnte kurz seine Stirn gegen meine. Mein Herz schmolz nur so dahin und mir wurde ganz warm. Diese Worten waren so neu aber auch so unbeschreiblich schön von ihm zu hören. „Ich liebe dich auch, Harvey.", lächelte ich vorsichtig und genoss noch ein letzten Mal seine Nähe. Seine Lippen ganz kurz auf meiner Stirn und seine Hände fest in meinen. Alles genoss ich. Die Wärme die mich bei ihm umhüllte und seinen wohligen Geruch. Seine Stimme die mir gerade die wohl schönsten Worte der Welt zugeflüstert hatte und die mich die letzten Wochen in den Schlaf verfolgt hatten.

„Gott, dass erinnert mich zu sehr an den Tag vor achtzehn Tagen in Leverkusen.", murmelte Kai und fuhr sich leicht durch die Haare. Seine braunen Locken waren angenehm in seine Stirn gefallen, was man allerdings unter der Kapuze nicht so gut sehen konnte. Kurz musste ich nachdenken, bis mir auffiel, dass es genau achtzehn Tage her war, seitdem also in diesen Flieger nach England gestiegen war. Hatte er sich dieses Datum so explizit gemerkt? Natürlich hätte auch ich sagen können, an welchem Datum er losgeflogen war, aber Kai konnte sich partout keine Daten merken. Ich war froh, dass er meinen Geburtstag noch nie vergessen hatte.

„Und mich erst. Aber es wird nicht so wie damals. Es wird anders, besser anders.", erklärte ich und war vollkommen überzeugt von meinen Worten. Mir war klar, dass Kai und ich das meistern würden und er bewies es mir nochmal mehr, als ich in seine glänzenden Augen gesehen hatte.
„Ich liebe dich.", hauchte Kai und ich erwiderte seine Worte, bevor ich mich auf die Zehnspitzen stellte und ihm einen Kuss auf die Lippen drückte.

Mein Körper begann sofort wieder zu Kribbeln, meine Lippen pulsierten leicht, aber es war leider nur ein kurzer Kuss. Ein Kuss, der mir normalerweise definitiv viel zu kurz war, aber jetzt nunmal ausreichen musste. Lediglich die Kapuzen, die wir tief in unsere Gesichter gezogen hatten, schützen uns vor der Öffentlichkeit.
Es brach mein Herz, als ich die Durchsage hörte und mir bewusst wurde, dass ich jetzt los musste; anderseits würde ich den Flieger verpassen. Ein letztes Mal drehte ich mich um und sah mit glänzenden und wässrigen Augen zu meinem Freund, welcher mich auch nicht anders anlächelte. Ich hob kurz meine Hand, winkte ihm zu und sah, wie auch er kurz seine Hand hob.

Meine Knie zitterten leicht als ich in dem Flugzeug saß und ich spürte regelrecht, wie sich mein Herz weigerte los zufliegen. Er schrie danach einfach wieder auszusteigen und zu Kai zu gehen. Tränen glitzerten in meinen Augen und ich wischte mir hoffentlich unbemerkt einmal über die Augen.
Gerade als ich mein Handy ausschalten wollte, vibrierte es und zeigte tatsächlich eine Nachricht von Kai. Verwirrt öffnete ich unseren Chat und sofort kamen mir mehr Tränen nach dieser Nachricht.

„Ich hab zwar keine Ahnung, wann du
diese Nachricht ließt, aber ich wollte dir
nur nochmal sagen, dass ich dich über
alles liebe und dich jetzt schon vermisse."

Seine Worte zauberten mir, ohne das ich es wollte, ein Lächeln ins Gesicht und ich tippte ebenfalls ganz kurz eine Nachricht in mein Handy ein, bevor ich den Flugmodus aktivierte und meine Augen für ein Schläfchen schloss.

Ich liebe dich auch, Harvey. Und ich vermisse dich auch. Ich melde mich,
wenn ich gelandet bin."

Der Flug war nicht lange und auch wirklich nicht so schlimm. Es schrie kein Baby pausenlos und auch keiner meiner Mitfliegenden Menschen machte irgendwelche Faxen.
Worüber ich im Nachhinein wirklich froh war war, dass ich völlig spontan, ohne irgendwelche Planung zu Kai geflogen war und somit auch keinen richtigen Koffer gepackt hatte. Was bestimmt auch daran lag, dass ich dachte, dass er mich sofort rausschmeißen würde. Ich hatte also Klamotten von Kai bekommen und nur mein Aufladekabel bei gehabt. Es war so voll am Flughafen und ich hätte definitiv keine Lust gehabt, hier noch ewig zu warten und nach meinem Koffer zu schauen.

Ich suchte die Menschen ab, die offenbar auch auf ihre Freunde und Liebsten warteten. Aber ich suchte nur Marco mit meinem Blick, was anhand der Menge wirklich nicht so leicht war. Doch dann erblickte ich den gebürtigen Dortmunder, welcher mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu mir sah und anfing, wie ein bekloppter zu Winken. Sofort schüttelte ich meinen Kopf und musste stark ein Grinsen unterdrücken. Der Typ schaffte es echt, dass ich meinen Liebeskummer, zumindest für eine kurze Zeit, vergaß.

„Na, wie geht es unserem Mister-Nicht-Mehr-Single?", kam er auch schon auf mich zu und legte seinen Arm um meine Schultern. Sofort wurde ich rosig um die Wangen und ich musste wahrscheinlich lächeln, wie ein verliebter Idiot. Kurz verpasste ich ihm einen Hieb in die Seite und schüttelte kurz meinen roten Kopf. „Mir geht's gut, du Idiot.", lächelte ich leicht und folgte meinem Kapitän zu seinem Auto. „Nicht so ausfällig, Julchen.", tätschelte er mir schief grinsend meinen Arm. „Aber es freut mich, dass es bei euch gut gegangen ist. Und das es dir besser geht.", lächelte er zu mir. Und ich freute mich auch. „Ich wollte dir noch danken; ohne dich - und Mario - wäre ich wahrscheinlich nie zu ihm geflogen.", sprach ich ihm meine erstgemeinte Dankbarkeit aus und umarmte ihn von der Seite kurz. „Ach, kein Problem. Und Mario hat sich übrigens riesig gefreut, als ich ihm von euch erzählt habe. Er möchte heute unbedingt alles genau von dir wissen.", erzählte er mir und ich musste lachen. Liebend gern würde ich ihm alles von Kai und mir erzählen, außer vielleicht von dem Anfänglichen Drama. Denn Kai war definitiv mein Lieblingsthema und ich konnte Stundenlang von ihm erzählen.

Ich kramte mein Handy aus der Tasche und spürte sofort, wie meine Knie weich wurden und mir Hitze in das Gesicht trat. Das ich Kai liebte war mir schon vorher bewusst, aber durch seine kleinen Gesten machte er alles noch viel besser und zeigte mir auch, wie sehr er mich liebte.

„Ich weiß nicht, ob ich es heute
schon erwähnt habe, aber
ich liebe dich, Juli."

[1424 Wörter]

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